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                                                                                       Ungefähr 30 Febr 1778
     Monsieur
                              35
                    Nach 22 Febr 78

             mon trés chér Pére!
                                                                       1778

wir haben ihren brief von 23:ten richtig erhalten; ich hoffe daß ich künftigen freÿtag
oder Samstag die arien bekomen werde, obwohlen sie in ihrem lezten keine mel=
dung mehr davon gemacht haben, und ich mithin nicht weis ob sie selbe gewis
den 22:ten mit den Postwagen weg=geschickt haben, – – ich wünsche es; den ich
möchte sie der Mad:selle weber hier noch vorspiellen, und vorsingen.
gestern war ich beÿm Raff, und bracht ihm eine aria die ich diese täge für ihn
geschrieben habe. die wörter sind: se al labro mio non credi, bella nemica mia etcet:
ich glaub nicht das der text vom Metastasio ist. die aria hat ihm überaus gefallen.
mit so einem Man mus man ganz besonders umgehen. ich habe mit fleis diesen
text gewählet, weil ich gewust habe, daß er schon eine aria auf diese wörter hat;
mithin wird er sie leichter und lieber singen. ich habe ihm gesagt, er soll mir
aufrichtig sagen, wen sie ihm nicht taugt, oder nicht gefällt; ich will ihm die
arie ändern wie er will, oder auch eine andere machen. behüte gott,
hat er gesagt, die aria muß bleiben, denn sie ist sehr schön, nur ein wenig
bitte ich sie, kürzen sie sie mirs ab, denn ich bin izt nimer so im stande zu
Souteniren. von herzen gern, so viell sie wollen, habe ich geantwortet;
ich habe sie mit fleis etwas länger gemacht, den wegschneiden kan man allzeit,
aber dazusezen nicht so leicht. nachdem er den andern theil gesungen hat,
so that er seine brülle herab, sah mich gross an, und sagte – – schön, schön!
das ist eine schöne seconda parte; und sange es 3 mahl. als ich weg=gieng, so
bedanckte er sich sehr höflich beÿ mir; und ich versicherte ihn im gegentheil, daß
ich ihm die aria so arangiren werde, daß er sie gewis gerne singen wird; den ich
liebe daß die aria einem sänger so accurat angemessen seÿ, wie ein gutgemachts
kleid. ich habe auch zu einer übung, die aria, non sò d'onde viene etc: die so
schön vom Bach componirt ist, gemacht, aus der ursach, weil ich die vom Bach so
gut kene, weil sie mir so gefällt, und imer in ohren ist; den ich hab versuchen wollen,
ob ich nicht ungeacht diesen allen im stande bin, eine Aria zu machen, die derselben
vom Bach gar nicht gleicht? – – sie sieht ihr auch gar nicht, gar nicht gleich.

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MOZARTEUM

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Diese aria habe ich anfangs dem Raff zugedacht, aber der anfang gleich schien mir für
den Raff zu hoch, und um ihn zu ändern gefiel er mir zu sehr, und wegen sezung
der instrumenten schien er mir auch für einen sopran besser, mithin entschloss
ich mich diese aria für die weberin zu machen; ich legte sie beÿseit, und nahm
die wörter se al labro etc: für den Raff vor. ja, da war es umsonst; ich hätte
ohnmöglich schreiben könen, die erste aria kam mir immer in kopf. mithin
schrieb ich sie, und nahm mir vor, sie accurat für die weberin zu machen.
es ist ein Andante sostenuto |: vorher ein kleins Recitativ :| in der mitte der anderte
theil, nel seno à destarmi, dan wieder das sostenuto. als ich sie fertig hatte,
so sagte ich zur Mad:sle weber; lernen sie die aria von sich selbst; singen sie sie
nach ihrem gusto; dan lassen sie mir sie hören, und ich will ihnen hernach aufrichtig
sagen, was mir gefällt, und was mir nicht gefällt. nach 2 tägen kam ich hin,
und da sang sie mirs, und accompagnirte sich selbst. da habe ich aber gestehen
müssen, daß sies accurat so gesungen hat, wie ich es gewunschen habe, und
wie ich es ihr lernen hab wollen. das ist nun ihre beste aria die sie hat; mit
dieser macht sie sich gewis überall Ehre, wo sie hinkomt. gestern habe ich beÿm
wendling die aria die ich ihr versprochen scizirt; mit einem kurzen Recitativ.
die wörter hat sie selbst verlangt, aus der Didone. ah non lasciarmi nò.
sie und ihre tochter ist ganz närrisch auf diese aria. der tochter habe ich noch
einige französische ariettes versprochen, wovon ich heüt eins angefangen habe.
wen sie fertig sind, so werde ich sie, wie die erste, auf klein Papiere schicken.
von die 6 Clavier sonaten habe ich noch 2 zu machen, ich habe aber keine Eile
damit, den ich kan sie hier nicht stechen lassen; mit suscription ist hier
nichts zu machen, es ist eine bettlereÿ, und der kupferstecher will sie auf
seine unkösten nicht stechen; er will mit mir Moitiè von verkauf seÿn.
da lass ich sie lieber zu Paris stechen, da sind die stecher froh wen sie
was neües bekomen, und zahlen braf; und mit suscription kan man auch eher
etwas machen. ich hätte ihnen schon längst nach und nach die sonaten abschreiben
lassen, und geschickt; ich dachte aber, ich will sie ihnen lieber schicken wen sie
gestochen sind. Ich freÿe mich auf nichts als auf das Concert spirituelle zu
Paris, den da werde ich vermuthlich etwas Componiren müssen; das orchestre

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seÿe so gut und starck; und meine haupt=favorit=komposition kan man dort
gut auführen, nemlich Chöre; und da bin ich recht froh das die franzosen viell
darauf halten. das ist auch das einzige was man in Piccini seiner neüen
opera Roland ausgestellt hat, das nemlich die Chöre zu nackend und schwach
seyen, und überhaupst die Musique ein wenig zu einförmig. sonst hat sie aber
allen beÿfall gefunden. zu Paris war man izt halt die Chöre von gluck ge=
wohnt. verlassen sie sich nur auf mich; ich werde mich nach allen kräften be=
mühen dem Namen Mozart Ehre zu machen. ich hab auch gar nicht sorg darauf.
aus den vorigen briefen werden sie alles ersehen haben, wie es ist, und
wie es gemeint war; ich bitte sie, lassen sie sich nicht öfter den gedancken in
kopf komen, daß ich auf sie vergessen werde! – – den ich kan ihn nicht ver=
tragen. meine hauptabsicht, war, ist, und wird imer seÿn, mich zu be=
streben daß wir bald zusamen komen, und glücklich – – aber
da heist es gedult; sie wissen selbst besser als ich, wie die sachen oft querre
gehen – – doch wird es schon noch gerade gehen. Nur gedult. hoffen
wir auf gott, der wird uns nicht verlassen. an mir wird es nicht fehlen.
wie könen sie doch an mir zweifeln? – – liegt den mir nicht selbst
daran, daß ich nach allen kräften arbeite, damit ich je eher je lieber
das glück und vergnügen habe, meinen besten und liebsten vatter
von ganzem herzen zu umarmen? – – da sehen sie! – es ist doch
                                                                                     bayern
nichts auf der welt ohne interesse! – wen krieg etwa in bmÿlrn werden
soll, so komen sie doch gleich nach, ich bitte sie. ich habe auf 3 freünde mein
vertrauen, und das sind starcke und unüberwindliche freünde, nemlich
auf gott, auf ihren kopf, und auf meinen kopf. unsere köpfe sind freÿlich
unterschieden, doch jeder in seinem fach sehr gut, brauchbar und nützlich; und
mit der zeit hoffe ich wird mein kopf dem ihrigen in dem fach wo er izt
den meinigen überwieget, doch auch nach und nach beÿkomen. Nun leben sie
recht wohl! seÿen sie lustig und aufgeräumt. dencken sie daß sie einen sohn
haben der seine kindliche Pflicht gegen sie, wissentlich, gewis nie vergessen hat, und
der sich bemühen wird eines so guten vatters imer würdiger zu werden, und
der unveränderlich bleiben wird dero gehorsamster
meine schwester umarme ich vom ganzen herzen.                         wolfgang Mozart mp

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an alle gute freünd und freündinen meine Empfehlung, besonders an hς:
bullinger.
wen sie etwa die arien noch nicht weg=geschickt hätten, so bitte ich sie,
so bald es möglich. sie machen mir dadurch ein wahres vergnügen.
                      der Kurfürst aus          bayern nicht        gestorben
ach, wen nur dlr Cuhrihrot mho bmÿlrn nfcut glotsrbln wäre,
so hätte ich die Messe ausgemacht, und sie Producirt, das hätte ein
grosses aufsehen hier gemacht. ich war just recht aufgelegt dazu,
und da führt der Plunder den verfluchten Doctor sanftl daher! –
info
Mein lieber mann wür Rüchten uns nun allgemach zu unserer
abreise, wann wür nur den wagen guth anbringen könten
so wehre es mir lieb, ich zweifle aber sehr das wür vill darfür
bekommen werden, wür werden aber unser möglichistes thun, und
unsern fleis nicht spahren, das wür gleichwohl 50 f darfür bekomen
sie wollen ihn nicht höcher als 4 Carlin schäzen, und finden ville aus=
stellungen daran, es ist halt alzeit so, wenn mann was verkauffen
will, und hier gar wo es so intresierte leuthe gibt die überall
doplet und dreÿfachen nuzen suchen, und nicht die müinste gefähligkeit
umsonst thuen wollen, ich bin froh wan ich einmahl von hier forth
bin, ich erwarthe diese Zeit mit verlangen, welche gewiss wan
es gottes willen ist, auf das lengste in 14 tägen geschechen soll.
underdessen erwarthe ich deine briefe und was du uns noch
zu schreibς hast mit verlangen, und seye versichert das es alles
nach deinς willen und vorschrifft geschechς solle. lebts beÿde gesund
ich kisse euch vill 10000 mahl und verbleibe wie alzeit dein getreues
                                                                           weib
Am alles gutte freind alles                                 Maria Anna Mozartin
Erdenckliches

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