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Mon trés cher Fils!
                              42
                                    Salzbς: dς 23 febς: 1778
Damit du mich nur gewiß überzeugest, daß du in allen Sachen zerstreut und unaufmerksam bist,
so sagst du gleich anfangs in deinem Brief vom 14, daß du aus meinem Brief vom 9 ersehς,
daß ich deine 2 letztς Schreibς noch nicht erhaltς habe, ich sollte also deinς schwermerischς mich fast
tödenden Brief den du den 5 erst abgeschickt, schon dς 9 beantwortet habς, da du nach
unserm so langen Mannheimer Briefwechsel doch wissen solltest, daß ieder Brief gegς 6
Täg zu lauffς hat, und da ich es auch schon geschribς, daß euere Briefe allzeit diensttag odς frey=
tag
hieher komς, ihr 14 täge keine Antwort darüber lesen könnt. Es würde mir nicht
der Mühe werth gewesen seÿn, dieses herzuschreibς wen es nicht dir zum Unterricht geschehς
wäre, da eine solche Beobachtung für reisende höchst nötig ist. Ich weis einmahl richtig,
wen ihr meine Briefe erhaltς könnt: und war auch bemühet dahin zu sorgς, daß euch alles
zur rechtς Zeit zu handς komt. – allein! was hilft alle meine Genauigkeit, Sorge, Nachdenkς
und zu einem so wichtigς und nothwendigς Unternehmen vätterlich angewandte Bemü=
hung, wen du |: beÿ einer wichtig scheinendς Hinderniß, die etwa die Mama längst
mag eingesehς habς :| kein aufrichtiges Vertrauς zu deinem Vatter hast; und dan
erst deinς Sin änderst, wen man zwischen zweÿ feuer komt und nicht hinter sich und
nicht für sich kan. Wen ich glaube nun ist alles auf besserm Fusse, und in seinem Gang, so komt
wieder im Augenblicke ein närrischer unversehener Einfall, oder zeigt sich am Ende, daß die Sache
anderst war, als du mir solche berichtet hattest. So hab ich es dan also abermahl errathς? – –
du hast also nur 96 f anstatt 200 bekomς? – – und warum? – – weil du ihm nur 2 Con=
certi
und nur 3 quartetti fertig gemacht. – wie viel hättest du ihm machς sollς, da
er dir nur die Helfte bezahlς wollte? – – warum schriebst du mir eine Lüge, daß du
ihm 3 kleine leichte Concertl und ein paar quartette nur machen solltest: warum
folgtest du mir nicht, da ich dir ausdrücklich schriebe; du sollst vor allem diesς Herrn,
sobald es dir möglich, bedienς.
warum? damit du diese 200 f sicher bekomst, weil ich
die Menschς besser kene, als du. – Habe ich nicht noch alles errathς? ich muß also in
der ferne mehr sehς, und beurtheilς, als du, wen du gleich die Leute vor der Nase
hast. Es soll dir kein Zweifl komς, wen ich ein Misstrauς gegς die Menschς habe, mir
zu glaubς, und so sorgsam zu handeln als ich es dir imer predige, du hast es
ja in kurzer Zeit zimlich zu unserm Schaden erfahren. zwar du hast es mit
hς: Wendling schon abgemacht, es müssς dir solche noch bezahlt werdς, du wirst
sie nachschicken. ja – wen hς: Wendling, das, was du itzt geliefert in Paris
an Flautraverfreunde gut anbringς kan, dan wird er suchς noch etwas zu
bekomς. der eine muß bezahlς; der andere macht Gebrauch davon. weiter
schriebst du mir von einem paar Scolarn, und sondςheitl: würde dir der
Holländische Officier für 12 Lectionς 3 odς, wie du gar glaubtest 4 duggattς
bezahlς: itzt komt am Ende heraus, daß du die Scolarς hättest habς könς, weil du
sie aber ein paar mahl etwa nicht angetroffς, so bist du ausgebliebς. Du willst lieber
aus gefälligkeit Lection geben – ja das willst du! und du willst auch lieber deinς alten
Vatter in der Noth steckς lassς, dir, als einem iungς Menschς ist für gute Bezahlung
diese Bemühung zu viel, deinem altς 58 jährigς Vatter stehet es besser an um
eine elende Bezahlung herum zu lauffς, damit er sich und seiner Tochter den nötigς
Unterhalt mit Mühe und Schweis verschaffet und dich allenfalles mit dem bischen
was noch da ist, anstatt die schuldς zu bezahlς, unterstützς kan, da du dich
unterdessς unterhaltest einem Mädl umsonst Lection zu gebς. Mein Sohn, denke
doch nach, und gieb deiner Vernunft Platz! denke nach, ob du nicht grau=
samer mit mir verfährst als unser Fürst. von ihm hatte ich mir eben nichts
zu versprechς. – von dir versprich ich mir alles – von ihm muß ich alles als eine
Gnade erwarten. – von dir kan ich alles aus Kindlicher Schuldigkeit hoffς.
Er ist mir endlich fremd – du aber bist mein Sohn – – du weist was ich seit

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mehr dan 5 Jahren ausgestandς – ja vielles wegς deiner mir zu herzς genomς. das
betragen des Fürstς konnte mich nur niederbeugen; du kanst mich zu bodς schlagς: er konnte
mich nur Krank machς; du aber kanst mich um das Lebς bringς. hätte ich deine
Schwester und den hς: Bullinger, diesen wahrς freund, nicht, so würde ich dir
vermuthlich diesen Brief, an dem ich schon 2 täge schreibe, nicht im Stande seÿn
zu schreibς. Aller Welt muß ich meine Angst verbergen, diese sind die einzigς
2 Personς, die alles wissen därffς, und die mich tröstς. Ich vertraute auf die
Wahrheit alles dessen, was du mir schriebst; und da alles hier die inigste freude
hat, wen es dir wohl geht, und mich imer um dich fragten, so erzehlte ich mit
Vergnügen, daß du dir Geld verdienst umständlich, und daß du dan nach
Paris gehς wirst; du weist daß man sich eine freude daraus macht dem
Erzbischof         Verdruß
lrzbfcusii vlrdrhoo zu machς; es fehlte nicht an Leutς, welche diese Erzehlung
dazu brauchtς. da du in Manheim 150 f nehmς musstest, war der alte Hς: Hagen=
auer
sehr betrübt, dan diese Leute wünschen uns Verdienste und Einnahme.
da ich ihm aber, das, was du mir geschriebς, sagte, und daß euch euere
Verpflegung nichts kostet und du 200 f bekomen werdest, auch Scolarς hättest,
so war er sehr vergnügt. ich muste ihn natürlicher weise bittς, er möchte
wegen der Bezahlung der 150 f gedult habς; so antwortete er mir: Eÿ was!
Ich habe alles Vertrauς auf den hς: Wolfgang, er wird als Sohn schon seine
Schuldigkeit thun, lassen sie ihn nur nach Paris komς; und lebς sie ruhig.

erwege nun diese Worte, und die itzigen Umstände, und sag, ob mich
nicht der Schlag treffς soll, da ich als ein ehrlicher Man dich so in
dieser Lage nicht lassς kan, es koste was es wolle. du kanst versichert
seÿn, daß keine Seele weis, daß wir die 150 f nach Manheim übermacht, den
                                                    Erzbischof
die Hagenauerischς würdς dem lrzbfcusii in Ewigkeit diese Freude nicht machς:
allein wie werdς sich diese Freunde nicht abermahl betrübς, da ich dich
wieder mit Geld unterstüzς muß, um dich nach Paris zu bringς. daß aber
dieser der einzige veste Entschluß bleiben muß, daß will ich dir beweisς. an den Vor=
schlag herumzureisen ist, sonderheitl: beÿ den dermaligen Critischς Umständς, nicht ein=
mal zu gedenkς: man gewint oft nicht einmal die Reiseköstς; man muß beständig
an allen Ortς bittς und Betteln und Protecktion suchen damit das Concert einträglich wird,
imer neue Recomandationsbriefe von einem Ort zum andern suchς, Erlaubniß bittς
um ein Concert geben zu könς, und hundert mit unterlaufende oft niederträchtige
Umstände ergreiffς, die am Ende kaum so viel einbringς, daß
man den Wirth zahlen kan, und zur Reise sein aigenes Geld |: wen man eines
hat :| beysetzς, odς Kleider uhrς und Ringe versetzς odς verkauffς muß. das erste
habe erfahrς. in Frankfort muste ich beÿ hς: ollenschlager 100 f herausnehmς,
und in Paris nahm ich gleich beÿ meiner Ankunft 300 f von Tourton und
Baur,
davon ich freilich nach der Hand nicht viel brauchte, weil wir bald
zu verdiensten kahmς: allein anfangs mustς wir erst bekannt werden,
Briefe abgeben &c: und das brauchte an einem so grossen Ort seine Zeit, da
man die Leute nicht allzeit antrift odς sprechen kann.
[
Mein lieber Wolfgς: du
überzeugst mich in allen deinς Briefen, daß du beÿ dem ersten hitzigen Gedankς
der dir in kopf komt odς in Kopf gebracht wird imer sitzς bleibst ohne die Sache
recht zu überlegς und auseinander zu setzς. zum Beÿspiel du schreibst: Ich bin ein
Componist, ich darf mein Talent zur Composition nicht vergrabς pp: Wer sagt dan

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daß du das thun sollst? – beÿm herumzigeunern wurdest du dieß wirkl: thun.
Sich als einς Componistς der Welt bekannt zu machen must du in Paris, Wien, odς
in Italien seÿn. du bist itzt am nähesten beÿ Paris. Es ist itzt nur die frage, wo
ich mehr Hofnung habe mich hervorthun zu könς? in Italiς, – wo in Neapl alleine
gewiß 300 Maestri sind, und wo durch ganz Italiς schon öfters auf 2 Jahre
die Maestri für gutzahlende Theater die Scrittura in Händς habς? odς in Paris,
wo etwa 2 odς 3 fürs Theater schreibς, und die andς Componistς man an den fingern
herzehlς kan? das Clavier muß dir die erste Bekanntschaft und dich beÿ den
Grossen beliebt machen, dan kan man auf Subscription etwas stechς lassς,
welches ein bischen mehr einträgt, als wen man einem Italiänischς Cavalier
6 quartetti Componiert, und etliche duggattς, odς gar ein Tabattierl von 3 duggattς
dafür bekomt. da ist es in Wien noch besser, wenigst kan man da eine
Subscription auf geschriebne Musik machς. beydes hast du und andςe aus
der Erfahrung. Kurz! könnte ich dir mehr gesetztes wesen, oder nur eine
mehrere uberlegung beÿ der Hitze deiner Einfälle beÿbringen, so würde ich
dich zum glücklichstς Menschς der Welt machen. Allein ich sehe, es komt nichts vor
der Zeit. – und doch ist in betreff deines Talents alles vor der Zeit gekomen.
du begreiffest auch alles mit der gröstς Leichtigkeit in den Wissenschaftς. Warum soll es
den nicht möglich seÿn die Menschς kenς zu lernς? – ihre Absichtς zu errathς? – sein
Herz vor der Welt zu verschlüssς? – und beÿ ieder Sache genaue überlegung zu
machen, und sonderheitlich NB nicht imer alleine beÿ der gutς odς mir odς meinς
Nebenabsichtς schmeichelndς Seite sitzς zu bleibς? warum soll ich nicht meine
Vernunft dazu anwendς allzeit die böse Seite aufzusuchς, allς fällς und
Folgen nachzuspührς – und endlich dadurch auf mein interesse zu denkς,
und der Welt zu zeigς, daß ich Einsicht und Vernunft habe? oder glaubst
du es ist mehr Ehre, wen ich mich für einς Narrς haltς, und von andς zu meinem
Schaden auf ihrς Eigennutz hinlenkς lasse, die dan in die Faust lachς und dich
als einς jungς ohnerfahrnς Menschς ansehς, der zu allem zu bereden ist. Mein
lieber Sohn, Gott hat dir eine treffliche Vernunft gegebς. was dich hindert
solche manchmahl nicht recht anzuwendς sind, wie ich einsehe, nur 2 Ursachς.
den wie man sie brauchς soll – und wie man Menschς kenς kan, hast du durch
mich, genug gelernet. du sagtest oft aus spaß, da ich alles so errathς konnte,
alles so oft voraus sahe: der Papa komt gleich nach Gott. Was meinst du
wohl was dieß für zwo ursachς sind? – untersuche dich, lerne dich könnς
mein lieber Wolfgς: – du wirsts findς: es sind ein bischen zu viel Hochmuth,
und Eigenliebe; und dan daß du dich gleich zu familiär machst, und
iedem dein Herz öffnest, kurz! daß du, da du ohngezwungς und natürlich
seÿn willst in das gar zu offenherzige verfällst. das erste sollte zwar
das letztere verdrengen. dan wer Hochmuth und Eigenliebe besitzt wird
sich nicht leicht zur familiarität herablassen. Allein dein Hochmuth
und aigenliebe wird nur beleidiget, wen man dir nicht gleich die gebührende
Hochschätzung erzeuget: so gar Leute die dich noch nicht kenς, solltς dirs an dς
Stirne lesen, daß du ein Mensch von Genie bist. Schmeichlern hingegen die

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dich mit absicht dich auf ihrς Eigennutz hinzuziehς, in den Himel erhebς, kanst
du mit der gröstς Leichtigkeit dein Herz öffnς und ihnς in allen, wie
dem Evangelium glaubς. du wirst auch ganz natürlich betrogς, dan sie brauchς
sich nicht zu verstellς, weil das Lob billig ist; sie sagς nicht, was nicht die wahr=
heit wäre und sie sich zwang anthun müstς, solches vorzubringς; nur ihre
Absichtς bleibς dir verborgς,
die dir also Nebenumstände zeigς müssς, und
zeigen könς. und um dich desto gewisser zu fangς mischς sich die Frauen=
zimer
darunter – widerstehest du da nicht, so bist unglükseelig
auf deine Lebenszeit. überlege alles, was dir imer in der kurzen Zeit
deines Lebens begegnet ist, – überlege es mit kaltem Bluthe, mit gesundς
ohneingenomener Vernunft – und du wirst sehς, daß ich nicht allein als
Vatter, sondςn als dein gewisser freund mit dir spreche. dan so angenehm,
so lieb mir der Nahme Sohn zum Herzen dringet; so sehr ist oft
den Kindern der Nahme Vatter verhasst. das glaub ich von dir nicht: obwohl
du von einem frauenzimer in Wien die Worte gehört hast. Ach, wen doch nur
kein Vatter wäre.
welche Worte allein dir einς Abscheu hattς erweckς müssς.
Ich bitte dich, glaube nicht, daß ich ein Misstrauς in deine Kindliche Liebe
setze; alles, was ich sage geht nur dahin, einς rechtschaffenς Man aus dir
zu machen. Million Menschς haben keine so grosse Gnade von Gott erhaltς,
wie du. welche Verantwortung! Wäre es nicht imer schade, wen ein
so grosses Genie auf abweege geriethe! – und das ist in einem Augen=
blicke geschehς! – du bist mehr gefahrς unterworffς all die Milion
Menschς die das Talent nicht habς, dan du bist ohnendlich mehr
verfolgungς auf einer, und Nachstellungς andςer seits ausgesetzt.
Die Mama geht mit dir nach Paris, du must ihr in allem mündlich
dein Vertrauς und mir durch Briefe wiedmς. mit nächster Post werde
alles anzeigen, samt allς adressen und briefς an Diderot, D'Alembert p:
du wirst auch Reise – – und andςe Berechnungς von mir erhaltς in
dς Kost, und der Musikaliς=stechensunkostς. ich muß
schlüssς die Nanerl u ich Kissς euch viel mille mahl u bin
]

                                                                                     Mzt mp
alles empfς sich in specie hς: Bullinger
mit nächster Post werde wohl umständlich vernehmς, wie viel ihr geld
habt. die chaise wird dan verkauft.

                                                                                    N 40.

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