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Monsieur
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mon trés cher Pére.
Ich bin izt schon 2 täge zu hause geblieben, und habe
Antispasmotisch und schwarz Pulver
und hollerblüh=the zum schwizen eingenomen, weil ich Charthar, schnupen, kopfweh,
halsweh, augenweh und ohrnweh gehabt habe; nun ist es aber gott seÿe danck
wieder besser, und morgen hoffe ich wieder auszugehen, weil so
ntag ist.
ich habe ihren brief von 16:
ten sa
mt den 2 offnen
presentations=schreiben für
Paris richtig erhalten. daß ihnen meine französische
aria gefallen hat,
freüet mich. ich bitte sie um verzeÿhung we
n ich ihnen diesmahl nicht viell
schreibe, allein ich ka
n nicht; ich fürchte ich möchte meinen kopfweh wieder
beko
men; und auch überdas bin ich heüt gar nicht aufgelegt dazu – – –
man ka
n auch nicht alles schreiben was man denckt – – wenigstens ich
nicht. lieber sagen als schreiben. aus den lezten brief werden sie alles
gehört haben, wie es an sich ist. ich bitte, alles von mir zu
glauben; was sie wollen; nur nichts schlechtes. Es giebt leüte, die glauben,
es seÿe ohnmöglich ein armes mädl zu lieben, ohne schlechte absichten
dabeÿ zu haben; und das schöne wort
maitresse, zu teutsch h=e, ist
halt gar zu schön! – – ich bin kein
brunetti und kein
Misliwetcek!
ich bin ein Mozart, aber ein junger und gut=denckender Mozart, mithin
werden sie mir hoffe ich verzeÿhen, we
n ich bisweilen im Eÿfer aus=
schweife – weil ich doch so sagen muß, obwohl ich lieber gesagt hätte,
we
n ich natürlich schreibe. ich hätte viell über diesen stoff zu schreiben,
allein ich ka
n nicht; es ist mir ohnmöglich: ich habe unter so viellen fehlern
auch diesen, daß ich i
mer glaube, meine freünde die mich ke
nen, ke
nen
mich! – mithin braucht es nicht viell worte; und ke
nen sie mich nicht,
o, wo kö
nte ich da
n worte genug hernehmen! übel genug we
n
ma
n worte und briefe darzu braucht. das ist alles nicht auf sie geschrieben,
mein lieber Papa, Nein! sie ke
nen mich zu gut, und sie sind zu brav dazu,
um den leüten gleich die Ehre abzuschneiden! – ich meÿne nur die – –
die wissen daß ich sie meÿne: leüte die so glauben. – – –
DOM=
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[S. 2]
Ich habe mich entschlossen heüte noch zu hause zu bleiben, obwohl So
ntag ist, weil
es gar so sehr schneüet. de
n morgen muß ich ausgehen, weil unsere haus=
Nÿmphe, die
Mad:selle Pierron, meine Hochzuehrende
scolarin, beÿ der alle Mo
ntag
gewöhnlichen fränzlischen
accademie, das hochgräfliche litzowische
Concert
herunter=haspeln wird. ich werde mir auch zu meiner grösten
Prostitution
etwas zum hacken geben lassen, und werde sehen, daß ich es so
Prima fista herklempern ka
n; de
n ich bin ein gebohrner holztapler,
und ka
n nichts als ein wenig
Clavier=klempern! Nun bitte ich daß ich
zu schreiben aufhören darf, de
n ich bin heüt gar nicht zum briefschreiben
aufgelegt, sondern mehr zum komponiren. ich bitte sie nochmahl vergessen
sie nicht was ich sie in den vorgehenden briefen gebeten habe, wegen
der
Cadenzen und ausgesezten
aria Cantabile etcet: ich bin ihnen in voraus
verbunden, daß sie so geschwind die verlangten
arien haben schreiben
lassen; das zeügt doch an daß sie vertrauen auf mich haben, und
mir glauben, we
n ich ihnen etwas anempfehle. Nun leben sie recht
wohl. ich küsse ihnen 1000mahl die hände, und meine schwester um=
arme ich vom ganzem herzen, und bin dero gehorsamster sohn
an alle gute freünd und freündinen
meine Empfehlung, besonders an meinem wolfgang Amadé Mozart mp
liebsten freünd h
ς: bullinger. Mannheim den 22
ten. feb:ro
1778
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[S. 3]
Mein lieber Mann,
du schreibest das wür kein vertrauen auf dich haben, und dir die lebens=
Wendling
arth des herrn
wlndefng nicht gleich geschriben, ist die ursach das wür
es lange nicht gewust haben, dan anfangs hatten ihme alle unsere
freinde gelobtet, und gesagt das wür nichts bessers thuen könten
Wendling
als ihm mit Reisen zu lassen, und das ist wahr der herr
wlndefng
ist der beste mann von der welt, aber von der
Relglion weis das
ganze haus nichts, und haltet nichts darvon, die Mutter und dochter
gehς das ganze Jahr in keine Kirche, gehς niemahls beichtς, und
hören keine Messe, aber in die
Comedi gehen sie alzeit, sie sagς
die Kirche seÿe nicht gesund, dises alles habς wür erst nach und nach
theils von ihrς eigςen freindς erfahren, und einiges hat der
Wolfgang selbst gehört und gesehς, ich habe däglich gebettet
das gott dise Reise verhindern mächte, und es ist gott seÿ danck
geschehen, hier haben die meiste leüthe keine
Religion, und sind
lauter freÿgeister, es weis es niemand das dises die ursach ist
das der Wolfgang nicht mit ist gereist, dan wür würden nur
ausgelacht werden, auch unser herr hofka
merRath |: der auch
das nehmliche ist :| weis es nicht, wür haben ihme eine andere
ursach angegeben, Nemlich das er noch briefe von wienn zu er=
warthen hette, und nicht ender abreisen könnte bis er solche
erhaltς habe. und beÿ uns in haus seind sie froh das der wolf=
gang noch da gebliben ist damit die dochter noch mehrer profidirς
kann. ich bin gottlob gesund, und hoffe ihr werdet es auch sein,
der wolfgang ist 3 täge zu hause geblibς, weill er einς starckς
Catar und hals wehe gehabt hat, iezt ist er aber gott seÿ danck
widerum gueth und wird morgen aus gehen.
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[S. 4]
ich wolt nur winschen das der Wolfgang zu paris sein glückh
bald machte, damit du und die nanerl uns bald nachfolgen
kunten. wie würde es mich freien euch beÿ uns zu haben,
es wehre auch nichts bessers, gott würd es machς wan es sein
willen ist. Zu Salzbürg würd das ellend alleweill grösser,
und iezt beÿ diesen umständen, mues es recht
Miserabel sein,
addio lebst beÿde gesund ich Küsse euch vill 100000 mahl
und verbleibe wie allzeit dein getreues weib,
Maria Anna Mozartin
an alle unsere bekante absonderlich
Monsieur bullinger, Jungfer
Sallerl,
gilovskÿ Catherl, herr deibel, Jungfrau Mizel, frau von
gerlitsch, unsere Empfehlung. den bimperl ein busserl er
wird mich schan vergessς haben, und würde mich nicht mehr
kennς.
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