Manheim den 17
Jener 1778
Mein lieber Mann.
und iezt ist es für dise zeit zimlich warm, und sehr ungesund.
Von Neuigkeiten hert man hier nichts, es ist alles so still
ihm recht gueth.
das alles Ruehig bleibt, meine nach haus Reise wurde
bewahr mich gott darfür, ich müste für furcht vergehen.
*
[
künftigen Mittwoch werde ich auf etliche
täge nach kircheim Poland zu der Prinzessin von
oranien gehen; man hat
mir hier so viell gutes von ihr gesprochen daß ich mich endlich entschlossen habe.
Ein holländischer
officier, der mein guter freünd ist, ist von ihr entsezlich
[S. 2]


ausgescholten worden, daß er mich, als er hinüber kam ihr das neüe jahr
anzuwünschen, nicht mitgebracht hat. auf das wenigste beko
me ich doch 8
louisd'or. de
n, weil sie eine ausserordentliche liebhaberin von
singen ist, so habe ich ihr 4
arien abschreiben lassen, und eine
sinfonien
werde ich ihr auch geben. de
n sie hat ein ganz niedliches
orchester, und
giebt alle tag
accademie. die
Copiatur von den
arien werden mich
auch nicht viell kosten, den die hat mir ein gewisser h
ς: weber,
welcher mit mir hinüber
gehen wird, abgeschrieben. ich weis nicht habe ich
schon von seiner tochter geschrieben oder nicht – – sie singt halt
recht vortreflich, und hat eine schöne reine sti
m. es geht ihr nichts
als die
action ab, da
n ka
n sie auf jedem theater die
Prima dona
machen. sie ist erst 16 jahr alt. ihr Vatter ist ein grund=ehrlicher
teütscher Man, der seine kinder gut erzieht, und das ist eben
die ursach warum das mädel hier verfolgt wird. er hat 6 kinder,
5 Mädeln und Einen sohn. er hat sich | mit frau und kinder | 14
jahr mit 200 f
ς: besoldung begnügen müssen, und weil er seinen
dienst allzeit gut vorgestanden, und dem Churf: eine sehr geschickte
16 jährige sängerin gestellt hat, so hat er nun – ganze 400 f
ς:
meine
arie von der
de amicis, mit den entsezlichen
Pasagen, singt
sie vortreflich; sie wird sie auch zu kircheim
Poland singen. sie ist im
stande sich selbst zu lehren. sie
accompagnirt sich recht gut; und
spielt auch
Passable galanterie. das glücklichste für sie in Manheim ist,
daß sie von allen Ehrlichen und gutdenckenden leüten gelobt wird;
der Churf: und Chur:stin selbst haben sie, we
n es nur nichts kostet,
recht gern. sie kan zu der Churf. gehen we
n sie will, alle tage,
und das hat sie ihrer guten auführung zu dancken.
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wissen sie um was ich sie bitten möchte? – daß sie mir nach ge=
legenheit,
doch so bald möglich, so nach und nach, die 2
Sonaten auf
4 hände, und die
Variationen von fischer schicken möchten! – –
ich würde sie zu
Paris gut brauchen kö
nen.
Ich glaube wir werden längstens den 15
feb:ro von hier abreisen, weil keine
opera hier ist. Nun etwas anders. vergangenen Mittwoch war in unserm hause
ein grosses
tractament, und da war ich auch dazu eingeladen; es waren 15 gäste,
und die
Mad:selle vom hause sollte auf den abend das
Concert, welches
ich ihr gelehret, spielen. um 11 uhr vormittag kam der h
ς: ka
mer=rath mit
den h
ς: Vogler zu mir herein. der h
ς: vogler hat halt
absoulument mit
mir recht beka
nt werden wollen. was er mich schon oft geplagt hat zu
ihm zu ko
men, das ist nicht zu beschreiben; Endlich hat er doch seinen
hochmuth besiegt, und hat mir die erste
visite gemacht; überhaupts
sagen mir die leüte daß er izt ganz anderst seÿ, weil er dermalen
nicht mehr so bewundert wird; de
n die leüte haben ihn in anfang zu
einen abgott gemacht. ich gieng also mit ihm gleich hinauf; da ka
men
so nach und nach die gäste, und wurd nichts als geschwäzt. nachtisch
aber liesse er 2
Clavier von ihm holen, welche zusammsti
men, und auch seine
gestochene langweilige
Sonaten. ich muste sie spielen, und er
accom=
pagnirte mir auf den andern
clavier dazu. ich muste, auf sein so
dringendes bitten auch meine
Sonaten holen lassen.
NB: vor dem
Tisch hat er mein
Concrt, | welches die
Madselle vom haus spiellt, und
welches das von der
litzau ist,
Prima vista – herabgehudelt.
das erste stuck gieng
Prestissimo das
Andante allegro und das
Rondeau wahrlich
Prestississimo. den
Bass spielte er meistens anderst
als es stund, und bisweilen machte er ganz eine andere
Harmonie
und auch
Melodie. es ist auch nicht anderst möglich, in der geschwin=
dickeit. die augen kö
nen es nicht sehen, und die hände nicht greifen.
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ja was ist den das? – – so ein
Prima vista spiellen, und scheissen
ist beÿ mir einerleÿ. die zuhörer | ich meÿne diejenigen, die würdig
sind so gena
nt zu werden | kö
nen nichts sagen, als daß sie
Musique
und
Clavier spielen – – gesehen haben. sie hören, dencken –
und empfinden so wenig dabeÿ – als
er. sie kö
nen sich leicht
vorstellen das es nicht zum aus=stehen war, weil ich es nicht gerathen
ko
nte ihm zu sagen.
viell zu geschwind. übrigens ist es auch
viell leichter eine sache geschwind, als langsam zu spiellen.
man ka
n in
Pasagen etliche Noten in stich lassen, ohne das es
jemand merckt; ist es aber schön? – – man ka
n in der ge=
schwindigkeit mit der rechten und lincken hand verändern, ohne das es
jemand sieht und hört: ist es aber schön? – – und in was
besteht die kunst,
Prima vista zu lesen? in diesem: das stück
im rechten
tempo wie es seÿn soll zu spiellen. alle noten,
vorschläg
Etc: mit der gehörigen
expression und
gusto, wie es
steht auszudrücken, so, das man glaubt, derjenige
hätte es selbst
Componirt, der es spiellt. seine
aplicatur ist auch
Miserable, der lincke daum ist wie beÿm seeligen Adlgasser, und
alle läuffe herab mit der rechten hand, machte er mit den
ersten finger und daum. aufs nächste werde ich mehr davon
reden. de
n ich bin seitdem von ihm zu einer
Musique eingeladen
worden. ich stehe halt doch im gnaden beÿ ihm.
Addio. ich küsse
ihnen 100000mahl die hände und meine schwester umarme ich von
ganzen herzen. unsere Empfehlung an alle gute freund und freündinen
absonderlich an
M:r bullinger und
Madlle Salel.
ich bitte sie, schreiben sie mir doch ein schönes
Abc wolfgang Amadè Mozart.
mit gross und kleinen buchstaben; und schicken sie
mirs.