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Mein Liebes Weib
u lieber Wolfg
ς:
30.
Salzb
ς dς 29
tς Decebς.
1777
Nun wünschς wir euch das Glücklichste neue Jahr! Gott gebe daß das 1778 Jahr
uns vergnügter macht als das verflossene, wir hoffen solches von dς Barmherzig=
keit und Gnade Gottes, und von dem Talent, fleiß und Geschicklichkeit, sonderbar
aber von dem guten Herzen unsers lieben Wolfgang; der gewiß alles thun wird
sich Rhum, Ehre, und Geld zu machς, um uns zu retten, und seinen Vatter nicht
dem höhnischς gespöth und Gelächter gewisser Personς, die ich euch nicht ne
nς darf, aus=
zusetzς: welches mich gewiß unter die Erde bringς würde. Sein Glück, sein Rhum wird
die süsseste Rache für uns seÿn, davon wir schon itzt etwas schmecken. Graf Starn=
berg war bey gr: Arco ihn in dς Adςlasse zu besuchς. die Rede fiel auf Adlgassers Todt.
Gr: Arco. Nun seyd ihr angesetzt, nicht wahr? – der junge Mozart würde euch
nun gute dienste getha
n habς.
gr: Starnberg. ja, es ist die wahrheit, er hätte sich wohl
noch gedultς kö
nς.
gr: Arco, wie, gedultς? das ist zum lachς! wer hätte diesen gähen
fall vorsehς könnς – – und we
n auch – was würdet ihr ihm wohl
zu seinς geschissenς
– f dazu gegebς habς. Es ist sein Glück das er weg ist! man ist lange genug
abscheulich mit ihm umgegangς.
Gr: Starnbg. ja, das muß ich beke
nς,
er ist zu sehr
misshandelt wordς: es muß doch iederman beke
nς, daß er der stärkste Clavierist in
Europa ist. Er hätte sich aber ia doch noch gedultς kö
nς.
Gr: Arco in voller Hitze!
ia scheissen! Es geht ihm ganz gut in Manheim, da hat er eine gute Gesellschaft
gefundς mit welcher er nach Paris geht, diesen beko
mt ihr ni
mer, es geschieht euch
recht! mit dem Hagenauer wird es euch auch so ergehς.
Gr: Starnbg: dieser wird itzt
auf das neue Jahr einς Gehalt beko
mς.
Gr: Arko. das wird was rechtes werdς: und
we
n auch; so habt ihr ihn lange genug herumgefoppt, und beÿ der Nase herumgezogς.
da
n fiel die Rede von mir – wo graf Starnberg behauptete, daß er glaubte
es wäre
niemand zu findς, der mehr geschicklichkeit hätte im Lection=gebς, als ich. du wirst
bemerken, daß gr: Arco i
mer sagte:
ihr = den gr: Starnberg und
Compagnie mit
dazu nahm, um den Fürstς nicht ne
nς zu därffς, und dadurch
par politique die
Schuld auf die Herzens
Conferenzen über der Prückς zu legς. was den Hagenauer an=
belangt, wird er mit dem Bischof von Gurk Fürst Auersperg nach Gurk reisς,
um ihm alda ein Gebäude anzuordnς. fällt nun die
Resolution vom Erzb
ς: schlecht
aus, so wird er nichts einwendς; sondς nicht mehr zurück ko
mς.
Daß ihr ins Künftige nur alle 8 Täge schreiben werdet, ist eben das, was ich euch
selbst habς sagς wollς; da itzt ohnehin für ieden Post=tag nicht viel zu schreibς seÿn
würde, und die Briefe so theuer sind. hab ich etwas zu schreibς, so werde fortfahrς
euch alle Post=täge zu schreibς, wo nicht, so wird manchmal auch ein Post=tag aus=
bleiben, das ich euch aber allzeit im nachko
mendς Brief anzeigen werde.
Ich beko
me ohnehin itzt vieles zu schreibς, da ich eine Menge Personς
in Wien in Bewegung
zu setzς ausgedacht habe, um, we
ns i
mer möglich ist, ein Empfehlungsschreibς
vom Wienerhof an die Königin von Franckreich zu erhaltς.
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1881
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Obwohl man in Manheim die vollko
menstς Nachrichtς von den gefährlichς Um=
ständς in denς sich der Churfürst aus Bayern befand, habς wird, so schreibe dir
doch die Nachricht die ich unterm 24
Xbre aus Münchς erhielt. Es heist: –
Bisher hatten mir die meisten intriguen und confusionen an unserm Hofe der
italiänischen Nation zu verdanken, nun fehlte nichts mehr, als daß wir unsern Durchstς:
Churfürsten auch durch sie verliern sollten. Fürst Gonzaga hat eine Nieçe, welche
lange Jahre im Nymphenburger kloster in der Erziehung war: aber wenig gesunde
Stundς hatte; der Fürst nahm sie demnach nach Italien, wo sie sich, wiedς ihres altς
oncles Wille und Absicht, verliebte. Er zwang sie demnach wiedς mit ihm nach
München zu reisen, und der Churfürst muste sie zur Hofdame anehmς.
Sie war kurze Zeit mit dem grösten Widerwillς da, so bekam sie die blattern,
und zwar die allerbösartigsten. Anfangs mögς es die hς: Medici nicht recht
verstandς haben, in der Hauptsache aber wusten es die welschen so lange stille
zu halten und zu verdecken, daß man sie am Ende in der Residenz behaltς
musste. – wo sonst beÿ dem geringste Scheine der Blattern alles heraus muste,
und so gar alle Cavallier und officiantς, wo iemand beÿ ihnς blattern im Hause
hatte 6 bis 8 wochς vom Hof sich entfernt haltς mussten. überdas wurde imer
in dem schmerzlich mitleidigsten Tone vor dem Churfürstς von dieser marquese
Riva gesprochen, bis der Churfürst endlich einige apprehension äuserte, und
auch selbst davon sprach: ja man war so unbedachtsam den Churfürstς, beÿ
Gelegenheit, beÿ der Stiege, wo ihr zimer war, und ihre Leute für sie kochten,
vorbeyzuführen. – Es war also der 9te decembς: als der Churfς: die erste
alteration mit Kopfwehe hatte. den 10tς führte ihn der Oberstjägermeister auf die
Jagd, und zwar beÿ sehr grosser Kälte, wo sie 6 Stund ausbliebς. Abends war
die Vigill für die Kayserin Amalia; da führtς sie ihn abermal beÿ dem Zimer
der Patientin vorbeÿ nach der Theatinerkirche, wo er eine Stunde wiedς in der
Kälte war. Auf der Jagd hatte er einς grossen Schrocken, da sein Postilion
der die Relée für ihn hatte, in seinem Angesicht mit allen 4 Pferdς fast im
Mooß versank. – den 11tς wurde er auf dem Leibstuhl ohnmöchtig, der
Kopfschmerzen wurde sehr hefftig, und das Angesicht völlig roth, wie friesel.
Er muste im Zimer bleibς – man gab ihm leichte Arzneÿen und erklärte es
für Kinderflecken. den 12, 13 und 14 gieng es noch gut, aber am 15tς
wurde es so arg, daß der Leibmedicus Sanftl befahl er sollte im Bette bleibς.
Nun wurde es von Tage zu Tage ärger. Man wollte die Comoediς nicht
abschaffen, um das Publikum, das ohne hin niedergeschlagς war, nicht in
noch grössere Angst zu setzς. Es wurdς auch desswegς noch keine öffentς: Gebether
angestellt; bis endlich die P: P: Augustiner selbst den 17tς ein Votiv=Amt hieltς,
denς dan andere gleich folgtς, und dan in allen Kirchen 3, 4 auch 5 votivämter
von iedem Stab – iedem Stand, – ia von allen Zünften und Handwerkern gehaltς
wurden, so daß die traurigkeit, die völle in den Kirchen, das Weinς und bethen der
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Leute nicht zu beschreibς ist. vom 19 auf den 20tς und 21tς wars am gefährlichstς.
vom 20tς bis 21 in der Nacht war er schon halb Todt, und wäre nicht der LeibCamer=
diener und der Vicestallmeister
Baron Segesser die i
mer
beÿ ihm warς, gewesen; so hätten wir
keinen Churfς: mehr. andςe hieltς dafür, als schlief er, beyde aber erwartetς nicht
bis der die wache habende Medicus um den Leibmedicum lief und herbrachte;
sondern sie entschlossς sich den Churfς: zu ergreiffς, ihn stark zu bewegς, welches ihn
zu sich brachte und machte, daß er sich erbrach, und aus Mund, Hals und Nasen
nichts als Materie von sich gab. Nun geht es seit dem ziemlich gut; aber aus der
Gefahr sind wir noch nicht: Gott wird uns beystehς! Er ist am ganzς leib, i
nerlich und
äusserlich voll der blattern, doch sind es, gott lob, die gutartigen; aber schmerzς hat
er die unbeschreiblichstς, und ist von der Geschwulst ohnke
nbar, auch sein ganzer
Rücken vom liegen wund. Die Churfürstin ko
mt ausser den wenigς Stunden
des schlafes nicht von seiner Seite. der Woschitka, der tag und Nacht beÿm Churf
ς:
seyn musste liegt nun auch kranck darnieder und man glaubt daß er auch die
Blattern beko
mς wird. Es ist ein grosses Glück daß der Minister Graf
Perchem nicht vor des Churf
ς: augς gestorbς ist. den 18
tς war er um 3 viertl auf
3 uhr noch beÿm Churf
ς: – gieng nach hause, der Fürst
Zeil, Graf
Noccorola,
und
P: Wigand waren beÿ seiner Tafel nebst seiner Gemahlin – Tochter – und
Laureta
Minuzzi. Er aß die Suppe mit bestem Appetit, und beÿ dem [... (Textverlust)]
fleisch ergrief er den Fürst
Zeil beÿ dς Hand, sagte: Gott, mir wird übl, sanck
in seinen Armb, und war Todt.
P: Wigand von Waldsassen gab ihm in möglichster
Geschwindigkeit die
general=absolution: bis zu dieser Stund weis der Churf
ς:
nichts von diesem todfahl, nur sagte man, daß er Krank ist
&c: –
von anfang dieses Briefes sagt mir dς gute freund,
dς ihr schon kennt,
Ich hätte ihnς längst ge=
schriebς, ich wollte aber die Probς unserer opera abwarten: bisher habς wir aber nur
den ersten Akt probiert, und der ist zimlich leicht und recht seicht geschrieben;
darauf wurde die prima Dona Madama Marggetti |: das wird wohl etwa
Marchetti heissς
sollen :|
so krank, daß sie noch dem Todt nahe ist und man der Sigra Flavis ge=
schriebς hat. übrigens ist hς: Monza der nämliche, wie sie mir ihn in seiner Kunst
und Person geschildert habς. Hier habt ihr also Neuigkeitς von Münchς. Er schrieb mir
auch einς neuς Jahrswunsch und 1000 Compt
ς: an euch, und bath mich ihn zu berichtς wo
ihr seyd, und wie es euch geht. – den Michaelmessner, und den StattCaplan
hat beÿde der Schlag getroffς. Durch geschwinde Hilfe, aderlassς
p: sind beÿde wieder ein
bischen zurecht gebracht wordς: allein auf wie lang? – es ist nur Galgenfrist. sie sind
beyde alt, und h
ς: StattCaplan liebt ein gläsl Wein. Wer meinst du wohl ist organist
beÿ der hl: Dreyfaltigkeit gewordς? – – h
ς: Haÿdn! alles lacht, dς ist ein theuerer Organist.
nach ieder Lytaneÿ sauft er ein Viertl wein: zu den übrigς dienstς schickt er den Lipp, und
der will auch sauffς. – h
ς: Spizedς soll unterdessς die Capellknabς im Schlagς unterweisen
bis auf weitere
Resolution. Am
Stephans Tag habς die
Comoediantς mit der schönς
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Piçe Sophie odς der gerechte Fürst das Theater eröffnet. das Theater war so voll, daß über
60 Personς weggehς musste, wurde aber so schlecht aufgeführt, daß gestern
Sontags NB in
den
gallerien keine Seele, und das
parterre gar schlecht besetzt, war. heut wird es noch
trauriger aussehς. Gestern speiste zu nachts die Na
nerl beÿm Hagenauer, weil ich im
Kapellhaus war, und sie da
n um 3 viertl auf 11 uhr abhohlte. der Pi
mperl
befindet sich i
mer im bestς Wohlseÿn, obwohl er läuffig ist, aber nicht stark. Er ko
mt
auch nicht aus dem Hause, und kein Hund zu ihm. h
ς: Deibl etwa alle 8 täge ein wenig,
um sich um euch zu erkundigen, und sein Empf
ς: an euch aufzugeben. Nun küssς wir
euch million mahl, das Papier ist voll,
u bin der alte Mzt
mp
ich wunsche der mama und meinen liebsten brudern ein glükliches neues Jahr!
vergnugenheit und gesundheit. die mama hoffe ich werde bald gesund zurück
komen sehen, und dir mein lieber bruder wünsche ich, das dir wo du nur imer
hinkomst gut gehe und gesund bleibst. und mir das vergnügen dich bald wieder
zu sehen, aber nur nicht zu Salzburg. ich empfehle mich der Mama alß
eine gehorsame Tochter. und meinen brudern alß seine aufrichtige schwester
und freundin. die gilovsky Katerl läst beÿderseits ihrem neuem Jahrs
wunsch abstatten. gestern war das schüssen bullinger war besttgeber, hr:
zahlmeister hat es gewohnen, den neue Jahrs tag giebt die Mama
das beste. noch bin ich als beiderseitige cassierin mit der cassa zu=
frieden. der verluest bis die Mama zurukkomt wird nicht stark
werden. ich bitte mir zu verzeihen das ich nicht öfters oder mehrers schreibe
aber der papa wie sie sehen läst mir selten, und einen kleinen Plaz.
A Monsieur
Monsieur Wolfgang Amadé
Mozart Maître de Musique
à
Frcoaugς
Manheim
N:o 29:
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