[S. 1]
Salzburg dς 22
Decembς:
Mein Liebes Weib und
29.
1777.
Lieber Sohn!
Wegen der Reise nach Paris habe euch bereits mit letzter Post meine Meinung geschriebς; und ich hab
durch euer Schreibς vom 14
tς Decemς: mit vergnügen vernohmς, daß ihr aus dem Wirthshause, und
überhaupts für diese 2 Monate gut versorgt seyd. du hättest aber wohl mir die gasse euerer
Wohnung odς den Namς des Hauses
p: bene
nς sollς, um solches auf die Aufschrift des briefes setzς
zu kö
nς: doch werdet ihr wohl die Brief nun selbst auf der Post abhollς: h
ς: Wendling ist mir mit
seinem Briefe zuvor geko
mς, indem ich ebς diesen Post=tag ihm schreibς wollte, und ihm schon
den vorigen Posttag geschriebς hätte, we
n es mir nicht an der zeit gemangelt hätte, indem
auch dem
P: Maestro Martini schreibς muste, um ihm wegς dem bereits abgeschicktς Portrait ein=
mal Nachricht zu geben. der Graf Pergheim
primier Minister in Baÿrn ist gähe gestorbς,
und dem Fürst Zeil in der Gesellschaft in die Arme gesunckς, der arme Ma
n hat durch diesς
gähen Todt viel
bagage mit sich abzupackς in die Ewigkeit mit geno
mς.
dieses vorhergehende habe gestern nach dem
Stundgebeth ambt sontags dς 21
tς geschrieben, wo
Deine
Meß ex B gemacht wurde und der
Castrat unvergleichlich gesungς hat. Nachmittag war
kein Belzlschüssς. – Nun ko
mt eine sehr traurige und ohnvermuthete Begebenheit. Ich gieng
in die vesper, weil wir heut montags das Thomasfest in der Kirche haltς. h
ς: Adlgasser spielte
die Orgel. das
Dixit gieng gut. als er nach dem
erstς Psalmς abschlueg, so grief er ganz
abscheulich herum und konnte zu keinem Ende ko
mς. nach dem zweytς Psalmς giengs noch
schlechter, so daß er das
Pedal am Ende um einς Thon dieffer aushielt, mit der rechtς
und linckς hand so darein grieff als we
n ein Hund über die Orgl lief, alles glaubte
er wäre besoffς. beÿm drittς Psalmς ko
nte er gar mit den fingern der linkς hand nicht
mehr spielς, sondern legte i
mer die zusa
mgebogne faust auf die Claves, ich konnte ihn
lange nicht beredς von dς Orgel zu gehς, und dς h
ς: Spizedς spielς zu lassς, da ich ihm unter=
dessς die linke hand herabnahm und h
ς: Spizedς, so gut er konnte, zu dem, was dς
Adlgasser mit der rechtς hand noch spielte, den
Bass machte. Endlich brachtς wir ihn, ja
wir trugς ihn fast weg und setztς ihn auf die banck, wo die Posonistς blasen. Seine Frau
war in den stühlς bey der
Sacristey, sie kam hinauf, wie auch dς Bader
Braun, dς untς
war, ein
Ministrant mit wasser, der Seelos vom Chor herauf. Er verdrähte die Augς
wie ein besoffner Mensch, sprach man sollte ihn nur sitzς lassς, wurde erstaunlich blaß,
und endlich erbrach er sich erstaunlich, aber nichts als wasser oder Wein, und
NB gar keine
trebern. da der badς ihm ebς den Puls gegriffς hatte und nun das Erbrechς sahe, so gieng
er davon und hielt es für einς starken Rausch, folglich wir alle auch, indem er sonst
ganz deutlich redς konnte und beÿ dem Erbrechς schwitzte, wie es beÿ solchς übligkeitς vom
Magen geschieht. Nun machtς wir das
Magnificat und bliebς beÿm Rosenkranz, da
wir nicht vorbeÿ konntς ohne durch das Gespeibe zu trettς, und alles um ihn herum war.
unter dem Rosenkranz wurde er in die grosse Sacrÿsteÿ hinunter gebracht, und
um ein tragsessl geschickt, der noch unter dem Rosenkranz ankam, und vor der
Be=
nediction ward er noch fortgetragς. Er war also schon weggebracht, wie ich und h
ς: Spizeder
vom Chor herunter kamς. ihr könnt euch das Specktacl leicht vorstellς, da beÿm Stundgebett
die ganze Kirche voll der Leute war: da wir aus der Kirche giengς, kam fr
ς: Hagenauerin und andςe
zu uns, alles sprach von dieser Historie, da
n iedermann sahe aufs Chor hinauf, was davorgieng,
man sahe den sessl in die Sacristeÿ ko
mς und wegtragς: und alles glaubte der Adlg
ς: hätte sich
im drunck übernohmς. ich gieng mit ihnς zum Hagenauer, da kam h
ς: Joha
nes und sagte
mir daß den augenblick graf
Castelbarco beÿm Schiffwirth angeko
mς. ich gieng gleich dahin,
erfuhr aber, daß er geschwind ausgegangς, und in einer Stunde wieder fortreisen werde,
um in
Schwanenstatt seinς Bruder den
officier zu überfallς, ihm seine Frau aufzuführς, und
daß er in 5 oder 6 tägς wieder in Salzb
ς: eintreffς und sich da
n etwas aufhaltς werde,
ich möchte ihm nur meinς Nahmς sagς: da ich ihm da
n solchς sagte, antwortete mir der bediente
oh la conosco; il Padre di quel Giovane, che ha Scritto tré opere in Milano. Non man=
chero di presentare i suoi rispettetti ed attentione al mio Padrone. #
INTERNATIONALE
STIFTUNG:
„MOZARTEUM”
1881
[S. 2]
weil du es Itzt so gnädig und geschäfftig hast das du mir nicht schreiben kanst. so wirst du
auch nicht zeit haben von mir einige zeillen zu lesen. ich nehme mir also mit deiner
Erlaubniß die freyheit ganz allein mit der Mama zu discuriren. das es ohnedieß
frauenzimer discurs sind. ich hoffe sie werden beÿde gesund und vergnügt seÿn.
die mama hat die güte gehabt mir zu schreiben, das die frisurs und Hauben in Manheim
viel schöner, und das die frauenzimer viel gustoser angezogen sind als in Salzburg.
das will ich gern glauben. doch wenn ich das gluk habe die Mama in zweÿ Monaten
hier zu sehen, so bitte ich die güte zu haben, genau acht zu haben wie die frisur gemacht
ist und ein toppeè Küssel und was noch nothwendig ist mitzubringen.
auch wenns möglich wäre eine neüe Mode Hauben und was der mama gefälig ist.
wenn ich mir noch wie vor einiger zeit was mit scolaren verdienen könte, so wäre
meine freüde gewest mein granaden farbes Kleid zu einem polognese machen zu
lasen und mit dinduch zu garniern. da hätte ich vielleicht von
manhein eine wohlfeileres dinduch bekomen. aber solche neüe Mode Sachen muß
ich mir ausschlagen. mich freüet es das sie Itzt ein gutes zimer haben, und ich hofe
der Mama wird es Itzt nicht mehr so kald seÿn als in wirthsHaus. ich muß
aufhören, sonsten hat der papa keinen Platz mehr. ich wünsche beÿden eine fort=
dauernte gesundheit. und Küsse der Mama die Hand, und meinen brudern umarme ich.
#
Ich war nun im Nachhausgehς begriffς, als mir beÿm Markbrunς die Adlgς: Victorl weinend
begegnete und in die Apotecke lief um Hirschhorgeist zu hohlς, sagte mir, daß ihr Vatter die
Augen nicht aufmacht und nur schnarchend daliegt. Nun war ich überzeugt, daß ihn der
Schlag getroffς. der Dr: Barisani kam um dreyviertl auf 5 uhr, dan vorher schlief er noch seinς
Nachmittagschlaf. Man gebrauchte alle Mittl, frotierς, Zwickς, Reiben, Aderlassς, fisicatoriς p:
er öffnete kein Aug mehr, rodelte imer fort, und starb um 3 Viertl auf 7 uhr. Heut
war ich dort: du kanst dir die Lamentation und das weinς nicht vorstellς. die Adlgasserin ruft
die ganze Welt um hilfe, sie ist mir schier um den hals gefahlς: Es war ganz erschrecklich.
morgς nachts dς 23 wird er begrabς, den 24tς ist beÿ St: Sebastian dς Gottesdienst. Nun was
haben wir für Organistς? – – wer instruiert im Capellhaus? – – und die Gräfin für ihre freulς? – –
ich bin frohe, daß die Nanerl und ich niemals beÿ ihr warς. Nun wird sie bald gelegenheit suchen
mit mir sprechen zu kenς. S:e Exς: Obersthofmeister ließ mich heunte nach der Arcoischen Lection hinauf=
ruffen, und das war, um mit mir zu sprechς, weil er dich so Lieb hatte, und ob er dich nicht im discurs
dem Erzbischof als Organistς proponierς därfte. Ich dankte ihm für diese Gnade, und verbath
es, und sagte ihm daran wäre nun nicht mehr zu gedenken, erklärte ihm auch alles mit
Umständς. Er sagte, er ware itzt vergnügt und es wäre ihm ein Stein vom Herzen. ihr werdet
leicht begreiffς, daß ich dem hς: Wendling |: dem ich mich ergbst empfehle :| die Antwort muß schuldig
bleiben, indem der Zufall des Adlgassers mich hindert. ich muß hingehς, den Leutς beÿstehς, und
wegς der Gottes dienst musik auch anstaltς machς, dan am Mittwoch ist zur gleichen Stunde
auch das Pfinstag Amt. Ich hatte gestern desswegς zu euerm Brief nur ein blat genomς,
weil ich des hς: Wendling brief einschlüssς wollte. Nun addio lebts beÿde Gesund, Gott erhalte
euch. die Mama soll uns viel, der Wolfgς: wenig schreibς, er hat so viel zu thun. die Nanerl
spielt die Sonaten mit der gröstς Expression. wir küssς euch millionmahl und bin samt der
Nanerl der alte Mzt mp hς: Bullniger u ganz Salzbς. empfehlt sich.
INTERNATIONALE
STIFTUNG:
„MOZARTEUM”
1881