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21.
            Manheim den 10:ten sept: dec:
         Mon Trés cher Pére!                                       1777

                                                 dem Kurfürsten
Hier ist es dermalen nichts mit dln Cuhrihrotln. ich war vorgestern in
                                                   Antwort                               Graf
der accademie beÿ hof, um eine mntwsrt zu bekomen. der grmi om=
Savioli
vfslf wich mir ordentlich aus; ich gieng aber auf ihn zu: als er mich
sahe, schupfte er die achseln. was, sagte ich, noch keine antwort? – –
bitte um vergebung, sagte er, aber leider nichts. – – eh bien, sagte
ich, das hätte mir der Churf: eher sagen könen. Ja, sagte er, er
hätte sich noch nicht resolvirt, wen ich ihm nicht dazu getrieben, und
vorgestellet hätte, daß sie schon so lange hier sizen, und in wirths=
haus ihr Geld verzehren. das verdrüsset mich auch an meisten,
versezte ich. das ist gar nicht schön; übrigens bin ich ihnen, herr graf,
| den man heist ihn nicht Eccellenz | sehr verbunden, daß sie sich so eifrig
                                                                                                      Kurfürsten
für mich angenomen haben, und bitte, sich im namen meiner beÿm
Cuhrihrotln zu bedancken für die zwar spätte, doch gnädige nachricht,
und ich versicherte ihn, daß es ihn gewiß niemalen gereüet hätte,
wen er mich genomen hätte. o, sagte er, von diesen bin ich mehr ver=
sichert als sie es glauben. ich sagte hernach die resolution dem hς:
wendling, welcher völlig roth wurde, und ganz hizig sagte: da
müssen wir mittel finden; sie müssen hier bleiben; die 2 Monathe
aufs wenigste, bis wir hernach miteinander nach Paris gehen.
morgen komt so der Canabich von der Jagd zurück, da werden wir
das mehrere reden. ich gieng izt gleich von der accademie weg,
und gerade zur Mad:me Canabich. dem hς: schatzmeister, der mit
mir weg=gegangen, und der ein recht brafer Man, und mein guter
freünd ist, habe ich es im hingehen erzehlt. sie könen sich nicht vor=
stellen, wie sich der mensch darüber erzörnet hat.

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als wir ins zimer tratten, nahm er gleich das wort, und sagte: Nu, da
                                                                                   Hof
ist einer, der das gewöhnliche schöne schicksaal von usi hat. was, sagte
die Madame, ist es also nichts? – – ich erzehlte dan alles. sie er=
zählten mir dan auch allerhand dergleichen stückchen, die hier
so passirt sind. als die Mad:selle Rose | welche 3 zimer weit entfernt
war, und iust mit der wäsch umgieng, | fertig war, kam sie herein,
und sagte zu mir. ist es ihnen izt gefällig? – den es war zeit
zur lection. ich bin zu befehl sagte ich. aber, sagte sie, heüt
wollen wir recht gescheüt lernen. das glaub ich, versezte ich, den
es dauert so nicht mehr lang. wieso? – wie so? – – warum? –
sie gieng zu ihrer Mama, und die sagte es ihr. was? –
sagte sie, ist es gewis – – ich glaube es nicht. ja, ja, gewis, sagte
ich. sie spiellte darauf ganz serieuse meine sonate; hören sie,
ich konte mich des weinens nicht enthalten. endlich kamen auch der
muter, tochter, und dem hς: schatzmeister die thränen in die
augen. den sie spiellte just die sonata, und das ist das favorit
vom ganzen haus. hören sie, sagte der schatzmeister, wen der
hς: kappellmeister | man nent mich hier nie anderst | weg gehet,
so macht er uns alle weinen. Ich muß sagen daß ich hier sehr gute
freünd habe, den in solchen umständen lernt man sie kenen;
den sie sind es nicht allein in worten, sondern in der that.
hören sie nur folgendes.
den andern tag kam ich wie sonst zum wendling zum speisen;
da sagte er mir. unser Indianer | das ist ein holländer, der von seinen
eigenen mitteln lebt, ein liebhaber von allen wissenschaften, und ein
grosser freünd und vlrlurlr von mir | ist halt doch ein rarer Man.
er giebt ihnen 200 fl, wen sie ihm 3 kleine, leichte, und kurze Con=
certln
und ein Paar quattro auf die flötte machen. durch den Cana=

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bich bekomen sie auf das wenigste 2 scolaren die gut bezahlen;
sie machen hier Duetti auf das Clavier und ein violin, per sus=
scription
und lassen sie stechen. Tafel haben sie so wohl mittags
als abends beÿ uns. quartier für sich haben sie beÿ den hς:
hofkamer=rath      ; das kostet sie alles nichts.
für die fr: Mutter wollen wir die 2 Monathe bis sie dieses
alles nach haus geschrieben haben, ein wohlfeiles quartierl aus=
fündig machen; und alsdan reist die Mama nach haus, und wir
gehen nach Paris. die mama ist damit zufrieden, izt komt es
nur auf ihre einwilligung an, der ich schon so gewis bin, daß wen
es izt schon zur Reise zeit wäre, ich ohne eine antwort abzuwarten,
nach Paris gienge; den von einem so vernünftigen und für das wohl
seiner kinder bisher so besorgten Vatter kan man nichts anders er=
warten. der hς: wendling, welcher sich ihnen empfehlt, ist ein herzens=
freünd mit unsern herzens=freünd Grim. er hat ihm, als er
hier war, viell von mir gesprochen. das war, wie er aus Salzbourg
von uns herkam. ich werde, so bald ich von ihnen antwort auf diesen
brief habe, an ihn schreiben; den er ist izt, wie mir ein fremder
hier beÿ tisch gesagt hat, in Paris. ich würde sie auch bitten, daß sie
mir wen es möglich wäre, indeme wir vor den 6:ten: März nicht gehen werden,
durch hς: Messmer in wien, oder durch etwa jemand, zuwegen brächten,
daß ich einen brief an die königin von franckreich bekomen könnte: –
wenn es leicht möglich ist! – – den sonst hat es auch weiter nicht viell
zu bedeüten; besser ist es, das ist richtig. das ist auch ein rath den mir
hς: wendling gegeben hat. ich stelle mir vor, daß ihnen die sachen
die ich ihnen schreibe wunderlich vorkomen, weil sie izt in einer stadt
sind, wo man gewohnt ist, dume feind, einfältige und schwache
                                                                         Salzburger
freünd zu haben, die, weil ihnen das trauerige omezbshrglr brod un=
entberlich ist, imer den fuchsschwanz streichen, folglich von heüt bis

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morgen sind. sehen sie, das ist eben die ursach, warum daß ich ihnen
imer kindereÿen und spass und wenig gescheütes geschrieben habe,
weil ich die sache hier habe abwarten wollen, um ihnen den verdruß
zu ersparren, und meine gute freünde zu verschonen, den sie izt
etwa unschuldigerweise die schuld geben, als hätten sie unter der
hand entgegen gearbeitet, welches aber gewis nicht ist. ich weis schon
wer die ursache ist! ich bin aber durch ihre briefe gezwungen worden,
ihnen die ganze geschichte zu erzählen. ich bitte sie aber um
alles in der welt, kräncken sie sich nicht wegen diesem, gott hat
es so haben wollen. bedencken sie nur diese gar zu gewisse
wahrheit, daß sich nicht alles thun läst, was man im sin hat.
man glaubt oft, dieses würde recht gut seÿn, und jenes würde recht
übel und schlecht seÿn, und wen es geschehe, so würde man oft
das gegentheil erfahren. Nun mus ich schlaffen gehen. ich werde
die 2 Monath durch genung zu schreiben haben. 3 Concert, 2
quartette. 4 oder: 6 Duetti aufs Clavier, und dan habe ich auch
                                                                          den Kurfürsten
im sin, eine Neüe grosse Messe zu machen, und dln Churihrotln
zu præsentirn. addieu. ich bitte mir gleich antwort zu geben
auf alles. ich küsse ihnen 100000 mahl die hände und meine
schwester umarme ich von ganzen herzen und bin dero gehorsamster sohn

der Baron dürnitz war ja nicht zu
München, wie ich da war. ich werde künftigen
                          Zeil
Postag an fürst zlfe schreiben, um die sache
                       betreiben
in München zu bltrlfbln. wen sie ihm auch
schreiben wollten, wäre es mir sehr lieb. kurz   
                                      kriechen
                           wolfgang Amade Mozart mp
und gut aber. Nur nicht krflculn, den das kan
ich nicht leiden. das ist gewis: wen er will, so kan er
     gewiß   machen
es glwfo amculn, den das hat mir ganz
ah"nculn gesagt.
München

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Mein lieber Mann

du verlangest zu wissς was wür alles auf der Reisse ausgeben, den
Conto von Albert haben wir dir geschribς, und von den Augspurg ist
38 f gewesς, der wolfgang hat dir geschribς das wür 24 f schadς
habς, er hat aber die unköstς von Consert welche auch 16 f gemacht,
nicht darzue gerechnet wie auch den würths Conto nicht, also wie wir
nach Manheim gekomen habς wir von allς gelt nicht mehr als 60 f
Gulden gehabt also in 14 tägς hetten wir wan wir abgereiset
wehrς würde nicht vill überig geblibς sein. dan die Reisen kostς
als mehrer seÿt deme es so theur gewesen, es ist nicht mehr so
wie es gewesen, du wurdest dich verwundern. was wegen den
wolfgang seiner Reise nach paris muest du es bald
bedenckς ob es dir recht ist, es ist beÿ diser zeit nierges
nichts zu machς, als zu paris, Musieurer wendlich ist ein Erlicher
man den iederman kennt er ist vill gereist, und schon über 15
mahl zu paris gewesen er kennt es inwendig und auswendig,
und unser freind herr von grim, ist auch sein bester freind, welcher
ihm vill gethann hat. also kanst du dich entschliessς, was du wilst
ist mir auch recht, der herr wendlig hat mich versichtert er will
gewiß Vatter über ihm sein, er liebt ihm wie seinς Sohn, und solle
so gueth beÿ ihme aufgehobς sein wie beÿ mir. das ich ihn
selbst nicht gern von mir lasse, das kanst du dir einbildς, und
ich allein nach haus Reisς mieste, so einς weithς weg: das ist
mir auch nicht lieb. allein was ist zu thuen, ich einς so weithς
weg nach paris zu machς, ist für mein alter beschwerlich, und zu theur. dan
einς virten theill bezahlt man leichter, als alles allein.
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Nechsten post tag werde ich mehrer schreibς heunt habe ich Kopf wehe
ich glaube ich werde einς strauchς bekomς. es ist hier eine grosse
Kälte, es friret mich das ich Kaum die feder haltς kan. der wolf=
gang ist aus gegangen ein quadier an zu schauen, es seind hier
sehr Rarr die wolfeillern, theure kan man genug habς.
der Nanerl las ich sagen das man hier schier keine schagetel
tragt aus genohmς in Haus. zum aus gehς meistens schlender
und bolones, die hauben vill schöner als zu Salzburg und
vill anderst, die frisur Unvergleichlich keine fisonemie, die frauς=
zimer seind gustos angezogς. wan es nicht so weith wehre so hette
ich ihr schon eine haubς und ein baladin geschickt. adio lebts beÿde
gesund ich Küsse euch vill 1000000 mahl und verbleibe dein
den 11 december                               getreues weib
1777                                                  Maria Anna Mozartin

An alle gutte freind und
freindinς absonderlich an Monsieur bullinger Jungfer Sallerl
gilowzki, Catherl, antretterische, hagenaurische, Rubinische,
frau von gerlitsch, schüttenhofische, Melckische, Jungfrau Mizerl
herr gött Jungfrau Sandl; thresel alles erdenckliches.
den bimperl ein busserl.