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Ma très chère Cousine!
Bevor ich Ihnen schreibe, muß ich aufs Häusel gehen – – – ietzt ist's vorbey!
ach! – – nun ist mir wieder leichter ums Herz! – jetzt ist mir ein Stein vom
Herzen – nun kann ich doch wieder schmausen! – nu, nu, wenn man sich halt
ausgeleert hat, ist's noch so gut leben. Ich hätte Dero Schreiben vom 25
ten Nov.
richtig erhalten, wenn Sie nicht geschrieben hätten daß Sie Kopf=, Hals= und
Arm=Schmerzen gehabt hätten, und daß Sie ietzt nun, dermalen, alleweil, den
Augenblick keine Schmerzen mehr haben, so habe ich Dero Schreiben vom
26
ten Nov: richtig erhalten. Ja, ja, meine allerliebste Jungfer Baas, so geht es
auf dieser Welt; einer hat den Beutel, der andere das Geld, mit was halten Sie
es? – – mit der ⇒, nicht wahr? Hur sa sa, Kupferschmied, halt mir's Mensch,
druck mir's nit, halt mir's Mensch, druck mir's nit, leck mich im Arsch, Kupferschmied,
ja und das ist wahr, wers glaubt, der wird seelig, und wer's nicht
glaubt, der kommt in Himmel; aber schnurgerade und nicht so, wie ich
schreibe. Sie sehen also daß ich schreiben kann, wie ich will, schön und wild,
grad und krumm. Neulich war ich übels Humors, da schrieb ich schön, gerade
und ernsthaft; heute bin ich gut aufgereimt, da schreib ich wild, krumm und
lustig; ietzt kommts nur darauf an was Ihnen lieber ist, – – unter den beyden
müssen Sie wählen, denn ich hab kein Mittel, schön oder wild, grad oder
krumm, ernsthaft oder lustig, die 3 ersten Wörter oder die 3 letzten; ich
erwarte Ihren Entschluß im nächsten Brief. Mein Entschluß ist gefaßt; wenn
mir noth ist, so gehe ich, doch nach dem die Umstände sind wenn ich das
laxiren habe, so lauf ich und wenn ich gar nicht mehr halten kann, so scheiß
ich in die Hosen. Behüte dich Gott Fuß, auf dem Fenster liegt d' Hachsen. Ich
bin Ihnen Euer liebten Freüllen Baas sehr verbunden für das Compliment von
Euer Freüllen Freysinger, welches auszurichten Euer liebten Frl. Juliana so
gütig gewesen ist. – Sie schreiben mir, ich wüßte zwar noch viel, aber zu viel
ist zu viel; – in einem Briefe gebe ich es zu, daß es zu viel ist, aber nach und
nach könnte man viel schreiben; verstehen Sie mich, wegen der Sonata muß
man sich noch ein wenig mit Geduld bewaffnen. Wenns fürs Bäsle gehört
hätte, so wäre sie schon längst fertig – – und wer weiß ob die Mad
selle Freysinger
noch daran denkt – – ohngeacht dessen werde ich sie doch so bald
möglich machen, einen Brief darzu schreiben und mein liebes Bääsle bitten,
alles richtig zu übermachen. A propos seit ich von Augsburg weg bin, habe
ich nicht Hosen ausgezogen; – außer des Nachts bevor ich ins Bett gehe. Was
werden Sie wohl denken, daß ich noch in Mannheim bin, völlig drinn. Das
macht, weil ich noch nicht abgereiset bin, nirgends hin! Doch ietzt glaub ich
wird Mannheim bald abreisen. Doch kann Augsburg von Ihnen aus noch
immer nach mir schreiben und den Brief an Mannheim addressiren bis auf
weitere Nachricht. Der Herr Vetter, Fr: Baas und Jungfr: Baas empfiehlt sich
meiner Mamma und mir. Sie waren schon in Aengsten, daß wir etwa krank
wären, weil sie so lang keinen Brief von uns bekommen haben. Vorgestern
sind sie endlich mit unserm Brief vom 26
ten Nov. erfreuet worden und heute
als den 3
ten Decebr. haben Sie das Vergnügen mir zu antworten. Ich werde
Ihnen also das Versprochene halten? – Nu das freut Sie. Vergessen Sie nur
auch nicht München nach der Sonata zu komponiren, denn was man einmal
gehalten hat, muß man auch versprechen, man muß allezeit Wort von seinem
Mann seyn. – Nun aber gescheut.
Ich muß Ihnen geschwind etwas erzehlen: ich habe heute nicht zu Hause gespeist,
sondern bey einem gewissen Mons. Wendling; nun müssen Sie wissen,
daß der allzeit um halb 2 Uhr ißt, er ist verheyrathet und hat auch eine Tochter,
die aber immer kränklich ist. Seine Frau singt auf der zukünftigen Opera,
und Er spielt die Flöte. Nun stellen Sie sich vor, wie es halb 2 Uhr war, setzten
wir uns alle, bis auf die Tochter welche im Bette blieb, zu Tisch und aßen.
An alle gute Freund und Freundinnen von uns beyden einen ganzen Arsch
voll Empfehlungen. An Dero Eltern steht es Pag. 3 Zeile 12. Nun weiß ich
nichts mehr Neues, als daß eine alte Kuh einen neuen Dreck geschißen hat;
und hiermit addieu Anna Maria Schlosserin geborne Schlüsselmacherin. Leben
Sie halt recht wohl und haben Sie mich immer lieb; schreiben Sie mir bald,
denn es ist gar kalt; halten Sie Ihr Versprechen, sonst muß ich mich brechen.
addieu, mon Dieu, ich küsse Sie tausendmal und bin knall und fall
Mannheim Ma très chère Cousine
ohne Schleim waren Sie nie zu Berlin?
den 3
ten Decembr. Der aufrichtige wahre Vetter
heut ist nicht Quatembr: bei schönen und wilden Wetter
1777 zur nächtlichen Zeit W. A. Mozart
von nun an bis in Ewigkeit Sch: scheißen: das ist hart.
Amen.