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                                            20.
                              Salzbς: dς 24 Novembς 1777.
     Mon très cher Fils!

Ich weis in der That nicht was ich schreiben soll, so sehr war ich über euer letztes vom
16 betroffς. mir wurde mit der gröstς Leichtigkeit erzehlt, daß hς: Schmalz, ver=
muthlich der vatter, bruder oder befreunde des hς: Schmalz beÿ der Lederfabrick in Münchς,
oder etwa gar er selbst, sich entschuldigte daß er keine Anweisung hätte dir Geld zu gebς.
das glaube ich gerne; er hatte auch recht: dan du hättest den hς: Herzog, oder die Noker
und Schiedlische Handlung darum ersuchς sollς, dir einς kleinς Credit weiter zu verschaffς,
wie ich es zu thun pflegte: dan sie hattς vom Hagenauerschς Hauß keine ordre diesen
Credit auf andςe Orte zu erweitern, und aus der buchstablichς ordre geht
kein Kaufman: auf dein Ersuchς würde er es dir aber gethan habς. dieser Zufahl
wurde mir aber so natürlich und Gleichgültig erzehlt, als wen ich alle kästς voll
Geld hätte, und mich nur ganz erschröcklich darüber aufhaltς würde, daß nicht
augenblicklich die Bezahlung erfolgte. Ich will mich mit weitläuftiger Beschreibung unser
Umstände nicht aufhaltς, du weist sie selbst, und die Mama weis solche ebς so gut, und
in meinem Schreibς vom 20 habe alles das grösste angeführt und noch eine ziemliche
    Summa               waaren Conto
ohaam eines wmmrln Csnts beÿm Hagenauer vergessς, wo wir doch itzt keinς
     kreuzer aufschreiben   lassen
krlhzlr mhiocurlfbln emooln. das, was mich am meisten beÿ Erhaltung des
letztς Schreibens in verwundςung setzte, war, daß du auf ein mahl mit dieser Geschichte
zum vorschein kahmst, ohne mir etwas im vorhergehendς Brief zu meldς, wo es nur heisst,
daß zum Reisen das Geld nötiger und besser gewesς wäre, als eine gallanterie; da ihr
doch schon damals gewust, daß ihr schlecht beÿ Geld seyd. Ich würde also, wen hς: Schmalz
willfährig gewesen wäre, ohne von euch die mindeste vorläufige Nachricht gehabt zu habς,
in einem Augenblick, wo ich es nicht vermuthet hätte, eine Bezahlungs Anweisung auf dem
Hals gehabt habς. das ist in der That schön! – – Ich lasse es deiner Überlegung in Betracht
aller meiner Umstände über. von Augspς: schriebst du mir, daß ihr nun nicht mehr,
als um 27 f in verluest stehet. – Nun machte ich die Rechnung, daß, wen ihr auch
um 30 f zurückstehet, so habt ihr 170 f. hat euch nun die dume Reise über Waller=
stein nach Manheim 70 f gekost. so sollten euch 100 f in Händς gebliebς seÿn. hat sie
euch mehr gekostet, so sollte euch den nicht so viel übrig gebliebς seÿn um die Reise
nach Maÿnz machς zu könnς? wo ihr dan nahe an Frankfort würdet gewesς seÿn, um
in allem höchstnothwendigς Falle etwas vermög des zweytς Credit Briefes vom hς: Bollon=
gari
aus Frankfort zu beziehς. dan hättet ihr nur därffς beÿ einem Kaufman in
Maynz nachfragς, der mit hς: Bollongari in Correspondenz stehet; der hätte es über=
nomς den Credit Brief an hς: Bollongς: zu schickς, und das verlangte zu beziehς.
wäre das nicht vernünftiger gewesς, als in Manheim herzusitzς und das Geld ohne
Nutzς zu verzehrς: da ihr um dieses Geld vielleicht die Reise, die euch etwa 15 odς 16 f
würde gekostet habς, hättet machς könnς. da bis worms nur 1 und 14tl bis oppenheim 2.
bis Maynz 1. folglich in allem nur 3 und 34 Postς sind. und hättet ihr beÿ der An=
kunft auch wenig odς kein geld, so sind bekannte da, die euch beÿstehς, und kein Cavalier
hat sich zu schämς, wen er keinς Kreuzer Geld im Sack hat, im gegentheil aber einς
Credit=Brief aufweisen kan: dan dieß kan dem reichestς und vornehmstς geschehς, ja es ist
eine Maxime beÿm Reisen, wens möglich, nur das nothwendige Geld beÿ sich zuführς.
Ich rede blindlings imer von Maynz, aus natürlicher vermuthung, weil ich in
keinem einzigς Brief von euch iemals mit der Nachricht bin beehret wordς, wo ihr

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hinzureisen gedenket, nur den letztς Augenblick schriebst du mir von Augspς: morgς
werdς wir nach Wallerstein gehς; und hς: Stein schrieb mir sie sind nach Wallerstein
und Manheim Sontags um halbe 8 uhr abgereiset. da doch solche sachς einige Zeit vor=
aus solltς geschriebς werdς, da ich manchmahl nutzliche Anstaltς und Erinerungς machς
könnte; wie ich wegen Frankfort, durch meine Schreibς an hς: Otto und Pfeil zu thun
bemühet war. – – freÿlich gehet euere Reise mich nichts an! nicht wahr? – –
Von Manheim könntet ihr freÿlich noch einς ganz andς Weeg genomς habς:
nämlich nach Würzburg, und von da zum Margrafen nach Darmstatt
herunter, dan Frankfort–Maynz. allein wie kan ich euere Gedanckς errathς, odς
euch einς Vorschlag machen, da ich niemals zu Rath gezogς werde, und nicht wuste wie
                                                                                            wo du mit dem Kurfürsten
die Sachς in Manheim stundς, ja nach deinem Schreibς |: ws dh aft dla Cuhrifrotln
so vertraut zu sprechen gelegenheit hattest
os vlrtrmht zh oprlculn glelglnulft uattlot :| ganz andςe Absichtς und einς
langen Aufenthalt alda vermuthς musste; welches alles, was deine Meinung,
Neigung, Absicht p: seÿn möchte also gleich beÿ Zeitς aufrichtig hätte sollς berichtet
werdς, da die Briefe mit Empfang und Antwort, wen sie auch richtig gehς, 12 Täge
zu lauffς habς. aber auch dieses hast du zu überdenkς dir keine Mühe genomς, indem
du mir im letztς Brief unterm 16 schreibst, ich könnte dir also noch nach Manheim
schreibς, da du doch diesen Brief erst nach 12 Tägς aufs geschwindeste, und also erst
den 28 erhaltς könntest: wo unterdessς hς: Herzog längst geantwortet, und
du abgereist seÿn wirst. deinς Brief hab aber erst den 21 am freÿtag zu
unserm Hochzeittage als ein present erhaltς, konnte demnach vor dem 24 nicht
antwortς; du wirst ihn also den 1 odς 2 December, Gott weis wo, lesen.
Ihr müst beÿde nicht glaubς, als wüste ich nicht, wie viele nebenausgaabς auf Reisen vor=
komς, und wie das Geld weg fliegt, sonderheitlich wen man zu freygebig, odς zu
gut ist. Mein liebes Weib, hat sich gerühmt, daß sie frühe aufstehς, sich nicht aufhaltς,
und alles geschwind und Hauswirthschaftlich machς werdς. 16 täge in Münchς.
14 täge
in Augspurg und nun von deinem letztς Briefe dς 16 Novς: 17 täge in Manheim
welches mit abwartung der Antwort von Augspς: auf 3 Wochς komς wird. das ist
in der that Hexereÿ; ihr seyd erst 8 wochς, folglich 2 Monate weg, und
schon in Manheim? – – das ist ohnbegreiflich geschwind! da wir nach Engelland reistς,
warn wir 9 täge in Münchς, warς beym Churfς: und Herzog Clement, und mustς auf
das present wartς. – wir warς 15 täge in Augspς:, gab aber 3 Concert alda, nämlich
den 28 und 30 Junij und den 4 Julij. – wir sind den 9 Junii von Salzbς: abgereist,
sind erst dς 12 in Münchς eingetroffς, weil in Wasserburg neue Räder gemacht
wurdς, und sind doch den 13 Julii in Schwezingς gewesen. obwohl wir uns auch in
Ulm, Ludwigsburg, und Bruchsal aufgehaltς. Ihr sehet also, daß der Lange und
unnötige Aufenthalt alles verderbt, der schönste Herbst, der beÿ Mansgedenkς gewesen, ist
so dahin gegangς, und bis itzt habt ihr eine Spazierreise gemacht, und ist die zeit mit Unter=
haltung und spaß dahingegangς: Nun ist die üble Witterung, der kurze Tag, die kälte schon
da, und wird noch mehr komς, und die aussicht, das ziel, kostbar und entfernt.
den ganzς Winter kan man nicht reisen; und wen man bleibς will, so muß es in einer grossς
Statt seÿn, wo welt ist, wo zum verdienste Hofnung und Gelegenheit ist: und wo ist
ein solcher Platz in dς ganzς Gegend? – ausgenomς Paris: – – In Paris zu lebς gehört aber
ganz eine andςe Lebensart, eine andςe Gedenkungsart, Aufmerksamkeit, tägliches Nachdenkς
etwas zu gewinς, und die äusserste Politesse sich beÿ Personς von Stande zu insinuierς
dazue: davon ich das mehrere in meinem nächstς Briefe schreibς werde, wo ich euch auch
meine Gedanckς wegς einer etwa zu nehmendς ganz andςς Strasse eröffnς werde, unn, wie
glaube, geschwind nach Paris zu komς. nämlich von Coblenz nach Trier, Luxenburg,
Sedan
wo hς: Ziegenhagen der mit hς: Wahlen beÿ uns war, seine Tücherfabrick hat,

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und vielleicht ist er da. dan nach Rethel, Reims, Soissons nach Paris. NB. von Paris nach Rethel
sind 22 französische Postς. Von Rethel ist ein kazensprung nach Sedan – – Luxenburg auch
nicht weit und Trier gleich an Luxenburg. Luxemburg, eine ansehnliche Vestung, wo viel officier
seÿn werdς. Rheims und Soissons sind grosse Hauptstätte. Hier lässt sich aller Ort eher
etwas verdienς um die Reiseköstς zu gewinς, weil die Virtuosς sehr seltς an solche Pläze komς.
da hingegς von Brüssl bis Paris 34 Postς zu machς sind, die uns 20 Louisd'or gekostet
mit 6 Pferd, ohne einς Kreuzer einzunehmς. und von Coblenz bis Brüssl ist nichts zu machς,
als vielleicht beÿm Churfς: von Cölln. vielleicht? – und was in Brüssl? – – – – –
unterdessς mag ein Weeg genomς werdς, was für einer will, so sorge für Recomen=
dations
briefe nach Paris, von wem sie imer seÿn mögς, – Kaufleutς, Cavagliers pp: und
ist nicht etwa ein französς: Gesandter, odς Resident in Maynz odς Coblenz? ich glaub
nein. du hast gar keine Empfehlungsschreibς, und ich hatte dern eine Menge; sie sind höchst
nothwendig, um sich gleich protection und bekanntschaftς zu verschaffς. So eine Reise ist kein
Spaß, das hast du noch nicht erfahrς, man muß andςe wichtigere Gedankς im Kopf habς, als
Narrenspossς, man muß hundert sachς vorauszusehς bemühet seÿn, sonst sitzt man auf einmahl
im dreck, ohne Geld, – – und wo kein Geld ist, – ist auch kein freund mehr, und wen du
hundert Lecktionς umsonst giebts, Sonaten Componierst, und alle Nächte, statt wichtigern
dingen, von 10 uhr bis 12 uhr Saureiς machst. Begehre dan einς GeldCredit! – da hört
aller spaß einmahl auf – und im augenblicke wird das lächerlichste Gesicht, ganz
gewiß ernsthaft. Ich tadle dich keinesweegs, daß du dich durch freundschafts Stücke das Cana=


bichische Hauß verbündlich gemacht, es war sehr wohl gethan: allein einige sonst müssige Abendstundς
hättest du deinem für dich so sorgfältigς Vatter schenckς, und ihm keinς in dς Geschwindigkeit hinge=
schriebenς Mischmasch, sondς einen ordentlichς vertraulichς Bericht, von eurς gemachtς Reiseköstς,
von eurem noch übrigς Geld, von der in Zukunft vorzunehmendς Reise, von deiner
Absicht in Manheim pp: umständlich niederschreibς und dich Raths erhohlς sollς; das Hoffe
wirst du selbst vernünftig einsehen. dan auf wen fällt dan endlich alles zurück, als
auf deinς armς altς Vatter. da ich den 21, wie obς gesagt, deinς Brief erhielt; konte vor dem
Heutigς tage nichts antwortς. Gestern dς 23 habe beÿ der hl: Dreyfalltigkeit meine Beicht ver=
richtet und euch beÿde mit weinendς Augen dem Schutz des allmächtigς Gottes empfohlς.
Nachmittag war Bölzlschüssς, das der Cajetan Andretter gab: ich gewan das beste. hς: Bullinger,
der sich empfiehlt, war über deinς Brief auch etwas betroffς, und beÿ diesen ernsthaftς Um=
ständς, schien mir, daß ihm dein Spaß mit dς ofenς schuld nicht sehr gefiel. um halbe
6 uhr bin ich noch zu hς: Hagenauer gegangς, um ihn zu bittς: daß wen hς: Nocker und
Schiedl mit dς Post ihm keine Nachricht giebt dir etwas angewiesen zu habς, daß er mit
dieser Post desswegς nach Augspς: möchte schreibς lassς.
Heute frühe gieng ich abermahl
in Laden und sprach mit dem hς: Joseph. Ich fand, daß sie von Nocker und Schidl zwar
Briefe hattς; aber von dir wird nichts gemeldet. Er versprach mir heute zu schreibς.
Nun hab für alles gesorgt; und hoffe du wirst entzwischς Geld erhaltς haben, die Noker
und Schiedlische Handlung wird es dan erst berichtς, wen sie wissς, wie viel dir gegebς
wordς. NB Es ist alzeit besser, wen man wo geld nimt, daß man nicht Guldς weis,
sondern Stück weis nimt z: E: 6, 7, p:  Louisd'or, Carolin, odς was es ist. Nun habe ich dir
alles gesagt wie es mir ums Herz ist, und wie es die Gottliebende Wahrheit ist. du wirst es erst
einsehen lernen, daß es kein Spaß ist so eine Reise zu unternehmς und vom zufälligen Geld=
einnahm leben zu müssen: wo man vor allem Gott inständigst um die Gesundheit bittς

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vor schlechtς Leuten sich wachsam Hütten, und mit allem, was man weis und kan Geld zu ver=
dienς, und solches dan mit gröster Hauswirtschaft ausgebς muß. Mir ist lieber auf der Reise
daß mir ein Mensch, dem ich etwa zu wenig gebe, und ihn in meinem Lebς nicht mehr sehe,
mir nachsagt, ich wäre ein Pfeningfuxer, als wen er, da ich ihm zuviel gebe, mich noch
hinten darein auslacht. das Papier ist voll, und ich, sondςheitl: meine Augς müde.
Ich und die Nanerl wünschς euch die beste Gesundheit, Küssς euch von Herzς millionmahl
und ich bin der alte Man und Vatter     NB nicht Sohn
                                                            Mozart mp

Hoffe ihr werdet meinς Brief vom 20 erhaltς haben, wo ich dir gemeldet habe, daß du an
M: Grim nach Paris schreibς könntest, auch was du an Fürstς in Chiemse nach Münchς
schreibς sollst, mit nächster Post, werde alle Postς nach Paris und meine Meinung p:
auch die Lista aller unserer ehemaligς bekanntς in Paris übermachς. addio.


À Monsieur 
Frcoaugς:

Monsieur Wolfgang Amadé
Mozart Maître de Musique

im Pfälzischen        à
Hofe.                      Manheim

N:o 20.

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