[S. 1]


15.
Ma
nheim den 20
ten Novbre
1777
Mon trés cher Pére.
Heüt muß ich es ganz kurz machen, weil ich kein Papier mehr zu haus
habe. gestern als Mittwoch den 19:
ten: fieng wieder die
galla an. ich war in A
mt,
welches ganz funcklnagel neü von vogler
componirt war. ich war schon vorgestern
nachmittag in der Probe, gieng aber gleich nach geendigten
Kyrie davon. so hab
ich mein lebtag nichts gehört. Es sti
mt oft gar nicht. er geht in die töne,
daß man glaubt, er wolle einen beÿm haaren hinein reissen; aber nicht
daß es der mühe werth wäre, etwa auf eine besondere art, nein,
sondern ganz Plump. von der ausführung der
Ideén will ich gar nichts
sagen. ich sage nur das, daß es unmöglich ist, daß ein voglerisches
a
mt einem
Compositeur | der diesen namen verdient | gefallen ka
n. de
n
kurz. iezt hör ich einen gedancken der nicht übel ist – – – ja, er bleibt
gewis nicht lange
nicht übel, sondern er wird bald – – – schön? – –
gott behüte! – – übel und sehr übel werden; und das auf 2
oder dreÿerleÿ Manieren, nemlich daß kaum dieser gedancken angefangen,
kö
mt gleich was anders und verderbt ihn; oder er schliest den gedancken nicht
so natürlich, daß er gut bleiben kö
nte. oder er steht nicht am rechten
ort. oder endlich er ist durch den satz der
Instrumenten verdorben.
so ist die Musick des voglers.
Canabich componirt iezt viell besser,
als da wir ihn zu Paris gesehen. was ich aber, und meine Mama auch
gleich, hier an den
Sinfonien be
merckt habe, ist, daß eine wie die
andere anfängt. allzeit von anfang langsam und
unisono. Nun muß ich
dem Papa wegenden h
ς: kreuz in augspurg etwas schreiben, daß ich i
mer
vergessen habe.
DOM=
MUSICK=VEREIN
U.
MOZARTEUM
INTERNATIONALE
STIFTUNG:
„MOZARTEUM”
1881
[S. 2]


Ich habe recht vielle höflichkeiten dort empfangen, und der h
ς: Prælat ist der
beste Man von der welt, ein recht guter alter datl, der aber in einem
augenblick weck seÿn ka
n, indem es ihm starck an othem fehlt. wie er
erst leztlich an den nemlichen tag als wir weg=gereiset sind, von schlag
gezügt worden ist. er, und der dechant, und
Procurator haben uns
beschworen, we
n wir wieder nach augspurg ko
men gleich im kloster ab=
zusteigen. der
Procurator ist so ein lustiger Man, wie der
Pater Leopold zu
Seon. Mein basl hat mir vorläüfig gesagt, wie er ist; folglich sind wir
in der ersten Zusa
menkunft so beka
nt gewesen, als kä
nten wir uns 20
jahr. ich habe ihnen die Messe
ex f. und die erste aus den
kurzen Messen in
C und das
offertorium in
Contrapunct in
D minor dort gelassen.
Meine baaß ist ober=aufseherin darüber. das
offertorium habe ich
accurat
zurück beko
men, weil ich es fürs erste verlangt habe. Nun haben sie
mich alle, und auch der h
ς: Prælat, geplagt, ich möchte ihnen doch eine
ly=
taniæ de venerabili geben. ich sagte ich habe sie nicht beÿ mir. ich wuste
es auch wircklich nicht gewis. ich suchte, und fand sie nicht. Man liess mir
kein fried, man glaubte ich wollte sie nur verleügnen, ich sagte aber. hören
sie, ich habe sie nicht beÿ mir, sie ist zu
Salzbourg, schreiben sie meinen
Papa, es ko
mt iezt auf ihn an. schickt er sie ihnen, so ists wohl und gut.
wo nicht, so ka
n ich auch nicht dafür. es wird wohl glaublicherweise bald
von h
ς: Dechant ein brief an
papa erscheinen. Nun thun sie was sie wollen.
we
n sie ihnen eine schicken wollen, so schicken sie die lezte die
ex E b: de
n
sie könen alles besezen, es ko
men zur selben Zeit vielle leüte zusa
men,
sie beschreiben sie gar, de
n das ist ja ihr gröstes fest.
adieu. ich küsse
dem
Papa 100000mahl die hände, und meine schwester umarme ich vom ganzen
herzen und bin dero gehorsamster sohn
wolfgang
Amadé Mozart mp
DOM=
MUSICK=VEREIN
U.
MOZARTEUM
INTERNATIONALE
STIFTUNG:
„MOZARTEUM”
1881
[S. 3]


vor 22 Nov 77
19 20
unsere Empfehlung an alle bekante, absonderlich
an herr bullinger Jungfer
Sallerl, Jungfer Mizerl,
gilovzki Catherl, Herr Gött,
die Thresel las ich grüßς,
wür sind gott lob gesund. Heunt würd wider
die große
opera gespilt, göstern als an
Elisabetha tag hab ich und der wolfgang beÿ herrn
und Madame Wendling gespeiset, nemlich beÿ
den flautraversistς, der Wolfgang gilt alles beÿ ihnς
sie haben eine einzige tochter die sehr schön ist, und
die der bach in England hat wollen heurathς, sie
ist schon über 1
1⁄2 Jahr kräncklich, weil sie von einen
fieber ist übel
curiert worden, ist woll schade umb
dise pehrsohn, adio lebts beÿde gesund ich kisse dich
und die nanerl vill 1000 mahl verbleibe dein getreues
altes weib Mozartin
Vorstehende Zeilen sind von der Hand
der Marianna Mozart (Mutter
des großen Mozart)
AF.
[S. 4]


N. 15
N. 15
fro augspurg
Monsieur
Monsieur Leopold Mozart
maitre de la Chapelle de S: A: R:
L'archeveque de et à
Salzbourg
Diese Adresse ist
von der eigenen Handschrift
des unsterblichen Tonmeisters
W. A. Mozart (v. J. 1777)
Die Aechtheit verbürgt Aloÿs Fuchs.