ich widerumb einen andern an. Du hast in deinς brief gefragt
erstaunlich über ihme verwundert. der herr Capellmeister holz=
=
Ich
johannes Chrisostomus Amadeus Wolfgangus sigismundus Mozart
giebe mich schuldig, daß ich vorgestern, und gestern |: auch schon öfters :|
erst beÿ der nacht um 12 uhr nach haus geko
men bin; und daß ich
von 10 uhr an bis zur bene
nten stund beÿm
Canabich, in gegenwart
und
en Compagnie des
Canabich, seiner gemahlin und dochter, h
ς:
schazmeister,
Raam, und
Lang, oft und – – nicht schweer,
sondern ganz leichtweg gerei
met habe; und zwar lauter
Sauereÿen, ne
mlich, vom Dreck, scheissen, und arschlecken, und
zwar mit gedancken, worten und – – – aber nicht mit
wercken. ich hätte mich aber nicht so gottloß aufgeführt, we
n nicht
die Rädl=führerin, nemlich die sogenante lisel |:
Elisabetha Canabich :|
mich gar so sehr darzu a
nimiret und aufgehezt hätte; und ich muß
beke
nen daß ich ordentlich freüde daran hatte. ich beke
ne alle diese
meine sünden und vergehungen von grund meines herzen, und in
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hofnung sie öfter beke
nen zu därfen, ni
m ich mir kräftig vor, mein
angefangenes sündiges leben noch i
mer zu verbessern; darum bitte
ich um die heilige
dispensation, we
n es leicht seÿn ka
n; wo nicht,
so gilt es mir gleich, de
n das spiell hat doch seinen fortgang.
Lusus enim suumhabet ambitum spricht der seelige sänger
Meissner,
Cap: 9
pag: 24. weiters auch der heilige
Ascenditor,
Patron des bre
n=supen
Còffé, der schi
mlichten
Limonade, der Mandl=
milch ohne mandeln, und insonderheitlich des Erd=beer gefrornen
voll eÿs=brocken, weil er selbst ein grosser ke
ner und künstler
in gefrornen sachen war. die
sonaten die ich für die
Mad:selle Canabich
geschrieben habe, werde ich so bald es möglich auf klein Papier abschreiben
lassen, und meiner schwester schicken. vor 3 tägen habe ich angefangen
der
Mad:selle Rose die
sonate zu lehren; heüte sind wir mit dem ersten
Allegro fertig. das
Andante wird uns am meisten mühe machen; den
das ist voll
expression, und muß
accurat mit den
gusto,
forte und
piano, wie es steht, gespiellt werden. sie ist sehr geschickt, und lernt
sehr leicht. die Rechte hand ist sehr gut, aber die lincke ist leider ganz
verdorben. ich ka
n sagen daß ich oft sehr mitleiden mit ihr habe, we
n ich
sehe, wie sie sich oft bemühen muß, daß sie völlig schnauft, und nicht
aus ungeschicklichkeit, sondern weil sie nicht anderst kan, weil sie es
schon so gewohnt ist, inde
m man ihr es nie anderst gezeügt hat.
ich habe auch zu ihrer Mutter und zu ihr selbst gesagt, daß we
n ich
iezt ihr förmlicher meister wär, so sperrte ich ihr alle Musikalien ein,
deckete ihr das
Clavier mit einem schnupftuch zu, und liesse ihr so lang
mit der rechten und lincken hand, anfangs ganz langsam, lauter
Pasagen,
Triller,
Mordanten Ecetra:
exerciren, bis die hand völlig eingericht wäre,
de
n hernach getrauete ich mir eine rechte
Clavieristin aus ihr zu machen.
de
n es ist schade. sie hat so viell
genie, sie liest ganz
Passable, sie hat
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sehr viel natürliche leichtigkeit, und spiellt mit sehr viell empfindung.
sie haben mir auch beÿde recht gegeben. Nun auf die
opera. ganz kurz.
die Musick von Holzbauer ist sehr schön. die
Poesie ist nicht werth einer
solchen Musick. an meisten wundert mich, daß ein so alter Ma
n, wie holz=
bauer, noch so viell geist hat; de
n das ist nicht zu glauben was in der
Musick für feüer ist. die
Prima dona war die
Mad: Elisabetha Wendling,
nicht die flutra
versisten frau, sondern des geigers. sie ist i
mer kränklich,
und zu de
m war auch die
opera nicht für sie, sondern für eine gewisse
Danzi geschrieben, die iezt in England ist; folglich nicht für ihre sti
me,
sondern zu hoch. h
ς: Raaf hat unter 4
arien, und etwa beÿläufig 450
Täct einmahl so gesungen, daß man gemerckt hat daß seine sti
me
die stärckste ursach ist, warum er so schlecht singt. wer ihn eine
Arie
anfangen hört, und nicht in demselben augenblick denckt daß Raaf
der alte vormals so berü
mte
tenorist singt, der muß gewis
vom ganzen herzen lachen. de
n es ist halt doch gewis; ich habe es
beÿ mir selbst bedenckt: we
n ich iezt nicht wüste daß dies der Raaf
ist, so würde ich mich zusa
men biegen vor lachen, so aber – – ziehe
ich nur mein schnupftuch heraus und schmutze. Er war auch sein lebtag,
wie man mir hier selbst gesagt hat, kein
Acteur; man muste ihn nur
hören, und nicht sehen. er hat auch gar keine gute
Person nicht. in
Fer
der
opera muste er sterben, und das singend, in einer | langen |
langsamen
Aria, und da starb er mit lachenden Munde. und gegen
Ende der
Arie fiel er mit der sti
me so sehr, daß man es nicht aus=
halten ko
nte. Ich sass neben den flut: wendling im
orchestre. ich sagte
zu ihm, weil er vorher
critisirte daß es unatürlich seÿe, so lange
zu singen, bis ma
n stirbt, ma
n ka
ns ja kaum erwarten. da sagte ich
zu ihm. haben sie eine kleine gedult, iezt wird er bald hi
n seÿn,
de
n ich höre es. ich auch sagte er und lachte. die 2:
te sängerin eine
gewisse
Mad:selle strasserin | aber keine von die strasser jungfr: | singt sehr
gut, und ist eine Trefliche
actrice.
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hier ist eine teütsche
National=schaubühne die i
mer bleibt, wie zu München.
Teütsche singspielle giebt ma
n bisweilen, aber die singer und singerinen sind
darbeÿ Elend. gestern habe ich beÿ
Baron und
Baronesse von Hagen oberst=
jagermeister gespeist. vor 3 tägen war ich bey h
ς: schmalz kaufman, wo
mich der h
ς: herzog, oder viellmehr Nocker und schidl durch einen brief
hin=
addressirte. ich war in der Meÿnung einen recht höflichen brafen
Ma
n zu finden. ich übereichte ihm den brief. er laß ihn durch, machte mir
eine kleine krü
mung mit den leib, und – – sagte nichts. endlich
sagte ich | nach viellen entschuldigen, daß ich nicht schon längst meine auf=
wartung beÿ ihm gemacht habe | daß ich mich beÿm Churfürsten habe hören
lassen. so? – –
altum silentium! ich sagte nichts. er sagte nichts.
endlich sagte ich, ich will ihnen länger nicht ungelegen seÿn, ich habe die
Ehre – – hier fiel er mir in die rede. wen ich ihnen etwas dienstliches
erweisen ka
n, so – – ehe ich weg=reise werde ich so freÿ seÿn, und
sie bitten – –
mit geld? – – ja, we
n sie wollen, die – –
ja das
kan ich nicht, da steht nichts in brief von geld. geld kan ich ihnen nicht geben,
aber sonst – – aber sonst kö
nen sie mir in
nichts dienen, ich wüste
nicht in was. ich habe die ehre mich zu Empfehlen. gestern habe ich die
ganze historie dem h
ς: herzog in augs=purg geschrieben. Nun müssen wir auf
eine antwort warten; folglich ka
n der Papa noch nach Ma
nheim schreiben.
iezt bitte ich meine Empfehlung an alle gute freünd und freündinen,
ich küsse dem Papa 100000 mahl die hände, und meine schwester umarme
ich von ganzen herzen, und bin der Junge bruder und vatter
weil der Papa in lezten brief geschrieben hat:
ich bin der alte Ma
n und sohn. wolfgang gottlieb Mozart
mp
heüt ist der 16:
te wo man ihn ausgeschrieben hat, den
brief, sonst weis er nicht wa
n man ihn weg=geschickt hat, den brief. hast ihn iezt fertig? –
den brief? – – – ja, ma
ma, ich habe izt fertig, den brief.