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11.
Monsieur mon trés cher Pére.
wir haben geschrieben den tag vor unserer abreise von Augspurg;
sie müssen halt den brief noch nicht empfangen haben. mir wäre leid
we
n er sollte verloren gegangen seÿn; da
n es ist viell geschrieben.
er ist das ganze
Concert darin beschrieben; es ist auch vom
stein seiner
Tochter etwas darin, wie auch die dancksagung für die glückwünsche
auf meinem Na
mens=tag. doch iezt hoffe ich werden sie ihn schon haben.
dieß ist der zweÿte brief den ich von Ma
nheim schreibe. ich bin alle
tage beÿ
Canabich. heüt ist auch meine
Mama mit mir hingegangen.
Er ist ganz ein anderer Ma
n, als er vorher war; es sagt es auch das
ganze
orchestre. er ist sehr für mich eingeno
men. er hat eine
tochter
die ganz artig
clavier spiellt, und damit ich ihn mir recht zum freünde
mache, so arbeite ich iezt an einer
Sonata für seine
Mad:selle tochter,
welche schon bis auf das
Rondeau fertig ist. ich habe wie ich das erste
Allegro, und
Andante geendiget hatte selbe hingebracht und ge=
spiellt; der
Papa ka
n sich nicht vorstellen was die
sonata für
einen beÿfall hat. es waren einige von der Musick just dort,
der Junge
danner, ein
waldhornist lang, und der
Hautboist,
dessen Na
men ich nicht mehr weis, welcher aber recht gut bläst,
und einen hübschen feinen ton hat. ich habe ihm ein
Præsent mit
den
Hautbois Concert gemacht. es wird im zi
mer beÿ
Canabich
abgeschrieben. der Mensch ist Närrisch für freüde; ich hab ihm das
Concert heüt auf dem
Piano forte beÿm
Canabich vorgespiellt;
und obwohl man wuste,
das es von mir ist, so gefiele es doch sehr.
kein mensch sagte daß es nicht
gut gesezt seÿe; weil es die leüte
hier nicht verstehen – – sie sollen nur den
Erzbischof fragen,
der wird sie gleich auf den rechten weeg bringen.
DOM=
MUSICK=VEREIN
U.
MOZARTEUM
INTERNATIONALE
STIFTUNG:
„MOZARTEUM”
1881
[S. 2]


heüte habe ich alle meine
sechs sonaten beÿm
Canabich gespiellt. h
ς:
kapellmeister
Holzbauer hat mich heüt selbst zum h
ς: jntendant graf
Savioli geführt. kanabich war just dort.
hς: Holzbauer sagte auf
welsch zum
grafen; das ich möchte die gnade haben mich beÿ S:
Churf:
Durchl: hören zu lassen. ich bin schon vor 15 jahren hier gewesen. ich
war dort 7 jahr alt, aber nun bin ich älter und grösser geworden,
und so auch in der Musick. ah, sagte der
graf, das ist der – –
was weis ich für wem er mich hielt, da nahm aber gleich der
Canabich das wort, ich stellte mich aber, als we
n ich es nicht
hörte, liess mich mit andern in
Discurs ein. ich merckte aber das
er ihm mit einer ernsthaften Mi
ne von mir sprach. der graf
sagte da
n zu mir, ich höre daß sie so ganz
Passable clavier spiellen? –
ich machte eine verbeügung. Nun Muß ich von der hiesigen Musick reden.
ich war sa
mstag am allerheiligen tag in der kapelle in Hocha
mt. das
orchestre ist sehr gut und starck. auf jeder seite 10 bis 11
violin,
4 bratschn, 2
oboe, 2
flauti und 2
Clarinetti,
2 Corni, 4
violoncelle, 4
fagotti
und 4
Contrabassi und trompetten und Paucken. es läst sich eine
schöne Musick machen, aber ich getrauete mir keine Mess von mir
hier zu
produciren. warum? – – wegen der kürze? – Nein,
hier muß auch alles kurz seÿn – – wegen dem kirchenstÿl? –
nichts weniger. sondern weil man hier
iezt beÿ dermaligen um=
ständen hauptsehlich für die
istromenti schreiben muß, weil man
sich nichts schlechters gedencken ka
n, als die hiesige
Vocal=sti
men.
6
soprani, 6
alti, 6
tenori, und 6
Bassi, zu 20
violin und 12
Bassi,
verhält sich just wie 0 zu 1. nicht wahr h
ς: Bullinger? – –
dieß ko
mt daher. die wälschen sind hier iezt
miserable angeschrieben.
sie haben nur 2
Castraten hier, und die sind schon alt. ma
n
läst sie halt absterben. der
Sopranist möchte schon auch lieber
den
alt singen. er ka
n nicht mehr hinauf. die etliche buben die
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1881
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sie haben sind elendig. die
tenor und
Bass wie beÿ uns die todten=
singer. der h
ς: vice=kapellmeister
Vogler der neülich das A
mt
machte, ist ein eder Musickalischer spass=macher. ein Mensch der
sich recht viell einbildet und nicht viell ka
n. das ganze
orchestre
mag ihn nicht. heüt aber als So
ntag habe ich eine Messe vom
Holzbauer gehört, die schon 26 jahr alt ist, und aber recht gut ist.
er schreibt sehr gut. einen guten kirchen=stÿl. einen guten saz
der
vocal=sti
men und
instrumenten; und gute
fugen. 2
orga=
nisten haben sie hier, wo es der mühe werth wäre eigenst nach Ma
n=
heim zu reisen. ich habe gelegenheit gehabt sie recht zu hören, de
n
hier ist es nicht üblig das man ein
Benedictus macht, sondern der
organ[ist] muß dort allzeit spiellen. das erstemahl habe ich den
zweÿten gehört, und das andertemahl den ersten. ich schätze
aber nach meiner meÿnung den 2:
ten noch mehr als den ersten. de
n
wie ich ihn gehört habe, so fragte ich, wer ist der, welcher die
orgl schlägt? –
unser 2:
ter organist. er schlägte
miserable. wie ich den andern hörte,
wer ist de
n der? – – unser erster. der schlagte noch
miserabler.
ich glaub we
n ma
n sie zusa
men stöste, so würde noch was schlechters
heraus ko
men. es ist zum todlachen diesen herrn zuzusehen. der
zweÿte ist beÿ der
orgl wie das kind beÿm dreck; man sieht
ihm seine kunst schon im gesichte an. der erste hat doch brüllen auf.
ich bin zur
orgl hingestanden, und habe ihm zugesehen in der absicht
ihm etwas abzulernen; er hebt die hände beÿ einer jeden Note in alle
höhe auf. was aber seine
force ist, ist daß er 6 sti
mig spiellt, meisten=
theils aber
quint=sti
mig und
octavsti
mig. er läst auch oft für
spass die rechte hand aus, und spiellt mit der lincken ganz alleine,
mit einem worte, er ka
n machen was er will, er ist völlig herr über
seine
orgl.
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1881
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die
Mama läst der
der Nanerl sagen, daß das futter zum Rock in
grossen kasten, rechterhand, und völlig unten liegt; es werden aller=
hand fleck drauf liegen. schwarze, weisse, gelbe, braune, rothe,
grüne, blaue
Etc: die Mama empfehlet sich allerseits. sie ka
n ohn=
möglich schreiben, de
n sie muß noch ihr
officium betten. wir sind
gar spätt von der grossen
opera Prob nach haus geko
men.
das baumwoll=gaden ist keins in schleichen, sondern in kneil oder
knal oder gar knul, und in einen blauen Tüchel eingebunden.
ja, so ist es und nicht anderst. Morgen muß ich nach dem Hocha
mt
zu der gestrengen frau
Churfürstin, sie will mir
absolument
filée stricken lehren; ich habe völlig sorg darauf, de
n so wohl
sie als auch der Edlveste
hς: Churfürst will daß ich schon
künftigen do
nerstag abends in der großen
galla schla
cademie
öfentlich stricken soll. die jungf:
Prinzessin hier, welche ein
beschissens kind zur
Churfürstin ist, strickt auch selbst recht hübsch;
um 8 uhr
Puncto • ist der
zweenbruck und seine
zwobrückin hier
angelanget.
appropós. Meine
mama und ich bitten den
Papa recht
schön, sie möchten doch die güte haben, und unserer lieben
baase
ein angedencken schicken. de
n wir haben alle zweÿ bedauret daß
wir nichts beÿ uns haben, aber versprochen dem
Papa zu schreiben
das er ihr was schickt. aber zweÿerleÿ sachen. in
mamen
der
Mama ein so doppel düchel wie die Mama eins hat, und
im namen meiner eine
galanterie. eine dose, oder Zahnstockerbüchsl
etc:
oder was es ist, wen es nur schön ist; de
n sie verdient es.
sie und ihr
hς: vatter haben sich vielle Mühe gegeben, und vielle Zeit mit uns ver=
loren. der
hς: vetter hat beÿm
Concert das Geld eingenomen.
addio.
Baccio le mani di vostra Paternità, ed abbraccio con leggiertà la mia
sorella, e faccendo i miei complimenti da per tutto sono di tutto Cuore
Wolfgango Amadeo Mozart.
Manheim li 4 di Nov:bre 1777
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4. Nov 77
ein gewisser Singnor gervasio und seine frau, welche
dich von holland aus keneten, last dir graduliern
zu deinς virtuosen Sohn, er spillet Mandolin und
sie Singt, sie habς heunt ein Consert gebς. unsere
Empfehlungς an ganz Salzburg, absonderlich an
unsere wahrς freinde, herr bullinger und Jungfer
Sallerl.
Von Mozarts Mutter:
Mariana Mozart.
gilowskÿ katherl, fr: v: gerlisch, h: von heffner,
fr: v: heffner, fr: v: schidenhofen, hς: geschwendner, hς:
Sandner und alle die gestorben sind. die scheiben,
wens es nicht zu spät ist, bitte ich mir so aus. ein kleiner
Mensch mit lichten haaren steht gebuckt da, und zeigt
den blosen arsch her. aus seinen Mund gehen die wort.
guten appetit zum schmaus. der andere wird gemacht,
in stiefl und sporn, ein roths kleid, eine schöne Perücke
nach der Mode; er muß von mitterer grösse seÿn. er
wird in der Positur vorgestellt wie er den andern just
im arsch leckt. aus seinen Mund gehen die worte.
ach, da geht man drüber N'aus. so, ich bitte.
wen es diesemahl nicht seÿn kan, ein andermahl.
Von W. A Mozarts
Hand.
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À Monsieur
frei Augspurg
Monsieur Leopold Mozart
Maitre de la Chapelle de S: A: R:
L'archeveque de
à
Salzbourg.