1
gangen. Graf wolfeck
war fleissig dabeÿ, und brachte etliche stiftdamen mit. ich war schon gleich
nicht hier. vor etlichen tägen ist er wieder angelangt, und da er erfahren
trat er eben zur thüre herein. nun muß ich eine beschreibung von den
e. vergangenen
rich, wie ich schon geschrieben habe. etliche täge vor=
ist. den sa
heunt als den
23 speist der wolfgang wider bey hl: Creuz, ich wahre auch eingeladς,
weill ich aber für lauter Kälte den bauch wehe habe, so bin ich
zu hause geblibς. ist es zu Salzburg auch so kalt wie hier wo
es alles zu samen gefrohren ist wie miten in winter, über morgς
als am Samstag | wan nichts darzwischς komt :| haben wür in Sinn
nacher wallerstein abzureisen, das hiesige Consert ist unvergleich=
lich ausgefahlς, das mehrer wird die Zeittung gebς, herr stein
gab sich alle müehe, und hat uns ville höfflichkeit erwisen, du
kanst dich schrifftlich bedanckς beÿ ihme. ich hofe du und die nanerl
werdς sich gesund befindς, mir ist schon Ganz bange weill wir dise
wochen keinen brief bekomen habς, ob dir etwonn nichts fehlet.
schreibe mir doch bald damit ich aus der sorge kome. mich wundert
sehr das du die duet von schuster noch – –
ach er hat sie ja
DOM=
MUSICK=VEREIN
U.
MOZARTEUM
INTERNATIONALE
STIFTUNG:
„MOZARTEUM”
1881
[S. 2]
beko
men, – –
Mama: Eÿ beleibe, er hat ja i
mer geschrieben, daß er sie
noch nicht hat – –
wolf: das disputiren ka
n ich nicht leiden, er hat sie
gewis, und hiemit ists aus.
Mama: du irrest dich
wolf: Nein, ich irre mich
nicht, ich wills der Mama geschriebner zeigen.
Mama: ja, und wo?
wolf:
da, liest die mama nun liest sie just – – – vergangenen So
ntag
war ich im A
mt beÿm hl: kreüz. um 10 uhr gieng ich aber zum h
ς:
stein. – das war den 19:
ten wir Probierten ein paar
Sinfonien zum
Concert. hernach speiste ich mit meinen vettern beÿm hl: kreüz: unter
der
tafel wurde
Musique gemacht. so schlecht als sie geigen, ist
mir die
Musique in den kloster doch lieber, als das
orchestre vom
Augs=
purg. ich machte eine
sinfonie, und spiellte auf der
violin das
Concert
ex B von
vanhall, mit algemeinem
applauso. der h
ς: Dechant ist ein
brafer lustiger Ma
n, er ist ein vetter vom
Eberlin heist
Zeschinger,
er ke
nt den Papa ganz gut. auf die Nacht beÿm
soupée spiellte ich
das
strasbourger=Concert. es gieng wie öhl. alles lobte den schönen,
reinen Ton. hernach brachte man ein kleines
Clavicord. ich
Präludirte,
und spiellte eine
sonata, und die
Variazionen von fischer. da
n zischerten
die andern dem h
ς: Dechant ins ohr, er sollte mich erst
orglmässig
spiellen hören; ich sagte, er möchte mir ein thema geben, er wollte nicht,
aber einer aus den geistlichen gab mir eins. ich führte es spazieren, und
mitten darin, |: die
fugue gieng
ex g minor :| fieng ich
major an, und ganz
was scherzhaftes, aber in nämlichen
tempo, da
n endlich wieder das
thema,
und aber arschling; endlich fiel mir ein, ob ich das scherzhafte
wesen nicht auch zum thema der
fugue brauchen kö
nte? – – ich fragte
nicht lang, sondern machte es gleich, und es gieng so
accurat, als we
n es
ihm der
Daser
#
angemessen hätte. der h
ς: Dechant war ganz ausser sich.
das ist vorbeÿ, da nuzt nichts, sagte er, das habe ich nicht geglaubt, was ich
da gehört habe, sie sind ein ganzer Ma
n. mir hat freÿlich mein Prelat gesagt,
daß er sein lebetag niemand so bündig und ernsthaft die
orgl habe spiellen
hören. |: dan er hat mich etliche tage vorher gehört, der
Dechant war aber nicht
hier :| endlich brachte einer eine
Sonata her, die
fugirt war. ich sollte sie spiellen.
# So hieß ein Schneider in Salzburg.
INTERNATIONALE
STIFTUNG:
„MOZARTEUM”
1881
[S. 3]
2
ich sagte aber, meine herrn, das ist zu viell; das muß ich gestehen, die
sonata werde ich nicht gleich so spiellen können. ja, das glaub ich auch, sprach
der
Dechant mit viellem Eÿfer, da
n er war ganz für mich. das ist zu
viell, da giebts keinen dem das möglich wäre. übrigens aber, sagte
ich, will ich es doch Probiren. da hörte ich aber i
mer hinter meiner
den
Dechant. O Du Erzschufti. o du spizbub; o du du! – –
ich spiellte bis 11 uhr. ich wurde mit lauter
fugen themata Bombardirt,
und gleichsam belagert. Neülich beÿm
stein brachte er mir eine
Sonata vom
Becché – – ich glaube ich habe das schon geschrieben.
appropós wegen seinen Mädl. wer sie spiellen sieht und hört,
und nicht lachen muß, der muß von
stein wie ihr vatter seÿn.
Es wird völlig gegen dem
Discant hinauf gesessen, beleÿbe
nicht mitten, damit man mehr gelegenheit hat, sich zu bewegen,
und
grimassen zu machen. Die
augen werden verdreht. es wird ge=
schmuzt. we
n eine sache zweÿmahl kö
mt, so wird sie das 2:
te mahl
langsamer gespiellt. ko
mt sie 3 mahl, wieder längsa
mer. der
Arm muß in alle höhe, we
n man eine
Pasage macht, und wie
die
Pasage marckirt wird, so muß es der arm, nicht die finger,
und das recht mit allen fleiss schweer und ungeschickt thun. das
schönste aber ist, daß we
n in einer
Pasage | die fortfliessen soll wie öhl :|
nothwendiger weise die finger gewechselt werden müssen, so brauchts
nicht viell acht zu geben, sondern wen es zeit ist, so läst man
aus, hebt die hand auf, und fängt ganz
Comod wieder an, durch
das hat man auch eher hofnung einen falschen ton zu erwischen, und
das macht oft einen
Curiosen Effect. Ich schreibe dieses nur um dem
Papa einen begrif vom
Clavier spiellen und
instruiren zu geben,
damit der Papa seiner Zeit einen Nuzen daraus ziehen ka
n.
h
ς: stein ist völlig in seine tochter vernart. sie ist 8 halb
jahr alt, sie lernt nur noch alles auswendig. sie ka
n werden.
sie hat
genie. aber auf diese art wird sie nichts. sie wird niemahlen
viell geschwindickeit beko
men, weill sie sich völlig befleist die hand
DOM=
MUSICK=VEREIN
U.
MOZARTEUM
[S. 4]
schweer zu machen. sie wird das nothwendigste und härteste und die
hauptsache in der
Musique niemahlen beko
men, nämlich das
tempo,
weil sie sich vom jugend auf völlig befliessen hat, nicht auf den tact
zu spiellen. h
ς: stein und ich haben gewis 2 stund mit einander
über diesen Punct gesprochen. ich habe ihn aber schon Ziemlich
bekehrt. er fragt mich iezt in allen um rath. er war in den
Becché völlig vernarrt. nun sieht und hört er, daß ich mehr spielle
als
Becché; daß ich keine
grimassen mache, und doch so
expres=
sive
spielle, daß noch keiner, nach seinen bekentniss, seine
Piano
forte so gut zu
tractiren gewust hat. daß ich i
mer
accurat im
tact bleÿbe. über das verwundern sie sich alle. Das
tempo
rubato in einem
Adagio, daß die lincke hand nichts darum weiß,
kö
nen sie gar nicht begreifen. beÿ ihnen giebt die lincke hand nach.
Graf
Wolfeck und mehrere, die ganz
Passionirt für
Beché sind,
sagten neülich öfentlich im
Concert, daß ich den
Becché in sack scheibe.
graf wolfeck lief immer im saal herum, und sagte. so hab ich mein
lebe tag nichts gehört. er sagte zu mir. ich muß ihnen sagen, daß
ich sie niemahlen so spiellen gehört, wie heüte. ich werde es auch ihren
vatter sagen, so bald ich auf
salzbourg ko
me. was meÿnt der Papa
was das erste war nach der
Sinfonie? – – Das
Concert auf
3 Clavier: h
ς: Demler spiellte das Erste,
ich: das zweÿte, und h
ς:
stein das dritte. da
n spiellte ich allein, die lezte
Sonata ex D fürn
Dürnitz: da
n mein
Concert ex B. da
n wieder allein ganz
orglmässig,
eine
fuge ex c minor, und auf einmahl eine Prächtige
sonata ex c major so
aus dem kopf mit einen
Rondeau auf die lezt. es war ein rechtes
Getös und lerm. h
ς: stein machte nichts als gesichter und
grimassen
für verwunderung. h
ς: Demler muste beständig lachen. das ist ein so
Curioser Mensch, das wen ihm etwas recht sehr gefällt, so mus er
ganz entsezlich lachen. beÿ mir fieng er gar zu fluchen an.
addio.
ich küsse dem Papa die hände, und meine schwester umarme ich vom
ganzen herzen ich bin dero gehorsamster sohn
den 24
oct: 1777
augusta vindelicorum. wolfgang Amadé Mozart
mp
DOM=
MUSICK=VEREIN
U.
MOZARTEUM
INTERNATIONALE
STIFTUNG:
„MOZARTEUM”
1881
[S. 5]
24 okt.1777.
3
das
Concert hat 90 fl: getragen ohne abzug der unkösten. Wir haben
also nun mit die 2
Ducaten auf der stube 100 fl: eingeno
men. die
unkösten vom
Concert haben nicht mehr als 16 fl: 30 kr: betragen. den
saal hatte ich freÿ. von der Musick glaube ich werden halt vielle
umsonst
gegangen seÿn. wir haben nun
in allem 26 oder 27 fl: verlorren.
das geht noch an. das schreibe ich den 25: sa
mstag. heüte frühe habe
ich den brief empfangen wo die trauerige nachricht des tods der
fr. oberbereiterin darin stehet. Nun ka
n die frl: thonerl ein spiziges
maul machen – – – vielleicht muß sie es weit aufsperren – – und
leider
leerer wieder zumachen. wegen der Mundbecken dochter habe
ich gar nichts einzuwenden. dieß hab ich alles schon lange vorher ge=
sehen. das war eben die ursach warum ich so zegerte weg zu reisen,
und warum es mir so hart anka
m. ich hoffe die Historie wird doch
nicht schon in ganz Salzburg beka
nt seÿn? – – ich bitte den
Papa recht inständigst zu tuschen so lange es möglich ist, und in
gottes=Namen halt die unkösten die ihr vatter wegen den Prächtigen
eintritt ins kloster gehabt hat, unterdessen für mich zu ersezen,
bis ich wieder nach Salzburg ko
me, und das arme mädl, | wie der
P: gassner in klösterle | ganz natürlich, und ohne alle Hexereÿ,
kranck, da
n wieder gesund mache, und sie völlig wieder zum kloster=
leben bringe. ich küsse dem Papa die hände, und dancke gehorsamst
für den glückwunsch zu meinem Namens=tag. lebe der Papa unbe=
sorgt. ich habe Gott i
mer vor augen. ich erke
ne seine Allmacht,
ich fürchte seinen Zorn: ich erke
ne aber auch seine liebe sein
mitleiden und barmherzickeit gegen seine geschöpfe. er wird seine
diener niemalen verlassen – – we
n es nach seinem willen geht,
so gehet es auch – – nach meinem; mithin ka
n es nicht fehlen – – ich
muß glücklich und zufrieden seÿn. ich werde auch ganz gewis mich
befleissen ihren befehl und rath, den sie mir zu geben die güte
hatten, auf das genaueste nach zu leben. h
ς: Bullinger sage ich 1000
danck für seinem glückswunsch. ich werde ihm nächstens schreiben, und
mich selbst bedancken. unterdessen kan ich ihn nichts als versichern, daß
DOM=
MUSICK=VEREIN
U.
MOZARTEUM
INTERNATIONALE
STIFTUNG:
„MOZARTEUM”
1881
[S. 6]
ich keinen bessern, aufrichtigern und getreüern freünd weis, kenne,
und habe – – als ihn. der jungf: Sallerl, beÿ der ich mich auch
unterthänigst bedancke, werde ich verse, zur dancksagung, in den
brief des h
ς: bullinger einschliessen. beÿ meiner schwester be=
dancke ich mich auch, und sie soll nur die schusterischen
Duetts be=
halten, und sich weiter um nichts bekü
mern. ich habe des=
wegen gassner (der kaufma
n) und nicht gasser geschrieben, weil
man ihn hier überall so nennt. der Papa schreibt mir in
erstern brief, ich hätte mich mit dem buben
v: Langenmantl
gemein gemacht – – nichts wenigers. ich war halt natürlich sonst
weiter nichts; ich glaube der Papa meint er ist noch ein bub, er ist
ja schon 21 oder 22 jahr alt, und ist verheÿrathet. ka
n man den
noch ein bub seÿn we
n man verheÿrathet ist? – – ich bin s[eit]
dem nicht mehr hinko
men. heüt trug ich 2
billiets hin zum ab[schied]
und liess mich
excusiren, daß ich nicht hinauf gehe; ich hätte a[ber]
noch all zu viell notwendige gänge. iezt muß ich schliessen, de
n
die mama will
absoulement zum tisch und einpacken. Morgen
reisen wir nach
Wallerstein schnurr
gerade.
ich glaub es ist am besten der Papa schliest die briefe noch i
mer
meinem vettern ein, bis wir einmahl in einem ort sizen bleiben.
aber nicht in
Arrest, versteht sich. Mein liebs bäsle, welches sich
beÿderseits empfehlt, ist nichts wenigers als ein
Pfaffenschnitzl.
gestern hat sie sich mir zu gefallen, französisch angezogen. da
ist sie um
5 p cento schöner. Nun
addio. ich küsse dem papa noch=
mahlen die hände, und meine schwester umarme ich, und allen
guten freünden und freündinen empfehle ich mich, und auf das heisel
nun begieb ich mich, und einen dreck vielleicht scheisse ich, und der nähmliche
narr bleibe ich,
Wolfgang et Amadeus Mozartich, augspurg den 25
octobrich, 1700 Siebenzigich.