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9.
Salzb
ς: d
ς 15tς octbς: 1777.
Mon trés cher Fils!
Mit dem Brief den ich an meinς bruder einschloß, ist dieß der dritte Brief, den ihr von mir
in Augsp
ς: erhaltet. Ich sehe vor, daß du vielleicht vor ko
mendem Sontag kein
Concert wirst
geben können; weil man es i
mer 8 täge vorher bekannt machς muß. Ich muß eine Anmer=
kung machen, davon du nach den Umständς Gebrauch machς ka
nst. We
n du siehest, daß du
grossen Beÿfahl hast, und man dich Hochschätzet, so wünschte ich, daß nach der Hand, we
n
du von Augspurg weg bist,
ein besonderer Artickel zu deinem Lobe in den Augspς:
zeitungen erscheinς möchte, welches mein Bruder dem h
ς: Stein, odς h
ς: Glatz ihm
vortragς, und h
ς: Stein veranstaltς könnte. Du weist schon warum: das würde
hier iemand vielle Galle machen. h
ς: Stein und andere
Evangelische würdς
sich eine freude daraus machς.
NB. Du wirst wohl wissς, daß man die Lutheraner,
Evangelische
ne
nς muß, da
n sie wollς nicht lutheraner genannt werdς, so sagt man auch eine
evangelische Kirche,
und nicht
lutherische Kirche. wie die Calvinisten
Protestantς wollς genannt werdς, und nicht Calvinistς.
das fiel mir eben beÿ dir zur Nachricht zu sagen, man könnte oft mit einem unruhigen Menschen
wegen einem einzigen solchς Wort in Verdriesslichkeit ko
mς; obwohl sich vernünftige nicht darüber
aufhalten. Nun muß ich auf euere Reise ko
mς. Was du wegen der
opera in Neapl geschriebς, war
eben auch mein Gedanken: nämlich, die
Scrittura suchen zu erhaltς. – ja ich bin
willens aber=
mahl den
Michael del Agata anzugehς, we
n die
Scrittura in Neapl nicht sollte zu stande ko
mς:
da
n, we
n man eine
Scrittura beÿ Handς hat ist es allzeit gut. Ihr habt euch zu lang in München
aufgehaltς: und in Augsp
ς: must du doch ein odς 2
Concert gebς um doch etwas einzunehmς,
es mag
wenig oder viel seÿn; die schönen Worte, Lobsprüche und
Bravissimo zahlen weder Postmeister noch
Wirthe, sobald man nichts mehr gewi
nς ka
n, muß man also gleich weitertrachtς. den 4
tς Novembς:
am
Fest Sti Caroli ist gemeiniglich eine
opera in Ma
nheim. Nun ist die frage, ob du wilst
antragen bis dahin in Ma
nheim zu seÿn? – – Es ist fast ohnmöglich! Manchmal geht der
Fürst Taxis, und der Fürst von Ötting Wallerstein auch nach Ma
nheim die
opera zu sehς. zum
Glück sind diese beÿden Fürstς nicht weit von Augsp
ς: – – ihr müst euch also über die höchste
Noth in Augsp
ς: nicht aufhaltς; ausgeno
mς ihr seht euern klarς Nutzς; da
n die
opera die itzt
in Manheim gemacht wird, und zwar nur den tag
St: Caroli,
wird als dan im fasching wieder
aufgeführt. We
n du also beÿm Fürst Taxis wohl angesehς wärest, so dürftest du dich eben
dessentwegς nicht mit Gewalt losreissen,
dan die opera siehest du dan allezeit noch. Es würde
auch nicht daran zu gedenken seÿn itzt vorher von Wallerstein nach
Würzburg zu gehς,
we
n du den 4
Novembς: in Ma
nheim seÿn wolltest, sondern ihr müstet von
Wallerstein
schnurgerade nach
Manheim eylen, welches ein zi
mlicher Weeg ist; es wird so etwa
20 Meil weegs seÿn, das wärς also 2 tagreisen.
die Mama wird es in der PostCartς findς;
es ko
mt viel darauf an ob der Weeg gut ist, und ob er viele Umweege macht.
von
Wallerstein werdς nur
15 Meilen nach
Würzburg seÿn, und von
Würzburg auch
15 Meilς
nach
Manheim. itzt sind die Täge schon Kurz; ihr müst allezeit trachtς,
morgens beÿ zeitς
abzureisen um nicht in die Nacht hineinreisen zu därffen. dieses könnt ihr beÿ gutς
freundς umständlicher erfahren, sonderheitlich glaube beÿ h
ς: Postverwalter, wo meines bruders
Tochter sehr wohl bekannt ist, und wo du vielleicht an den Fürst Taxischen Hof briefe erhaltς kannst.
gegen fremde, die in euerem Wirthshaus wohnς müst ihr wegς euerer Reise nicht zu aufrichtig
seÿn, de
n es giebt viele
Avanturieurs und spitzbubς. Vergesst ja nicht
den Fürst Taxis
und Fürst Ötting Wallerstein um Empfehlungsschreibς nach Mannheim zu bittς.
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1881
[S. 2]


Ich konnte beÿ eurer Abreise 1000 nothwendige Sachς nicht mit dir reden, weil ich krank, verwirrt,
verdrüsslich, niedergeschlagς, und sehr betrübt war; weil mir überdas
das Reden auf der brust
sehr wehe that, und ich wegς dem Einpackς, und in der frühe wegς dem Aufpackς vieles zu denkς
und anzuordnς hatte. Ich würde dir sonst gesagt habς, daß du gleich beÿ deiner Ankunft in Münchς
um einen
Copisten schauς solltest, und so an allς Ortς, wo du dich eine Zeit lang dich aufhaltest.
da
n du must trachtς auch mit der
Composition etwas zu machen, und das geschieht, we
n man einige
Sinfoniς und
Divertimenti abcopierter in bereitschaft hat, solche einem Fürsten, odς andς Liebhaber
præssentierς zu könnς. die
Copiatur muß also veranstaltet werdς,
daß der Copist wenigst das
violino primo oder eine andere Hauptstime im Hauß beÿ dir schreibt; das übrige ka
n man
ihm alsda
n nach hause geben. Nun solltest du
absolute für den
Fürst Taxis etwas bereit habς.
du ka
nst also geschwind die
Oboς, Horn, und die
Violasti
mς von
6 gutς Sinfoniς einem
oder |: damit es geschwinder gehet :|
mehrern Copisten zum schreibς gebς: so ka
nst du da
n
die
Sinfς: von der Hofschrift dem Fürstς überreichς, und es bleibς dir noch von der Hofschrift die
duppliertς Violin und
Bas zu einer anderς solchς Gelegenheit, etwa nach
Würzburg, und därffς
nur die
Oboen, Corni und
viola dazu ko
mς. Die
Divertimenti sind geschwindς
Copiert: zwar die deinigς
habς viel sti
mς, und sind lang.
Basta! du must dir aller Ort geschwind um einς
Copistς schauς, sonst
verlierest du viel! was nützt dich sonst alle die Musik die du mit dir hast? – – du
ka
nst nicht abwartς,
bis sie ein Liebhaber
Copierς lässt: und
dan bedankt er sich dafür, das ist alles. allzeit aus
der
Spartitur abschreibς lassς ist zu mühesam und werdς 1000 fehler einschleichς, da
n müste
man den
Copisten i
mer im Hause habς. zur abschreibung der
Hauptstime ka
n er ein
paar vor=
mittag ko
men, wo ihr ohnedas zu Hause seyd, und das übrig zu Hause schreibς. das ist einmal noth=
wendig. zum Beyspiele, kö
ntest du dem h
ς: v Obladen in Augsp
ς: gleich etwas gebς, er müste
dir doch ein
Regal dafür machς. Er hat
Synfoς: von dir, die ihm h
ς: Ranftel geschickt; aber
sie werden solche gewiß niemals niemals gut
produciert habς.
Nun liegt dir aber imer
mehr daran etwas für den Fürst Taxis zu habς. – – und wäre das
Oboe=Concert herausge=
schriebς, so würde es dir in
Wallerstein, wegen dem
Perwein etwas eintragς. der h
ς: Reichs=
Prelat in Kaysersheim würde dich für Musik auch gut beschenkς: dort habt ihr den Vor=
theil,
der nicht klein ist, daß ihr für kost und trunck
p: nichts bezahlς därft, da
n die
Wirths
Conto reissen auch in den Beutl. Nun hast du mich verstandς.
diese sind iene An=
staltς die die allernothwendigstς sind; welche das Interesse betreffς: alle übrige
Complimentς, und
visiten
p: sind nur Nebendinge, we
ns leicht seÿn ka
n, ohne die Hauptsache,
die was einträgt,
zu verabsäumς. Aufs
Geld einnehmς muß alle Bemühung gehς, und aller Bedacht
aufs wenig
ausgebς, so viel es möglich ist; sonst ka
n man nicht mit Ehre reisen; ja sonst bleibt man gar
sitzς, und setzt sich in Schulden. – – Man findet ia doch endlich aller Ortς
Copisten. Man muß sich
vorher eine Schrift von ihm zeigen lassς, und auch das Papier ansehς, damit es doch wenigst
mit dem andern Papier
ein wenig gleichko
mt: kurz! man muß auf alles bedacht
seÿn! damit kein Haupt=fehler herausko
mt, und das geschieht, wa
n man den Kopf recht
zwischς den Ohrς hat. – – Nun fällt mir was anders ein. du hast das grosse Lateinische
Gebettbuch beÿ dir, das dir sehr nützlich ist, nicht nur weil alle Psalmς und andere Kirchen=
text dari
n sind, – – das deutsche der Psalmς hat die Ma
ma in ihrem grossς
Officio – – sondς es
ist dir auch dienlich
zur Übung in der lateinischς Sprache, we
n du zur Abwechselung zu zeitς
morgen und abend Gebetter daraus bettest, die Gebetter sind leicht zu verstehς;
es sind auch Beicht und
Comunion gebetter
p: dari
n.
We
n ihr zu wenig
Schnupfdücher habt; so ist vielleicht Augsp
ς;: der beste Ort ein halb Duzet odς
ein Dutzet zu kauffς, aber keine blauς, die die farb lassς, odς die Nasς auffressς. auch wird
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1881
[S. 3]


in Augsp
ς: die Leinwand noch am wohlfeilstς und bestς seÿn dir noch
zweÿ odς wenigst
eine Unterhosς
machς zu lassς. die
Spartiturς, die noch nicht eingebundς sind, wird dir mein Bruder geschwind
einbindς. du must aber sagen,
daß sie nicht müssς beschnittς werdς. Er darf nur die andς sehς.
In Augsp
ς: wird mein Bruder oder seine Tochter odς frau |: denς mich allen Empfehle :| schon ein=
packen helfen. – – h
ς: Baron Dürnitz war gewis nicht in München? – – – –
dies geld hättest du wohl auch gut zur Reise brauchς könnς.
Wie viel habt ihr beÿ Herrn
Albert bezahlen müssen? – – – die
Præludia für die Na
nerl sind unvergleichlich!
sie Küsset dich millionmahl dafür; sie spielt solche auch schon recht gut.
Mit der nächsten Post werde nach Venedig schreibς, und sehen, ob du nicht die
opera für
die
Ascensa beko
mς kannst. Missliwetcek hat mir mit der größten freude Nachricht
gegeben, daß er, wider sein verhoffς, das vergnügς gehabt dich und auch die Ma
ma zu sehς,
la quale, schreibt er,
è veramente una Signora di garbo degna del Sgr Mozart.
er gab mir Nachricht, daß er dem Erzb
ς: 12
Sinfς: und 6
Quintettς Con oboe obligato itzt
eingeschickt, und bittet mich wegen der
production besorgt zu seÿn, und auch dahin zu sehς, daß
der Erzb
ς: wegen der vorigen und itziger Musik sich seiner eri
nern möchte:
procuri di
ramentar all' Principe la Musica vecchia, e moderna, che gli mando, per interesse mio. sono viaggia=
tore &c: er schreibt auch am Ende:
alla Sgra: Figlia manderò delle Suonate per Cembalo.
Ich will nun sehen wie es mit der anzuhoffendς
Scrittura von Neapl ablauffς wird, und unterdessς
die
Scrittura für die
Ascensa suchen. da
n ist es zeit auf das weitere zu denken, we
n du nur
trachtest dich unterdessς fortzubringen: und solltest du in Ma
nhei
m oder ander Orts gut anko
mς könnς,
so hindert dieses gar nichts eine Reise nach Italien, wo nicht gleich, doch in kürze machς zu kö
nς, da
ieder grosser Herr, der die Musik wahrhaft liebt, sich eine Ehre daraus macht, we
n iemand der
in seinen dienstς stehet sich Ruhm erwierbt. den nächsten Brief den ich schreibe, werde
Francò unter
der
adresse meines Bruders nach Augsp
ς: schicken. Er wird, solltet ihr weg seÿn, eurς weeg wissς,
und nach schickς, doch glaube, er wird euch noch in Augsp
ς: antreffς. Nach meiner Meinung solltest
du dich wegen der
opera in Manheim nichts bekü
mern, da du es im fasching sehς ka
nst.
aber den
Fürst Taxis must du auf seinς Güttern nicht versäumς: und da must du dich nach den Umständς
alsda
n richten. Wie du die Sache in Manheim anzufangς hast, werde dir ein andersmahl schreibς.
die Schusterl:
Duetto haben wir noch nicht gesehς, vielleicht ko
mς sie mit dem heutigς Postwagς.
wir befindς uns, Gott Lob, gesund! und ich würde noch gesünder seÿn, we
n ich einer
der sorglosen Vätter wäre, der in 3 Wochen Weib und Kind vergessς ka
n. das könnte ich
in 100 Jahren, ia so lange ich lebe
nicht, ich und die Nannerl Kissen euch millionmahl und
ich bin lebendig und todt der alte redliche Ma
n und Vatter
Mozart
mp
Es bleibς mir manche Sachen unbeantwortet, und ihr
werdς beobachtς, daß ich euch auf alles
antworte. warum? – – weil ich, we
n ich das nötigste geschriebς habe, da
n euer Schreibς
vor mir hinlege, – durchlese, und so oft etwas ko
mt, solches beantworte. ferner –
liegt i
mer ein Stück Papier auf meinς tisch; so oft mir was beyfällt, das ich euch
zu schreibς hätte, so
notiere es mit einem paar Worte. ko
mt es alsda
n zum Briefschreibς,
so ka
n ich nichts vergessen.
Hier schicke dir einς ziemlichς grossς Brief mit Musik. Ich konnte es nicht über mein Herz
bringen diese Sachen dir nicht zu schickς. Man ko
mt in Gelegenheit derleÿ Sachen zu machς,
und dieß sind doch i
mer gute Muster.
[S. 4]


des gewesten LeibCa
merdr
Adams Frau ist gestern begrabς wordς.
der Erzb
ς: ist noch in Lauffen.
des h
ς: Ranftl Sohn
P: Rupert ist hier, und wird morgς zu mir ko
mς.
der Churf
ς: war am Sontag den 12
tς zu mittage in Seeon, hat ihnς aber keine
unköstς gemacht, sondς alles mit gebracht, weil er weis, daß sie nicht reich sind.
Alles empfehlt sich. die Hagenauerischς |: gestern war ein starker tereselgratulationstag :|
die Jgf
ς: Sallerl, gr. Arco,
Bullinger, der getreue, der uns gestern um halbe 7 uhr
nachts, da ich und die Na
nerl beÿm gewöhnl: Clavier
Exercitio war zwischς 2 Liechtern,
besuchte. die f
ς: Mitzerl.
Sgr: Ferlendis und
Ferrari.
M:e Gerlichs, h
ς: HofRath
v Mölk,
der nicht einmahl gewust, daß die Ma
ma fort ist, und die tresel, beÿ der es im kopf
allweil ein ding ist, ausgeno
mς, daß sie itzt statt in der Kuchl zu sitzς auf die nacht
spi
nς muß, und letztς freÿtag alles hat thun müssς, was sie sonst in 2 tägς getha
n,
und doch dabeÿ wohl auf und bessers
humors als sonst ist, alle – alle, und Leute,
die mir nicht alle einfallς, empfehlς sich.
addio!
N: 9
INTERNATIONALE
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