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                                                                                       2. Okt. 77.
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Gestern als den 1ten october war ich abermahl beÿm graf Salern. und heüt als
den 2ten speiste ich gar da. diese 3 täge spiellte ich mir genug; aber doch
recht gern. der Papa därf sich aber nicht einbilden ich wäre gern wegen – –
beÿm salern, nein, dan diese ist leider im dienst, mit hin niemalen zu
haus, aber morgen werde ich frühe um 10 uhr en Compagnie der Made. Hepp,
vormalige tosson freülle zu ihr nach hof gehen. dan am Samstag vereist
der hof, und komt erst den 20:ten wieder. Morgen speise ich beÿ der fr:
und frl: de Branca; welche iezt eine halbe scolarin von mir ist, dan
Siegl komt selten, und Beeché ist nicht hier, der ihr sonst mit der
flauten hilft. beÿm graf salern spielte ich die 3 täge durch viell sachen von
kopf, dan die 2 Casationen für die gräfin, und die final musick mit den
Rondeau auf die lezt, auswendig. sie können sich nicht einbilden waß der
graf Salern für eine freüde hatte: er versteht doch die Musique, dan
er sagte allzeit Bravo, wo andere Cavalier eine Prise taback nehmen – –
sich schneüzen, räuspern – – oder einen discurs anfangen – – –
ich sagt ihm, ich wünschte nur, daß der Churfürst da wäre, so könte er
doch was hören – – er weis nichts von mir. er weis nicht was ich kan.
das doch die herrn einem jedem glauben, und nichts untersuchen wollen.
ja das ist allzeit so. ich lasse es auf eine Probe ankomen. er solle
alle Componisten von München herkomen lassen, er kan auch einige
von italien und franckreich, teutschland, England und spanien be=
schreiben, ich traue mir mit einem jedem zu schreiben. ich erzählte ihm
was mit mir in italien vorgegangen ist. ich bath ihn wen ein discurs
von mir wäre, diese sachen anzubringen, er sagte: ich bin der wenigste,
aber was beÿ mir besteht, von ganzen herzen. er ist halt auch der
Meinung, daß wen ich so hier bleiben könte unterdessen, die sache hernach
von sich selbst gieng. für mich alleine wäre es nicht ohnmöglich mich durch=
       # So lautete dort die Aussprache: der Name ist aber Seilern.

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zubringen, dan von graf Seau wollte ich wenigstens 300 fl: bekomen;
für das essen dürfte ich mich nicht sorgen; dan ich wäre imer ein=
geladen, und wäre ich nicht eingeladen, so machte sich Albert eine
freüde mich beÿ sich zu tisch zu haben. ich iss wenig, trinck wasser
auf die lezt zur frucht ein klein glas wein. ich würde den Con=
tract mit graf Seau |: alles auf einrathen meiner guten freünde :|
so machen. alle jahre 4 teutsche opern, theils Buffe und serie, zu
liefern, da hätte ich von einer jeden eine sera oder einnahme für mich;
daß ist schon so der brauch. das würde mir allein wenigstens 500 fl:
tragen, das wäre mit meinem gehalt schon 800 fl: aber gewis mehr.
Dan der Reiner Comediant und singer nahm in seiner sera 200 fl,
ein; und ich bin hier sehr beliebt. und wie würde ich erst beliebt
werden, wen ich der teutschen National bühne in der Musik empor
hülfe? – – – und daß würde durch mich gewis geschehen; den
ich war schon voll begierde zu schreiben, als ich das teutsche singspiell
hörte. die Erste sängerin heist keiserin, ist eine kochs=tochter von einen grafen
hier. ein sehr angenehmes mädl. hübsch auf den theater. in der nähe sah
ich sie noch nicht. sie ist hier gebohren. wie ich sie hörte war es erst das
dritte mahl daß sie agirte. sie hat eine schöne stim. nicht starck doch
auch nicht schwach. sehr rein. gute intonation. ihr lehrmeister ist valesi;
und aus ihren singen kent man daß ihr meister so wohl das singen als daß
singen lehren versteht. wen sie ein Paar tact aus hält, so hab ich mich
sehr verwundert wie schön sie das crescendo und decrescendo macht. den
Triller schlägt sie noch langsam; und das freüt mich recht; dan er wird
nur desto reiner und klarer, wen sie ihn einmahl geschwinder machen
will. geschwind ist er ohnehin leichter. die leüte haben hier eine rechte
freüd mit ihr – – – und ich mit ihnen. meine Mama war in
Parterre, sie gieng schon um halbe 5 uhr hinein um plaz zu be=

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komen; ich gieng aber erst und halb 7 uhr. dan ich kan überall
in die logen gehen. ich bin ja bekant genug. ich war in der loge von
haus Branca. ich betrachtete die keiserin mit meinen fernglas, und
sie lockte mir öfters eine Zähre ab; ich sagte oft Brava, bravissima.
dan ich dachte imer, daß sie erst das dritemahl auf den theater ist.
daß stück hiess. das fischermädchen. eine nach der Musick des Picini
sehr gute übersezung. originalstücke haben sie noch nicht. Eine
teutsche opera seria möchten sie auch bald geben – – und man wünscht
halt, daß ich sie Componirte. der gemeldte Professor huber ist auch
von den wünschenden Personnen. nun muß ich ins bett; es thuts
nicht mehr anderst. iust Puncto 10 uhr! – – --
Baron Rumling machte mir neülich das Compliment; spectakln sind meine
freüde. gute acteurs und actrices, gute sänger und sängerinen, und dan
einen so brafen Componisten darzu wie sie – – – daß ist freÿlich
nur geredet – – und reden läst sich viell – – doch hat er
niemalen mit mir so geredet. ich wünsche eine gute nacht. bis
morgen, wen gott will, habe ich die Ehre wieder mit ihnen, Mein
Allerliebster Papa, schriftlich zu sprechen. den 2:ten october N:o 4
                                                                      im 2:ten stock.
info
der Wolfgang speist heunt beÿ der Madame Branca, und ich habe
zu haus gespeiset, werde aber, so bald es 3 uhr schlagt zur frau
von tosson gehen, in dem sie mich wird abhollen lassen. göstern
ist herr von Krimel mit herrn von unhold wider hier ankomen,
er ist unser gutter freind und will uns mit gewalt überreden
nach Menmingen zu komen und aldorth ein guttes Consert
zu machen, er versichert uns das wir mehr werden machς
als an einς hof, ich glaube es dan an solche orth kombt
selten wer, darum sind sie froh wann sie wenn habς könnς.

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Nun wie geht es mit deiner gesundheit, ich bin mit deinς schreibς
noch nicht zu friden, die huesten ist mir nicht recht, das sie so
lang anhölt, es soll dir gar nichts mehr fählen. ich bitte dich
brauche den Sago bald, ie bälder ie besser, damit du ender
zu Kräfften Komst. das bäckel mit den bostwagen, und
auch das andre mit der ordinari haben wir Richtig erhaltς.
die nanerl las ich griessen und ihr sagen sie solle dich nicht
zöhrnen, und fleissich auf dich acht habς das du keinen Verdrus
hast, auch dir die Zeit verkürzen, damit du nicht Melancolish wirst.
der bimperl wird zwahr |: wie ich hoffe :| seine schuldigkeit thuen und
sich beÿ dir ein schmeichlen, dan er ist ain guttes getreues foxel. die
thresel lasse ich auch griessς, und ihr sagς, es ist alleweil ein
Ding,
info
     ob ich den Dreck scheiss oder sie ihn friest. iezt aber was gescheüters.
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Den 3:ten october: schreibe ich dieses. Morgen vereist der hof, und kömt vor den 20:ten
nicht. wen er hier geblieben wäre hätte ich imer meine schritte gemacht; wäre
noch eine zeit hier geblieben, so aber hoffe ich mit meiner Mama komenden
Dienstag meine Reise fortzusezen; doch so; daß unterdessen die Compagnie
histori veranstaltet wird, von welcher ich neülich geschrieben habe; damit
wir, wens uns nicht mehr freüt zu reisen, einen sichern ort haben.
hς: von krimel war heüt beÿm bischof in kiemsee, er hat mit ihm viell
zu thun, ebenfals auch wegen den Salz. er ist ein Curioser man. hier
heist man ihn Euer gnaden. daß ist bediente. Er, der nichts mehr wünschte,
als daß ich hier bliebe, sprach mit den fürsten sehr eifrig wegen meiner.
er sagte mir, lassen sie nur mich gehen, ich rede mit den fürsten, ich kan
schon recht mit ihm reden, ich habe ihm oft viell gefällikeiten erwiesen.
der fürst versprach ihm, daß ich gewis in dienst komen werde, aber
so geschwind kan die sache nicht gehen. er wird beÿ der Retour des
hofs mit den Churfürsten mit allen Ernst und Eifer reden.
heüt um 8 uhr frühe war ich beÿm graf Seau; machte es ganz kurz,
sagte nur. „ich bin nur da Euer Excellenz mich und meine sachen recht zu
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                                                                            Fortsezung 2 Okt. 77.

erklären; es ist mir der vorwurf gemacht worden, ich sollte in italien
reisen. ich war 16 Monath in italien, habe 3 opern geschrieben, daß
ich genug bekant. was weiter vorgegangen werden Eüer Excellen aus
diesen papiern sehen. ich zeigte ihm die Diplomata: ich zeige und sage
Eüer Excellen dieses alles nur, damit, wen eine rede von mir ist,
und mir etwa unrecht gethan würde, sich Euer=Eccelen
mit grund meinner anehmen könen. er fragte mich ob ich iezt in frank=
reich gienge, ich sagte, ich würde noch in teutschland bleiben, er verstand
aber in München, und sagte vor freüde lachend; so, hier bleiben sie noch?
ich sagte, nein, ich wäre gern geblieben; und die wahrheit zu gestehen,
hätte ich nur dessentwegen gern vom Churfürst: etwas gehabt, damit
ich Euer Eccelen hernach hätte mir meiner Composition bedienen könen,
und ohne allen interesse. ich hätte mir ein vergnügen daraus
gemacht. er ruckte beÿ diesen worten gar seine schlafhauben.
um 10 uhr war ich beÿ der gräfin salern beÿ hof. sie hat die Arien schon
bekomen. die Robinischen reden und sagen halt was ihnen einfällt.
hernach speiste ich im haus Branca. der hς: Geheime rath von Branca war beÿm
französischen gesandten eingeladen, folglich nicht zu haus. man heist ihn
Excelenc. die frau ist eine französin. kan fast gar nichts teütsch, mit ihr
habe ich beständig französisch gesprochen. ich sprach ganz kek. sie sagte
mir, ich rede gar nicht schlecht, und ich hätte eine gute gewohnheit, das
ich langsam spräche, dan durch dieses mache ich mich sehr gut verstehen.
sie ist ein rechte brafe frau; voll lebensart. die freulle spiellt artig.
daß tempo fällt ihr noch. ich habe geglaubt, sie, oder ihr gehör seÿe
die ursache, aber ich kan keinen menschen schuld geben, als ihren lehrmeister –
er hat zu viell nachsicht. er ist gleich zufrieden. ich habe heüt mit ihr
Probiert. ich wollte wetten, daß wen sie 2 Monathe beÿ mir lernete,
sie recht gut, und accurat spiellen würde. sie hat mich ersuchet
ich möchte ein Compliment von mir an sie alle beÿde, und an das
ganze Robinische haus schreiben. sie war mit der frl. louise zur

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nämlichen Zeit in kloster. hernach eine gewisse frl: lindnerin,
welche iezt beÿm graf salern gouvernante über die 2. kleinen
Comtessen ist, bath mich auch, alles erdenckliche an die Robinischen
und die frl: Louise von schidenhofen zu schreiben, mit welcher sie
in kloster war. um 4 uhr gieng ich zur fr: von tosson, wo meine
Mama schon dort war, und auch fr: von Hepp. da spiellte ich bis 8 uhr:
den giengen wir nachhaus. beÿläufig um halbe 10 uhr, kam eine kleine
Musique von 5 personen, 2 clarinete, 2 Corni, und 1 fagotto. hς:
Albert |: dessen Namens=tage morgen ist :| liesse mir und ihm zu
Ehren diese Musique machen. sie spiellten gar nicht übel zu=
samen. es waren die nämlichen leüte, die beÿ albert im saal auf=
machen – man kent aber ganz gut, das sie von Fiala abgerichtet
worden. sie bliesen stück von ihm; und ich mus sagen, das sie
recht hübsch sind. er hat sehr gute gedancken. Morgen werden
wir eine kleine schlackademie zusamen machen, auf den
Elenden Clavier Nota bene. auweh! auweh! auweh. ich wünsche
halt eine rechte ruhsame nacht, und bessere einen guten
wunsch, in hören, bald zu hoffen, daß der gesunde völlig
Papa ist. ich verzeihe um bitte wegen meiner abscheulichen schrift,
aber dinten, Eule, schlaf, traum, und alles halt. – – –
ich Papa ihnen, Mein allerhändigster kissen, 1000 mahl die liebsten,
und meine umarmung, die herzen, schwester ich von ganzen
Canaglien, und bin von nun an bis in Ewikeit amen
   München den 3:t octob: 1777
                                                  wolfgang gehorsamster dero

an alle gute freünd und freündinen
üble freünd und freündinen
gute freund und freündinen                                    amadé Mozart sohn.
üble freund und freündinen
alles erdenckliche!

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