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N. 2.
Monsieur mon trés cher ami
An dem
Fest des hl:
Francisci 
sind wir nachmittag um halbe 5 Uhr
von Lintz mit der sogenanntς Wasser=
ordinaire abge=
reiset, und selbigς tag beÿ finsterer Nacht um halb 8 Uhr in
Matthausen angelanget. den folgendς Erchtag

Mittags kamς wir
nach Ips, wo 2
Minoritten und ein
Benedictiner, die mit uns auf
dem Schif waren, hl: Messς lasen, unter welchen unser
Woferl sich
auf der Orgel so herumtu
melte und so gut spielte, daß die P:P:
Franciscaner, die eben mit einigς Gästς beÿ dς Mittagstafl sassen,
samt ihrς Gästς das Essς verliessς, dem Chor zulieffen,
und sich fast zu Todt wundςten. Nachts warς wir zu Stein,
und am Mittwoch langtς wir um 3 uhr in Wie
n an; wo
wir um 5 uhr das Mittag und Nachtmahl zugleich einbrachtς.
Wir hattς auf der Reise beständig Regς und viel wind. der
Wolfgangl hatte schon in Lintz einς Catharr, und aller Un=
ordnung, frühen aufstehς, unordentlichς Essς und Trincken
wind und Regς ohngeacht blieb er, Gott Lob, gesund.
Aus dem Strudl und Wirbl macht man mehr, als an dς
sache selbst ist. davon seiner Zeit mündlich das mehr=
ere. Beÿ dem anlandς war schon dς Bediente des
hς:
Gilowsky zugegς, dς in das Schiff kam und mich da
n
in das
quartier führte. wir eÿltς aber bald einem Wirths=
hause zu, um unsern hunger zu stillς; nachdem wir vorhero
unsere
Bagage in dem
quartier in sicherheit und Ordnung
gebracht. Dahin kam da
n auch
hς: Gilowsky uns zu empfangς.
Nun sind wir schon 8 täge hier und wissen noch nicht wo die So
ne in
Wie
n aufgehet: de
n bis diese Stunde hat es nichts als
geregnet und unter einem beständigς Wind zu zeitς ein
wenig geschnien, daß wir so gar ein bischς Schnee auf
den Dächern sahς. dabeÿ war es auch, und ist wirklich noch
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1881
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wo nicht rechtschaffς kalt, doch rechtschaffς frostig. Eins muß ich sondςheitl:
anmerkς, daß wir beÿ der schantzlmauth ganz ge=
schwind sind abgefertiget und von dς Hauptmauth gänzlich
dispensirt wordς. daran war auch unser
hς: Woferl schuld:
da
n er machte alsogleich seine Vertraulichkeit mit dem
h
ς: Mautner, zeigte ihm das
Clavier, machte seine Einladung,
spielte ihm auf dem Geigerl ein
Menuet, und hiemit waren
wir
expediert. der Mautner bath sich mit dς gröstς Höflichkeit
die Erlaubniß aus uns besuchς zu därffς, und
notirte sich
zu diesem Ende unser
quartier. Bis itzt sind wir, ohneracht
des abscheulichstς Wetters, schon beÿ einer
Accademie des
graf
Collalto gewesς, da
n hat die
Gräfin von Sinzendorff
uns beÿm
Graf Wilschegg, und den 11
tς Beÿ S:
r Excellenz dem
Reichs
ViceCanzler
grafen v Colloredo aufgeführt, wo wir die
Erstς
Ministers und
Dames des Kaÿs
ς: Hofes zu sehς und
zu sprechς die gnade hattς: nämlich; den ungarischς Canzler
graf Palfi und dς böhm
ς: Canzler
graf Coteck samt
dem
Bischoffς Esterhasÿ und einer Menge die ich nicht
alle merkς konnte. Alles, sondςheitl: die
Dames waren
sehr gnädig mit uns. die zukünftige
brauth des T
ς: h
ς:
graf Leopold Künburg hat meine
Frau selbst ange=
redet und ihr gesagt, daß sie nach Salzb
ς. sich
verheÿrathς wird. Es ist eine hipsche, freundliche
Dame,
mittelmässiger Grösse. sie erwarthet ihrς geliebtς dieser
tägς in Wie
n. Die
Grafin v Sinzendorf ist sehr bemühet
für uns, und alle
Dames sind in meinς
Buebς verliebt.
Nun sind wir schon aller Orten im Ruff. und als ich alleine
den 10
tς in dς
opera war, hörte ich den
Erzherzog Leopold
aus seiner
Loge in eine andςe hinüber eine Menge sachς erzehlς,
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daß ein Knab in Wie
n seÿe, dς so trefflich das
Clavier spielte
pp:
selbigς abend noch um 11 uhr erhielt ich befehl den 12
tς nach
Schönbru
n zu ko
mς. den andς tag aber erhielt ich neuς
Befehl den 13
tς dahin zu gehς, weil am 12
tς das
fest
Maximiliani, folglich ein unruhiger
gallatag war, da
n,
wie ich höre, will man die Kindς gelegentlich hörς. Hauptsächlich
erstaunet alles ob dem
Buebς, und ich habe noch niemand
gehört, der nicht sagt, daß es unbegreiflich seÿe. der h
ς:
Baron Schell, odς Ehemaliger
Lulu bemühet sich sehr
für mich, und er erke
net mit dankbarem Gemüthe
die Gnadς, die er in Salzburg genossς. Bitte gelegentlich
nebst meiner Empfehlung T
ς: g
ς: hς: v Chiusolis solches
anzurühmς. t
ς. h
ς: graf Daun habς mir auch an h
ς:
Baron Schell ein Schreibς mitgegebς. Er macht mir
gute Hofnung, daß ich vergnügt von Wie
n abreisς werde.
Es scheint auch also; indem uns der Hof eher zu hörς ver=
langt, bevor wir uns gemeldet habς. de
n der Junge
Graf
Palfi 
gieng eben durch Linz als unser
Concert
anfangς sollte, Er machte der
Gräfin v Schlick seine
Aufwartung, diese erzehlte ihm von dem Knabς, und
bewegte ihn, daß er die Post vor dem Rathshause haltς ließ
und mit dς Gräfin in das
Concert kam. Er hörte es mit
Erstaunς an, und erzehlte es mit vielem Lermς dem
Erzherzog Josef, dieser erzehlte es der
Kaÿserin.
Sobald es nun bekannt ware, daß wir in Wie
n warς,
kam dς Befehl daß wir nach Hof ko
mς sollς. sehen
sie, das ist dς Ursprung.
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das vorhergehende schrieb ich den 11
tς mit dem vesten Vorsatz, den 12
tς
we
n wir von Schönbru
n ko
mς, wie es abgeloffς, zu berichtς. Allein wir
mustς von Schönbrun schnurgerade zum
Prinzς von Hildeburgshausen
fahrς; es überwogς demnach 6 Duccatς die
Expedition des Briefes,
Ich nehme das Vertrauς zu der
Frau Hagenauerin und verspreche
mir von ihrer freundschaft so viel Gütte, daß Sie den Glückwunsch zu
ihrem NahmensTage auch itzt und zwar so kurz annehmς wird, daß ich
nur sage, wir werdς Gott bittς, daß er Sie sa
mt allς dς ihrigς in die
spätheste Jahre gesund erhaltς, und seiner Zeit uns alle
in den Hi
mel auf ein Brandl=spiel auf ewig einladς und auf=
nehmς wolle. Nun lässt die Zeit mehr nicht zu in Eÿl zu sagς, als
daß wir von den Maÿestettς so ausserordentlich gnädig sind aufgenohmς
wordς, daß, we
n ich es erzehlς werde, man es für eine fabl haltς wird. genug!
der
Wolferl ist der
Kaÿserin auf die Schooß gesprungς, sie um den
Halß beko
mς, und rechtschaffς abgeküsst. kurz wir sind vor 3 uhr bis
6 uhr beÿ ihr
gewesen und der
Kaÿser kam selbst in das andςe Zi
mer heraus
mich hineinzuhollς, um die
Infantin auf der Violin spielς zu hörς.
den 15
tς schickte die
Kayserin durch den
geheimς Zahlmeister, der in
galla vor unser Hauß gefahrς kam, 2 Kleidς: eins für dς
bubς und
eins fürs
Mädl. so bald dς befehl ko
mt, müssς sie beÿ Hofe er=
scheinς, und der
geheime Zahlmeister wird sie abhohlς. Heut um
1⁄2 3 uhr
müssς sie zu den
2 Jüngstς Erzherzogς. um 4 Uhr zum
graf
Palfi ungar
ς: Canzler. Gestern sind wir beÿ dem
Graf Caunitz
und vorgestern beÿ der
gräfin Küntzgin und dan beÿm
graf v Ulefeld gewesen. wir sind schon auf 2 täge wiedς verstellt.
sagς sie es zur Gnade aller Ortς, daß wir, Gott lob, gesund
und glücklich sind, ich Empfehle mich und bin dς alte
Mozart
mp
bitte der
Frau Doctor Niderlin von unserm
wohlseÿn Nachricht gebς zu lassς.
NB: schicken sie mir keine Briefe mehr
ein, sondς öffnς und lesen sie solche nur, de
n ich muß sonst für u
notige Briefe
viel Postgeld ausgebς: sie sehς da
n schon, was nothwendig ist.
dς ganzς Welt mein
Compliment.
Wien dς 16
tς octς: 1762.
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