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Milano 27
d'ottobre
1770.
Mein erstes Schreibς vom 20
tς diss aus Maÿland wirst du erhaltς habς. den nämlichς
Posttag habe auch an S
e: Hochf
ς: Gnadς geschriebς. gieb mir Nachricht, ob S
e: Hochf
ς: Gd
ς:
solchς erhaltς habς, du wirst sondς Zweifl solches bald erfahrς. wir sind Gott lob ge=
sund, und da i
mer starkes Regenwetter ist, sind wir wenig aus dem Hause geko
mς.
die
Spangioletta, die du in
Lyon gesehς, ist hier, und wird diesen
Carnevale in
Verona recitierς. sie sagte uns, daß der
Tenor aus Deutschland ko
mς werde, und
beÿ einem Hofe ohnweit Baÿern in dienstς stehe: ko
mt vielleicht h
ς: Meisner hin?
da
n ich weis daß er das Theater in
Verona hätte habς könnς; vermuthe folglich
daß er es ist. schreibe es mir gleich. wir werdς, we
n Gott will,
nach dem halbς
Jener von hier abreisς und über
Brescia, Verona, vicenza, Padua nach
Venedig gehς,
um aldort das End des
Carnevals, der heuer sehr kurz ist, zu sehς, und da
n einige
accademiς in der fastς zu hören, welches, wie mir alle sagς, die beste Zeit ist um
sich zu
producierς. Es ist mir nur Leyd, daß wir alsda
n eine schmutzige
und vielleicht auch gefährliche nach Hausreise habς werdς, indem durch die gebürge
we
n der schnee abgehet es im frühjahr nicht lustig zu reisς ist. noch habe ich
i
mer im kopfe durch Carnthς herauszugehς, de
n tyroll habe nun schon
gesehς, und ich habe keine freude den weeg zweymahl zu machς, wie die Hunde,
we
n es nicht die Noth erfordert. Ich lasse entzwischς die 2 Herrς Joha
n und Joseph
Hagenauer bittς sich zu erkundigς, ob ich nicht an einem sichern Ort in
Venedig
eine
privat wohnung habς könnte. ich werde mich sicher in
Brescia, Verona p:
und allς diesς Ortς etwas weniges aufhaltς, um im Vorbeÿgehς die
opern
zu sehen, und folglich erst im
februario, ja vielleicht erst in den erstς tägen
der Woche nach Lichtmeß in
Venedig eintreffς. Herr Hafner, dem mich schönstens
empfehle, hat mir versprochς uns nach
Venedig Briefe zu schickς. we
n er
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solche gebς will, kann man sie voraus an einς freund nach
Venedig lauffς
lassς, damit ich solche alda finde, de
n es wäre u
nötig solche nach
Mayland spatzierς zu schickς. h
ς: Misliwetscek hat uns in
Bologna,
und wir ihn öfter besucht, er hat sich des h
ς: Johannes Hagenauer, und ganz
natürlich des h
ς: Cröner öfters eri
nert. Er schrieb ein
Oratoriς für
Padua, das er nun wird fertig habς; und da
n gehet er nach Böhmς.
Er ist ein Ehrenma
n und wir habς vollkomne freundschaft mit einandς
gemacht.
unsere Wohnung hier ist nicht weit vom Theater und bestehet in einem grossς
Zi
mer mit einem
Balcon und 3 fenster. In diesem Zi
mer ist ein
Camin. das schlafzi
mer ist ebenso gross, mit 2 grossς fenstern, ohne
Camin.
folglich, we
n wir nicht verfrierς, so sind wir sicher, das wir
nicht stinckend werdς;
den wir habς Luft genug. das Bett ist 9 gute Ma
nsspa
ne breit. Nun habς
wir zi
mlich weit in die Grafl:
Firmianische behausung: allein es ist nothwendig, daß wir
itzt nahe beym Theater sind.
Wir wünschς euch beydς gute Gesundheit, und absondςlich auch wohlfeilere Zeitς, da
du mir i
mer die traurige Nachricht giebst, daß alles theuerer wird. was wird
es da
n endlich mit Salzb
ς: werdς, we
n man nicht auf Mittel denket eine gute
Polliceÿ einzurichtς? beÿ so kleinς Besoldungς werdς wir mit der Zeit nichts als
bettler sehς. die armς Hofbedientς habς kaum den hunger zu stillς, und da ihre
Kindς nichts lernς, weil die Mittl fehlς, so wachsς sie als Müssiggeher auf,
und die Statt wird in Zeit von 20 Jahrς mit einer Menge u
nützer Leuthe
voll seÿn, die im Elend leben und so wohl dem Hof als dem ganzen
Publico
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zur Last sind. Man wird in wenig Jahrς, ja von jahre zu Jahre sehς, daß ich die
Wahrheit rede. We
n man alles will heurathς lassς, und eine Statt bevölkerς will,
so muß man zum voraus schon wissς, wie man diesen Leutς Arbeit und folglich
zu lebς giebt. Eine Statt mit Bettler zu bevölkern, ist ganz was leichtes.
Arbeit, und Verdienst muß man ihnς verschaffς kö
nς; da
n ist die bevölkerung gut.
und mir scheint es nicht unmöglich; obwohl Salzb
ς: sehr eingeschrenkt und
lincks und rechts eingesperrt ist. Man muß in solchem falle auf etwas bedacht
seÿn, das man im Land selbst verbrauchς ka
n: aber auch das
product im Lande
habς. Wir küssς euch 100000000 Mahl und bin Dein alter
Mozart
mp
Ist die
Zezische Lotterie zu stande geko
mς? – –
Allerliebste schwester!
Du weist daß ich ein grosser schwäzer und auch als derJenige dich verlassen habe,
Nun verlege ich mich aber mehr auf das deüten, indeme der sohn von haus stum
und gehörlos ist, von Natur aus schon. Nun habe ich zu schreiben für die opera
es ist mir von herzen leid daß ich dich wegen der verlangten Menuetti nicht be=
dienen kan, doch wen gott will auf ostern vieleicht wirst du sie samt mich selbsten
bekomen. mehr kan ich und weis ich nicht zu schreiben, dan neües giebt es nichts.
lebe wohl, und bette für mich. Meinen handkus an die mama, und an alle
meine bekante meine Empfehlung, und ich bin wie allzeit dein bruder
wolfgang Mozart mp.
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À Madame
Madame Marie Anne
Mozart
à
par Mantova Salzbourg
N: 45 aus Meÿland