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                                                                   Neapel dς 9 Junij 1770

Nun fängt es an einzuheitzς; und denoch hatte ich heute noch ein Tuchenes
Kleid angezogς, allein ich hatte nichts als ein Hemde auf dem Leibe. So werdς
wir uns nach und nach leichter machς. Wir sind Gott Lob gesund. vorgestern
habς wir beÿ Mr: Mericoffre, der sich beydς empfehlt, gespeist, und gestern
so wohl als heute habς wir wegς den traurigς quatember fasttägen unsere
Mittagtische beÿ hς: B: Tschudi genomς, der sich euch beÿdς ebenfals
empfehlet. Meinς Brief vom 5 dieß wirst du so wohl als die andςς vom 19,
22, 26, und 29, alle empfangς habς. wir werdς kaum noch einς brief
als eine antwort auf mein erstes schreibς von Neapl von dir hier
erhaltς; indem es noch vest dabeÿ bleibt odς dς 16 mit dem Procaccio,
odς den 20 mit der Post abzureisς. ich werde also deine Briefe in
Rom findς. Wen du beÿ empfang dieses Briefes gleich antwortest, so
kan ich deine Antwort noch in Rom erhaltς, oder hς: Marcabruni mir
nachschickς.
bevor ich von hier abreise werde dir noch ein odς 2 mahl
schreibς und dir meldς, wohin du die Briefe schicken sollest. Es ist auf
eine gewisse Art schade, daß wir nicht länger hier verbleibς könnς, indem
verschiedene artige Sachς den Somer durch hier zu sehς sind; und eine beständige
Abwechselung der früchte, kräuter und Blumς, von Wochς zu wochς hier zu
sehen ist. die Lage des Ortes, die Fruchtbarkeit, Lebhaftigkeit,
Seltentheitς p: hundert schöne Sachς machς mir meine Abreise aus Neapl
traurig: die Unflätereÿ, die Menge der Bettler, das
abscheuliche Volk, ja das gottlose Volk, die schlechte Erziehung dς Kindς,
die unglaubliche ausgelassenheit so gar in den Kirchς macht, daß man
auch das gute mit ruhigerem Gemüthe verläßt. Ich werde nicht nur
alle Seltenheitς in vielς schönς Kupferstichς mitbringς, sondς habe auch
von Mr: Meuricoffre eine schöne Samlung von der Lava des Vesuvij

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erhaltς; nicht von der Lava so iederman leicht habς kan: sondς unter=
suchte Stücke mit der Beschreibung der Mineraliς, so selbe in sich haltς;
die rar sind, und nicht leicht zu bekomς. du wirst, wen uns Gott
gesund zurückkomς läßt, schöne Sachς sehen. Mache unsere Empfς:
an alle freunde und freundinς in und ausser dem Hause, Lebts
beÿde gesund, Wir kissς euch beÿde 1000 Mahl und bin dς
                                                              alte Mozart mp

Diesen Augenblick bringt mir unser bedienter die Nachricht, daß
die gehofte Sedia zu meinς dienstς seÿ. Ich werde also den
20 mit der Post abreisen und in 26 stundς in Rom seÿn, wo ich
sonst mit dem procaccio 4 und 12 tag auf dieser zwar sehr schönς aber
mit den abscheulichstς Wirthshäusern versehenς Strasse zubringς
müste. unser Compt: an hς: Meisner; er kan dir diese Wirthshäuser
beschreiben. Die Sedia gehört dem General der P: P: Augustiner.
Morgen speisen wir in dem Convent der P: P: Augustς: à S: Giovani
à carbonaro
, weil sie ein grosses Fest habς.
Heut haben wir das Schweitzer Regiment, davon der Vatter der Mad:me
Tschudi
Oberster ist, im Feuer Exercierς sehen; das Regiment
machte sich grosse Ehre, und die welschς Regimenter sind gar nicht viel
besser als unsere 2 Burger Compagniς. die eingehende Woche werdς wir den
Vessuviς, die 2 versunkene Stätte, wo man ganze Zimer der alterthümer
ausgräbt, dan Casserta &c: kurz alle seltenheitς werdς wir besehς,
davon die Kupferstiche schon in Händς habe.

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Den erschrecklichς aberglaubς und die Menge der gottlosistς abgöttereÿς,
so das hiesige Volk hat, könnte dir hier in kürze nicht beschreibς.
lass dir entzwischς nur vom hς: Meisner etwas erzehlς. du must
aber nicht unter dem Volk die Lazaroni allein verstehς, nein!
auch Leute von distinction sind voll des aberglaubens.
ich werde dir genug zu erzehlς wissς. und es ist ebς nichts kleines,
wen du hörest, daß iemand zu Gott rufft; Gott wolle den
heil: Januariς bittς, daß er dem Menschς in diesem odς jenem
zufall helfς solle.


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À Madame
Madame Marie Ane
Mozart
à
Salzbourg

N: 26 aus Neapel.

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