[S. 1]


Napoli 19 Maggio 1770.
Mein letztes aus Rom unter dem 2
tς Maÿ wirst du richtig erhaltς habς. Mir ist
leid, daß ich dich so lange ohne Briefe lassς müssς, und ihr werdet in nicht geringς Sorgς
unterdessς gewesς seÿn. wir sind den 8
tς Maÿ in Gesellschaft dreÿer anderς
Sedien,
oder 2 sitzς wägς um 10 uhr vormittag von Rom abgereist, habς zu
Marino im
Augustiner Closter ein kleines Mittagmahl um 1 uhr geno
mς, und sind den
11tς nachts
zu
Sessa abermahl in einem
augustiner Closter über nacht wohl Bewirthet wordς,
und am 12
tς Mittags in
Capua beÿ den
PP: Augustinern angelangt, in der
Meinung abends in Neapel zu seÿn. allein es fügte sich, daß ebς den Sontag darauf
nämlich den 13
tς die Einkleidung einer
Dame in demjenigς kloster vorsich gehς sollte,
wo einer meiner Reisegefertς
P: Segarelli vor einigς Jahrς beichtvatter war.
Er sollte also dieser Einkleidung beywohnς, und er bath uns auch alda zu verbleibς;
wir sahς also diese Einkleidung, die sehr prächtig war, und wozu ein Capellmstr
samt 3 bis 4 wagς
virtuosς den 12
tς abends noch anlangtς, und gleich durch
Sinfoniς und einen
Salve Regina dieser Feyerlichkeit den Anfang machtς.
Alle diese
Virtuosς wohntς in dem näml:
Augustiner kloster. du ka
nst dir also
leicht einbildς, daß wir denselbς abend späth schlaffς gegangς. die Einkleidung war
aber am Sontage darauf erst um 12 uhr Mittags, odς viellmehr das Amt, da
n die
ganze Sache endigte sich gegς 3 uhr. Ausser den
Cavalliers und
Damen, so die
nächstς freunde warς, war niemand zu der Tafel in dem Frauς Closter
eingeladς als wir 2. alles zu beschreibς wäre nicht möglich. am Montage schliefς
wir bis 10 uhr, und nach dem Mittagessς fuhrς wir nach Neapel, wo wir abends
beÿzeitς anlangtς. wir wohntς 2 nächte in einem Hause so dem Closter dς
Augustiner
à S: Giovani Carbonaro zugehörte, Nun sind wir in einer Wohnung, wo wir monatl:
4 duggattς unseres geldes odς 10
duccati d'argento bezahlς müssς. Wir sind gestern
nach
Portici gefahrς um dem
Minister Marchese Tanucci aufzuwartς. Morgς
werdς wir wiederum hinausfahrς. wir hattς gestς abscheulichς regς, und sehr frische
Luft. wir habς unsere schönς düchene Kleidς in Rom gelassς, und habς unsere 2 schöne
gallonierte So
merkleider anlegς müssς. des Wolfg
ς: seines ist Rosenfarber
Moar, doch von so besondςer farb, daß es in Italiς
Colore di fuoco odς feuer=
farb genännt wird: mit silbernς spitzς, und Liechthi
melblau gefüttert.
Mein Kleid ist eine Art von Zi
metfarb, ein
piquierter florentinerzeug,
mit silbern spitzς und Apfelgrün gefüttert. Es sind 2 schöne kleidς, die aber,
DOM=
MUSICK=VEREIN
U.
MOZARTEUM
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„MOZARTEUM”
1881
[S. 2]


bis wir nach Hause ko
mς, wie die altς Jungfern aussehς werdς. gestern abends besuchtς
wir den Englischς gesandtς
Hamilton (unsern bekanntς aus
London), dessς frau
ungemein rührend das
Clavier spielt, und eine sehr angenehme Person ist. Sie zitterte,
da sie vor dem Wolfg
ς: spielς sollte. sie hat einς kostbarς flügl aus Engelland
vom
Tschudi, mit 2
manual und die Register mit einem Pedal um solche
mit dem fuß abzuziehς. wir fandς
Mr: Beckfort und
Mr. Weis bekannte aus
Engelland alda. den 16
tς habς wir beÿ h
ς: B: Tschudi |: der zu Salzb
ς: war :|
gespeiset. Er hat mir an S:
e Ex: Gr: Spauer und alle gute freunde seine Empf
ς:
und sondςheitl: dir und der Na
nerl alles erdenkl: zu schreibς aufgetragς. Er hat
unzählige mahle, sondςheitl: beÿ unserem Eintritte und fortgehς geküsset, und
uns in allς Gelegenheitς seine Dienste angetragς. Vorgestς begegnetς wir auf
der strasse den
Mr: Meuricovre aus Lyon, der uns aller Ortς suchte,
an uns auch einς
Billiet sa
mt seiner
addresse im
Augustς: Kloster Ließ,
und uns endlich von ungefähr antraf. Er gieng mit uns in unsere wohnung
und führte uns da
n in sein Haus. wir solltς morgς beÿ ihm speisς, allein, da wir
morgς nach
Portici fahrς müssς, so ka
n es nicht seÿn. Er Empfehlt sich euch allς
von Herzς. Er stehet hier mit einem in
Compagnie: beÿde habς mir ihre dienste
in allς Vorfallenheitς angetragς. du wirst dich wohl noch eri
nern. ein
brunetter
junger Mensch; der das Italliänische Lied mit den Brillς auf dς Nase dem Wolfg
ς:
oft hat singς müssς. wie Lange wir hier verbleibς werdς, weis dir noch nicht zu
sagς. ich habe keine andere wahl, als 5 wochς odς 5 Monate. Ich glaube aber
5 wochς. doch ko
mt alles auf die Umstände an.
als ich am Tage
S: S. Philipi und
Jacobi in der Kirche der hl: hl. Aposteln
in Rom das Hochamt hörte, sahe ich ein bekanntes Gesicht vor mir stehς.
Er näherte sich; und wer war es? – – es war unser ehemahliger
bedienter
Porta. Er war sauber gekleidet, gespitzte dätzln, eine goldene
uhr.
pp: Er war in
Corsica mit den französ
ς: truppς. den andςς tag
kam er mir seine Dienste anzutragς, ebς da der h
ς: Meissner angelanget.
ich bedankte mich und gab ihm kein gehör. frag nur h
ς: Meissner, er hat
ihn gesehen. Der Kerl ist ein
avanturier.
Bedaure die Zufälle dς Fr: Adlgasserin von Herzς, ich hoffe sie wird sich wohl
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[S. 3]


befindς meine Empf
ς: an beÿde. Die
de amicis empf: sich sa
mt ihrer Mutter,
brudς
p: dir und der Na
nerl:
da wir den
Articul wegς dem
Miserere gelesς, habς wir alle beÿde hell lachς müssς.
Es ist desswegς gar nicht die mündeste sorge. Man macht andς orts mehr
daraus. ganz
Rom weis es; und selbst der Pabst weis es, daß der wolfg
ς:
das
Miserere geschriebς. Es ist gar nichts zu beförchtς: es hat ihm vielmehr grosse
Ehre gemacht, wie du in kurzem hörς wirst. du sollst
absolute den
Brief aller ort lesς lassς, und solches S:
r Hf
ς: gdς zu wissς machς.
we
n die Portrait gut getroffς sind, so magst du ihm zahlς, was du wilst.
Nun muß ich schliessς, da
n wir müssς zu Kays
ς. gesandtς
gr. v Kaunitz.
Lebt wohl, wir küssς dich und die Na
nerl 1000 mahl
u ich bin dein alter
Mzt
mp
Hofe Dein Catharr wird längst vorüber seÿn.
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[S. 4]


À Madame
Madame Marie Ane
Mozart
à
Salzbourg
N:o 21 aus Neapel.
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[S. 5]



il 19 maggio
neapel. 1770
Cara sorella mia.
alla vostra lettera non saprei veramente rispondere, perchè non
avete scritta niente quasi. i Menuetti del sig: Haiden vi man=
derò quando avrò piu tempo, il prìmo gia vi Mandai. ma
Dieses verstehe ich nicht Du hast mir geschrieben
dflolo vlrotlul fcu nfcut, dh umot afr glocurflbln
sie wären gestohlen hast du sie etwa
ofl wmrln glotsumiol Alnhlt, umot dh ohl ltwm
gestohlen oder wie?
glotsueln, sdlr wfl?
vi prego di scrivermi presto,
e tutti i giorni della posta. io vi ringrazio, di avermi
mandato questi Rechenhistorien, e vi prego, se
mai volete aver mal di testa, di mandarmi ancor
un poco di questi künsten. perdonate mi che scrivo
si malamente, ma la ragione è perchè anche io hebbi
un poco mal di testa. den zwölften
Menuet von
heiden den du mir geschickt hast gefählt mir recht
wohl, und den
Bass hast du unvergleichlich darzu
Componirt, und ohne mindisten vehler, und ich bitte
dich
probiere öfter solche sachen: die mama soll
nicht vergessen, die flinten, alle beede puzzen
zu lassen: schreibe mir, wie es den h
ς: Canari geht,
singt er noch? pfeift er noch? weist du warum ich
auf den
Canari dencke? weil in unsern vorzi
mer
einer ist, welcher ein gseis macht wie unsrer.
apropos,
der h
ς: Johanes wird wohl unsern
gratulations Brief
empfangen haben, den wir haben schreiben wollen,
wen er ihn aber etwa nicht empfangen hätte, so
werde ich ihms schon selbsten mündlich sagen zu
Salz=
burg, was darinen hätte stehen sollen. gestern
haben wir unsere neüe gleider das erstemahl angezohen,
wir waren schön wie die engeln, ich fürchte aber, wir
werden weiter nichts schönes mehr nach haus bringen.
addio leb wohl, an d' nandl meine empfehlung, und sie
soll fleissig betten für mich. ich bin
Wolfgang Mozart mp
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[S. 6]


den 30
gsten wird die
opera anfangen, welche der
Jomèlo Componiert.
die königin und den könige haben wir unter der
Mess zu
porteci in der hof
capeln gesehn, und den
fesufius haben
wir auch gesehen:
neapl ist schön, ist aber vollkreich
wie wien und
paris. und
london und
neapl in der
impertinenz des volks, weis ich nicht, ob nicht
neapl
london übertrift, indem hier das volk, die
lace=
roni ihren eignen obern oder haupt haben,
welcher alle monath 25
ducati d'argento
von könig
hat nur die
laceroni in einer ordnung zu hal=
ten. beÿ der
opera singt die
Deamicis, wir waren
beÿ ihr, und sie hat uns gleich gekent. die zweÿ=
te
opera Componiert Càfaro, die 3
te Cìcio de màjo,
und die vierte weis man noch nicht. gehe fleissig
ins
Mirawell in die
liteniaen, und höre das
Regina
cœli oder das
salve regina, und schlaf gesund, und
las dir nichts böses träumen. an h
ς. von schiden=
hofen meine grausaume empfehlung,
tralaliera,
tralaliera, und sage ihm, er sol den
Repetiter
menuet auf den
Clavier spiellen lernen, damit
er ihm nicht vergessen
thuet, er soll bald
dar zu
thuen, damit er mir die freüd
thuet
machen, das ich ihm einmahl
thue accompagnieren.
an alle andre gutte freund und freündinn
thue
meine empfehlungen machen, und
thue gesund
leben, und
thue nit sterben, damit du
mir noch kanst einen brief
thuen, und ich hernach
dir noch einen
thuen, und dan
thuen wir immer
so vort, bis wir was hinaus
thuen, aber
doch bin ich der, der will
thuen bis es
sich endlich ni
mer
thuen läst,
inzwischen will ich thuen bleiben
Wolfgang Mozart