[S. 1]


Salzburg 5 März 1826. Lieber
Wolf du wirst von selbst
geneigt seÿn, gegenwärtigen Brief zu deinen aller=
wichtigsten und immer zur Hand seienden Papieren
zu legen, und dessen Aufbewahrung auf die aller-
sorgfältigste Art menschenmöglicher Weise zu
sichern. Allein ich bitte dich auch ausdrüklich darum,
und ich würde es dir befehlen, wenn ich meinen Stiefsohn,
nachdem er ein Mann geworden ist zu befehlen hätte.
Ich thue, was von mir abhängt: ich sichere dir und mir
die Ankunft des Briefes bei dir, indem ich ein Post-
recepisse nehme. Jedermann findet, oder sagt aus
Höflichkeit, daß mein Aussehen sehr gut ist: es ist
sogar die Sprache des Arzts. Indessen, ich bin im
66ste Jahr, und in der Regel habe ich täglich ein
Gefühl im Kopfe, welches ich für ein Symptom
der Gefahr eines Schlagflusses halten muß,
welcher sich eben so wol bald als in mehr entfernter
Zeit einstellen kann. Für den nahen Fall verfasse
ich in demselben Augenblik, da ich die Wonne habe,
daß es mir in den Sinn fällt, folgende feierliche
Erklärung

, von welcher ich dich in erwähnten falle
bitte, ja dir zur Pflicht zu machen wünschte allen
öffentlichen Gebrauch, also auch im Druck, und, an so
Vielen verschiedenen Orten als es thunlich ist, diesen
Gebrauch zu machen,
sobald es dir von den geringsten
Nissen
[S. 2]


Werth seyn kann,
sobald du die mindeste Neigung
dazu hast. Unter einer dieser beiden bedingungen
darf, soll Nichts in der Welt dich davon abhalten.
Nur so Lange ich lebe, wirst du davon Nichts
unternehmen. So lange ich lebe, wird es von mir
abhängen, die zeit zu wählen, wann die öffentliche
Bekanntmachung zu geschehen hat, und sie selbst
zu Veranstalten. Die Sache aber, das ist: meine
ganzen und alleinigen Antheil an den Geschäften

,
darfst du schon iezt bei jeder Gelegenheit mündlich
und in Privatbriefen erzählen; den meisten
unsrer Wiener Umgangs freunde ist die Sache
längstens bekant, aber von meiner feierlichen
Erklärung wirst du keine Silbe erwähnen, so
lange ich lebe, und Niemand erhält sie unversiegelt
als du. was dich oder mich möglicher Weise bewegen
kann, einst eine solche Bekanntmachung ergehen zu
lassen, brauche ich dir nicht zu sagen: du beurtheilst
es gewiß vollkommen. Ganz gerne hätte ich es,
wenn nach meinen Tode die bekanntmachung geschähe,
daß auch dieser ganze Brief, der bei meinem Leben
ein Geheimnis bleibt, gelesen und gedrukt würde.
Für die Aechtheit meiner Schrift
[S. 3]


müßtest du dir wol Zeugnisse, am beßten obrigkeitliche,
verschaffen. Ich würde dich schon heute dieser Mühe über=
heben und Zeugnisse beilegen, wenn ich nicht eilte das
zu thun, was nicht ohne mich geschen kann, und was
nicht geschehen würde, wenn ich in der zeit da ich mich um
Zeugnisse bewerbe, mit Tode abgehen sollte. Da ich
dieselbe Erklärung an mehrern Orten, auch bei einer
sehr ansehnlichen Behörde, versiegelt, aber mit
zweckmäßiger Aufschrift gegen der Oefnung nach
meinem Tode versehen, deponiern werde, auch dann
wahrscheinlich bezeugen lassen werde, so kömmt Alles
hier (und über kurze Zeit) in völlige Richtigkeit. Nach meinem
Tode

, aber nur in den Augenblike da du Gebrauch
gemacht hast, unterrichte deine
Mutter; es ziemt
sich nicht, daß sie es plötzlich im Druck läse Aber
so lange ich lebe, muß deine Mutter von allen
diesen kein Wort wissen. Was sie, auch von sehr
ferne an meinen Tod erinnert, betrübt sie zu sehr,
gleich wie es mich unglüklich macht, an die Tre
nung
von ihr einigermaßen lebhaft zu denken. Daher
beschwöre ich dich in deinem nächsten Brief nur für
mich zu sagen, daß du den meinigen vom 5
te März
erhalten hast, kein
Jota vom Inhalt, du sollst erfahren,
wo ich sonst deponirt haben werde. –
[S. 4]


Du, mein Freund kannst diesen Brief mit der Erklär=
ung, vermöge dessen, was ich dir in den Briefe auf=
trage, gleichsam als ein
Codicill meines Testaments
ansehen. Habe ich dir je gemeldet, daß dieses Testament
in den Händen meiner
Cousine Cäcilia, geborene
Dÿrhoff, oder ihres Gatten, des Kaufmanns
Jens Schoustrup zu Kopenhagen ist? Der Kopen=
hagener Magistrat hat davon in seinen Archiv eine
Kopie, welche du vidimirt erhalten kanst, wenn das
Original bei meinem Tode verloren gegangen wäre.
|:
S. und seine
Frau sind alt :| Uebrigens habe ich den
wesentlichen Auszug, und zwar von Zeugen
Unterschrschrieben, unter meinen hiesigen Sachen,
in zwei
Quartbücheln, die ich Deiner
Mutter auf
immer empfohlen habe, auch noch, glaube ich
irgendwo deponirt und nach meinen Tode die
Zusendung an deine Mutter und nach unsrer beÿ=
der Tode an dich oder deinen
Bruder verfügt.
Das Testament ist vom 9
Mai 1815. Am 13
tς des-
selben Monats haben S: Majestät mein
König, es
konfirmirt.
Dein Nissen
oder wie ich mich bisweilen unterschreibe Nißen