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Ohne Zweifel dem Kaiser übergeben.
Köchel op. 51
Über La Finta semplice
Komische Oper in 3 Akten
componiert 1768 zu Wien.
Species facti
Nachdem viele des hiesigen Adels, so wohl durch auswärtige Nachrichtς
als durch eigene Untersuchung und angestellte Proben von dem ausseror=
dentlichen Talente meines Sohnes überzeuget warς; so wurde es durch=
gehends als eine der bewunderungswürdigsten Begebenheitς dieser und
der vorigen Zeiten angesehen, wenn ein Knab von 12 Jahren eine
Opera
schreiben, und selbst
dirigirς sollte. Eine gelehrte Schrift aus Paris
bestärkte diese Meinung, indem solche, nach einer ausführlichς Be=
schreibung der
Genie meines Sohnes behauptet:
es wäre kein Zweifel,
dieses Kind werde in einem Alter von 12 Jahren auf einem oder dem
andern Theater Italiens eine Opera schreiben; und iederman glaubte
ein Deutscher müste solch einς Ruhm nur seinem Vatterlande vorbehaltς.
Ich wurde hiezu einhellig aufgemuntert; Ich folgte der allgemeinς
Sti
me, und der Holländ
ς: Minister h
ς: Graf von Degenfeld war der
erste, welcher dem Theater
impressario Affligio den Vorschlag machte;
weil ihm die Fehigkeit des Knaben schon in Holland sattsam bekannt
ware. der Sänger
Carattoli war der zweÿte, der es dem
Affligio
vortrug; und die Sache wurde beÿ dem Leib
medico Laugier in Gegen=
wart des jungς
Baron van Swieten und der zween Sänger
Carattoli
und
Caribali mit dem
Impressario beschlossen, um so mehr, als alle,
sonderbar aber die 2 Sänger mit grösstem Ausdruck behauptetς, daß
eine auch sehr mittelmässige Musik von einem so jungς knabς
wegen dem ausserordentlich wunderbarς, und schon um dieses Kind im
orchester beÿm
Clavier sein Werk
dirigiren zu sehen, die ganze Statt
ins Theater ziehen müste. Ich ließ also meinς Sohn schreibς.
Sobald der erste
Act fertig war, bath ich den
Carattoli solchς
zu hören und zu beurtheilen, um mich sicher zu stellen.
Er kam, und seine Verwunderung war so groß, daß er gleich den
folgenden Tag wieder beÿ mir erschien, und den
Caribaldi mit sich
brachte.
Caribaldi, nicht weniger erstaunt, führte ein paar Tage
darauf den
Poggi zu mir. Alle zeigten einen so ungemeinς
Beyfahl, daß sie alle, auf mein wiederhohltes fragen:
ob sie
wohl glaubten daß es gut wäre? – ob sie dafür hieltς, daß er fort=
fahren sollte? – – sich über mein Misstrauς ärgerten, und öfters
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mit vieler Bewegung ausrufften:
cosa? – – come? questo è un por=
tento! questa opera andera alle Stelle! è una meraviglia! – non dubiti,
che scrivi avanti! – &c: sa
mt einer Menge anderer Ausdrücke. das
nämliche sagte mir nach der Hand
Carattoli in seinem aigenς Zi
mer.
Durch den Beÿfall der Sänger eines erwünschtς Erfolges versichert ließ ich
meinen Sohn in der Arbeit fortfahren; bath aber auch den Leib
Medicum
Logier mit dem
Impressario der Bezahlung halber in meinem Nahmen
Richtigkeit zu machen. Es geschahe; und
Affligio versprach 100
duccatς.
Um nun meinς theuern Aufenthalt in Wie
n zu verkürzen, machte ich damals
den Antrag, daß die
Opera noch vor der Abreise S:
r Mayst
ς: nach Hungarn
aufgeführt werden möchte; allein einige Abänderungς, die der Poet im
Texte zu machen hatte, he
mten die
Composition; und
Affligio erklarte
sich, daß er solche auf die Zurückkunft S:
r Mayst
ς: wolle aufführς lassς.
Nun lag die
opera schon einige Wochen fertig. Man fieng zu
Copierς
an; und der erste
Act wurde den Sängern, gleich darauf auch der Zweyte
ausgetheilt: da unterdessς mein Sohn ein und andere Arie, ja so gar
das
Finale des ersten
Acts bey verschiedenς Gelegenheitς der
Noblesse
beym Clavier
produciren musste, welches von allen bewundert ward,
davon beÿ T
ς: Fürsten von
Kauniz Affligio selbst ein Augen und Ohren=
zeug ware. Nun sollten die Proben ihren Anfang nehmen.
Allein, – wie hätte ich dieses vermuthen sollen! hier nahmen auch die Ver=
folgungen gegen meinς Sohn ihren Anfang.
Es geschieht sehr selten, daß eine
Opera gleich beÿ der ersten Probe
vollko
mς gut ausfallen, und nicht hin und wieder eine Abänderung
leiden sollte. Eben desswegen pflegt man anfangs beÿ dem Flügl allein,
und bis nicht die Sänger ihre Parthien, besonders die
Finale wohl zusa
m=
studiert haben, niemals mit allen Instrumentς zu probiern.
Doch hier geschahe gerade das Gegentheil. Die Rollen waren noch nicht
genug studiert, es war keine Probe der Sänger beÿm
Clavier gemacht,
die
Finale nicht zusa
mstudiert, und de
noch nahm man die Probe
des ersten
Acts mit dem ganzen
Orchester vor, um nur der Sache
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gleich anfangs ein geringes und verwirrtes Ansehen zu geben.
Niemand, der zugegen war, wird es eine Probe ne
nς ohne darüber
zu erröthen; und das lieblose betragen derjenigen, denς es ihr
Gewissen sagen wird, will ich nicht anführen. Gott mag es ihnς
verzeihen.
Nach der Probe sagte mir
Affligio:
es wäre gut; doch, da ein und
anderes zu hoch wäre, so müste da und dort einige Veränderung
gemacht werden: ich möchte nur mit den Sangern sprechen; und
da S:r Maystς: schon in 12 Tägen hier wären, so wollte er die Opera
in 4 oder längstens 6 Wochen aufführς, damit man Zeit hätte
alles in gute Ordnung zu bringen. Ich sollte mich darüber gar
nicht aufhalten; er seÿ Man von seinem Worte, und werde in allem
sein Versprechς haltς; es wäre nichts neues; auch beÿ andern
opern giengen Abanderungen vor etc etc:
Es wurde demnach dasjenige, was die Sänger verlangten, abge=
ändert, und in den ersten
Act zwo neue Arien gemacht: unterdessς
aber im Theater
la Caschina aufgeführet. Nun war die besti
mte
Zeit verflossen, und ich hörte
Affligio hätte abermahl eine andere
opera austheilen lassen. Es gieng so gar die Rede:
Affligio
werde die
Opera gar nicht aufführς, er hätte sich verlautς lassen,
die Sänger könntς solche nicht singen: die es doch selbst vorhero nicht nur
gut geheissen, sondern bis in den Hi
mel erhoben hattς.
Um mich auch wider dieses Geschwätz sicher zu stellen musste mein
Sohn beÿ dem jungen
Baron van Swieten in Gegenwart des h
ς: Grafen
von
Spork, des
Duca de Braganza und anderer Musikverständigς
die ganze
Opera beym
Clavier producierς. Alle verwunderten
sich höchstens über das Vorgeben des
Affligio und der Sänger;
alle waren sehr geriert und erklärtς sich einhellig, daß ein so unchristliches
unwahrhaftes und bosshaftes Vorgeben nicht zu begreiffς wäre; daß
sie diese
Opera mancher italiänischς vorzögς, und daß, statt ein solches
hi
mlisches Talente zu ermuntern ein
Cabale dahinter stecke, welches
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sichtbarlich nur dahin abziehle dem unschuldigς Knabς den Weeg zu
seiner verdientς Ehre und Glück abzuschneidς.
Ich begab mich zum
Impressario, die wahre der Sachen Beschaffenheit zu
erfahren. Dieser sagte mir:
Er wäre niemals dagegen die Opera
aufzuführen; ich werde es ihm aber nicht verdenkς, wen er auf sein interesse
sehe; man hätte ihm einigς Zweifel beÿgebracht, daß solche vielleicht
nicht gefahlen möchte; er habe die Caschina, und wolle nun auch die
Buona figliuola probieren lassen, dann aber gleich des Knabς opera
aufführen: sollte sie nun nicht, wie er wünschte, gefahlen, so wäre er
wenigst schon mit zwo andern opern versehen. Ich schützte meinς be=
reits langen Aufenthalt vor, und dessen Verlängerung. Er erwiederte:
Eÿ was! 8 Täge mehr oder weniger, ich lasse es dann gleich vornehmς.
Beÿ diesem blieb es nun. des
Carattoli Arien waren geändert;
mit
Caribaldi alles richtig gemacht; desgleichen mit
Poggi und
Laschi p:
ieder versicherte mich öfter ins besondere:
er hätte nichts einzuwendς;
alles käme lediglich auf den Affligio an. Entzwischς verfloß mehr als ein
Monat. Der Copist sagte mir er hätte noch keine
ordre die verändertς
Arien abzuschreibς; und da ich beÿ der Hauptprobe der
buona figliuola
vernahm,
Affligio wollte wieder eine andere
opera vornehmς, stellte ich
ihn selbst zur Rede. Hierauf gab er in meiner und des Poetς
Coltel=
lini Gegenwart dem Copisten Befehl, daß alles in zween Tägen aus=
getheilt, und die
opera längstens in 14 Tagen mit dem
Orchester probiert
werden solle.
Allein die Feinde des armen Kindes |: wer sie i
mer sind :| haben es abermahl
hintertrieben. Den nämlichς Tag bekam der Copist Befehl mit dem Schreibς
einzuhaltς: und in einem paar Tage darauf erfuhr ich, –
Affligio hätte nun
beschlossen die
Opera des Knaben gar nicht aufs Theater zu geben. Ich wollte
Gewissheit der Sache haben, gieng zu ihm, und erhielt den Bescheid:
Er hätte die Sänger zusamberuffen, diese gestündς zwar ein, daß die opera
zwar unvergleichlich Componirt, aber nicht Theatralisch wäre, und folglich von
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ihnen nicht könnte aufgeführt werden. diese Rede war mir ganz und
gar unbegreifflich. De
n sollten wohl die Sänger es wirklich wagen dasjenige
ohne Schamroth zu werdς zu verachtς, was sie vorher bis an die Sterne
erhoben, zu welchem sie den Knaben selbst aufgemuntert, und was
sie dem
Affligio selbst als gut angepriesen haben? – – Ich antwortete
ihm:
er köne nicht verlangen, daß der Knab die grosse Mühe eine
opera zu schreiben umsonst unternohmς habe. Ich erinerte ihn seines
accords; ich gab ihm zu verstehen, daß er uns vier Monate herum=
gezogen, und uns in mehr als 160 duccatς Unkösten gebracht. Ich er=
inerte ihn der von mir versaumtς Zeit, und versicherte ihn, daß
ich mich so wohl der 100 duccattς, die er mit dem Leibmedico Laugier
accordirt hatte, als übrigen Unköstς halber an ihn haltς werde.
Auf diese meine billige Forderung ertheilte er mir eine Unver=
ständliche Antwort, die seine Verlegenheit verrieth, mit der er
sich, weis nicht wie, von der ganzen Sache loszumachς suchte, bis
er endlich mich in den schändlichst lieblosen Ausdrücken verließ:
wen ich den knaben wollte prostituirt haben, so werde er die opera
belachen und auspfeiffen lassen.
Coltellini hörte dieses alles.
Dieses wäre also der
Lohn, der meinem Sohne für seine grosse Bemühung
eine
opera zu schreiben |:
davon sein original 558 Seiten beträgt :|
für die versäumte Zeit und die gemachten Unkösten angebothς
wird? – – und wo bliebe endlich, was mir am meisten am Herzen
lieget, die Ehre und der Ruhm meines Sohnes, da ich es nun nicht
mehr wagen darf auf die Vorstellung der
opera zu dringen, nach=
dem man mir deutlich genug zu verstehen gegeben hat, daß man
sich alle Mühe geben würde solche elend genug zu
produciren;
da man ferner bald vorgiebt, die Composition seÿe nicht zu singς, bald,
sie seÿe nicht Theatralisch, bald, es seÿe nicht nach dem Texte, bald,
er wäre nicht fähig gewesen eine solche Musik zuschreiben und was
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derleÿ alberns und sich selbst widersprechendes Geschwätz i
mer ist,
welches doch alles beÿ
beÿ einer genauen Untersuchung der Musikal:
Kräften meines Kindes, um welches ich hauptsächlich zu seiner Ehre ange=
legentlichist und allerunterthänigist bitte, zur Schande der neidischen
und ehrenrauberischen Verleumder, wie ein Rauch verschwindς, und
iederman überzeugen wird, daß es lediglich dahin abziehle, ein
unschuldiges Geschöpf, dem Gott ein ausserordentliches Talent ver=
liehen, und welches andere Nationen bewundert und aufge=
muntert haben, in der Hauptstatt seines Deutschen Vatterlandes
zu unterdrückς und unglücklich zu machen.
Hierauf
Verzeichniß alles desjenigen p.
Gedichte von Zabuesnigg und Andern.
Anekdote von der Pompadur.
Von Leopold Mozart
Vater
des Wolfgang Amadè
Mozart