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No 32

                                                             Copenhagen 29 Dec. 1810.
Lieber Carl,
wir haben Ihren Brief N. 2. vom 1sten dieses richtig erhalten, und wollen
nicht zweifeln, daß Sie nun auch mehrere von uns in Händen haben und
in Ansehung unsrer beruhigt seyn werde. Es ist ein besonderes Unglük,
daß die Ankunft der Briefe an Sie sich verspätet hat, da andere, die wir
unter denselben Couverten und mit jenen zugleich über Wien gehen ließen,
z. B. an die Sophie, zu rechter Zeit eingelaufen sind. Was Ihren lezten
geäusserten Wunsch betrift, so werden Sie selbst einsehen können, daß er leider
nicht auszuführen, daß daran gar nicht zu denken ist. Alles Geld, was
ich, Deine Mutter, mit Mühe und Beschwerlichkeit nach Bezahlung der
von Deinem Vater hinterlassenen Schulden erworben habe, und was
mein iziger Mann hat vermehren helfen, ist in Wien angelegt
worden. Da der Cours dieses Plazes gegenwärtig so ungemein niedrig ist,
so wäre es unverzeihlich und unvernünftig und nachtheilig, dieses Capital
anzurühren. Sonst könnte ich dir schon izt deine Hälfte (nicht leihen,
sondern) zum Eigenthume überlassen: die Hälfte Deines Bruders müßte
aber unangerührt bleiben. Das Capital kann dem Kaiser izt nicht
aufgekündigt werden; aber man kann die Obligationen verkaufen. Wenn
nun das geschähe bey dem izigen Cours, so bekämest du in gutem Gelde
ein Paar hundert Gulden. Gebe der himmel, daß der Cours sich seinem
alten Stande wenigstens nähere, dann kommen ein Paar Tausend
heraus. Wie die Sachen izt sind, lassen wir die Zinsen stehen, in der
Hofnung, daß sie einmal mehr betragen werden, als izt, wo ein
Ducat mit 54 fς. Papiergeld bezahlt worden ist. Obiges thäte ich, und
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werde es zu seiner Zeit, wann es durch die veränderten Umstände Dir
zuträglich seyn kann, aus Zärtlichkeit gegen dich, so wie deinen
Bruder, zwar thun, wiewohl Ihr gewiß einsehet, daß ich Euch von diesem
Gelde vor meinem Tode nichts schuldig bin, und daß ich es verantworten
könnte, es bis weiter für mich zu behalten. hier habe ich nichts, also kann
ich von hieraus nichts senden. Weißt du wohl, daß du so viele Einkünfte
hast, als mein Mann! Sein ganzes Einkommen ist 1200 Rthlr dänische
Bankzettel, und da der dänische Cours auch sehr schlecht ist, wiewohl nicht
so schlecht wie der Wiener, so betragen diese Einkünfte zwischen 1200.
und 1500 francs. Wir leben also, wie wir es müssen, sehr einge-
schränkt, halten keinen Bedienten, nur eine alte Magd, und essen
von einem Traiteur, der im Hause mit uns wohnt. Bisher
sind wir ausgekommen, und werden es mit Gottes Hülfe
ferner, und trösten uns mit der Zukunft, die einmal besser
seyn wird. Eine große Freude, ein großer Trost ist für
uns, daß du so viel hast als wir, und daß du also mit
Sparsamkeit auskommen, ja noch deine Einnahme vermehren
kannst. Lange fürchteten wir, du hättest etwa mit 600.
francs anfangen müssen; denn man muß gestehen, daß du
brilliant debütirt hast. Ich habe nach dreyzigjährigem
Dienste nicht mehr als Du. Zum Glük habe ich, dein Vater, in
den lezten Jahren in Wien etwas ersparen können, was nun als
ein Nothpfenning für Krankheit oder dgl. da liegt, nämlich 56.
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holländische Ducaten. Davon war es, daß Deine Mutter neulich die
Hälfte im Sinne hatte. Die liebe Frau weiß nicht recht mit Geld
Bescheid, und hielt diese Hälfte für eine ziemliche Summe. Ja, in
Wien würden 30. Ducaten izt 1500. Gulden heissen. – –
Diesen Brief erhältst Du durch den herrn Baron v. Schubart, der uns
geschrieben hat, daß er dich wieder in Mailand gesehen hat, und uns
Nachrichten von Dir gab, und der seit dem Junius Monat nichts
mehr von Dir erfahren hatte. Und nun lebe wohl, fahre
fort Dir Freunde zu machen. Dein Vater grüßt Dich. Ich
umarme dich als deine zährtliche Mutter Constance
Copenhagen                                         Nissen
1. Jan. 1810 
(1811)


Fröliches und glükliches Neues Jahr! Ich habe
dir es abgewonnen. [=]

Von nun an muß ich Sie bitten, nicht mehr das empfohlne Couvert
zu brauchen, sondern gerade an uns ohne Couvert zu schreiben,
aber Ihre Briefe, wie vorhin, chez Messieurs les frères
Tutein
zu adressiren, welches meine guten Freunde sind.
Jeder Brief von Ihnen und an Sie kostet ungefähr zwey Reichsthaler.
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A Monsieur
Monsieur Charles Mozart
.
1810
Milan.