[S. 1]
45/936
Podkamien dn 30t märz 1809
Mein lieber
Bruder!
Sehr viel Freude, machte mir dein lieber Brief vom 23
Febr:
,
aber noch mehr Vergnügen hätte er mir gemacht,
hättest du nicht geschrieben:
daß meiner dir eine Ueberraschung war.
du wußtest ja, von meiner Anstellung in Pohlen. Wie ko
nt
es dich
überraschen, einen Brief von mir
zu beko
men?
Ey, Ey! Ich dachte du hättest eine bessere Meinung
von mir! Dein Brief
überraschte mich nicht, obwohl er mir
sehr viel Freude machte; de
n, was wir mit Gewißheit
voraussehen, ka
n uns nicht
überraschen. Hatt' ich nicht
Ursache mit dir zu zanken? – Unsere
Mutter hat
mir zwar vor einigen Tagen geschrieben, daß der gute
Nissen, den Danobrog erhalten habe
, aber nicht, daß
er | was er schon lange ist | unser Vater geworden.
–
Singen habe ich nie gelernt, weil meine Sti
me i
mer
zu schwach war; aber de
noch schreibe ich am liebsten
für den Gesang. Ich höre | unter uns gesagt | lieber ein:
Selbst Engel Gottes weinen; oder:
Abend ist's: von unserem
Vater, als eine meisterhaft instrumentirte, aber empfin=
dungslose nichts sagende
Simphonie. Ich schreibe sehr gerne
leidenschaftliche Lieder. –
Albrechtsberger ist gestorben.
[S. 2]
Ich habe an ihm meinen Lehrer und worauf ich stolz
bin einen
Freund verlohren, die Welt aber, einen
gewiß nicht so bald ersetzlichen Theoretiker.
Er war 73 Jahre alt, noch bey vollen Geistes und
Leibeskräften, und wurde durch die ihn schon mehrere
Jahre quälenden Sand und Steinschmerzen dahingerafft.
Ruhe seiner Asche! – Wie befindest du dich? Du schwizest
vielleicht schon, und bey mir ist noch gri
mige Kälte, und
alles im weißen Kleide. – Ich habe das Glück, fleißige
und Talentvolle Schülerinen zu haben die sichtbaare
Fortschritte, seit meinem 4 monathlichem Aufenthalte
gemacht haben. – Dein ehemaliger
Camarad in
Petersdorf und
Cousin Anton Lange, der ein fürtreff=
licher Landschaftmaler ist, und in
Lemberg etablirt ist,
läßt dich vielmahls grüssen; er ist schon etliche
Jahre mit einer recht artigen jungen Frau
verheurathet. Sein jüngerer Bruder
Carl ist
Offizier
bey einem von dem
Fürst Lobkowitz errichteten
Jägerfrey
corps geworden. – Empfehle mich deinem
Lehrer und schreibe bald wieder Deinem Dich liebendς
Wolfgang
[S. 3]
[vacat]
[S. 4]
1809