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     Lieber herr André,
es ist mir nicht wenig angenehm, daß ich Ihnen
in der Erfüllung Ihres hauptwunsches im Briefe vom 11. März note schon
zuvorgekommen bin, und es wird Ihnen lieb seyn, daß die Sache in
umständlich publicirt wird. note  Ich hatte die Wichtigkeit
davon sehr wohl überdacht und so auch meine übrigen Ausdrükke, wovon
kein einziger vergeblich ist. Ich schmeichle mir auch, daß Sie in allen Stükken
zufrieden seyn werden: ich werde auch schwerlich eine andere ausstellen. Eine gute
Sache braucht nicht leidenschaftlich vertheidigt zu werden: die Leidenschaft macht
blind und ungerecht, und wer lärmt, hat gewöhnlich Unrecht, oder wird
wenigstens verdächtig. Nicht alle Leute lesen alle Anzeigen; wer nun eine
heftige läse, und nicht alle, bey dem hinterläßt sie einen üblen Eindruk,
der nicht mehr verwischt wird. Ich würde in Ihrer Stelle
lauter ganz kalte Anzeigen machen, gleich als wenn Sie
keine Notiz von einer andern Parthey nehmen, aber jedes Mal
sorgfältig anmerken, daß die Ausgabe nach dem Ihnen
gehörenden Originalmanuscript unmittelbar, aus der
von mir gekauften großen Samlung des Mozartschen
Nachlasses geschähe.
     Zum Eigenthum (so wie Sie ein Eigenthum in dem Nachlaß Sich erworben
haben) habe ich Br. & Härtel nicht das allergeringste verkauft, es wären
denn, wie ich nicht gewiß mich erinnere, die einzigen Canons. bis auf
diese, und zwar nur vielleicht, gehört alles Ihnen. Die Lieder werden Sie z. E.
schon erhalten haben. Und ich habe Br & H. geschrieben, Ihnen das wenige,
was sie haben, gerade zuzuschikken. note Diesen herren haben also nur ein
gleiches Recht von den in Abschrift oder im Original mitgetheilten Sachen. Aber
dem Publikum ists imer gleich, ob das Original ihnen eigenthümlich
gehört, oder ob sie nach dem Original, welches ihnen geliehen war, herausgeben.
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Das Recht diese Sachen herauszugeben, haben sie wirklich von mir
erkauft. Sie sehen (und wußten auch vorher) daß die Anzahl
dieser Sachen höchst geringe ist.
     Lassen Sie nur auch an jedem Titelblatt Ihrer Hefte
und an Ihren einzelnen Sachen sezen: daß solche aus der
von Ihnen von mir gekauften Samlung des ganzen
Nachlasses an Originalmanuscripten sind.
     Freilich ist übrigens Ihr Vorrath nicht ganz vollständig:
es fehlt aber gewiß verhältnißmäßig nur sehr wenig, wie
die Catalogen zeigen. Nehmen Sie Sich aber vor allem
Irthum ja in Acht, das heist: lassen Sie ja niemals aus
einem Irthum drukken, daß ein Stük nach dem Originalmanu-
script herausgegeben wird, was Sie nur in Copie haben: ein
einziges solches Versehen wäre Ihnen unersezbar prä-
judizirlich, denn wer dieses einzelne Original hätte, würde
ohne Zweifel öffentlich protestiren. Ubrigens wäre es Ihnen
ungemein vortheilhaft, wenn Sie durchaus nichts als nach
dem Original herausgäben; alsdann vermieden Sie sicher
den Fehler, den Andre herausgeber mehrere Male begangen
haben, Sachen, die unter Mozarts Namen cirkulirten, aufs
neue als Mozartisch herauszugeben, zu denen sich
andre lebende Verfasser hernach angemeldet haben.
     Schließlich merke ich noch einmal an, daß ich Ihnen ausser
den Sachen, die Sie wirklich erhalten haben, nur mein Recht auf
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Betulia liberata und die zwey litaneyen de Corpore Christi
verkauft haben. Durchfechten müssen Sie selbst. note So ists auch
mit den wenigen Originalien, die Breitkopf hat: es ist stipulirt note, daß
er sie behält, bis er sie herausgegeben hat.
     Zu der herausgabe der wenigen Sachen, die Breitkopf von mir
hat, habe ich Ihnen freilich kein Recht verkauft: die Originalien
gehören aber Ihnen: da Breitkopf sie nicht herausgiebt, als
bis er sie gebraucht hat, so kann dadurch ihnen kein Eintrag in
sein erworbenes Recht geschehen, und von dieser Seite fällt gar
aller Zank, worin ich verwikkelt bin, weg.
Ich wünschte aber herzlich, daß Sie auch nichts
davon herausgäben, damit auch Sie keinen
Streit über Mozartische Sachen hätten.
Sie verlören dabey nichts von einigem
belang, als das oder höchstens die zwey
Clavierconcerte. Und das eine haben Sie nur als Exemplare gekauft.
     Wo bleibt mein Geld um des himmels willen? Ich
bin die accurateste von uns. So sagt wenigstens
Schreiber dieses, der sich Ihnen empfiehlt.
                                              C. Mozart
die Adresse an Jacobi machen Sie
am beßten auf französisch.
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Wien
An
Herrn Johann André,
Musikverleger
zu
Offenbach
am
Mayn