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R. No 2.
No. 14
Lieber
André,
ich habe das Vergnügen gehabt, Ihren Brief vom 12
tn
Jan.

zu empfangen, und richte mich darnach.
Es ist mir ungemein lieb, daß Sie nach sorgfältiger
Untersuchung die
Oper ohne Titel für
Mozarts Arbeit erkennen.
Sie beschweren Sich fast, daß ich für das revidirte Exemplar
des
Requiems [... (Streichung durch Nissen)] fl.

begehrt habe. Für die Corrigirung durch
einen Copisten und für die vollständige Bezifferung
habe ich wohl mehr als einen Gulden bezahlt.
Sie sagen, daß ich von den Clavierauszügen nicht
mehr erhalte, als Sie just für gut finden zu
verschenken, weil in ihrer Absicht keine Analogie mit
unsrer Uebereinkunft 
ist. Das sehe ich nicht ein, und
glaube vielmehr das Gegentheil. Indeß geben Sie mir
zu verstehen, daß ich Exemplare erhalten werde, und
das ist ja der Punct. Ich bin wohl überzeugt, daß ich mich
auf Ihre Freundschaft verlassen kann.
Was Sie in gleichem Sinne von den
hofmannischen Cadenzen
sagen, ist die vollkommenste wahrheit. Aber wie
kam ich darauf Ihnen davon zu schreiben? Sie verlangten
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Cadenzen von mir. Ich antwortete, ich hätte keine, als die Sie schon
bekommen hätten. Nun erwiederten Sie, daß diejenigen, die Sie gemeint
hätten, nicht unter jenen wären, daß
Hς. Hofmann diese ersezt
hätte, daß seine Arbeit wunderschön wäre, daß ich meine
Freude daran haben würde, und daß Sie mir einige
Exemplare schikken würden. Dafür dankte ich Ihnen
sehr und drükte Ihnen meine eventuelle Freude aus. Das
ist alles, was ich von diesem Gegenstande erwähnt habe.
Sie haben mir noch immer nicht gemeldet, ob Sie
die Themas der Fragmente zugleich das
heist auf ein Mal mit den Themas der vollendeten Arbeiten
herausgeben wollen. Das ist meine Bedingung. Auch
scheinen Sie keinen (hinlänglichen) großen werth
auf die Ausgabe jener zu legen, wie ich es thue. Ich bin
überzeugt, daß das Publicum ein solches Verzeichniß
sehr schäzen wird. Und dieses kann alsdann Ihnen volle
Gerechtigkeit wiederfahren lassen in dem Urtheil über Ihre
Art und Fleiß und Ihre umfassende Kenntniß
aller seiner Arbeiten. Ein Exemplar Ihrer
Liste hatten Sie mir immer versprochen, und
nun
wollen Sie mir nur 4. in allem geben. Indessen das
soll mich gewiß nicht abhalten, Ihnen meine Liste zu
geben.
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Sie scheinen überhaupt nicht in guter Laune gewesen zu
seyn, als Sie mir schrieben. Daß ich
meine Copien, wovon wohl die
meisten unter den Augen
meines Mannes gemacht sind, für
authentisch gehalten habe, ist mir wohl zu verzeihen. Ich darf
aber doch wohl die Copie der Musik, die ich von
Leitgeb habe und
Ihnen hier schikke, so nennen. Erinnern Sie, in welcher Veranlassung
ich Ihnen von diesen Sachen redete, die ich authentisch nannte, weil
ich so glaubte. Ich wollte Ihnen damit einen Fingerzeig geben,
den ich für richtig hielt, wie Sie bey der Ausgabe solcher Werke
zu Ihrer Ehre verfahren könnten, die Sie von mir nur in
Copie erhalten hätten. Also es war von mir gut gemeint.
Es ist mir Ihrentwegen recht unangenehm gewesen, im
Ristretto ein Avertissement

zu lesen, worin – welches freilich
auch die Wahrheit ist – gesagt wird, daß
Don Juan nur noch
in einem mangelhaften Originalmanuscript besteht.
Als ich vor langer Zeit
Breitkopf und Härtel ein Verzeichniß
aller großen Werke gab, hatte ich diese Anmerkung bey
Don
Juan gemacht. Es ist dieses mir eine neue Warnung,
Niemanden mehr zu sagen, als er just zu wissen braucht.
Indessen welch ein geringes Präjudiz für Ihre Ausgabe ist
es, daß im Original das lezte Finale nicht vollständig
ist und daß an 2. Orten die Musik der blasenden
Instrumente fehlt – denn das ist es alles, was
fehlt. Sie werden ja wohl eine gute natürliche Gelegenheit
finden dieses bekantzumachen, und können alsdann Sich
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darauf berufen, daß Jedermann sich von der wahrheit dessen
durch Einsehung des Originals bey Ihnen überzeugen kann.
Ich schikke Ihnen also hier
das
Requiem
die
Capricci die ich wieder erhalte,
das
Leitgebsche Quintett,
Mehrere Stükke des
Requiems im Original von
pag. 11. bis
pag. 32., welches
ich zurük erhalte,
ein
Andantino für das Clavier.
2. Fragmente, die Sie vielleicht in Ihrem Vorrath anbringen,
Ein Paar Fragmente aus dem
hornconcerte, das
Leitgeb
nur theuer verkaufen will.
Mehrere Kleinigkeiten
und eine
Fuge, die
Breitkopf und Härtel herausgegeben haben und die
sie wohl anderthalb Jahre behalten hatten.
Ich bitte nun auch bald unsre kleine Geldrechnung zu
berichtigen, damit ich abschliessen kann.
N. empfiehlt sich Ihnen beßtens.
St. habe ich
in einigen Monaten nicht gesehen: ich glaube, er ist
abwesend.
Leben Sie recht herzlich wohl. Ihre ergebenste Freundinn
C. Mozart.
hat Nissen
unterschrieben
Wien
26 Jan. 1801
Herrn
Johann André.