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An Herrn
Härtel.
Höchstgeehrter Herr, ich bin Ihnen meinen Dank für Ihren mir sehr späte zuge-
kommnen freundschaftlichen Brief vom 11 April
schuldig. Herzlich bedauere ich mit
Ihnen den frühen Tod Ihres gewesenen
Lebensgefährten , bitte aber um Ihre Nachsicht,
wenn meine so gerechte Empfindlichkeit über die andern Gegenstände Ihres Briefs sich
in diesem äussern sollte. Ich danke Ihnen verbindlichst für alle Ihre gütigen
Ausdrükke und überlasse es Ihnen und der Zeit, mir gelegentlich
Ihre Freundschaft in der That zu beweisen. Ich werde nicht so unbescheiden seyn, die
Gelegenheiten dazu zu geben – auch haben Sie mir einmal geschrieben, daß ich alle
Rechte verscherzt hätte – meiner Seits aber werde ich Ihnen bey jeder Gelegenheit,
die Sie mir geben, nüzlich zu seyn suchen. Da
Traeg noch nicht meine kleinen
Päkchen abgeschikt hatte, so habe ich sie einstweilen wieder zu mir genommen, um
zu sehen, ob ich sie noch voluminöser machen kann. Ich werde sie ihm aber zustellen,
sobald er eine Versendung an Sie macht, welches er mir sagen wird. Auch circulirt
izt wirklich die
Niemeczeksche Biographie
, mit Papier durchschossen, nach Ihrem
Vorschlag.
Warum aber haben Sie mir nicht eine Copie Ihrer neuen Erklärung,
die die meinige, wie Sie schreiben, berichtigen soll, mitgetheilt? Die Wahrheit
gewinnt ja durch die Discussionen, und Ihre Behauptungen sind in einem um so
viel schönern Lichte, wenn ich sie nicht gründlich wiederlege. Ich wünsche von herzen,
daß Ihre Erklärung nichts enthält, was ich berichtigen zu müssen glauben kann.
Einmal bin ich aufgetreten:
wie höchst ungern würde ichs zum zweyten Male
thun! Nochmals, ich hoffe, daß Sie mich nicht gereizt haben, dem Publicum
zu sagen, was so wahr als Ihnen höchst unangenehm seyn würde.
Nachdem ich meinen Vorrath verkauft habe, nachdem 6. Hefte
heraus
waren, während welcher Sie mir keinen Vortheil zugestanden hatten, als ein
ärmliches und Schritt vor Schritt marchandirtes
Honorar für die wenigen
Sachen, die Sie von mir erhalten hatten, und am Ende erst 6. Exemplare (vom
harmonicaquintett habe ich auch nicht eins erhalten, und
wapler hat mir auch
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noch nicht das fehlende eine Exemplar der
oeuvres complettes geben können) reden Sie
mir in jedem Briefe von den wahrhaft großen Vortheilen, die Sie mir zugestanden haben
würden. Ich habe Ihnen in einem meiner vorigen Briefe die umständliche mit Ihrem
Briefe documentirte Rechnung gemacht, daß nach Ihren Worten ich von
Ihnen auf diese Art schon in den ersten 2 sage zwey Jahren die verlangte Summe
gehabt hätte. Warum thaten Sie mir nicht wenigstens einen ähnlichen Vorschlag,
als ich Ihnen so dringend die gänzliche Veräußerung antrug? Aber als
ein, ich gestehe es, gescheuter Kaufmann handelten Sie sicher, weil Sie
mir nicht glaubten: Sie wissen es, daß ich Ihnen besser geglaubt habe.
Ich mögte wohl wissen, was Sie an meiner Stelle von diesen
Worten halten würden, wenn ich, wie Sie, ein Clavierconcert, das
Sie nun der Welt als ein ganz unbekanntes ankündigen, von Ihnen
als ein Ihnen
von Andern versprochenes leicht zu habendes verlangt und Ihnen für
dieses, das nun ein ganzes
Cahier anfüllt, 5 sage fünf ducaten ange-
boten hätte. Doch ich will nichts mehr sagen. Ihr bewußtsein, man
nennt es auch Gewissen, wird Ihnen dieses Concert, das
Requiem, die großen
Versprechungen, deren ich mich zu
erfreuen gehabt haben würde, das Versprechen in Ihrem
vorlezten Brief, mir nächstens einen Plan zu einer fortdauernden für
mich vortheilhaften Correspondenz zu schikken, welche beyde Aussichten Sie mir
vorhalten, als ich wieder
André, bald hätte ich gesagt, gegen die wahrheit
zeugen sollte – u. was weiß ich mehr, was Sie nur allein wissen können,
alles dieses wird Ihnen Ihr Gewissen doch wohl zuweilen vorhalten. Meine
Vorsichtigkeit, die Sie Mistrauen nannten, o wie sehr bereue ichs, daß ich sie
nicht viel weiter getrieben habe! Wenn Sie auch noch so viele Copien vom
Requiem
gehabt hätten, so wären Sie nicht im Stande gewesen, es mit Ehren herauszugeben,
wenn Sie Sich nicht, wie Ihre spätern Briefe beweisen sollen, ich lasse hier ein wort aus,
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auf mein Exemplar hätten berufen können. Dafür wollten Sie mich denn
mit 20 fl. entschädigen: Sie wollten die Sache mit dem
Anonymus ausmachen:
Sie antworteten kein Wort, als ich Ihnen meldete, daß er sich eingestellt hatte:
ich mußte ihn allein befriedigen – und Sie hatten mir vorgerechnet, was
ich an Höfen für das
Requiem schon bekommen hätte. Doch ich will von
nun an gänzlich hierüber gegen Sie schweigen, und wie gesagt, an Ihr Gewissen
appelliren. Ich verbitte mir,
en revanche , von Ihnen alle solche
Versprechungen, wie die oben angeführten, an die Sie nicht mehr zu denken
scheinen, so bald Sie sie niedergeschrieben haben, und die mir wie ein beleidigender
Spott vorkommen müssen.
Ohne Ihre Erinnerung werde ich von selbst so viele Beyträge als möglich
zur Biographie schikken. Ich darf mir dafür wohl zu seiner Zeit
drey Exemplarien der Ihrigen ausbitten
, so wie ich meine 10. Exemplarien
von dem
Requiem erwarten darf. Von dem
harmonicaquintett
habe ich mir ganz richtig keins stipulirt
. Und wegen der
künftigen Hefte bin ich
auch ganz in Ihrer Willkühr. Wenn
auch nicht meine Wünsche, so werde ich doch wenigstens ihre Aeusserung
in Schranken zu halten wissen. Indessen das fehlende Exemplar
der sämtlichen Werke hoffe ich, als mir versprochen, noch.
hochachtungsvoll habe ich übrigens die Ehre mich zu
nennen Ihre ergebenste Dienerinn
Constance Mozart
Wien den 7 Mai 1800
Ich habe mich bedacht: ich will alle meine Beyträge und Zusäze in die
Niemeczeksche Biographie hineinschreiben, wenn ich sie nicht länger circuliren
lasse. Geben Sie nur dem
Traeg Ordre, sie Ihnen gleich zu schikken, so bald
er sie von mir erhält, damit Sie nicht zu lange warten; auf diese
Art bekommen Sie alles auf ein Mal.
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1800. Wien
7 May. Mad. Mozart.
–
9 Juny
Wien
An
die Herren Breitkopf und Härtel.
Leipzig