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St: Gilgen dς 24
tς 9
ber 1799.
Wohledlgebohrner
Hochschätzbahrester
Herr!
Mit Vergnügen übersende ich Ihnen den Aufsatz

, so ich aus
Briefen, die mein
Vater auf seinen Reisen nach Salzburg
schrieb, ausgezogen, und auf Verlangen eines
Freunds
unseres Hauses ihme überschickt habe, der ihn dann Hr:
Prof: Schlichtegroll übermachte. Hier folgen auch einige
Elogen, Aufsätze,
Sonnetten, Auszügen aus Briefen, und
Dergleichen

, wünsche nur, daß Sie Gebrauch davon
machen können, allein ich förchte, es wird Ihnen
nicht viel nützen, da in des
Hr: Prof: Nekrolog 
schon das
meiste enthalten ist. Sie wünschen noch etwelche
anectoden
aus meines
Bruders Leben zu wissen, hiemit folgen einige
aus seiner Kindheit, in Falle Sie solche gebrauchen wollen.
1ten
Da die Reisen so wir machten, ihn in unterschiedene
Länder führten, so sann er sich wärend daß wir von einen Ort
in das andere fuhren ein Königreich aus, welches er das Königreich
Rücken nannte, er sagte, er wäre der König von diesen Reiche, und
unser Bediente, der ein wenig zeichnen konnte, musste eine Karte
davon machen, wovon er ihm die Na
men der Städte, Märkte, und
Dörfer dictirte.
2
ten.
Er hatte so eine zährtliche Liebe zu seinen
Eltern, be=
sonders zu seinen Vater, daß er eine
Melodie componirte, die
er täglich, vor dem schlafen gehen, da ihm sein
Vater auf einen
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Sessel stellen musste vorsang, der
Vater musste alzeit die
Secund
dazu singen, und wenn dann diese Feÿerlichkeit vorbeÿ ware,
welche keinen tag durfte unterlassen werden, so küsste er
seinen Vater mit innigster Zährtlichkeit, und legte sich dann
mit vieler Zufriedenheit und Ruhe zu bette, da ich diese
Melodie noch vollko
men im Kopf habe, so habe ich sie Ihnen
aufgesetzt, Sie sehen wohl daraus, daß es eine von
seinen ersten
Compositionen ist. diesen Spas trieb er
bis in sein 10tes Jahr.
3ten
In London, wo unser
Vater auf dem Tod krank lag,
durften wir kein
Clavier berühren, um sich also zu beschäftigς
componirte er seine erste
Sinfonie mit allen Instrumenten
Trompeten und Pauken

, ich musste sie ihm neben seiner ab=
schreiben, indeme er sie
componirte und ich sie abschrieb, sagte
er zu mir, ermahne mich, daß ich dem Waldhorn etwas
zu thun gebe.
4ten
In Olmitz, wo er die Blattern bekam, die ihn so sehr krank
machten, daß er neün tage nichts sahe, und etwelche Wochen nach
seiner Genesung die Augen schonen musste, wurde ihm die
Zeit lang, er suchte also Beschäftigung, der Hofkaplan
von dortigen Bischof
Hr: Hay nachheriger Bischof von Königs=
grätz besuchte uns täglich, dieser ware in KartenKünsten
sehr geschickt, mein
Bruder lernte sie mit vieler Be=
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händigkeit von ihm, und da uns auch der dortige Fecht=
meister besuchte, so musste ihm dieser das Fechten lehren.
Er hatte zu allen schönen Künsten, die grösste Freude, jeder
Compositeur, Mahler, Kupferstecher, und dergleichen Künstler
so wir auf unsern Reisen kennen lernten, mussten ihm
von ihrer Geschicklichkeit ein Angedenken geben, welche
er sich sorgfältig aufbewahrte. Ich wünschte nur Ihnen
mehrere andere Notizen aus seinen Leben ertheilen zu
können, allein mir ist nichts mehr errinnerlich.
Vielleicht könnte ich Ihnen durch einige Mühe etwas von
dennen ältern
Compositionen ausfindig machen, aber
dazu habe ich einen
Catalog höchst nöthig, wobeÿ von jedem
Stücke die Anfangs
tacte aufgeschrieben seÿn müssen, damit
ich weis, was Sie schon von ihm besitzen, und was in Stich
von ihm herausgeko
men ist, da ich selbst einige wenige
Klavier sachen von ihm in abschrift habe, wovon ich nicht
weis, ob sie nicht in Stich heraus sind.
Nach vielen nachsuchen fand ich, da ich alle kleinigkeiten
von meinen
Brudern aufbewahrte, etwelche Menuets in
Spart, und auch einige auf das Klavier von ihm gesetzt
und geschrieben, ich weis zwar nicht, ob Sie dieses Gekratzel
lesen oder brauchen können, aber um Ihnen zu bezeugen
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daß ich alles aufgesucht habe, um Sie einigermassen befriedigen
zu können, so lege ich sie Ihnen beÿ, übrigens wird es mir in
meiner Einöde sehr viel Vergnügen verschafen von diesen
Werke etwas durch Ihre Güte besitzen zu können, Sie
werden mich dadurch sehr verbünden, und ich erwarte den
Augenblick mit Sehnsucht von diesen Werke etwas zu
sehen.
Die Abschriften von einigen seiner Messen habe ich nach dem Tode
meines
Vaters schon in das Kloster zum hl: Kreüz nach Aug=
spurg geschickt, die Sparten davon hatte mein
Bruder seel:
In Salzburg wollte ich Ihnen wohl auch noch von dem ältern
Compositionen aufbringen, es ist mir aber vor allen Nothwendig
zu wissen, was Sie schon hievon besitzen. Ich erwarte also hier
über dero weitere Ausserung und verbleibe mit wahrer
Hochachtung
Wohledlgebohrn!
ergebenste
M: A: Reichsfreÿin von Berchtold zu Sonenburg.
Alle mitgetheilte Stücke hofe ich seiner Zeit wieder zurück zu
erhalten.
Ich übersende Ihnen auch einen Kupferstich

, der wie wir in
Paris waren
gestochen wurde, hieraus sehen Sie, daß mein
Bruder ein recht Hübsches
Kind war, erst nachdem Blattern hatte er sich so verunstaltet, und noch mehr
wie er von Italien zurück geko
men, beka
m er die welsche gelbe Farbe,
die ihn ganz unkenntlich machte. er war ein kleins doch
proportionirtes Kind.