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1.
Höchstgeehrte
Herren,
Wien 17 Nov. 1799.
Ich statte Ihnen meinen verbindlichen Dank ab für die Mühe, die Sie Sich in Ihrem Schreiben vom
6. Nov.

gemacht haben; unter andern Umständen müßten Sie mir aber doch erlaubt haben zu
bedauern, daß Ihre Geschäfte Ihnen nicht erlaubt hätten meine Frage
vom 28. August 
zu
beantworten. Zuerst haben Sie die Güte mich dringend wegen der dedication des
harmonicaquintetts nochmals zu befragen, als wenn ich in einer solchen Gelegenheit
undankbar und nachlässig hätte seyn können – ich war keins von beyden jemals in
irgend einem Falle, meine Danksagungen und meine Antworten folgten Ihren briefen
stets auf dem Fuße nach. Dies war auch dieses Mal der Fall. Ich antwortete Ihnen
den 11.
Nov. 
, und konnte es
unmöglich früher, weil ich diesen Ihren brief vom 26 Oct.

, worin
Sie mir zuerst davon schrieben, erst am 9
ten nach Abgang meines briefs von diesem leztern
datum erhielt. In erwähntem briefe vom 26 Oct verlangten Sie von
mir zum
ersten Male die Originalien der Sonaten, die Ihr 6
tes Heft

ausmachen sollen.
Ich erhielt, wie gesagt, diesen brief am 9
ten; am 11
tn ging
der erste und
nächste Postwagen ab, am
11
tn schikte ich was ich hatte.

Nun unterm 6 Nov. melden Sie mir, daß diese Sachen zu späte
kommen „weil das 6
te heft bald ausgedrukt ist" und beklagen Sich, daß ich nicht
eher geantwortet oder die Absendung nicht eher besorgt habe. Belieben Sie selbst nach-
zurechnen: am 6
tn November, da Sie Sich über mich beschweren, war es ja
physisch
unmöglich, wenigstens nicht ohne Courier, daß Sie eine Antwort auf Ihren Brief vom
26. October haben konnten. Ich kann mir einen solchen Irthum nicht erklären. Wie
können Sie an einem Tage, da Sie noch nicht Antwort haben könnten, mir schreiben?:
Wir
konnten nicht länger warten, das 6
te heft ist bald ausgedrukt. Vergeben Sie mir:
aber diesen Ausdrükken kann ich keinen andern Sinn beylegen, als daß Sie Sich
gleich nach dem Abgang Ihres briefs vom 26 Oct. bedacht haben, meine Originalien für
überflüssig hielten, und gleich den druk anfangen ließen. Weil es so angenehm ist, seine
gerechte Sache auch dafür anerkannt zu wissen, schreibe ich Ihnen dieses nur. Ausserdem bin
ich ganz beruhigt und überzeugt, daß Sie nach Ihrem billigkeitsgefühl mir diese Sonaten
eben so wohl vergüten werden als Sie mir die beyden Lieder:
das Veilchen und das
Trennungslied vergütet haben, wiewohl beyde, wie ich erst aus Ihrem briefe vom 6. Nov.
erfahre, schon bey ihrer Ankunft abgedrukt waren. Ich denke mir auch,
und hoffe, daß Sie noch immer die quästionirten

Sonaten zur Corrigirung und Conferirung

,
welches ja Ihr hauptzwek war, brauchen können, in welchem Fall Sie mir gewiß Vergütung nicht
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2
versagen werden. In Ansehung der Lieder kann ich Ihrer Meinung, daß ich irrig bin, nicht
beytreten. Um Ihnen die Mühe des Nachsuchens zu ersparen, gebe ich mir die Ehre, Ihnen in
möglichster Kürze den wahren Zusammenhang vor Augen zu legen. Zuerst von den Liedern,
die ich Ihnen den 25 März sandte, und mit denen Sie, wie Sie mir meldeten, Ihre Erwartung
sehr getäuscht gefunden hatten, die ich aber doch zu meiner großen Freude
alle im 5
tn Heft

gefunden habe. Sie schrieben mir damals:
„Mit aller möglichen Rüksicht auf Ihr Beßtes können wir von den in Ihrer
Rechnung angegebenen 16 Numern nur höchstens 10 bis 12. brauchen wofür wir Ihnen
gerne das einmal bewilligte Honorar a 2 ducaten per Stük, und also 24. ducaten vergüten”.
Diesen Preis bewilligte ich alsdann, wie ich in meinem
briefe vom 1. Mai schrieb, aus den von Ihnen
angeführten Gründen, also natürlicherweise
nur aus diesen Gründen, deren Statthaftigkeit
ich Ihnen, wie billig, zutraute. Späterhin erbat ich mir vergebens
eine Specification der brauchbaren, um obige Rechnung zu vergleichen. Nun erst aus dem
Heft selbst sehe ich, daß Sie nicht nur erwähnte 16. sondern auch (
das Veilchen und das
Trennungs-
lied ungerechnet) noch 2. andere, nämlich:
Es war einmal, ihr Leute oder wie es bey Ihnen
heist:
Arete, und
Dans un bois solitaire, eingerükt haben, Summa 18. Wenn ich nun
auch zufolge meines Verzeichnisses vom 25 März

, in welchem ich unter
N. 5. und N. 18. fünf
Lieder nur zu 2. Numern gerechnet hatte, hiefür 3. abrechne, so bleiben immer 15. zurük,
von denen mir 12. nur vergütet sind. Bey einigen hatte ich geschrieben, daß ich nichts dafür
verlangte, „
wenn diese Sachen, wie ich glaube, in der Kinderbibliothek

sind, welches ich Sie bitte
zu untersuchen." Von dieser Untersuchung, deren Befund eine Bedingung war, habe ich nichts
erfahren. Ich sehe also nicht ein, wie Sie in Ihrem briefe vom 6 Nov. sagen können, daß Sie
mir vielmehr etwas mehr vergütet haben als mir zukam. Was 2
tens die
viel später, nämlich gegen das Ende des Mai, gesandten Lieder

, die also unmöglich in der
separirten vorhergehenden Rechnung der den 25. März gesandten Lieder begriffen seyn
können, betrift, bitte ich meine untenstehende genaue Rechnung nachzusehen. Beyde Ver-
sendungen sind offenbar von einander unabhängig und jede besteht für sich, welches Sie
ja auch
in der That eingestehen, da Sie mir izt unterm 6. Nov. zwey der im Mai
gesandten Lieder vergüten: warum nicht auch das dritte, davon sehe ich keinen Schein-
grund nur ein. Vom
Requiem will ich nur folgendes sagen. Ich sehe nicht ein, wie
ich Ihre Anzeige auf meine etwanige Anzeige nach Ihren Aeusserungen zu fürchten
hätte. Ich würde die Wahrheit drukken lassen, und Sie auch: eine Wahrheit kann neben
einer andern Wahrheit wohl bestehen. Uebrigens kann ich Ihnen freilich Ihre plözliche
[S. 3]


3.
Meinung wegen meiner Copie nicht benehmen. Ich habe es aufführen lassen, und Leute
vom
metier haben nichts daran ausgestellt. Gesezt auch, daß einzelne Stellen in Ihren
Copien anders oder gar besser wären, beweist das ihre
Aechtheit? Besser können sie seyn,
aber sind sie von
Mozart? Und darauf kömts an. Indessen bin ich sehr begierig auf die
Correctur, die Sie bey Zurüksendung meiner Copie anmerken wollen. diese wird mich oder
Andere in den Stand sezen zu beurtheilen,
was nicht von Mozart hat seyn können, und ich
werde Ihnen für diese Gefälligkeit, die Sie mir selbst anbieten, recht sehr verbunden und
dankbar seyn. Ich eile, welches mir izt erst einfällt, Ihnen solche im voraus damit zu
vergelten,
daß ich Ihnen sage, daß Sie vielleicht nicht übel thäten, Sich mit dem hiesigen Kapellmeister
Süssmeyer darüber in Briefwechsel zu sezen

, da er ohne allen Zweifel die am meisten
authentische Copie hat, wenn er, wie ich glaube, eine hat. Es thut mir indessen leid
für Sie, daß Sie, wenn Sie nämlich nicht irren, durch das Zutrauen in mich oder meine
Copie, wie ich glauben muß, verleitet worden sind,
in Ihrer Annonce Ihrer Edition

dadurch
die höchste Sanction in den Augen des Publicums geben zu wollen, daß Sie
ihm sagen, sie
werde nach
meinem Manuscript besorgt. Ferner muß es mir leid thun, in dem ange-
gebenen Fall zu erfahren, daß meine Copie, die Sie zur Vergleichung Ihrer späterhin
genau befundenen Copien wünschten, Ihnen dabey so wenig oder gar nichts geleistet hat.
Ich habe an die Genauigkeit der meinigen geglaubt und glauben müssen; ich bin
in allen Fällen von Vorwürfen frey. Das 5
te Cahier 
, welches Sie mir nach
Ihrem briefe vom 6 Nov. gütigst schon längstens geschikt haben, habe ich vor mehreren Wochen
von
Hς. Wapler vergebens verlangt: noch gestern wiederum, als ich ihm Ihren Brief
sandte, läugnete er ein Exemplar für mich bekommen zu haben: ich habe mir eins
auf wenige Tage leihen müssen. Sie können denken, wie unangenehm das mir ist, und werden
gewiß eine nachdrükliche Verfügung ein für alle Male treffen. Ich danke Ihnen
für das izt leider zu spät gekommene Project mit der Ausbietung

des
Concerts opus 1.
Ich kann Ihnen als Kaufleuten zwar keinesweges verdenken, daß Sie Sich
die Kupferplatten

nützlich gemacht haben. Aber so wären freilich meine Exemplarien
nicht leicht abgesezt worden. hätten Sie doch die Güte gehabt mir dieses früher zu melden!
In Ihrem Briefe vom 22 dec. 1798

. schrieben Sie
nur, daß Sie die Platte aus Gründen nicht gerne
kauften: daraus habe ich zu viel geschlossen, aber niemand ist Schuld als ich.
Was ich noch an Originalien bey Ihnen zu Gute habe, kann ich um so viel mehr erst dann beurtheilen,
wenn Sie mir die nächstens versprochenen Sachen schikken, da in Ihrem brief vom 6
tn November
wenigstens
ein durch die Eile verursachter Wiederspruch ist, indem Sie an einem Ort sagen, daß
[S. 4]


4.
Sie das
V'amo noch behalten, und an einem andern, daß Sie mirs schikken. Ihre
Nachfragen wegen
Mozarts Monumente und wegen des Originalporträts werde ich zum Theil
sorgfältig befriedigen, und mich gerne nach Briefen und allerhand Materialien ferner
umsehen

. Sie schreiben aber so bestimmt, daß noch mehrere Personen
viele Briefe von
M. besizen.
Ich erwarte davon eine gefällige Anzeige und werde mich unverzüglich damit beschäftigen,
sie herbey zu schaffen:
an ihn habe ich keine Briefe mehr. – Empfangen Sie meinen Dank
für die versprochene postfreye und gütige Besorgung der Pakken aus
Hamburg.

Ich
bedaure, daß sie Ihnen Mühe machen, bitte aber dem Commissionär aufzutragen, mir
sie
von selbst zuzustellen. Ferner habe ich Ihnen für die Nachricht von dem Musikstük,
welches ich für eine vierhändige Sonate hielt, zu danken. Und nun ist mir nichts weiter
übrig als Ihnen meine Freude über die Einrichtung des 5
tn Hefts, über die Vorrede und
über den Gebrauch meiner Ihnen so gerne gegebenen Notizen von den einzelnen Liedern

, zu
bezeugen. So ehren die Editionen die Verfasser und die Herausgeber! Aber
bey
N. 30. muß ich noch bemerken, daß dieses:
Was frag ich viel p. mit M. M. und M. W.
bezeichnet ist

, und ich mich nicht entsinne, es Ihnen auch nur in Copie geliehen zu haben.
Sie endigen Ihren Brief mit dem harten Vorwurf, daß ich in jeder Sache Schwierigkeiten mache.
dieser brief und die Rechnung sind wenigstens keine Beweise: alles ist mit Ihren eignen
Briefen und mit der Wahrheit documentirt: die Wahrheit ist keine Chicane.
Was unsre Rechnung betrift, so ist sie nach meinem beßten Wissen wie folgt.
Wenn ich von
hς. Wapler die angewiesenen 42 fl. bekomme, so ist dadurch nicht nur
meine Ihnen
den 18 Oct. 
angezeigte Rechnung von 16 fl. 16
x., sondern auch die
Ouvertüre
und Fuge, und
das Veilchen und das
Trennungslied, wie auch die
Lieder
zur Eröfnung und dem
Schluß der Loge, gänzlich liquidirt.
An
neuer bestimmter Schuld habe ich zu bekommen:
Porto für meinen Brief vom 18 Oct.

49
x.

28

12.
(meinen brief vom 9. Nov. muß ich nicht rechnen.)
— — Ihren brief vom 26. oct.

22.

meinen

11 Nov. mit dem Postwagen

49.

der briefpost

12.

13.

12.
— Ihren Brief vom

6.

1.24.
— meinen von heute wenigstens
12
4 fl. 12
x
Dazu kommen noch (Siehe
pag. 5.)
[S. 5]


5.
Dazu kommen noch folgende
unbestimmten Posten, in Ansehung
deren ich ein volles Vertrauen auf Ihre billigkeit und
Gerechtigkeit seze:
1. Was oben in Ansehung der Versendung vom 25 März weniger für
die damaligen Lieder bezahlt, als von ihnen benuzt worden ist .....
2. den 3
tn Junius

schrieben Sie:
„die Originalhandschrift der beyden bekannten Lieder |:
das Veilchen und
das Trennungslied :| N. 1.
das
Lied für die Mandoline N. 2. und
un moto di gioja N. 3.
sind uns sehr lieb. Wann sind wohl
leztere beyde componirt?
haben Sie nicht die Originalhandschrift davon? Wir erwarten blos
noch das
Terzett Caro mio, um Ihnen das Honorar sogleich zu senden.”
Für N. 1. haben Sie mir das honorar
izt den 6 November vergütet.
N. 2. schikten Sie mir, nach obigen Aeusserungen unerwartet, zurük.
Für
N. 3. haben Sie mir nie etwas vergütet. dieses
un moto di gioja
war Ihnen ganz unbekannt,
Sie erhielten zugleich mit N. 1.
und Sie haben es ins 5
te Cahier eingerükt

,
also nach dem angenommenen Preise 2 ducaten oder

9 fl.
Das
Terzett haben Sie mir zugleich mit den Canons vergütet.
3. Für das Büchlein
Capricci, wovon Sie mir den 19 Febr.

schreiben, daß Sie
dafür erkenntlich seyn würden,
NB. wenn Sie es, wie wahrscheinlich,
für die Biographie

oder sonst benuzen.
4. Anecdoten in Ihrer Musicalischen Zeitung

:
pag. 289. 290. 291. volle 3 Colonnen,
– 854. 855. 856. rechne ich nur für eine Colonne;
Macht zusammen 4. Colonnen oder einen Viertelbogen

5. die Anecdoten, deren Empfang Sie mir den 6. November anzeigen

6. Vergütung für die den 11 Nov. von mir gesandten Claviersachen

7. Honorär für die Originalien, die Sie noch in Händen haben, falls Sie
sie benuzen
[S. 6]


6.
8. Zehn Exemplare vom
Requiem 
9. Die versprochenen Exemplarien von den sämtlichen Werken
Noch die Anweisung auf
Herrn Empeytaz, von der ich nichts mehr höre,
woraus ich schließe, daß Sie nicht im Stande sind, ihn zu erfragen, weswegen
ich Sie ergebenst bitte, mir diese Anweisung zurükzusenden;
Ausser den noch von mir habenden Originalien theils für Sie brauchbarer,
theils nach Ihren Briefen unbrauchbarer Sachen.
Dieses wären, nebst dem
Requiem in meiner Copie,
und nebst dem Porträt in Wachs
, so viel ich weiß,
alles, was ich noch von Ihnen zu bekommen hätte, und hiemit wäre unsre
ganze Rechnung, so viel ich weiß, für izt abgeschlossen,
wenn Sie mein Anerbieten in meinem
Brief vom 9tn November 
,
wieder meinen Wunsch und Erwartung, nicht annähmen.
Ich habe die Ehre mit ausnehmender hochachtung zu seyn,
höchstgeehrte herren,
Ihre ergebenste dienerinn
Constance Mozart
Zur Geschichte meiner Copie des
Requiems gehört noch, daß der
Baron Swieten, also ein von Ihnen mit Recht hochgeschäzter
Kenner,
1792. es hier hat aufführen lassen

. Auch
Salieri war
bey den Proben – Keiner hat etwas zu tadeln gefunden.
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weil die Post nicht den 17tn nach Leipzig
abgieng, so ist dieser Brief erst den 20tn
Nov. abgegangen.
Wien
An
die Herren Breitkopf und Härtel.
Leipzig
1799. Wien.
17 Novb Mozart.
–
4 Febr.
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[vacat]