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[... (Schluss der Abschrift des Briefes vom 12. November 1768)]
Dieser Brief gehört zwischen den Briefen vom 23 Januar und 30 März 1768.
Etwas für Sie allein! Wie
n dς 30 Jenner 1768
Es ist nun Zeit eine mehrere und klärere Nachricht
von unserς weis nicht glücklich oder unglücklichen
Umständen zu gebς und dero freundschafftliche
Meÿnung zu hören. Wenn das geld die einzige
Glückseeligkeit der Menschen ausmacht; so sind
wir sonder zweifel dermahl zu bedauern;
indeme wir, wie Ihnen bekannt ist, so viel
von dem unsern ausgelegt, daß wenig schein=
bare Hofnung übrig ist, uns wieder erhohlen zu
könnς. Ist hingegen die Gesundheit, und die
Geschicklichkeit in wissenschafften das beste Gut
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des Menschen; so sind wir |: gott seÿ gelobt :|
noch wohl daran. Der gefährlichste Haubtsturm
ist überstanden; wir sind alle durch die Gnade
Gottes gesund, und meine Kinder habς gewiß
nichts vergessen, sondern, wie es sich zeigen
wird, grössern Fortgang gemacht.
Nichts wird Ihnen nun unbegreiflicher seÿn,
das weis ich, als wie das zugehet, daß unsere
Sachen keinen bessern fortgang haben. Ich werde
es Ihnen so gut ich kann, erklärς: obwohl ich
sachen, die der Feder nicht anzuvertrauen sind,
weglassen muß. Daß die Wie
ner in
genere zu
reden nicht begierig sind ernsthafte und ver=
nünftige sachς zu sehς, auch wenig oder gar
keinen Begrief davon habς, und nichts als
närrisches zeug, tanzς, teufel, gespenster,
Zaubereÿς, Hanswurst, Lipperl, Bernardon,
Hexen, und Erscheinungς sehen wollς,
ist eine bekannte Sache und Ihre
theater
beweisen es täglich. Ein Herr, auch mit einem
Ordensband, wird wegen einem Hanswurstischς
Zottς oder einfältigς spas mit den Händς klatschς,
lachς, daß er fast aus dem athem kö
mt, hingegen
beÿ der ernsthaftestς
scene, beÿ
dem rührend, und
schönstς
action, und beÿ
dem sinnreichesten Redensartς
mit einer
dame so laut schwätzς, daß andre ehrliche
Leute kein Wort verstehς könnς. Daß ist nun der Haubtgrund.
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die Hauswirthschafft des Hofs, die ich hier nicht beschreibς ka
n,
ist eine Sache, die viele folgς nach sich ziehet, welche zu erklärς,
und mit
exemplen klar zu machς zu weitläuftig seÿn
würde. und dieß ist der zweÿte Grund. aus diesen
zweÿ Grunden entspringς unzahlbare wunderliche
Sachς: weil alles von dem puren Blindς und ungefährς
Glück, auch öfters von einer abscheulichς, doch nicht
allς Menschς gegebenς, Niederträchtigkeit
oder gar von einer recht kekς und verwegenς Wind=
machereÿ abhängt. Nun auf unsere Sache zu ko
mς
so habς sich viele andre wiedrige zufälle eräugnet.
Beÿ unserer Ankunft konntς wir nichts anders thun,
als uns dem Eingang nach Hofe zu eröffnς. allein
S
e Maÿst: die Kaÿserin hält keine Musik mehr beÿ sich,
sie gehet weder in die
opera, noch in die komedie und ihre
lebensart ist so von der Welt entfernet, daß ich es ohnmöglich
genug beschreibς ka
n. Sie ließ uns an den Kaÿser anweisς.
allein, da dieser Herr alles dasjenige was einige
ausgaabe nach sich ziehς möchte in Höchsten Grade
verabscheuet, so gieng es lange her, bis er zu einem
Entschluß ka
m, daß entzwischς die trauerige bege=
benheit der Prinzessin Braut, und alles dasjenige
dazwischς ka
m, was Ihnς aus meinς briefς schon
bekannt ist. Nach unserer zurückkunft aus Mährς
ka
mς wir zu den höchstς Herrschafftς ohne das wir
daran dachtς. kaum wurde der Kaiserin erzehlt
was mit uns in ollmitz vorgegangς, und das wir
zurückgeko
mς, so erhieltς wir den tag und Stunde
wenn wir erscheinς solltς. allein was hilft alle die
Erstaunliche Gnade, die unbeschreibliche Leutseeligkeit!
was ist die Wirkung davon? nichts, als eine
Medaille,
die zwar schön ist, aber so wenig beträgt, daß ich gar nicht
einmahl dessς Werth hersetzς mag. Sie überläst das übrige
dem Kaÿser: und dieser schreibt es in das Buch der Vergessenheit ein
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und glaubt ganz gewiß, daß er uns mit seinς gnädigstς
unterredungς bezahlt habe. Nun werdς sie mich fragς,
was de
n die übrige
Noblesse in Wienn thut? – – –
Was sie thut? – – die ausgabς schrenkς sie alle ein,
so viel es möglich ist, um sich dem Kaÿser gefällig zu machς.
Verschwendet das oberhaupt, so läst jederman das Rädl
laufen; Ist hingegen das oberhaupt sparsam; so will
ein jeder der beste Hauswirth seÿn. – – – –
so lange der Fasching dauert denkt man hier auf
nichts als auf das tanzς. in
allem Ecken sind ball:
aber
Nb: alles auf gemeine Unkösten; so gar die
Redoute beÿ Hofe ist für paares geld. und wer hat
den Nutzen davon? – – –
der Hof! den alle tänze,
Redouten, Ball, und alle
spectacul sind verpachtet.
andre haben den Na
mς und der Nutzς wird zwischς
dem Hof und Pachter so zu sagen getheilet. wer also
dahin gehet, erweiset auch dem Hof einς guten Dienst.
Dieß sind demnach die
politischς ausgaabς der
Noblesse.
Wir habς die grösten Personnς der
Noblesse zu unserer
Protection. Der
Fürst Kaunitz, der
duc de Braganza.
die Fräulein
von guttenberg die das linke aug der
Kaÿserin ist, der obriststahlmeister graf
dietrichstein,
welcher alles beÿm Kaÿser vermag, sind unsre
Freunde. aber, welcher zufall! noch haben wir
den
Fürstς Kaunitz nicht sprechς könnς, weil er
die Schwachheit hat, die Blattern so zu förchtς, daß
er leute scheuet, die auch nur noch rothe Flecken
in Gesichte habς: folglich, da der Wolfgangerl
noch viele rothe fleckς die zwar klein sind, beÿ
der Kälte aber doch sichtbar sind in
Gesicht hat, so ließ er uns nur durch unsern
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Freund
de logier sagen, daß er für unser
intresse
in der Fasten sorgς werde, indeme mann itzt
die
Noblesse zur Faschingszeit nicht unter einem
Hut zusa
mςbringς kann.
Da ich nun diese Sache am besten überlegte, und
bedachte, daß ich bereits so vieles geld ausgelegt,
und wenn ich itzt ohne etwas anders abzuwarten,
nach Hause reisen wollte, es vielleicht eine grosse
thorheit seÿn würde: so eraignete sich eine ganz
andre Begebenheit. Ich erfuhr nemlich, daß alle
Clavieristς und Componistς in Wienn unseren
Fortgang sich wiedersetztς, ausgenohmς der
einzige Wagenseil, der aber, da er krank zu
Hause ist, nichts helfς oder wenig zu unsern
Vortheil beÿtragς kann. die Haupt
maxime
dieser leute war alle Gelegenheit uns zu
sehen und die Wissenschafft des Wolfgangerl
einzusehen, sorgfältigst zu vermeidς: und
Warum? – – – damit sie beÿ
dem so vielς fällς,
da sie gefragt würdς, ob sie diesen Knabς gehört
hättς, und was sie davon hieltς, allzeit sagen
konntς,
daß sie ihm nicht gehört habς, und
daß es ohnmöglich wahr seÿn könnte, daß es
spiegelfechtereÿ, und harlequinaden wärς,
daß es abgeredte Sachς wärς, da man ihme Musik
zu spiellς giebt, die er schon kennt, daß es lächerlich
seÿe zu glaubς daß er componirt p: p: – – – –
sehen sie dessentwegen fliehς sie uns. de
n der es
gesehς und gehört, der kann nicht mehr so redς
ohne sich in gefahr zu setzς, seine Ehre dabeÿ zu
verlieren.
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Einer von dieser art leüte habe ich in das garn beko
mς.
Wir hattς es mit jemand abgeredet, uns in der Stille
Nachricht zu geben we
n er da ist. Er sollte aber dahin
ko
mς, um dieser Person ein recht ausserordentlichs schweres
Concert zu überbringς welches man dem Wolfgangerl
vorlegen sollte. wir ka
mς also dazu: und er hatte
hiemit die gelegenheit sein
concert von dem wolfgangerl
so wekspielen zu hören, als wüste er es auswendig.
Das erstaunen dieses
Compositors und Clavieristen,
seine ausdrücke und redensartς deren er sich beÿ
seiner Verwunderung bedienet gab uns alles zu
verstehen was ich Ihnen oben schon gesagt habe.
und letztlich sagte er:
ich kan als ein Ehrlicher Mann
nichts mehr sagen, als das dieser Knabe der gröste
Mann ist, welcher dermahlς in der Welt lebt. Es war
unmöglich zu glauben. – – – Nun um das
Puplicum zu
überzeugen, was aigentlich an der Sache ist, so habe
es auf einmahl auf etwas ganz ausserordentliches
anko
men
zu lassen mich entschlossen. nämlich er soll eine
Opera fürs
theater schreiben. – – – und was glauben Sie,
was für ein lärmς unter der Hand unter dennς
componistς entstandς? – – was? – – heut soll man
einen Gluck und morgen einς Knabς von 12 Jahrς
beÿ dem Flügel sitzen und seine
opera dirrigirς sehen? – – –
ja trotz aller Neider! Ich habe so gar den Gluck auf
unsere Seite gebracht, so zwar, we
n es ihm auch nicht
gänzlich von Herzen geht, so darf er es nicht merkς
lassς, de
n unsere
Protectores sind auch die seinigς,
und um mich wegen der
acteurs sicher zu stellς, die
dem
componistς gemeiniglich die gröstς verdruß machς,
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so habe ich die Sache mit ihnen selbst angefangς, und
einer
Ihnen selbst muste mir alle anschläge dazu geben.
den ersten gedankς aber, den Wolfgangerl eine
opera
schreibς zu lassς, gab mir die Wahrheit zu bekennς, der
der Kaiser selbst indeme er den Wolfgangerl 2 mahl
fragte, ob er lust hätte eine
opera zu
componirς, und
selbe zu
dirigiren? Er sprach freÿlich ja, allein der
Kaÿser konnte auch mehr nicht sagen, indeme die
opera
den
Affligio angehς. die Folgς |: we
n gott aushilft solches
zu Ende zu bringς :| von diesen unternehmen sind so
gross, aber auch so leicht einzusehen, daß sie keiner
Erklärung bedärfen. Nun därf ich mir aber kein geld
gereuς lassen: de
n es wird wohl heut oder morgen wieder
komen. Wer nichts wagt, gewinnt nichts; ich muß die
Sache recht an das licht bringen. Es muß gehen oder
brechen!
ich, was ist geschickter dazu als das
theater?
die
opera wird aber erst nach ostern seÿn, das versteht
sich. Ich werde um die Erlaubniß länger hier zu bleibς,
nachstens schreiben. – – – Es ist aber keine
opera
seria, den es wird keine
opera seria mehr Itzt; und
man liebt sie auch nicht, sondern eine
opera buffa. nicht
aber eine kleine
opera buffa, sonderς zu 2
1⁄2 Stund bis 3 Stundς
lang. zu
Seriosen opern sind keine Sänger hier, selbst
die trauerigς
opera die
Alceste vom gluck ist von lauter
opera Buffa sängern aufgeführt wordς. itzt macht er
auch eine
opera buffa: den für eine
opera buffa sind
exellente
leute da:
Sgr Caribaldi. Sgr: caratolj. Sgr: Poggi. Sgr: Laschi.
Sgr: Polinj. die
Sga: Bernasconj. Sgra. Eberhardi. Sgra. Baglionj.
Was sagen sie dazu, ist der Ruhm eine
opera für das
Wie
ner Theater geschriebς zu habς nicht der beste weg nicht nur
einς
Credit in Teütschland sondern in Italiς zu erhaltς. lebς
Sie wohl.
dς 3tς februarij 1768
[S. 8]
[vacat]