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  Wienn den 12.ner 1768.

        Glückseeliges Neues Jahr!

     Denn dieser ist, mit Gott, der erste
Brief in diesem Jahre! Ich zweifle an dero
und dero sammtlichen angehörigen besten
Wohlseÿn gar nicht; wenigst hofe und wünsche
ich es von Herzen, so wie wir uns alle sehr
wohl befinden.      Daß wir 14. Tage in
Brünn |: wo wir am heil: Weinacht Abend
angelangt :| uns aufhalten, wird aus denen
Briefen Titς: S:r Excellenz Gräfin von
Herberstein in Salzburg ohnfehlbar bekannt
seÿn. Die Gnaden die wir in dem hoch=
gräflich Schrattenbachischen Hause empfangen,
und die sonderbare Achtung die S:e Excellenz
so wohl, als der sammtl:e Brünnische hoche
Adl für uns hatten, werde S:r hochfürstl:
Gnaden unsern gnädigsten Herrn p seiner
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Zeit umständlich anzupreisen nicht ermang=
len.      Wir sind den 9. aus Brünn
abgereiset; und obwohl der auf die grau=
same frühe Kälte eingefallene ungemein
häufige Schnee die Strassen so bedecket, und
der Wind die Weege mann hoch überwehet,
und mit schnee bedecket hatte, daß die Po=
sten theils ausgeblieben theils später ein=
getroffen und der Postwagen 9. Stunden
auf einem Platze allein stecken geblieben;
so sind wir doch glücklich mit 4. Postpfer=
den den nämlichen Abend um 6. Uhr in
Poÿßdorff angelanget: Wo wir aber 6.
Pferde nahmen und Sonntags den 10. diess
um 8. Uhr wegfuhren und Abends schon um
5. Uhr auf dem Tabor unter den Händen
der Visitierer waren, die uns bald ab=
gefertiget hatten. Wir haben den
erstaunlich häuffigen Schnee so glücklich durch=
schnitten, daß wir niemals umgeworf=
fen worden, obwohl es ein paar mahl
sehr nahe daran ware. Was der=
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gleichen Reisen für Geld kosten lässt sich leicht
einbilden. War in Salzburg auch eine
so grausame Kälte? und fiel auch so
viel Schnee? Seit heute frühe ist ein
wärmere Witterung eingefallen, und es
ist abscheulich anzusehen, was hier für koth,
und gewässer in allen Gassen ist, ohner=
achtet viel 100. Fuhren beschäftiget waren
den Schnee aus der Statt zu führen.
Die grosse Schlittenfarth, die heute um
12. Uhr Mittags hätte seÿn sollen, ward
also eingestellt. Vielleicht ändert sich
das Wetter; und ich wünschte herzlich
eine schöne Schlittenfarth zu sehen. Zweÿ
waren schon vor unserer Ankunft.
Daß die Erzherzogin Carolina die er=
klärte Neapolitanische Braut ist, wird
ihnen etwas altes seÿn. So bald es
etwas neues giebt, und wie sich nun
mein zweÿter Aufenthalt hier anlassen,
und wie lange solcher etwan dauren möchte,
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werde so bald es möglich berichten. Meine
Frau und Kinder empfehlen sich und ich bin
der alte.

     Das Schreiben, in welchem sie uns den
so unverhoften Todfall unserer liebsten
Fräulς: Josepha berichtet, war das letzte
Schreiben, so wir von ihnen erhalten haben.
Ich beantwortete es nicht, weil ich an die
Titς: Frau von Robini selbst schrieb, und weil
es mir zu schmerzhaft fiel unsere Empfin=
dungen und unglaubliche Traurigkeit, so
uns diese Nachricht verursachte ihnen zu
beschreiben. Requiescat in pace!