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Wien 27. October 1798.
Höchstgeehrte
Herrn,
Ich habe Ihren
Brief vom 6 October mit Vergnügen erhalten, und eile, ihn
mit aller Freundschaft, oder welches einerley ist, mit aller Aufrichtigkeit zu beantworten.
Zuerst bitte ich, die Versicherung anzunehmen, daß ich für alle Ehren, die Sie mir bey meinem
dortigen Aufenthalt
erwiesen haben, recht dankbar war und es immer verbleibe; nur
kömmt dergleichen nicht in Rechnung.
Für die eingesandte Berechnung über das, was bisher vom
Concert ein gegangen
ist
, und besonders für die Deutlichkeit derselben, statte ich Ihnen meinen beßten dank
ab;
und hier sind meine Anmerkungen darüber.
Sie berechnen mir darin das Exemplar zu 2
Gulden 40.
x, da Sie es doch in Ihrer vorigen
Rechnung vom 13 September 1797. zu 2
Rthaler 16 Groschen berechnet hatten
1. Ich erbitte mir eine gefällige
Belehrung, woher dieser beträchtliche Unterschied rührt,
Nach Ihrer ältern Rechnung würde ich aus dem
Concerte lösen 901 Rthlr 8 gr
ς., nach der
neueren nur 909 fl. 10.
x; und die erstere ist von Ihnen eben so förmlich verfaßt
als die leztere.
2. Erbitte ich mir meine Quitung oder den Wechsel für die 108 fl. oder 72 Rth
ς. zurük, welche
Sie mir unterm 14
tn October 1796. aufführen; so wie gleichfals
3. meine Quitung für die 27 fl. 45
x oder 18 Rth
ς. 12 Gr
ς vom 25. April 1796., wenn anders eine
Quitung für dieses Sümmlein existirt.
4. sagen Sie in der spätern Rechnung:
Von
Schmidt und Rau über
Magdeburg an Sie gesendet 6 Ex.
In der frühern hieß es blos:
an
Sievers in
Magdeburg 6 Ex.
So viel ich von dieser Sache begreife, so sind diese 6. Exemplare anzusehen, wie die
206. und die 10., die Sie am Ende meines
Debets anführen, nämlich: daß Sie mir für die
Bezahlung aller dieser 222 Exemplare oder für die Exemplare selbst gut stehen, denn
natürlicher Weise sind Sie mir für Ihre Untercommissionäre verantwortlich. Indessen
lasse ich mich in Ansehung der ersten 6. Ex. gerne
belehren. Ich erbitte mir überhaupt
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Nachricht von dem ganzen Zusammenhange mit dh
ς. Sievers. Sie haben mir 7. fl. 50.
x für
ihn zu Gute geschrieben. Wofür ist dieses Geld? Es kann ja nicht für die 6 Ex. seyn. Sollten
Sie selbst nicht Bescheid wissen, so verpflichten Sie mich sehr, wenn Sie Sich die Mühe nicht
verdrießen lassen, die herren
Schmidt und
Rau zu befragen.
5. mögte ich Ihnen den Vorschlag machen, mir die noch vorräthigen, sämtlichen Exemplarien
des erwähnten
Concerts abzukaufen, und mir beliebigst zu melden, was Sie mir in
runder Summe, oder auch stückeweise, dafür geben wollen. Ich will gewiß billig
seyn. Was den Preis betrift, so habe ich noch anzumerken, daß
hς. Böheim in
Berlin, als
hς. Concha das
Concert zu 3 Rthlrn ankündigte, gleichfals solches wirklich
zu diesem Preise verkauft hat; obschon zuvor wohlfeiler, welches aber nicht in
Betrachtung kömmt, indem vom lezten oder izt currenten Preise nur die Rede seyn kann.
6. Ich hatte schon in meinem vorigen briefe gebeten,
nebst der berechnung auch zugleich
das vorräthige Geld einzuschikken. Ihre Meinung wird gewesen
seyn, daß ich erst
die Richtigkeit Ihrer Berechnung einsehen sollte. Indessen da Sie mir nun schreiben,
daß Sie mir solches hier anweisen oder überschikken wollen, so bald ichs verlange, so
erwarte ich, daß Sie dh
ς. Wapler den Auftrag mit nächster Post geben, es mir zu zahlen.
Ich werde sodann diese 111 fl. 22
x, die Sie izt schon für mich
nach der Ihrem briefe vom 6 October mitgefolgten, oft erwähnten Berechnung vorräthig haben, vorläufig
Ihnen in unsrer Zwischenrechnung zu Gute schreiben.
Was das
Bandl-Terzett betrift, so werden Sie Sich erinnern, daß ich von Anfang
an, so bald Sie mir den freundschaftlichen Vorschlag machten, es drukken lassen zu wollen,
um mir einen Vortheil daraus zu verschaffen, und dieses ohne allen eignen Vortheil, blos
zu meinem Nuzen zu unternehmen, mich mit Dank erklärte: ich wolle es nicht umsonst;
ich wolle Papier und Druk bezahlen, und dagegen erst blieben die Exemplarien mein.
Sie überredeten mich selbst, indem Sie mir vorstellten, wie viel ich, in Proportion,
mit dieser Kleinigkeit gewinnen könnte, nachdem Sie mehr als 3000. Exempl. von der
Zauberflöte verkauft hätten.
Sie sagten mir ausdrüklich: ich lasse das
Terzett drukken
und es soll Sie gar nichts kosten. So fielen die Worte zwischen
Hς. Breitkopf und mir.
Was hätte mich auch bewegen sollen, Ihnen, meine herren, als wohlhabenden Männern,
die Musik umsonst oder gegen wenige Exemplare zu übergeben – mich, eine Witwe und
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Mutter unmündiger und armer Kinder! Ich hätte gegen diese und mich selbst gesündigt,
wenn ich nicht ein bestimmtes honorar verlangt hätte. Auch wäre es nicht anders Ihrer würdig
gewesen, und bey der geringsten Ueberlegung unsrer beyderseitigen Lage hätten Sie Sichs
gewiß auch nicht erlaubt. Ich erbat mir gleich einige Exempl. auf Schweizerpapier, und
nun, da ich kein Honorar bestimmt hatte, überließ ich Ihnen die übrigen in Commission, bat Sie
den Verkaufspreis zu sezen, und Sie sezten ihn auf 12 Groschen. Schon aus dieser Beredung zwischen
uns über den Verkaufspreis folgt es, daß die Exemplarien nicht Ihre waren, denn was hätte
mich sonst dieser Preis angegangen? Ich kann Ihnen nicht sagen, wie sehr ich damals
von diesem
redenden Beweis Ihrer Freundschaft durchdrungen war.
Und nun soll diese Sache gänzlich
zwischen uns vergessen seyn, wenn Sie mir
7. Hundert Exemplarien nach obigem Preise bezahlen; es sey dann, daß Sie
Sich in Ihrem Gewissen verbunden fühlen, mir noch mehr zu vergüten. Das kann keine
unbescheidene Forderung heissen. Wie viele Exemplarien werden Sie nicht davon verkauft
haben! Etwa so viele als von der
Zauberflöte? Ich bitte mir das Geld, was mir hier-
aus kömmt, gleichfals mit nächster Post durch
Hς. Wapler aus.
8. Wir hatten abgemacht, alle halbe Jahre oder zu jeder Meßzeit unsre Rechnung ab-
zulegen. Sollten Sie mir das
Concert nicht abkaufen, so bitte ich diese Termine wieder
zu halten.
Und nun zum Hauptgegenstande.
Ganz gewiß ist es mir lieb, wenn die Werke meines seligen
Mannes auf eine, seiner
würdige, Art herausgegeben werden, und freilich ist es mein Vortheil, eher mit einem
angesehenen Hause, wie das Ihrige ist, meine Herren, als mit einem andern in Verbindung
zu treten. Und eben so sehen Sie richtig ein, daß Sie ohne mich nichts complettes und
correctes liefern können. Der Vortheil ist also auf beyden Seiten, und daher zweifle
ich nicht, daß wir übereinkommen.
Allerdings gehört nun erstlich dazu, zu wissen, was Sie von mir erhalten
werden. Damit ich Ihnen dieses melden kann, bitte ich Sie, mir
9. einen
Catalog von allem dem zu schikken, was Sie haben. Alsdann ist die Uebersicht
kürzer. Mir ists bey der großen Menge zu beschwerlich, besonders in der Eile, meiner Seits
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einen alles umfassenden
Catalog verfertigen zu lassen. Indeß Sie mir den Ihrigen schikken,
lasse ich den meinigen machen, und wenn der Ihrige ankömmt, werde ich meine Arbeit desto
geschwinder machen können. Was Sie hauptsächlich von mir bekommen, sind Werke aus
dem Kirchenfach, Opern, Oratorien, Serenaden, Symphonien, harmoniestükke. So bald
Sie Ihrer Seits diesen ersten Schritt gethan haben werden, und ich Ihnen darauf gemeldet
habe, worauf Sie Sich von mir Rechnung machen können, dann erst läßt sich
von meiner Vergütung reden. – Noch nenne ich Ihnen als Sachen die Sie von mir erhalten
können: Partien für Blasinstrumente als Clarinett und Waldhorn, Claviersachen,
wälsche, teutsche und französische Lieder, Arien, Duetten, Terzetten, Quartetten, einzelne Chöre und Finale. – Wie sollten
wir nicht einig werden? Sie werden billig seyn, und ich auch.
Die lebensbeschreibung
betreffend, so weiß ich ausser Freund
Niemetscheks
und den
Nekrologen
keine, mit welchem
lezteren ich nicht zufrieden bin. Ich verpflichte mich aber,
Ihnen neue Beyträge und unbekannte Anecdoten
, auch wohl briefe, zu liefern.
Eine Kupferplatte zu dem beßten Porträt
, was ich habe machen lassen, kann ich
Ihnen für 6. ducaten anbieten: sie hat 10. gekostet.
Damit Sie aufs allervollständigste meine Gesinnungen über Ihren Vorschlag
kennen lernen, schliesse ich Ihnen noch die
Abschrift meines Briefs vom 26. Mai ein, den Sie,
wie es scheint nicht erhalten haben. Sie würden schon daraus meinen Entschluß, den
thematischen
Catalog bisweiter noch nicht herzugeben, erfahren haben, über welchen
Punct der Schreiber meines
briefs vom 1stn September sich nach seiner eignen Meinung,
aber nicht nach der meinigen, ausgedrükt hat.
Und hiemit empfehle ich mich Ihnen und erwarte eine eben so unbefangene,
freundschaftliche und befriedigende Zuschrift als die meinige ist, welche mich in den
Stand nicht nur sezen kann, die Richtigkeit Ihrer Berechnung vom 6 October anzuer=
kennen und Ihre anderweitigen Bedenklichkeiten zu heben, sondern auch, durch die beyfällige
Entschließung auf meine gegründeten Forderungen und Vorstellungen in Ansehung des
Vergangenen, die Billigkeit meiner Gesinnungen für die nahe bevorstehende Zukunft
befestigen wird. Worin ich geirrt haben könnte, nehme ich gerne Belehrung an.
Ich habe die Ehre mit vieler hochachtung zu seyn höchstgeehrte herren
Ihre ergebenste dienerinn
Constance Mozart