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Wienn den 17.
octobς: 1767.
Die Prinzesin Braut ist eine Braut
des himmlischen Bräutigames geworden.
Erstaunliche Veränderung! – – den 14.
tς
Nachmitags etwa um 4 und 5. Uhr wa=
ren wir beÿ einer Gesellschaft, wo sich
S.
e Excellenz der Herr Graf
Dietrich=
stein dermahl Kaÿserlicher Oberststallmei=
ster befande, der, da er ein
favorit des
Kaÿsers ist, es genau wissen muste wie
der Erzherzogin Umstände wären. die=
ser sagte, daß die Prinzessin in guten
Umständten sich befinde. Etwa ein Viertl
nach 6. Uhr kam ein Bedienter uns auf=
zusuchen, und uns zu sagen, daß der
Duc
de Braganza und Fürst
Caunitz, beÿ
Mr: de Logié wären, und uns alda
erwarteten. S
e:
Exzellenz Graf
Diet=
richstein erboth sich uns in seinem Wagen
selbst hinzuführen: und da wir bis nach
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9. Uhr da waren, so kamm ein eigens
Abgeschickter von Schönbrunn und überbrach=
te S:
r Excellenz dem Oberststallmeister
ein
billet von S:
r Maÿst
ς: dem Kaÿser
mit
ordre gleich nach Schönbrunn zu kom=
men, indem die Prinzesin in so gefähr=
lichen Umständen wäre, daß die
Medici
auf einmahl alle Hofnung verlohren hät=
ten. Den 15.
tς in der Fruhe wurde
sie in der ganzen Statt für Todt gesagt,
so, daß um Mittag ein
Ordre in das
Ru=
mor haus kam, diesem falschen Lermen Ein=
halt zu thun. Abends um 4. Uhr wollte
man behaupten man hätte bessere Hofnung,
und um 5. Uhr kam S:
e Excellenz Grafin
von
Claris zu herrn
Baron Fries |:
NB: der
ehemals vor einigen Jahren so gut war uns
Salzburgern um 100000 oder 200000 f: sie=
benzener zu schicken und die 12 Xr: dafür
um 10 Xr: anzunehmen :|, Wo wir eben
waren, und bekräftigte, daß die Erzher=
zogin nicht Todt wäre, sonderen man hätte
noch Hofnung. Um 9. Uhr, eben da
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wir nach Hauß fahren wollten, kam
Nachricht, daß sie gegen 7. Uhr verschie=
den, und der ganze kaÿserl: Hof gleich
den Augenblick darauf Schönbrun ver=
lassen hätte, und bereits in der Statt wä=
re. Beÿ dieser Ausserordentlichen
Begebenheit ist nun merckwürdig, daß
schon vor etlichen Jahren die Erzherzogin
Johanna |: die wir noch gut kannten und
beÿ unsern Hierseÿn starb :| die Bestimmte
Braut des dermahligen Königs von Nea=
pel ware. Nach
dessen absterben wur=
de die Erzherzogin Josepha für ihn be=
stimmet. Dieß ist also seine 2.
te Braut
aus dem Oesterreichischen Hause die er
verlieret: und da den 14. hier die Trau=
ung hätte vorbeÿgehen sollen, so ist ver=
muthlich die
Ceremoniel-Trauung in
Neapel schon für sich gegangen. Es
wird etwa nun das Loos auf die Erz=
herzogin
Carolina fallen, die ietzt 15.
Jahre hat. Noch ist merckwürdig; daß
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die 2.
te Opera die
historie der griechischen
Fabel der
Psiche war. Der Titl
war:
Amore et Psiche. In diese
Psiche verliebte sich, wegen ihrer ausser=
ordentlichen Schönheit und Tugend,
Amor
selbst.
Venus wurde darüber eÿfer=
sichtig: und obwohl
Psiche unschuldig
ware und den Gott
Amor, nicht kannte;
so hatte sie doch durch die Anstiftung
der
Venus so viele Trangsahlen und
Schröcken,
ia dem Scheine nach, dem
Todt selbst auszustehen. Endlich wur=
de
Venus durch die Beständigkeit der
tugendhaften
Psiche erweichet;
Psiche
wurde vergöttert und
Amor erhielte sie
zu seiner Braut.
Sehen sie, nun ist diese schöne und Tu=
gendhafte unschuldige Prinzessin auch
würcklich ein Braut der göttlichen Liebe
geworden! Am Tage des heiligen
Francisci, als am NahmensFest ihres
seel: kajserlichen Herrn Vatters ist Sie
erkrancket.
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erkrancket. Am Montage, den Tag
darauf, ward diese
Opera das erstemahl
aufgeführet, und am Nahmenstage ihrer
kaiserlichen Frau Mutter ist sie zu dem
himmlischen Bräutigam gegangen. Ich
muß abbitten, daß ich die Abschielderung
dieser traurigen Begebenheit nicht mit
zierlichern Farben entwerfe, oder wenigst
mit leslichern Buchstaben beschreibe: Die
Zeit ist zu kurz! – – Die Verwirrungς
die daraus an allen Orten, wo Sie durch=
gereiset wäre, entstanden, ist leicht zu be=
greiffen. Aller Orten waren zu Fest=
tivitäten und Ehrenbezeugungen Anstal=
ten gemacht und viele Kösten Aufgewandt,
und in Florenz haben
Sgr Manzoli, Sgra
de amicis und
Sgr Raff auch ihre Sing=
Parteÿen umsonst auswendig gelehrnet.
Heute Nachts wird die Erzherzogin schon
beÿgesetzet in aller stille, und Montags,
diensttags und Mittwochs sind in allen
Kirchen die Gottes Dienste; 6. Wochen
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werden die
Theatra verschlossen bleiben;
es wäre dann Sache, daß etwas erlaubt
würde wegen denjenigen Personen die
davon leben müssen. Sonst, da die
advents Zeit alsdann auch dazu kommt,
so wird es überhaupts bis auf das
neue Jahre sehr stille zugehen. Leben
sie alle Gesund und vergessen sie nicht
für uns zu betten, denn wenn Gott
nicht über uns wachete, so würden wir
gewiß übel daran seÿn, wie sie seiner
Zeit hören werden. ich empfehle mich
allen guten Freunden und bin der alte.