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                                                        Dresden den 16t Aprill 1789.
   Liebstes bestes Weibchen!              Nachts um 12 12 Uhr
Wie? – noch in Dresden? – Ja, meine liebe; – ich will dir alles haar=
klein erzählen; – Montags den 13tn; nachdem wir beÿ Neumanns frühstück
genomen hatten gingen wir alle nach Hof in die Kapelle, die Messe war
vom Naumann |: welcher sie selbst dirigirte :| – sehr Mittelmäßig; –
wir waren in einem oratoire der Musik gegenüber; – auf einmal
stupfte mich Naumann und führte mich dem herrn von König auf, wel=
cher Directeur des plaisirs |: der traurigen Churfürstl: Plaisirs :| ist; – er
war außerordentlich artig, und auf die frage ob ich mich nicht wollte
beÿ Seiner Durchl: hören lassen, antwortete ich, daß es mir zwar eine
Gnade seÿe, ich mich aber, da ich nicht von mir allein abhänge, nicht auf=
halten kann – so blieb es; – Mein fürstlicher Reisegefährte lud die
Naumannschen samt Duschek zu Mittage: – unter dem Essen kam die
Nachricht, daß ich den folgenden Tag als Dienstag den 14:t Abends um
halb 6 Uhr beÿ Hofe spielen sollte. – Das ist ganz was außerordentliches
für hier; denn hier komt man sonst sehr schwer zu gehör; und du
weißt daß ich gar keinen Gedanken auf hier hatte. – wir hatten bei
uns à l'hotel de Boulogne ein quartett arrangirt. – wir machten es
in der Kapelle mit Antoine Taÿber |: welcher wie du weist, hier Organist
ist :| und mit hςr: Kraft |: Violoncellist vom fürst Esterhazÿ :| welcher
mit seinem Sohne hier ist, aus; ich gab bei dieser kleinen Musik
das Trio welches ich hςr v. Puchberg schrieb, – es wurde so ganz hörbar
executirt – Duschek sang eine menge von figaro und Don Juan;
des andern Tages spielte ich bei Hofe das Neue Concert in D; folgen=
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den Tags Mittwochs den 15 vor=Mittag erhielt ich eine recht schene Dose;
– wir speissten dann beim Russischen Gesandten alwo ich viel spielte. –
Nach tisch wurde ausgemacht auf eine Orgel zu gehen. – um 4 uhr
fuhren wir hin – Naumann war auch da; – Nun mußt du wissen daß
hier ein gewisser Häßler – |: Organist von Erfurt :| ist; dieser war
auch da; – er ist ein schüller von einem Schüller von Bach. – seine
force ist die Orgel, und das Clavier |: Clavikord :| – Nun glauben die
Leute hier, weil ich von Wien komme, daß ich diesen Geschmack und
diese Art zu spielen gar nicht kenne. – ich setzte mich also zur Orgel und
spielte. – der fürst Lichnowskÿ |: weil er Häßler gut kennt :| beredet
ihn mit vieler Mühe auch zu spielen; – die force von diesem Häßler
besteht auf der Orgel in füssen, welches, weil hier die Pedale stuffenweise
gehen, aber keine so große Kunst ist; übrigens hat er nur Harmonie
und Modulationen vom alten Sebastian Bach auswendig gelernt,
und ist nicht im Stande eine fuge ordentlich auszuführen – und
hat kein solides Spiel – ist folglich noch lange kein Albrechtsberger.
– Nach diesem wurde beschlossen noch einmal zum russischen Gesandten
zu gehen, damit mich Häßler auf dem forte piano hört; – Häß=
ler spielte auch. – auf dem forte piano finde ich nun die Auerhamer
eben so stark; du kannst dir nun vorstellen daß seine schaale ziem=
lich sank. – Nach diesem gingen wir in die Oper, welche wahrhaft
Elend ist; – weist du wer auch unter den Sängerinnen ist? – die
Rosa Panservisi, – ihre freude kannst du dir vorstellen. – übrigens
ist aber die erste Sängerin die Allegrandi viel besser als die Fera=
rese;
– das will will zwar nicht viel gesagt haben. – Nach der Oper
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gingen wir nach Hause; Nun kömmt der glücklichste Augenblick für
mich; ich finde einen so lange mit heißer Sehnsucht gewunschenen
Brief von Dir liebste! beste! – Duscheck und Naumanns waren wie ge=
wöhnlich da, ich gieng gleich im Triumphe in mein Zimmer küßte den
Brief unzählige Male, ehe ich ihn erbrach, dann – verschlang ich ihn
mehr als ich ihn las. – ich blieb lange in meinem Zimmer; denn ich
konnte ihn nicht oft genug lesen, nicht oft genug küssen. als ich
wieder zu Gesellschaft kamm, fragten mich Naumanns ob ich einen
Brief erhalten hätte, und auf meine Bejahung, gratulirten sie
mir alle herzlich dazu, weil ich täglich darüber klagte, daß ich noch
keine Nachricht hätte; – die Naumannschen sind herzliche Leute; – Nun
über deinen lieben Brief; denn die fortsetzung meines hiesigen Auf=
enthaltes bis zur abreise wird nächstens folgen.
Liebes Weibchen, ich habe eine menge bitten an dich; –
1:mo bitte ich Dich, daß du nicht traurig bist;
2:do daß du auf deine Gesundheit achtest und der frühlingsluft nicht trauest.
3:tio daß du nicht alleine zu fuße – am liebsten aber – gar nicht zu fuße aus=
                                                                                                   gehest
4:to daß du meiner Liebe ganz versichert seÿn sollst; – keinen Brief
habe ich dir noch geschrieben, wo ich nicht dein liebes Portrait vor
meiner gestellt hätte.
Ø 6to et ultimo bitte ich Dich in deinen Briefen ausführlicher zu seÿn. –
ich möchte gerne wissen ob schwager Hofer den Tag nach meiner
Abreise gekommen ist? ob er öfters kommt, so wie er mir ver=
sprochen hat; – ob die Langischen bisweilen kommen? – ob an den
Portrait fortgearbeitet wird? – wie deine Lebensart ist? –
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lauter Dinge die mich natürlicher Weise sehr interessiren. –
Ø 5:to bitte ich Dich nicht allein auf Deine und Meine Ehre in deinen
Betragen Rücksicht zu nehmen, sondern auch auf den Schein. –
seÿe nicht böse auf diese Bitte. – Du mußt mich eben dieszfalls
noch mehr lieben, weil ich auf Ehre halte.
     Nun lebe wohl, liebste, beßte, – Denke daß ich alle Nacht ehe
ich ins Bett gehe eine gute halbe Stunde mit deinem Portrait
spreche, und so auch beÿm erwachen. – übermorgen den 18:ten
gehen wir ab; – Du schreibst nun immer nach Berlin poste
restante
.
O stru! stri! – ich küsse und drücke dich 1095060437082 mal |: hier
kannst du dich im aus-sprechen üben :| und bin ewig
                                     Dein treuester Gatte und freund
                                               W. A. Mozart mp
der Beschluß des Dresdner aufenthalts
wird nächstens folgen. – gute Nacht! –