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                                        Salzbς: dς 4. Octbris
                                                              1755.
          Monsieur mon tres cher amy

Wie ungerne ich sie und ihre Fr: Liebste verlassen habe,
war gar leicht aus meinen Augen zu lesen. Mir kam
der Abschied wirklich recht sauer: und so vergnügt ich
in dero Behausung eingetrettς bin; so betrübt habe ich sie
verlassen. – – Warum könς den Leute, die sich unter
einandς lieben, nicht imer beÿsamς sëyn? – – und muß
man den seine beste freunde, die man hat, mehr in
der ferne, als in dς Nähe suchς? Dieses, und die Be=
trachtungen die ich über die gute und liebreiche Art
machte, mit welcher mir dero Frau Liebste begegnet ist,
waren der Gegenwurf meiner Gedanken bis nach Salzburg.
Und wie vergnügte mich nicht gleich beÿ dem Eintritte in mein
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Zimer, daß ich die meinigen in guten wohlseÿn an=
traff; und wie wurde mein Vergnügen nicht verdoppelt,
als ich in wenig Minuten einς Brief von meinem Freunde
sah, den ich so hart verlassen habe? Ich bin der guten
Meinung, die dero frau Gemahlin von mir häget, kein=
esweges würdig. Ein ehrlicher kerl bin ich, das ist die
warheit, sonst nichts. Sie verrathen aber eben durch
das von mir gefasste Urtheil ihr eigenes redliches Gemüthe:
weil man gemeiniglich andςe nach sich selbst zu beurtheilς
pfleget. Was die Schneelanen betrifft: so ist es zwar
Wahr, daß sie ihre fr: Liebste sehr oft dadurch beleidiget
haben. Mich hat keine überschüttet: denn ich merke sie
gleich, wenn sie ablaufς wollς. Ich weis auch gar wohl
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daß es nur so gewisse kleine fehler sind, die man
sich beÿ den Reisen in dς Jugend zum spassen ange=
wöhnet, die dan hernach so zur Gewohnheit werden,
daß man zuweilen mit dem Munde eine Schneelane
abfahren lässt, ohne daß das Herz daran Theil
hat. Wenn sie nur nicht von Ostern biß Michaeli
fortläuft, so lang nämlich, als man an dem ersten Bogς
meiner Violinschule zu setzς hatte: sonst
würde eine solche Schneelane die halbe Welt bedecken.
Nun danke ich ihnen beydςseÿts nochmal vor alle empfangenen
Höflichkeitς; und nicht nur ich danke ihnς, sondςς auch die
meinige, die sich höflichst beÿdς empfehlet, ist ihnς
davor euserist verbunden. Ich hab ihr die Verdienste
der so lieben frau Lotterin mit den lebendigisten
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1755. dς 4. Oct. aus Salzburg, von
hς. Leopold Mozart.

Farben abgemahlet, so, daß sie nur wünschet selbe
auch zu könς, und wen sie eufersichtig wäre, müsste sie
bald wegen meinς beständigen Lobeserhebungς in eine
Eyfersucht verfallς. Nun hofe ich bald ein paar ge=
druckte Bogen zu sehen. Und wen sie mich, widς alles
verhofen noch ferner mit Schneelanς verfolgς sollten,
so werde mich an meine liebe fr: Lotterin wenden, und
sie bitten, daß sie ihnen so lange die gewisse nächtliche
Diversion untersagen sollte, bis allezeit ein paar bogς
gesetzet sind. Leben sie vergnügt zusamen. Denken sie
zu zeiten an ihrς diener und redlichς Freund, und sind
sie versichert daß ich leblänglich bin
                                             dero Ergebenster
                                             Leopold Mozart mp

Hier ist die Schlittenfart, das übrige
wird bald folgen.