Kritische Edition des vertonten Textes der Wiener Fassung ohne Scena ultima (Partitur Wien 1)   Deutsche Übersetzung des vertonten Textes der Wiener Fassung (Deutsch Wien)  
ATTO PRIMO
ERSTER AKT
Giardino. Notte.
Garten. Nacht.
SCENA I
SZENE I.
Leporello con ferraiuolo, che passeggia davanti la casa di Donn'Anna; poi Don Giovanni, Donn'Anna; indi Il Commendatore.In keiner direkten oder indirekten Quelle der Prager oder Wiener Fassung des Don Giovanni (Libretto-Vorlage Venedig 1787; autographe Partitur; Libretto-Drucke Wien 1787, Prag 1787 und Wien 1788; Partiturabschriften der Wiener Fassung E1, F1 und Melk II) ist die Schreibweise des Namens Donn’Anna ohne Elision („Donna Anna“) dokumentiert. Zwar wird der erste Teil des Namens in den Quellen meist in abgekürzter Form wiedergegeben: „D. Anna“, „D: Anna“, „D. A.“. Ist er vollständig angegeben, wird er jedoch ohne Ausnahme in der elidierten Form geschrieben bzw. gedruckt. So hat Mozart den Namen in der autographen Partitur (Quelle A) immer mit Elision geschrieben, unabhängig davon, ob dieser in einer Szenenanweisung (vgl. Quelle A, Faszikel 4, folio 122v, „Minuetto“), als Rollenangabe vor dem entsprechenden Notensystem (vgl. Quelle A, Faszikel 4, folio 109v, Atto primo, Scena XIX) oder im gesungenen Text (vgl. Quelle A, Faszikel 2, folio 12v, letzter Takt der zweiten Akkolade) vorkommt. Dagegen wird der Name Donna Elvira in den Quellen immer ohne Elision wiedergegeben.

Diese konsistente Schreibweise in den Quellen entspricht durchaus den Rechtschreibregeln der italienischen Sprache. Wenn der unbetonte Vokal am Ende eines Wortes auf den gleich lautenden Vokal am Anfang des folgenden Wortes trifft, wird Ersterer in der italienischen Orthographie (vor allem im Singular) in der Regel weggelassen und durch einen Apostroph ersetzt, wie es bei „Donn’Anna“ (Donna Anna) der Fall ist. Beim Aufeinandertreffen zweier unterschiedlicher Vokalen wie im Falle von Donna Elvira ist eine Elision mit Apostroph zwar immer noch möglich, dennoch weniger verbreitet.

Demzufolge wird der Name Donn’Anna in unserer Edition immer konsistent mit Elision wiedergegeben. In der NMA ist der Name hingegen immer ohne Elision („Donna Anna“) ediert.
Leporello, mit einem Umhang, geht vor dem Haus der Donna Anna auf und ab; dann Don Giovanni und Donn'Anna; später Der Komtur.
No 1 Introduzione
Nr. 1 Introduktion
Leporello
Leporello
    Notte e giorno faticar
    Nacht und Tag sich abzumühn
per chi nulla sa gradir,
für einen, der nichts zu schätzen weiß;
piova e vento sopportar,
Regen und Wind zu ertragen,
mangiar male e mal dormir…
schlecht zu essen und schlecht zu schlafen…
5
Voglio far il gentiluomo
Ich möchte den Edelmann spielen,
e non voglio più servir.Variante in den Wiederholungen:
No, no, no, no, no, no, non voglio più servir.
und ich möchte nicht mehr dienen.Variante in den Wiederholungen:
Nein, nein, nein, nein, nein, nein, ich möchte nicht mehr dienen.
    Oh che caro galantuomo!
    O welch lieber Ehrenmann!
Voi star dentro colla bella,
Ihr seid drinnen bei der Schönen,
ed io far la sentinella!…
und ich muss Wache halten!
10
Ma mi par che venga gente,
Doch mir scheint… es kommen Leute;
non mi voglio far sentir.Varianten in den Wiederholungen:
Ah non mi voglio far sentir.
No, no, no, no, no, non mi voglio far sentir.
ich will nicht, dass man mich hört.Varianten in den Wiederholungen:
Ah ich will nicht, dass man mich hört.
Nein, nein, nein, nein, nein, ich will nicht, dass man mich hört.
(S'asconde.)
Er verbirgt sich.
Donn'AnnaIn keiner direkten oder indirekten Quelle der Prager oder Wiener Fassung des Don Giovanni (Libretto-Vorlage Venedig 1787; autographe Partitur; Libretto-Drucke Wien 1787, Prag 1787 und Wien 1788; Partiturabschriften der Wiener Fassung E1, F1 und Melk II) ist die Schreibweise des Namens Donn’Anna ohne Elision („Donna Anna“) dokumentiert. Zwar wird der erste Teil des Namens in den Quellen meist in abgekürzter Form wiedergegeben: „D. Anna“, „D: Anna“, „D. A.“. Ist er vollständig angegeben, wird er jedoch ohne Ausnahme in der elidierten Form geschrieben bzw. gedruckt. So hat Mozart den Namen in der autographen Partitur (Quelle A) immer mit Elision geschrieben, unabhängig davon, ob dieser in einer Szenenanweisung (vgl. Quelle A, Faszikel 4, folio 122v, „Minuetto“), als Rollenangabe vor dem entsprechenden Notensystem (vgl. Quelle A, Faszikel 4, folio 109v, Atto primo, Scena XIX) oder im gesungenen Text (vgl. Quelle A, Faszikel 2, folio 12v, letzter Takt der zweiten Akkolade) vorkommt. Dagegen wird der Name Donna Elvira in den Quellen immer ohne Elision wiedergegeben. Diese konsistente Schreibweise in den Quellen entspricht durchaus den Rechtschreibregeln der italienischen Sprache. Wenn der unbetonte Vokal am Ende eines Wortes auf den gleich lautenden Vokal am Anfang des folgenden Wortes trifft, wird Ersterer in der italienischen Orthographie (vor allem im Singular) in der Regel weggelassen und durch einen Apostroph ersetzt, wie es bei „Donn’Anna“ (Donna Anna) der Fall ist. Beim Aufeinandertreffen zweier unterschiedlicher Vokalen wie im Falle von Donna Elvira ist eine Elision mit Apostroph zwar immer noch möglich, dennoch weniger verbreitet. Demzufolge wird der Name Donn’Anna in unserer Edition immer konsistent mit Elision wiedergegeben. In der NMA ist der Name hingegen immer ohne Elision („Donna Anna“) ediert.
Donn'Anna
(Tenendo forte pel braccio Don Giovanni, ed egli cercando sempre di celarsi.)
hält Don Giovanni, der sich ständig zu verbergen sucht, am Arm fest.
    Non sperar, se non m'uccidi,
    Hoffe nicht, wenn du mich nicht tötest,
ch'io ti lasci fuggir mai.
dass ich dich je entkommen lasse.
Don Giovanni
Don Giovanni
Donna folle! indarno gridi!
Wahnsinnige! vergebens schreist du!
15
Chi son io tu non saprai.Variante in den Wiederholungen:
Chi son'io tu non saprai, no.
Wer ich bin, erfährst du nicht.Variante in den Wiederholungen:
Wer ich bin, erfährst du nicht, nein.
Leporello
Leporello
Che tumulto! oh ciel, che gridi!
Welch ein Aufruhr! o Himmel, welche Schreie!
Il padron in nuovi guai.
Der Herr in neuem Missgeschick.
Donn'Anna
Donn'Anna
Gente! servi! al traditore!…Variante in den Wiederholungen:
Gente! servi!
Leute! Diener! haltet den Verräter!Variante in den Wiederholungen:
Leute! Diener!
Don Giovanni
Don Giovanni
Taci e trema al mio furore!Variante in den Wiederholungen:
Taci e trema!
Schweig, und zittre vor meiner Wut!Variante in den Wiederholungen:
Schweig und zittre!
Donn'Anna
Donn'Anna
20
Scellerato!
Unglückseliger!
Don Giovanni
Don Giovanni
Sconsigliata!
Unbesonnene!
Leporello
Don Giovanni
Sta' a veder che il libertino
Diese verzweifelte Furie
mi farà precipitar.
will mich ins Unglück bringen.
Donn'Anna
Donn'Anna
Come furia disperata
Wie eine verzweifelte Furie
ti saprò perseguitar.
werde ich dich zu verfolgen wissen.
Don Giovanni
Leporello
25
Questa furia disperata
Man wird sehen, dass sein Leichtsinn
mi vuol far precipitar.
mich ins Unglück bringen wird.
(Donn'Anna sentendo il Commendatore lascia Don Giovanni ed entra in casa.)
Donn'Anna hört den Komtur, läßt Don Giovanni los und geht ins Haus.
Il Commendatore
Der Komtur
    Lasciala, indegno,
    Lass sie, Unwürdiger,
battiti meco.Variante in den Wiederholungen:
Battiti.
schlage dich mit mir!Variante in den Wiederholungen:
Schlage dich.
Don Giovanni
Don Giovanni
Va', non mi degnoVariante in den Wiederholungen:
Va', non mi degno, no.
Geh, du bist nicht würdig,Variante in den Wiederholungen:
Geh, du bist nicht würdig, nein.
30
di pugnar teco.
mit mir zu fechten.
Il Commendatore
Der Komtur
Così pretendi
So denkst du,
da me fuggir?
mir zu entfliehn?
Leporello
Leporello
(Potessi almeno
(Könnte ich nur
di qua partir!Variante in den Wiederholungen:
di qua fuggir!)

In NMA wird die Variante in der Wiederholung des Verses von Leporello mit „fuggir“ statt „partir“ (T. 157–158) als ein Fehler Mozarts bei der Textunterlegung betrachtet, wonach der Komponist das letzte Wort im unmittelbar vorausgehenden Vers des Commendatore („fuggir“, T. 154–155) versehentlich in den Vers Leporellos übernommen hat (vgl. Wolfgang Plath und Wolfgang Rehm, Kritischer Bericht, Neue Mozart-Ausgabe, Serie II: Bühnenwerke 5/17, Kassel 2003, S. 89, T. 157/158). Es ist allerdings nicht ganz auszuschließen, dass der Komponist hier absichtlich Leporello das letzte Wort des Commendatore nachsagen lässt, um die Verwirrung des Dieners beim Gefecht zwischen Don Giovanni und dem Commendatore auszudrücken.
fort von hier!)Variante in den Wiederholungen:
von hier fliehen!)
Don Giovanni
Don Giovanni
(Mezza voce.)Variante in den Wiederholungen:
(Più voce.)
(halblaut)Variante in den Wiederholungen:
(lauter)
35
Misero, attendi,Variante in den Wiederholungen:
Misero!
Elender, warte,Variante in den Wiederholungen:
Elender!
se vuoi morir.
wenn du sterben willst.
(Combattono.)
(Sie fechten.
(Don Giovanni ferisce mortalmente il Commendatore.)
tödlich verwundet
Il Commendatore
Der Komtur
(Mortalmente ferito.)
    Ah soccorso!… son tradito!…
    Ah… zu Hilfe!… ich bin verraten!…
L'assassino… m'ha ferito…
Der Mörder… hat mich verwundet…
e dal seno palpitante
und aus der atmenden Brust
40
sento l'anima partir.
fühle ich die Seele entfliehn.
(Qui il Commendatore more.)
Er stirbt.
Don Giovanni
Don Giovanni
(Sottovoce.)
beiseite
    Ah già cade il sciagurato!
    Ah… schon fiel der Unglückselige…
Affannosa e agonizzante
qualvoll und in Agonie
già dal seno palpitante
sehe ich aus der atmenden Brust
veggo l'anima partir.
die Seele entfliehn.
Leporello
Leporello
(Sottovoce.)
beiseite
45
    Qual misfatto! qual eccesso!
    Welche Untat! Welches Übermaß!
Entro il sen dallo spavento
In der Brust fühl ich
palpitar il cor mi sento;
mein Herz vor Schrecken schlagen.
io non so che far, che dir.
Ich weiß nicht, was tun, was sagen.
SCENA II
SZENE II.
Don Giovanni, Leporello.
Don Giovanni, Leporello.
Recitativo
Rezitativ
Don Giovanni
Don Giovanni
(Sottovoce sempre.)
Leporello, ove sei?
Leporello, wo bist du?
Leporello
Leporello
(Sottovoce sempre.)
50
Son qui, per mia disgrazia; e voi?
Hier bin ich, zu meinem Unglück; und Ihr?
Don Giovanni
Don Giovanni
Son qui.
Ich bin hier.
Leporello
Leporello
Chi è morto: voi o il vecchio?
Wer ist tot, Ihr, oder der Alte?
Don Giovanni
Don Giovanni
Che domanda da bestia! il vecchio.
Was für eine Eselsfrage! der Alte.
Leporello
Leporello
Bravo:
Bravo:
due imprese leggiadre!
zwei vergnügliche Unternehmungen!
Sforzar la figlia ed ammazzar il padre.
Der Tochter Gewalt antun und den Vater umbringen.
Don Giovanni
Don Giovanni
55
L'ha voluto, suo danno.
Er hat's gewollt, sein Schade.
Leporello
Leporello
Ma Donn'Anna
Aber Donna Anna,
cosa ha voluto?
was hat sie gewollt?
Don Giovanni
Don Giovanni
Taci.
Schweig,
(In atto di batterlo.)
als ob er schlagen wollte
Non mi seccar, vien meco, se non vuoi
fall mir nicht auf die Nerven, komm mit, wenn du nicht
qualche cosa ancor tu!
auch noch etwas abbekommen willst!
Leporello
Leporello
Non vuo' nulla, signor, non parlo più.
Ich will nichts, Herr, ich sage nichts mehr.
(Partono.)
Sie gehen, ab.
SCENA III
SZENE III.
Don Ottavio, Donn'Anna con servi che portano diversi lumi.
Don Ottavio und Donn'Anna, mit Dienern, die Leuchten tragen.
Recitativo
Rezitativ
Donn'Anna
Donn'Anna
(Con risolutezza.)
entschlossen
60
Ah del padre in periglio
Ah wir eilen, dem Vater
in soccorso voliam.
in der Gefahr zu helfen.
Don Ottavio
Don Ottavio
(Con ferro ignudo in mano.)
mit gezogenem Degen in der Hand
Tutto il mio sangue
All mein Blut
verserò se bisogna.
werde ich vergießen, wenn es nötig ist:
Ma dov'è il scellerato?
Aber wo ist der Bösewicht?
Donn'Anna
Donn'Anna
In questo loco…
Hier…
(Vede il cadavere.)
sieht den Leichnam.
No 2 Recitativo strumentatoNMA: Recitativo accompagnato e Duetto
Nr. 2 Accompagnato-Rezitativ und Duett
Recitativo strumentatoNMA: Recitativo accompagnato
Accompagnato-Rezitativ
Donn'Anna
Ma qual mai s'offre, oh dèi,
Ach welch grausiges Schauspiel, o Götter,
65
spettacolo funesto agli occhi miei!
bietet sich meinen Augen!
Il padre… padre mio… mio caro padre…
Der Vater… mein Vater… mein teurer Vater…
Don Ottavio
Don Ottavio
Signore…
Gott…
Donn'Anna
Donn'Anna
Ah l'assassino
Ah der Mörder
mel trucidò. Quel sangue…
hat ihn mir umgebracht. Dieses Blut…
quella piaga… quel volto…
diese Wunde… dieses Antlitz…
70
tinto e coperto dei color di morte…
entstellt und getaucht in die Farben des Todes…
Ei non respira più… fredde ha le membra…
er atmet nicht mehr… kalt sind seine Glieder…
Padre mio… caro padre… padre amato… io manco… io moro…
Mein Vater… teurer Vater… geliebter Vater… die Sinne schwinden mir… ich sterbe…
Don Ottavio
Don Ottavio
Ah soccorrete, amici, il mio tesoro.
Ah Freunde, eilt meiner Geliebten zu Hilfe!
Cercatemi, recatemi…
Sucht mir… bringt mir…
75
qualche odor… qualche spirto… ah non tardate…
irgendeinen Duft… etwas Alkohol… ach säumt nicht…
Donn'Anna… sposa… amica…  il duolo estremo
Donna Anna… Braut… Freundin… der äußerste Schmerz
la meschinella uccide…
tötet die Unglückliche…
Donn'Anna
Donn'Anna
Ahi…
Ach…
Don Ottavio
Don Ottavio
Già rinviene…
Schon kommt sie zu sich…
Datele nuovi aiuti…
gebt ihr neue Mittel…
Donn'Anna
Donn'Anna
Padre mio…
Mein Vater…
Don Ottavio
Don Ottavio
Celate, allontanate agli occhi suoi
Verbergt, entfernt aus ihren Augen
80
quell'oggetto d'orrore.
diesen Gegenstand des Schreckens.
Anima mia… consolati… fa' core…
Mein Leben… tröste dich… fasse Mut…
Duetto
Duett
Donn'Anna
Donn'Anna
(Disperatamente.)
verzweifelt
    Fuggi, crudele, fuggi:
    Flieh, Grausamer, flieh!
lascia ch'io mora anchi'io,
Lass, dass auch ich sterbe,
ora ch'è morto, oh dio,
nun da er, o Gott, gestorben ist,
85
chi a me la vita diè.
der mir das Leben gab.
Don Ottavio
Don Ottavio
    Senti, cor mio, deh senti,
    Höre, mein Herz, ach höre,
guardami un solo istante,
schau mich einen einzigen Augenblick an,
ti parla il caro amante
zu dir spricht dein teurer Geliebter,
che vive sol per te.
der nur für dich lebt.
Donn'Anna
Donn'Anna
90
    Tu sei… perdon… mio bene…
    Du bist es… verzeih… mein Alles…
l'affanno mio, le pene…
meine Qualen, die Schmerzen…
Ah il padre mio dov'è?Variante in den Wiederholungen:
Ah… il padre… il padre mio dov'è?
Ach wo ist mein Vater?Variante in den Wiederholungen:
Ach… der Vater… wo ist mein Vater?
Don Ottavio
Don Ottavio
    Il padre… Lascia, o cara,
    Der Vater… lass, o Teure,
la rimembranza amara…
den bitteren Gedanken…
95
hai sposo e padre in me.
du hast Freund und Vater in mir.
Donn'Anna
Donn'Anna
    Ah! vendicar, se il puoi,
    Ach! Schwöre, dieses Blut jederzeit,
giura quel sangue ognor.Variante in den Wiederholungen:
Vendicar
quel sangue giura!
wenn du kannst, zu rächen.Variante in den Wiederholungen:
Schwöre, dieses Blut jederzeit zu rächen!
Don Ottavio
Don Ottavio
Lo giuro agl'occhi tuoi,
Ich schwöre es bei deinen Augen
lo giuro al nostro amor.Varianten in den Wiederholungen:

Lo giuro! Agl'occhi tuoi,
al nostro amor.

Lo giuro… lo giuro…
ich schwöre es bei unserer Liebe.Varianten in den Wiederholungen:

Ich schwöre es! Bei deinen Augen,
bei unserer Liebe.

Ich schwöre es… ich schwöre es…
a due
Donn'Anna, Don Ottavio
100
    Che giuramento, oh dèi!
    Welch Schwur, o Götter!
Che barbaro momento!Variante in den Wiederholungen:
Che barbaro tormento!

In NMA wird die Variante in der Wiederholung des Verses mit „tormento“ statt „momento“ (T. 174–175) als ein Fehler Mozarts bei der Textunterlegung betrachtet, wonach der Komponist das ursprüngliche Wort des Verses aus der Textvorlage des Librettos („momento“, T. 140–141) bei der Wiederholung des Verses irrtümlich verwechselt habe (vgl. Wolfgang Plath und Wolfgang Rehm, Kritischer Bericht, Neue Mozart-Ausgabe, Serie II: Bühnenwerke 5/17, Kassel 2003, S. 94, T. 174/175). Die Variante könnte allerdings auch absichtlich vom Komponisten eingeführt worden sein, um auch sprachlich eine Spannungssteigerung von „barbaro momento“ (T. 140–141: „grausamer Augenblick“) zu „barbaro tormento“ (T. 174–175: „grausame Qual“) zu erzielen, die der Klimax in der Harmonik (vom Dominantseptakkord ohne Grundton in T. 141 zum Dominantseptakkord mit Grundton in T. 175) und in der Orchestrierung (vom sfp der Streicherbegleitung über den natürlichen Akzent von „moménto“ in T. 141 zum sfp des Tuttis über den natürlichen Akzent von „torménto“ in T. 175) entspricht. Das Wort „tormento“ bewirkt nicht nur eine semantische Verschärfung bei der harmonischen und orchestralen Steigerung in T. 174–175, sondern es reimt sich auch mit dem Wort „momento“ in T. 140–141.
Welch schrecklicher Augenblick!Variante in den Wiederholungen:
Welch schreckliche Qual!
Fra cento affetti e cento
In aberhundert Gefühlen
vammi ondeggiando il cor.
schwankt jetzt mein Herz.
(Partono.)
Sie gehen ab.


Notte. Strada.Variante nach dem Libretto-Druck Wien 1788:
Alba chiara. Strada.
Die Tageszeitangaben für Scena IV und Scena V sind in den Quellen in vier Varianten überliefert.

Variante 1 (Libretto-Druck Wien 1787: Morgendämmerung zu Beginn der Scena V)


Im noch unvollständigen Libretto-Druck Wien 1787 (Quelle W1) war der Anbruch der Morgendämmerung erst am Anfang der Scena V (Aria der Donna Elvira „Ah chi mi dice mai“) vorgesehen: Zu Beginn der Scena IV (Recitativo secco) ist in dieser Quelle keine Tageszeit angegeben, sodass zu diesem Zeitpunkt noch die Zeitangabe „Notte“ („Nacht“) vom Beginn des Atto primo gilt; im Laufe der Scena IV deutet Leporello im Vers 123 dann auf die nahende Morgendämmerung hin („essendo verso l’alba“ / „da die Morgendämmerung naht“); schließlich wird in der szenischen Angabe zu Beginn der Scena V der Anbruch des Tages angekündigt: „L’alba incomincia, e a poco a poco si fa giorno.“ („Die Morgendämmerung setzt an, und allmählich bricht der Tag an.“).

Variante 2 (Erste Fassung der autographen Partitur: keine Angabe der Morgendämmerung)
In der autographen Partitur (Quelle A) hat Mozart zunächst keine Angabe zum Anbruch der Morgendämmerung gemacht: Zu Beginn der Scena IV wiederholt er die Angabe am Anfang des Atto primo: „Notte“ („Nacht“, vgl. Quelle A, Faszikel 2, folio 26r); im Vers 123 deutet er mit dem Ausdruck „essendo così tardi“ darauf hin, dass es inzwischen späte Nacht geworden ist. Möglicherweise erschien ihm die ursprüngliche Angabe der nahenden Morgendämmerung im Vers 123 des Libretto-Entwurfs „essendo verso l’alba“ (Variante 1 in Quelle W1) als widersprüchlich zur Tageszeitangabe zu Beginn der Scena IV, wonach es immer noch Nacht war (vgl. dazu Giovanna Gronda, Il Don Giovanni, Turin 1995, S. XVII). Zu Beginn der Scena V und der folgenden Szenen werden allerdings im Autograph keine weiteren Tageszeitangaben gemacht, sodass in dieser ersten Fassung der autographen Partitur der Zeitpunkt, an dem die Morgendämmerung anbricht, unklar bleibt.

Variante 3 (Zweite Fassung der autographen Partitur: Morgendämmerung während der Scena IV)
In der autographen Partitur (Quelle A) wurde später Leporellos Gesangstext „così tardi“ (Variante 2) im Vers 123 in der Scena IV von fremder Hand gestrichen und oberhalb des Systems durch „l’alba chiara“ („helle Morgendämmerung“) ersetzt (vgl. Quelle A, Faszikel 2, folio 26v), allerdings weder eine Änderung der Tageszeitangabe „Notte“ („Nacht“) zu Beginn der Scena IV vorgenommen, noch eine Angabe zur Tageszeit zu Beginn der Scena V ergänzt. Laut dieser Variante letzter Hand in der autographen Partitur ist somit zu Beginn der Scena IV noch (späte) Nacht, und die Morgendämmerung bricht dann im Laufe dieser Szene an, da im Vers 123 Leporello mit dem Ausdruck „essendo l’alba chiara“ („da es helle Morgendämmerung ist“) bereits den Anbruch des Tages erwähnt. Diese Variante mit den Angaben „Notte“ zu Beginn der Scena IV und „essendo l’alba chiara“ im Vers 123 (bzw. ohne Tageszeitangaben in Scena V) ist später in die Partiturabschriften der Wiener Fassung 1788 eingegangen, und zwar sowohl in die Referenzpartituren der Wiener Fassung F1 und Melk II als auch in die Aufführungspartitur E1. Die ursprüngliche Lesart der Quelle B1 – der Partiturabschrift, die in der Überlieferungskette dem Autograph am nächsten liegt und wohl in direkter Verbindung mit der Uraufführung der Oper in Prag 1787 steht – lässt sich nicht mehr eruieren, da hier das Recitativo secco der Scena IV im Zusammenhang mit einer späteren Aufführung der Oper im 19. Jahrhundert herausgenommen und durch ein Accompagnato ersetzt worden ist (vgl. Wolfgang Plath und Wolfgang Rehm, Kritischer Bericht, Neue Mozart-Ausgabe, Serie II: Bühnenwerke 5/17, Kassel 2003, S. 34). Da Quelle B1 aber (evtl. mittels einer Zwischenquelle) als Vorlage sowohl für Quelle E1 als auch für die Quellen F1 und Melk II diente (vgl. Ian Woodfield, The Vienna Don Giovanni, Woodbridge 2010, S. 31), ist anzunehmen, dass auch diese Partiturabschrift die Variante letzter Hand der autographen Partitur übernommen hat. Somit dürfte der Vers 123 sowohl bei der Prager Uraufführung am 29. Oktober 1787 als auch bei der Wiener Erstaufführung am 7. Mai 1788 am wahrscheinlichsten in der endgültigen Version der autographen Partitur („essendo l’alba chiara“) erklungen sein. Weitere Partiturabschriften der Prager Fassung (Quelle C1 und Quelle D1) überliefern ebenfalls den Vers 123 in dieser Variante (allerdings fehlt in diesen beiden Quellen eine Tageszeitangabe zu Beginn der Scena IV).

Variante 4 (Libretto-Drucke Prag 1787 und Wien 1788: Morgendämmerung zu Beginn der Scena IV)
In den Libretto-Drucken für die Prager Uraufführung am 29. Oktober 1787 (Quelle P) und für die Wiener Erstaufführung am 7. Mai 1788 (Quelle W2) wurde schließlich der Anbruch der Morgendämmerung eindeutig auf den Beginn der Scena IV vorverlegt. In beiden Libretto-Drucken ist die Anweisung der autographen Partitur „Notte“ („Nacht“) zu Beginn der Scena IV durch „Alba chiara“ („Helle Morgendämmerung“) ersetzt worden; im Vers 123 bleibt dann der Ausdruck „essendo l’alba chiara“ („da es helle Morgendämmerung ist“) wie in der endgültigen Fassung der autographen Partitur. Ebenfalls wie in der autographen Partitur wird keine Tageszeitangabe zu Beginn der Scena V gemacht, da der Anbruch der Morgendämmerung bereits in Scena IV angegeben ist.

Chronologische Reihenfolge
Eine Rekonstruktion der chronologischen Reihenfolge der vier Varianten legt die Vermutung nahe, dass der Anbruch der Morgendämmerung allmählich von der Scena V (Aria der Donna Elvira „Ah chi mi dice mai“) in die Scena IV (Recitativo secco) vorverlegt wurde. In Da Pontes Libretto-Entwurf, wie er im noch unvollständigen Libretto-Druck Wien 1787 (Quelle W1) dokumentiert ist, war der Anbruch der Morgendämmerung zunächst erst zu Beginn der geschlossenen Nummer in Scena V vorgesehen (Variante 1), sodass die ganze Scena IV noch in der Nacht spielte. Möglicherweise um diese Tageszeitangabe weiter zu präzisieren, hat Mozart in seiner autographen Partitur am Anfang der Scena IV die Angabe „Notte“ („Nacht“) aus dem Beginn des Atto primo wiederholt und im Vers 123 des Rezitativs die ursprüngliche Angabe des Libretto-Drucks Wien 1787 „verso l’alba“ („nahende Morgendämmerung“) durch „così tardi“ („so spät“) ersetzt (Variante 2). Dass er dann in der folgenden Aria der Donna Elvira in Scena V seiner autographen Partitur keinen Anbruch der Morgendämmerung wie in Quelle W1 notiert hat, soll nicht weiter verwundern. Anders als bei Rezitativen, wo er Szenenanweisungen zu Ort, Zeit und vor allem Personen aus dem Libretto in Kurzform gelegentlich vermerkte, hat Mozart diese szenischen Angaben am Anfang von geschlossenen Nummern, die er übrigens nicht selten unabhängig von den dazugehörigen Recitativi secchi vertonte, in der Regel ausgelassen. Wohl möglich, dass er auch am Anfang der Scena V, als er die Arie der Donna Elvira in seiner autographen Partitur niederschrieb, die Angabe der Morgendämmerung aus der Textvorlage des Librettos aus Gewohnheit nicht notiert hat. Man merke auch, dass in der Lagenordnung der autographen Partitur eine klare Zäsur zwischen Recitativo secco der Scena IV (im letzten Blatt der letzten Lage des vorausgehenden Duettos von Donn’Anna und Don Ottavio „Fuggi, crudele, fuggi“) und der Aria der Scena V (in einer neuen Lage) besteht (vgl. Wolfgang Plath und Wolfgang Rehm, Kritischer Bericht, Neue Mozart-Ausgabe, Serie II: Bühnenwerke 5/17, Kassel 2003, S. 20). Zu einem späteren Zeitpunkt, wohl vor dem Druck des Librettos Prag 1787 für die Uraufführung der Oper (Quelle P), wurde die Entscheidung getroffen, den Anbruch der Morgendämmerung in die Scena IV vorzuverlegen. In der autographen Partitur (Quelle A) wurde zwar Mozarts ursprünglicher Ausdruck „così tardi“ („so spät“) im Vers 123 des Recitativo secco von fremder Hand entsprechend zu „l’alba chiara“ („helle Dämmerung“) geändert, aber die Angabe „Notte“ („Nacht“) zu Beginn der Scena IV belassen, sodass die Morgendämmerung, zumindest nach dem Wortlaut dieser Quelle, nicht gleich zu Beginn, sondern erst während dieser Szene anbricht (Variante 3). Diese Variante ging dann in die Partiturabschriften ein, die direkt oder indirekt in Verbindung mit der Prager Uraufführung 1787 und der Wiener Erstaufführung 1788 standen (Quellen E1, F1 und Melk II sowie wohl auch Quelle B1). Im Libretto-Druck Prag 1787 (Quelle P) wurde schließlich der Anbruch der Morgendämmerung eindeutig am Anfang der Scena IV festgelegt, indem auch in der Szenenanweisung zu Beginn dieser Szene die gleiche Zeitangabe „Alba chiara“ („Helle Morgendämmerung“) wie im Vers 123 („essendo l’alba chiara“) gedruckt wurde (Variante 4). Diese letzte Variante ist dann auch in das Libretto eingegangen, das für die Wiener Erstaufführung 1788 gedruckt wurde (Quelle W2).

Autorschaft und Grund
Wer die Entscheidung traf, den Anbruch der Morgendämmerung vorzuverlegen, bleibt ebenso offen wie die Gründe für diese Änderung der Tageszeitangabe. Fest steht, dass Da Ponte und Mozart im ersten Moment einig waren, die Morgendämmerung erst in Scena V beginnen zu lassen, wie dies in der wohl auf den Entwurf des Librettisten zurückgehenden Variante des Libretto-Drucks Wien 1787 (Quelle W1: Variante 1) und in der ersten Fassung der autographen Partitur (Quelle A: Variante 2) belegt ist. Die Tatsache, dass die Änderung der Zeitangabe im Vers 123 der autographen Partitur (così tardi -> l’alba chiara) nicht von Mozart selbst, sondern von fremder Hand vorgenommen wurde (Quelle A: Variante 3), deutet darauf hin, dass der Komponist die Vorverlegung der Morgendämmerung nicht allein entschieden hat, auch wenn er natürlich damit einverstanden sein musste. Da die endgültige Festlegung der Morgendämmerung am Anfang der Scena IV erst im Libretto-Druck Prag 1787 (Quelle P: Variante 4) eindeutig dokumentiert ist dürfte der Librettist Da Ponte auf jeden Fall eine prominente Rolle bei der Entscheidung gespielt haben, den Anbruch des Tages vorzuverlegen.
Über die Gründe für die Vorverlegung der Morgendämmerung lässt sich nur spekulieren. Giovanna Gronda vermutet, dass der Auftritt einer ganz allein reisenden Frau in der Nacht als wenig angebracht empfunden worden ist (vgl. Giovanna Gronda, Il Don Giovanni, Turin 1995, S. XVII). Durch die Vorverlegung der Morgendämmerung hätten Da Ponte und Mozart nicht nur diesen wenig schicklichen Umstand vermieden, sondern auch Lichtverhältnisse etabliert, bei denen Don Giovanni und Leporello plausibel das Vorbeigehen einer Frau in einer gewissen Entfernung bemerken konnten, ohne sie zu erkennen.

Edition
Im Haupttext dieser Edition wird die Fassung letzter Hand der autographen Partitur (Variante 3) wiedergegeben, wonach zu Beginn der Scena IV noch Nacht ist (Tageszeitangabe in der Szenenanweisung: „Notte“) und die Morgendämmerung dann im Laufe dieser Szene anbricht (Angabe im Vers 123: „essendo l’alba chiara“). Wie erwähnt, stellt diese Variante nicht nur die Fassung letzter Hand der autographen Partitur dar, sondern sie ist auch in Aufführungspartitur und Referenzpartituren der Wiener Fassung (Quellen E1, F1 und Melk II) dokumentiert und dürfte daher wohl auch in die Partiturabschrift eingegangen sein, die in direkter Verbindung mit der Prager Uraufführung 1787 stand und später als Vorlage für die Wiener Abschriften verwendet wurde (Quelle B1). Die endgültige Fassung der Libretto-Drucke Prag 1787 und Wien 1788 mit dem Anbruch der Morgendämmerung zu Beginn der Scena IV (Variante 4) wird dennoch als mögliche Variante in dieser Fußnote ediert. Es ist nicht ganz auszuschließen, dass die fremde Hand, die in Mozarts autographer Partitur die Angabe „così tardi“ durch „l’alba chiara“ im Vers 123 ersetzt hat, eine Vorverlegung der Morgendämmerung auf den Beginn der Scena IV wie im Libretto-Druck Prag 1787 intendierte und nur aus Versehen versäumt hat, auch Mozarts Angabe „Notte“ zu Beginn der Szene (auf der anderen Seite des Blattes) durch „Alba chiara“ zu ersetzen. Darüber hinaus dürften für die Gestaltung des Bühnenbildes bei der Aufführung der Oper eher die ausführlichen Szenenanweisungen des Librettos als die spärlicheren szenischen Vermerke in der Partitur ausschlaggebend gewesen sein, sodass es durchaus möglich ist, dass sich das Bühnenbild sowohl bei der Prager Uraufführung 1787 als auch bei den Wiener Aufführungen 1788 nach den Szenenangaben der Libretti-Drucke Prag 1787 (Quelle W1) respektive Wien 1788 (Quelle P) gerichtet hat. Die Varianten im Libretto-Druck Wien 1787 (Variante 1) und in der gestrichenen Fassung der autographen Partitur (Variante 2) werden hingegen nicht in die kritische Edition des vertonten Textes übernommen, sondern, als entstehungsgeschichtlich relevante Entwürfe ohne Endgültigkeitsstatus, jeweils in der kritischen Edition des Libretto-Drucks Wien 1787 und in der diplomatischen Übertragung der autographen Partitur wiedergegeben. NMA übernimmt im Haupttext die gestrichene Fassung der autographen Partitur (Variante 2), weist aber zugleich auf die Änderung von fremder Hand in dieser Quelle (Variante 3) und auf die Fassung der Libretto-Drucke Prag 1787 und Wien 1788 (Variante 4) hin (vgl. Wolfgang Amadeus Mozart, Don Giovanni, Neue Mozart Ausgabe, Serie II: Bühnenwerke 5/17, hrsg. von Wolfgang Plath und Wolfgang Rehm, Kassel 1968, S. 62 und 63).
Nacht. Straße.
SCENA IV
SZENE IV.
Don Giovanni, Leporello, poi Donna Elvira in abito da viaggio.
Don Giovanni und Leporello; dann Donna Elvira in Reisekleidern.
Recitativo
Rezitativ
Don Giovanni
Don Giovanni
Orsù, spicciati, presto… cosa vuoi?
Auf, mach schnell… was willst du?
Leporello
Leporello
105
L'affar di cui si tratta
Die Angelegenheit, um die es geht,
è importante.
ist wichtig.
Don Giovanni
Don Giovanni
Lo credo.
Das glaub ich.
Leporello
Leporello
È importantissimo.
Sie ist sehr wichtig.
Don Giovanni
Don Giovanni
Meglio ancora: finiscila.
Noch besser: nun sag's schon.
Leporello
Leporello
Giurate
Schwört,
di non andar in collera.
dass Ihr nicht wütend werdet.
Don Giovanni
Don Giovanni
Lo giuro sul mio onore,
Ich schwöre es bei meiner Ehre,
110
purché non parli del Commendatore.
wenn du nur nicht vom Komtur sprichst.
Leporello
Leporello
Siam soli.
Wir sind allein.
Don Giovanni
Don Giovanni
Lo vedo.
Das sehe ich.
Leporello
Leporello
Nessun ci sente.
Niemand hört uns.
Don Giovanni
Don Giovanni
Via.
Weiter.
Leporello
Leporello
Vi posso dire
Kann ich Euch
tutto liberamente?
alles frei sagen?
Don Giovanni
Don Giovanni
Sì.
Ja.
Leporello
Leporello
115
Dunque, quando è così,
Also, wenn es so ist:
caro signor padrone,
Teurer Herr,
la vita che menate
das Leben, das Ihr führt,
(All'orecchio, ma forte.)
ins Ohr, jedoch laut
è da briccone.
ist das eines Schurken.
Don Giovanni
Don Giovanni
Temerario! In tal guisa…
Verwegener! — auf solche Weise —
Leporello
Leporello
E il giuramento!…
Und der Schwur!…
Don Giovanni
Don Giovanni
Non so di giuramenti… Taci… o ch'io…
Ich weiß nichts von Schwüren… schweig… oder ich…
Leporello
Leporello
120
Non parlo più, non fiato, o padron mio.
Ich sage nichts mehr, ich atme nicht, o mein Gebieter.
Don Giovanni
Don Giovanni
Così saremo amici; or odi un poco,
So bleiben wir Freunde; nun höre einmal,
sai tu perché son qui?
weißt du, weshalb ich hier bin?
Leporello
Leporello
Non ne so nulla;
Ich weiß es nicht:
ma essendo l'alba chiaraDie Tageszeitangaben für Scena IV und Scena V sind in den Quellen in vier Varianten überliefert.

Variante 1 (Libretto-Druck Wien 1787: Morgendämmerung zu Beginn der Scena V)


Im noch unvollständigen Libretto-Druck Wien 1787 (Quelle W1) war der Anbruch der Morgendämmerung erst am Anfang der Scena V (Aria der Donna Elvira „Ah chi mi dice mai“) vorgesehen: Zu Beginn der Scena IV (Recitativo secco) ist in dieser Quelle keine Tageszeit angegeben, sodass zu diesem Zeitpunkt noch die Zeitangabe „Notte“ („Nacht“) vom Beginn des Atto primo gilt; im Laufe der Scena IV deutet Leporello im Vers 123 dann auf die nahende Morgendämmerung hin („essendo verso l’alba“ / „da die Morgendämmerung naht“); schließlich wird in der szenischen Angabe zu Beginn der Scena V der Anbruch des Tages angekündigt: „L’alba incomincia, e a poco a poco si fa giorno.“ („Die Morgendämmerung setzt an, und allmählich bricht der Tag an.“).

Variante 2 (Erste Fassung der autographen Partitur: keine Angabe der Morgendämmerung)
In der autographen Partitur (Quelle A) hat Mozart zunächst keine Angabe zum Anbruch der Morgendämmerung gemacht: Zu Beginn der Scena IV wiederholt er die Angabe am Anfang des Atto primo: „Notte“ („Nacht“, vgl. Quelle A, Faszikel 2, folio 26r); im Vers 123 deutet er mit dem Ausdruck „essendo così tardi“ darauf hin, dass es inzwischen späte Nacht geworden ist. Möglicherweise erschien ihm die ursprüngliche Angabe der nahenden Morgendämmerung im Vers 123 des Libretto-Entwurfs „essendo verso l’alba“ (Variante 1 in Quelle W1) als widersprüchlich zur Tageszeitangabe zu Beginn der Scena IV, wonach es immer noch Nacht war (vgl. dazu Giovanna Gronda, Il Don Giovanni, Turin 1995, S. XVII). Zu Beginn der Scena V und der folgenden Szenen werden allerdings im Autograph keine weiteren Tageszeitangaben gemacht, sodass in dieser ersten Fassung der autographen Partitur der Zeitpunkt, an dem die Morgendämmerung anbricht, unklar bleibt.

Variante 3 (Zweite Fassung der autographen Partitur: Morgendämmerung während der Scena IV)
In der autographen Partitur (Quelle A) wurde später Leporellos Gesangstext „così tardi“ (Variante 2) im Vers 123 in der Scena IV von fremder Hand gestrichen und oberhalb des Systems durch „l’alba chiara“ („helle Morgendämmerung“) ersetzt (vgl. Quelle A, Faszikel 2, folio 26v), allerdings weder eine Änderung der Tageszeitangabe „Notte“ („Nacht“) zu Beginn der Scena IV vorgenommen, noch eine Angabe zur Tageszeit zu Beginn der Scena V ergänzt. Laut dieser Variante letzter Hand in der autographen Partitur ist somit zu Beginn der Scena IV noch (späte) Nacht, und die Morgendämmerung bricht dann im Laufe dieser Szene an, da im Vers 123 Leporello mit dem Ausdruck „essendo l’alba chiara“ („da es helle Morgendämmerung ist“) bereits den Anbruch des Tages erwähnt. Diese Variante mit den Angaben „Notte“ zu Beginn der Scena IV und „essendo l’alba chiara“ im Vers 123 (bzw. ohne Tageszeitangaben in Scena V) ist später in die Partiturabschriften der Wiener Fassung 1788 eingegangen, und zwar sowohl in die Referenzpartituren der Wiener Fassung F1 und Melk II als auch in die Aufführungspartitur E1. Die ursprüngliche Lesart der Quelle B1 – der Partiturabschrift, die in der Überlieferungskette dem Autograph am nächsten liegt und wohl in direkter Verbindung mit der Uraufführung der Oper in Prag 1787 steht – lässt sich nicht mehr eruieren, da hier das Recitativo secco der Scena IV im Zusammenhang mit einer späteren Aufführung der Oper im 19. Jahrhundert herausgenommen und durch ein Accompagnato ersetzt worden ist (vgl. Wolfgang Plath und Wolfgang Rehm, Kritischer Bericht, Neue Mozart-Ausgabe, Serie II: Bühnenwerke 5/17, Kassel 2003, S. 34). Da Quelle B1 aber (evtl. mittels einer Zwischenquelle) als Vorlage sowohl für Quelle E1 als auch für die Quellen F1 und Melk II diente (vgl. Ian Woodfield, The Vienna Don Giovanni, Woodbridge 2010, S. 31), ist anzunehmen, dass auch diese Partiturabschrift die Variante letzter Hand der autographen Partitur übernommen hat. Somit dürfte der Vers 123 sowohl bei der Prager Uraufführung am 29. Oktober 1787 als auch bei der Wiener Erstaufführung am 7. Mai 1788 am wahrscheinlichsten in der endgültigen Version der autographen Partitur („essendo l’alba chiara“) erklungen sein. Weitere Partiturabschriften der Prager Fassung (Quelle C1 und Quelle D1) überliefern ebenfalls den Vers 123 in dieser Variante (allerdings fehlt in diesen beiden Quellen eine Tageszeitangabe zu Beginn der Scena IV).

Variante 4 (Libretto-Drucke Prag 1787 und Wien 1788: Morgendämmerung zu Beginn der Scena IV)
In den Libretto-Drucken für die Prager Uraufführung am 29. Oktober 1787 (Quelle P) und für die Wiener Erstaufführung am 7. Mai 1788 (Quelle W2) wurde schließlich der Anbruch der Morgendämmerung eindeutig auf den Beginn der Scena IV vorverlegt. In beiden Libretto-Drucken ist die Anweisung der autographen Partitur „Notte“ („Nacht“) zu Beginn der Scena IV durch „Alba chiara“ („Helle Morgendämmerung“) ersetzt worden; im Vers 123 bleibt dann der Ausdruck „essendo l’alba chiara“ („da es helle Morgendämmerung ist“) wie in der endgültigen Fassung der autographen Partitur. Ebenfalls wie in der autographen Partitur wird keine Tageszeitangabe zu Beginn der Scena V gemacht, da der Anbruch der Morgendämmerung bereits in Scena IV angegeben ist.

Chronologische Reihenfolge
Eine Rekonstruktion der chronologischen Reihenfolge der vier Varianten legt die Vermutung nahe, dass der Anbruch der Morgendämmerung allmählich von der Scena V (Aria der Donna Elvira „Ah chi mi dice mai“) in die Scena IV (Recitativo secco) vorverlegt wurde. In Da Pontes Libretto-Entwurf, wie er im noch unvollständigen Libretto-Druck Wien 1787 (Quelle W1) dokumentiert ist, war der Anbruch der Morgendämmerung zunächst erst zu Beginn der geschlossenen Nummer in Scena V vorgesehen (Variante 1), sodass die ganze Scena IV noch in der Nacht spielte. Möglicherweise um diese Tageszeitangabe weiter zu präzisieren, hat Mozart in seiner autographen Partitur am Anfang der Scena IV die Angabe „Notte“ („Nacht“) aus dem Beginn des Atto primo wiederholt und im Vers 123 des Rezitativs die ursprüngliche Angabe des Libretto-Drucks Wien 1787 „verso l’alba“ („nahende Morgendämmerung“) durch „così tardi“ („so spät“) ersetzt (Variante 2). Dass er dann in der folgenden Aria der Donna Elvira in Scena V seiner autographen Partitur keinen Anbruch der Morgendämmerung wie in Quelle W1 notiert hat, soll nicht weiter verwundern. Anders als bei Rezitativen, wo er Szenenanweisungen zu Ort, Zeit und vor allem Personen aus dem Libretto in Kurzform gelegentlich vermerkte, hat Mozart diese szenischen Angaben am Anfang von geschlossenen Nummern, die er übrigens nicht selten unabhängig von den dazugehörigen Recitativi secchi vertonte, in der Regel ausgelassen. Wohl möglich, dass er auch am Anfang der Scena V, als er die Arie der Donna Elvira in seiner autographen Partitur niederschrieb, die Angabe der Morgendämmerung aus der Textvorlage des Librettos aus Gewohnheit nicht notiert hat. Man merke auch, dass in der Lagenordnung der autographen Partitur eine klare Zäsur zwischen Recitativo secco der Scena IV (im letzten Blatt der letzten Lage des vorausgehenden Duettos von Donn’Anna und Don Ottavio „Fuggi, crudele, fuggi“) und der Aria der Scena V (in einer neuen Lage) besteht (vgl. Wolfgang Plath und Wolfgang Rehm, Kritischer Bericht, Neue Mozart-Ausgabe, Serie II: Bühnenwerke 5/17, Kassel 2003, S. 20). Zu einem späteren Zeitpunkt, wohl vor dem Druck des Librettos Prag 1787 für die Uraufführung der Oper (Quelle P), wurde die Entscheidung getroffen, den Anbruch der Morgendämmerung in die Scena IV vorzuverlegen. In der autographen Partitur (Quelle A) wurde zwar Mozarts ursprünglicher Ausdruck „così tardi“ („so spät“) im Vers 123 des Recitativo secco von fremder Hand entsprechend zu „l’alba chiara“ („helle Dämmerung“) geändert, aber die Angabe „Notte“ („Nacht“) zu Beginn der Scena IV belassen, sodass die Morgendämmerung, zumindest nach dem Wortlaut dieser Quelle, nicht gleich zu Beginn, sondern erst während dieser Szene anbricht (Variante 3). Diese Variante ging dann in die Partiturabschriften ein, die direkt oder indirekt in Verbindung mit der Prager Uraufführung 1787 und der Wiener Erstaufführung 1788 standen (Quellen E1, F1 und Melk II sowie wohl auch Quelle B1). Im Libretto-Druck Prag 1787 (Quelle P) wurde schließlich der Anbruch der Morgendämmerung eindeutig am Anfang der Scena IV festgelegt, indem auch in der Szenenanweisung zu Beginn dieser Szene die gleiche Zeitangabe „Alba chiara“ („Helle Morgendämmerung“) wie im Vers 123 („essendo l’alba chiara“) gedruckt wurde (Variante 4). Diese letzte Variante ist dann auch in das Libretto eingegangen, das für die Wiener Erstaufführung 1788 gedruckt wurde (Quelle W2).

Autorschaft und Grund
Wer die Entscheidung traf, den Anbruch der Morgendämmerung vorzuverlegen, bleibt ebenso offen wie die Gründe für diese Änderung der Tageszeitangabe. Fest steht, dass Da Ponte und Mozart im ersten Moment einig waren, die Morgendämmerung erst in Scena V beginnen zu lassen, wie dies in der wohl auf den Entwurf des Librettisten zurückgehenden Variante des Libretto-Drucks Wien 1787 (Quelle W1: Variante 1) und in der ersten Fassung der autographen Partitur (Quelle A: Variante 2) belegt ist. Die Tatsache, dass die Änderung der Zeitangabe im Vers 123 der autographen Partitur (così tardi -> l’alba chiara) nicht von Mozart selbst, sondern von fremder Hand vorgenommen wurde (Quelle A: Variante 3), deutet darauf hin, dass der Komponist die Vorverlegung der Morgendämmerung nicht allein entschieden hat, auch wenn er natürlich damit einverstanden sein musste. Da die endgültige Festlegung der Morgendämmerung am Anfang der Scena IV erst im Libretto-Druck Prag 1787 (Quelle P: Variante 4) eindeutig dokumentiert ist dürfte der Librettist Da Ponte auf jeden Fall eine prominente Rolle bei der Entscheidung gespielt haben, den Anbruch des Tages vorzuverlegen.
Über die Gründe für die Vorverlegung der Morgendämmerung lässt sich nur spekulieren. Giovanna Gronda vermutet, dass der Auftritt einer ganz allein reisenden Frau in der Nacht als wenig angebracht empfunden worden ist (vgl. Giovanna Gronda, Il Don Giovanni, Turin 1995, S. XVII). Durch die Vorverlegung der Morgendämmerung hätten Da Ponte und Mozart nicht nur diesen wenig schicklichen Umstand vermieden, sondern auch Lichtverhältnisse etabliert, bei denen Don Giovanni und Leporello plausibel das Vorbeigehen einer Frau in einer gewissen Entfernung bemerken konnten, ohne sie zu erkennen.

Edition
Im Haupttext dieser Edition wird die Fassung letzter Hand der autographen Partitur (Variante 3) wiedergegeben, wonach zu Beginn der Scena IV noch Nacht ist (Tageszeitangabe in der Szenenanweisung: „Notte“) und die Morgendämmerung dann im Laufe dieser Szene anbricht (Angabe im Vers 123: „essendo l’alba chiara“). Wie erwähnt, stellt diese Variante nicht nur die Fassung letzter Hand der autographen Partitur dar, sondern sie ist auch in Aufführungspartitur und Referenzpartituren der Wiener Fassung (Quellen E1, F1 und Melk II) dokumentiert und dürfte daher wohl auch in die Partiturabschrift eingegangen sein, die in direkter Verbindung mit der Prager Uraufführung 1787 stand und später als Vorlage für die Wiener Abschriften verwendet wurde (Quelle B1). Die endgültige Fassung der Libretto-Drucke Prag 1787 und Wien 1788 mit dem Anbruch der Morgendämmerung zu Beginn der Scena IV (Variante 4) wird dennoch als mögliche Variante in dieser Fußnote ediert. Es ist nicht ganz auszuschließen, dass die fremde Hand, die in Mozarts autographer Partitur die Angabe „così tardi“ durch „l’alba chiara“ im Vers 123 ersetzt hat, eine Vorverlegung der Morgendämmerung auf den Beginn der Scena IV wie im Libretto-Druck Prag 1787 intendierte und nur aus Versehen versäumt hat, auch Mozarts Angabe „Notte“ zu Beginn der Szene (auf der anderen Seite des Blattes) durch „Alba chiara“ zu ersetzen. Darüber hinaus dürften für die Gestaltung des Bühnenbildes bei der Aufführung der Oper eher die ausführlichen Szenenanweisungen des Librettos als die spärlicheren szenischen Vermerke in der Partitur ausschlaggebend gewesen sein, sodass es durchaus möglich ist, dass sich das Bühnenbild sowohl bei der Prager Uraufführung 1787 als auch bei den Wiener Aufführungen 1788 nach den Szenenangaben der Libretti-Drucke Prag 1787 (Quelle W1) respektive Wien 1788 (Quelle P) gerichtet hat. Die Varianten im Libretto-Druck Wien 1787 (Variante 1) und in der gestrichenen Fassung der autographen Partitur (Variante 2) werden hingegen nicht in die kritische Edition des vertonten Textes übernommen, sondern, als entstehungsgeschichtlich relevante Entwürfe ohne Endgültigkeitsstatus, jeweils in der kritischen Edition des Libretto-Drucks Wien 1787 und in der diplomatischen Übertragung der autographen Partitur wiedergegeben. NMA übernimmt im Haupttext die gestrichene Fassung der autographen Partitur (Variante 2), weist aber zugleich auf die Änderung von fremder Hand in dieser Quelle (Variante 3) und auf die Fassung der Libretto-Drucke Prag 1787 und Wien 1788 (Variante 4) hin (vgl. Wolfgang Amadeus Mozart, Don Giovanni, Neue Mozart Ausgabe, Serie II: Bühnenwerke 5/17, hrsg. von Wolfgang Plath und Wolfgang Rehm, Kassel 1968, S. 62 und 63).
… non sarebbe
Da es aber so spät ist… ist es vielleicht
qualche nuova conquista?
eine neue Eroberung?
125
Io lo devo saper per porla in lista.
Ich muss es wissen, um sie in die Liste einzutragen.
Don Giovanni
Don Giovanni
Va' là, che se' il grand'uom: sappi chi'io sono
Na also/Ach geh, du bist doch groß: Du sollst wissen, dass ich mich
innamorato d'una bella dama,
in eine schöne Dame verliebt habe,
e son certo che m'ama.
und ich bin sicher, dass sie mich liebt.
La vidi… le parlai… meco al casino
Ich sah sie… ich sprach mit ihr…
130
questa notte verrà… Zitto: mi pare
heute Nacht kommt sie mit mir aufs Schlösschen…
sentire odor di femmina…
Still, mir scheint, es riecht nach Weib…
Leporello
Leporello
(Cospetto!
(Alle Achtung!
Che odorato perfetto!)
welch vollkommener Geruchssinn!)
Don Giovanni
Don Giovanni
All'aria mi par bella.
Sie scheint schön zu sein.
Leporello
Leporello
(E che occhio, dico!)
(Und welch Auge, sag ich!)
Don Giovanni
Don Giovanni
Ritiriamoci un poco
Ziehen wir uns etwas zurück
135
e scopriamo terren.
und erkunden wir das Feld.
Leporello
Leporello
(Già prese foco.)
Schon fing er Feuer.
SCENA V
SZENE V.
I suddetti in disparte, Donna Elvira.
Die Vorigen, abseits; Donna Elvira.
No 3 Aria
Nr. 3 Arie
Donna Elvira
Donna Elvira
    Ah chi mi dice mai
    Ah wer sagt mir je,
quel barbaro dov'è,
wo der Grausame ist,
che per mio scorno amai,
den ich zu meiner Schande liebte,
che mi mancò di fé?
der mir die Treue brach?
140
    Ah se ritrovo l'empio,
    Ah wenn ich den Treulosen wiederfinde,
e a me non torna ancor,
und er zu mir nicht zurückkehrt,
vo' farne orrendo scempio,
will ich ihm grausame Qualen bereiten,
gli vo' cavare il cor.Variante in den Wiederholungen:
gli vo' cavare il cor, sì.
will ich ihm das Herz herausreißen.Variante in den Wiederholungen:
will ich ihm das Herz herausreißen, ja.
Don Giovanni
Don Giovanni
Udisti? Qualche bella
Hast du's gehört! eine Schöne,
145
dal vago abbandonata. Poverina!
vom Liebsten verlassen. Die Ärmste!
Cerchiam di consolare il suo tormento.
Versuchen wir, sie in ihrer Qual zu trösten.
Leporello
Leporello
(Così ne consolò mille e ottocento.)
So tröstete er tausend achthundert.
Don Giovanni
Don Giovanni
Signorina!
Mein Fräulein!
Recitativo
Rezitativ
Donna Elvira
Donna Elvira
Chi è là?
Wer ist da?
Don Giovanni
Don Giovanni
Stelle! che vedo!
Himmel! was sehe ich!
Leporello
Leporello
Oh bella, Donna Elvira!
Jetzt wird's lustig! Donna Elvira!
Donna Elvira
Donna Elvira
Don Giovanni!
Don Giovanni!
150
Sei qui mostro, fellon, nido d'inganni.
Du hier, Ungeheuer, Schuft, Schlangennest!
Leporello
Leporello
(Che titoli cruscanti! Manco male
Welch treffende Titel! Ein Glück,
che lo conosce bene.)
dass sie ihn gut kennt.
Don Giovanni
Don Giovanni
Via, cara Donna Elvira,
Aber teure Donna Elvira,
calmate questa collera… sentite…
beruhigt Euren Zorn… hört…
155
lasciatemi parlar…
lasst mich reden…
Donna Elvira
Donna Elvira
Cosa puoi dire
Was kannst du schon sagen
dopo azion sì nera? In casa mia
nach so böser Tat? Heimlich
entri furtivamente; a forza d'arte,
dringst du in mein Haus ein, mit Künsten,
di giuramenti e di lusinghe arrivi
Schwüren und Schmeicheleien gelingt es dir,
a sedurre il cor mio;
mein Herz zu verführen;
160
m'innamori, o crudele,
ich verliebe mich, o Grausamer,
mi dichiari tua sposa e poi, mancando
du erklärst mich zu deiner Braut, und dann,
della terra e del cielo al santo dritto,
vor dem Himmel und der Erde das heilige Recht brechend,
con enorme delitto
verlässt du, mit schwerer Schuld beladen,
dopo tre dì da Burgos t'allontani,
Burgos nach drei Tagen,
165
m'abbandoni, mi fuggi e lasci in preda
verlässt mich, fliehst mich, und überlässt
al rimorso ed al pianto,
die, die dich so sehr liebte, der Reue und den Tränen,
per pena forse che t'amai cotanto!
wohl, um sie zu strafen!
Leporello
Leporello
(Pare un libro stampato.)
(Sie redet wie gedruckt.)
Don Giovanni
Don Giovanni
Oh in quanto a questo
O, was das betrifft,
ebbi le mie ragioni…
hatte ich meine Gründe:
(A Leporello.)
zu Leporello.
È vero?
nicht wahr?
Leporello
Leporello
(Ironicamente.)
ironisch
È vero.
Es ist wahr.
170
E che ragioni forti!
Und was für starke Gründe!
Donna Elvira
Donna Elvira
E quali sono,
Und welche sind es,
se non la tua perfidia,
wenn nicht deine Treulosigkeit
la leggerezza tua? Ma il giusto cielo
und dein Leichtsinn? Aber der gerechte Himmel
volle ch'io ti trovassi
wollte, dass ich dich fände,
per far le sue, le mie vendette.
um seine, um meine Rache zu vollbringen.
Don Giovanni
Don Giovanni
Eh via,
Aber bitte,
175
siate più ragionevole… (Mi pone
seid etwas vernünftiger… (die bringt mich
a cimento costei.) Se non credete
noch ins Unglück.) Wenn Ihr
al labbro mio, credete
meinen Lippen nicht glaubt, glaubt
a questo galantuomo.
diesem Ehrenmann.
Leporello
Leporello
(Salvo il vero.)
(Alles, außer der Wahrheit.)
Don Giovanni
Don Giovanni
(Forte.)
laut
Via, dille un poco…
Nur zu, sag ihr schon…
Leporello
Leporello
(Piano.)
leise
E cosa devo dirle?
Und was soll ich ihr sagen?
Don Giovanni
Don Giovanni
(Forte.)
laut
180
Sì sì, dille pur tutto.
Ja ja, sag ihr nur alles.
Donna Elvira
Donna Elvira
(A Leporello.)
zu Leporello
Ebben, fa' presto…
Nun gut, mach schnell…
(In questo frattempo Don Giovanni fugge.)
Währenddessen benutzt Don Giovanni die Gelegenheit zur Flucht.
Leporello
Leporello
Madama… veramente… in questo mondo
Herrin… in Wahrheit… auf dieser Welt
con ciò sia cosa quando fosse che
da nun einmal, wenn es wäre, dass
il quadro non è tondo…
das Viereck nicht rund ist…
Donna Elvira
Donna Elvira
(A Leporello.)
zu Leporello
Sciagurato,
Unverschämter,
così del mio dolor gioco ti prendi?
so spielst du mit meinem Schmerz?
(Verso Don Giovanni che non crede partito.)
zu Don Giovanni, den sie noch anwesend glaubt
185
Ah voi… Stelle! l'iniquo
Ah Ihr… Himmel! der Schändliche
fuggì! Misera me! dove, in qual parte…
floh! Ich Arme! wohin, in welche Richtung…
Leporello
Leporello
Eh lasciate che vada: egli non merta
Ach lasst ihn gehen: er verdient nicht,
che di lui ci pensiate…
dass Ihr an ihn denkt…
Donna Elvira
Donna Elvira
Il scellerato
Der Schamlose
m'ingannò, mi tradì!
täuschte mich, verriet mich!
Leporello
Leporello
Eh consolatevi:
Ach tröstet Euch;
190
non siete voi,
Ihr seid,
non foste e non sarete
wart, werdet weder
né la prima né l'ultima; guardate,
die erste noch die letzte sein; seht
questo non picciol libro è tutto pieno
dies nicht kleine Buch: es ist ganz voll
dei nomi di sue belle;
von den Namen seiner Schönen;
ogni villa, ogni borgo, ogni paese
jedes Haus, jede Stadt, jedes Land
195
è testimon di sue donnesche imprese.
ist Zeuge seiner Liebestaten.
No 4 Aria
Nr. 4 Arie
Leporello
    Madamina, il catalogo è questo
    Mein Fräulein, dies ist das Verzeichnis
delle belle che amò il padron mio;
der Schönen, die mein Herr liebte,
un catalogo egli è che ho fatt'io,
ein Verzeichnis ist dies, das ich gemacht habe,
osservate, leggete con me.
betrachtet und lest es mit mir.
200
    In Italia seicento e quaranta,
    In Italien sechshundertundvierzig,
in Lamagna duecento e trentuna,
in Deutschland zweihunderteinunddreißig,
cento in Francia, in Turchia novantuna,
hundert in Frankreich, in der Türkei einundneunzig,
ma in Ispagna son già mille e tre.Varianten in den Wiederholungen:
ma in Ispagna… son già mille e tre.
ma… in Ispagna son già mille e tre.
aber in Spanien sind es schon tausend und drei.Varianten in den Wiederholungen:
aber in Spanien… sind es schon tausend und drei.
aber… in Spanien sind es schon tausend und drei.
    V'han fra queste contadine,
    Darunter sind Bäuerinnen,
205
cameriere e cittadine,
Zimmermädchen, Bürgerinnen,
v'han contesse, baronesse,
Gräfinnen, Baronessen,
marchesane, principesse,
Markgräfinnen, Prinzessinnen,
e v'han donne d'ogni grado,
Frauen jeden Ranges,
d'ogni forma, d'ogni età.
jeder Gestalt und jeden Alters.
210
    Nella bionda egli ha l'usanza
    Bei der Blonden lobt er
di lodar la gentilezza,
gewöhnlich die Liebenswürdigkeit,
nella bruna la costanza,
bei der Brünetten die Beständigkeit,
nella bianca la dolcezza.
bei der Blassen ihre Süße.
Vuol d'inverno la grassotta,
Er will winters die Dickliche,
215
vuol d'estate la magrotta;
er will sommers die Magere;
è la grande maestosa,
es ist die Große majestätisch,
la piccina è ognor vezzosa.
es ist die Kleine jederzeit kokett…
Delle vecchie fa conquistaFür die Wiener Fassung des Don Giovanni von 1788 hat Mozart die Takte 124–135 von No 4 Aria „Madamina, il catalogo è questo“ (Leporello) mit der Vertonung des Vierzeilers:

Delle vecchie fa conquista
pel piacer di porle in lista,
ma passion predominante
è la giovin principiante.

streichen lassen.

Die Kürzung ist nicht in der autographen Partitur belegt (vgl. Quelle A, Faszikel 2, folio 42v und folio 43r). Allerdings ist Mozarts „NB“ [„Nota bene“] bei der Streichung der Takte 124–135 in der Partiturabschrift für die Wiener Aufführungen des Don Giovanni zu erkennen (Quelle E1, Band I, Blatt 103r, Eintrag in heller Tinte oberhalb der Akkolade zum Taktstrich 135/136). Vgl. Wolfgang Rehm, Kritischer Bericht, Neue Mozart-Ausgabe, Serie II: Bühnenwerke 5/17, Kassel 2003, S. 44, 222–223 und 248 (Berechtigungen und Ergänzungen zum Notenband, Seite 87/88, Takt 124–135). Siehe dazu auch Ian Woodfield, The Vienna Don Giovanni, Woodbridge 2010, S. 85f.
Ob die Streichung für die Wiener Erstaufführung am 7. Mai 1788 oder erst später für eine der 15 Wiederholungen bis zum 15. Dezember 1788 vorgenommen wurde, bleibt offen. Da sie im Unterschied zu anderen Kürzungen in der Arie No 12 „Batti, batti, o bel Masetto“ (Zerlina) und im Finale zum zweiten Akt nicht in der autographen Partitur (Quelle A) belegt ist, sondern direkt in die Aufführungspartitur (Quelle E1) notiert wurde, dürfte sie auf jeden Fall etwas später als die Streichungen in der autographen Partitur vorgenommen worden sein. Ob sie schon bei den Proben zur Wiener Premiere oder bei einer der darauffolgenden Wiederholungen stattgefunden hat, lässt sich dennoch nicht eruieren. In den Referenzpartituren F1 (Bd. 1, Bl. 99v–100v) und Melk II (Bd. 1, S. 196–198) ist keine Kürzung belegt.
Die Alten erobert er
pel piacer di porle in lista,
wegen des Vergnügens, sie in die Liste einzureihen
220
ma passion predominante
seine Vorliebe aber hat
è la giovin principiante.
die junge Anfängerin.
Non si picca se sia ricca,
Es kümmert ihn nicht, ob sie reich sei,
se sia brutta, se sia bella:
ob sie hässlich, ob sie schön sei:
purché porti la gonnella
wenn sie nur einen Rock trägt,
225
voi sapete quel che fa.
Ihr wisst schon, was er tut.
(Parte.)
Er geht ab.
SCENA VI
SZENE VI.
Donna Elvira sola.
Donna Elvira allein.
Recitativo
Rezitativ
Donna Elvira
In questa forma dunque
Auf diese Weise also
mi tradì il scellerato! È questo il premio
verriet mich der Schamlose! Ist dies der Lohn,
che quel barbaro rende all'amor mio?
den der Grausame mir für meine Liebe gibt?
Ah vendicar vogl'io
Ah ich will
230
l'ingannato mio cor: pria ch'ei mi fugga…
mein betrogenes Herz rächen: bevor er mir flieht…
si ricorra… si vada… Io sento in petto
eile man… gehe man… Ich fühle in der Brust
sol vendetta parlar, rabbia e dispetto.
nur Rache sprechen, Zorn und Verachtung.
(Parte.)
Sie geht ab.
SCENA VII
SZENE VII.
Masetto, Zerlina  e coro di contadini e contadine che suonano, ballano e cantano.
Masetto und Zerlina; Chor der Bauern und Bäuerinnen, welche Instrumente spielen, tanzen und singen.
No 5 Coro
Nr. 5 Chor
Zerlina
Zerlina
    Giovinette che fate all'amore,
    Mädchen, die ihr liebt,
non lasciate che passi l'età:
lasst die Zeit nicht verstreichen:
235
se nel seno vi bulica il core,
wenn im Busen das Herz brennend euch schlägt,
il rimedio vedetelo qua.
seht nur das Heilmittel dort.
Che piacer, che piacer che sarà!
Welch Vergnügen wird das sein!
Coro di contadine
Chor der Bäuerinnen
Ah che piacer, che piacer che sarà!
La la la ra la la la la ra la.
Ah — welch Vergnügen wird das sein,
Masetto
Masetto
240
    Giovinotti leggeri di testa,
    Jünglinge leichten Sinnes,
non andate girando qua e là:Variante in den Wiederholungen:
non andate girando e qua e là:
schweift nicht hin und her.
poco dura de' matti la festa,
Kurz dauert das närrische Fest,
ma per me cominciato non ha.
doch für mich hat es noch nicht begonnen.
Che piacer, che piacer che sarà!
Welch Vergnügen wird das sein!
Coro di contadini
Chor der Bauern
245
Che piacer, che piacer che sarà!
Ah — welch Vergnügen wird das sein,
La la la ra la la la la ra la.
la la la ra la, la la la ra la!
Masetto, Zerlina
Masetto, Zerlina
    Vieni, vieni, carino|carina, e godiamo
    Komm, komm, Süße(r), genießen wir,
e cantiamo e balliamo e saltiamo.
und singen und tanzen und springen wir;
Ah — welch Vergnügen wird das sein!
Che piacer, che piacer che sarà!
la la la ra la, la la la ra la!
Coro
Chor
250
Ah che piacer, che piacer che sarà!
Ah — welch Vergnügen wird das sein!
La la la ra la la ra la la ra la.
la la la ra la, la la la ra la!
SCENA VIII
SZENE VIII.
Masetto, Zerlina, coro di contadini e contadine. Don Giovanni e Leporello da parte.
Masetto und Zerlina; Chor der Bauern und Bäuerinnen. Don Giovanni und Leporello abseits.
Recitativo
Rezitativ
Don Giovanni
Don Giovanni
Manco male è partita… oh guarda guarda
Gott sei Dank, sie ist abgereist: O schau, schau,
che bella gioventù, che belle donne!
welch schöne Jugend! welch schöne Frauen!
Leporello
Leporello
Fra tante, per mia fé,
Unter so vielen, meiner Treu,
255
vi sarà qualche cosa anche per me.
wird auch für mich etwas sein.
Don Giovanni
Don Giovanni
Cari amici, buon giorno: seguitate
Liebe Freunde, guten Tag: macht nur
a stare allegramente,
fröhlich weiter,
seguitate a suonar, o buona gente.
spielt weiter eure Instrumente, gute Leute.
C'è qualche sposalizio?
Gibt es eine Hochzeit? —
Zerlina
Zerlina
Sì signore,
Ja, Herr,
260
e la sposa son io.
und die Braut bin ich.
Don Giovanni
Don Giovanni
Me ne consolo.
Das freut mich.
Lo sposo?
Der Bräutigam?
Masetto
Masetto
Io, per servirla.
Ich, Euch zu dienen.
Don Giovanni
Don Giovanni
Oh bravo! per servirmi: questo è vero
O brav! mir zu dienen: so spricht
parlar da galantuomo.
ein wahrer Ehrenmann.
Leporello
Leporello
Basta che sia marito.
Vorausgesetzt, er ist Ehemann.
Zerlina
Zerlina
Oh il mio Masetto
O mein Masetto
265
è un uom d'ottimo core.
ist ein Mann von gutem Herzen.
Don Giovanni
Don Giovanni
Oh anch'io, vedete!
O ich auch, Ihr werdet sehen!
Voglio che siamo amici: il vostro nome?
Ich will, dass wir Freunde werden: Euer Name?
Zerlina
Zerlina
Zerlina.
Zerlina.
Don Giovanni
Don Giovanni
E il tuo?
Und deiner?
Masetto
Masetto
Masetto.
Masetto.
Don Giovanni
Don Giovanni
O caro il mio Masetto!
O mein lieber Masetto!
cara la mia Zerlina! v'esibisco
Meine liebe Zerlina! Ich biete
270
la mia protezione…
euch meinen Schutz an.
(A Leporello che fa dei scherzi alle altre contadine.)
zu Leporello, der mit den anderen Bauernmädchen scherzt.
Leporello…
Leporello…
Cosa fai lì, birbone?
was tust du da, Spitzbube? —
Leporello
Leporello
Anch'io, caro padrone,
Auch ich, teurer Herr,
esibisco la mia protezione.
biete meinen Schutz an.
Don Giovanni
Don Giovanni
Presto, va' con costor: nel mio palazzo
Schnell, geh mit denen da: führe sie
275
conducili sul fatto; ordina ch'abbiano
augenblicklich in meinen Palast; bestelle ihnen
cioccolata, caffè, vini, prosciutti;
Schokolade, Kaffee, Wein, Schinken;
cerca divertir tutti;
suche alle zu unterhalten,
mostra loro il giardino,
zeige ihnen den Garten,
la galleria, le camere; in effetto
die Galerie, die Zimmer; kurz
280
fa' che resti contento il mio Masetto.
mach, dass mein Masetto zufrieden ist.
Hai capito?
Hast du verstanden? —
Leporello
Leporello
Ho capito: andiam.
Ich habe verstanden: gehen wir!
Masetto
Masetto
Signore…
Herr…
Don Giovanni
Don Giovanni
Cosa c'è?
Was gibt's?
Masetto
Masetto
La Zerlina
Zerlina
senza me non può star.
darf ohne mich nicht bleiben.
Leporello
Leporello
In vostro loco
Seine Exzellenz
vi sarà Sua Eccellenza, e saprà bene
wird Euch gut vertreten: und er wird
285
fare le vostre parti.
Eure Rolle gut zu spielen wissen.
Don Giovanni
Don Giovanni
Oh la Zerlina
O Zerlina
è in man d'un cavalier: va' pur, fra poco
ist in den Händen eines Kavaliers: geh nur, bald
ella meco verrà.
kommt sie mit mir nach.
Zerlina
Zerlina
Va', non temere!
Geh, fürchte nichts!
Nelle mani son io d'un cavaliere.
Ich bin in den Händen eines Kavaliers.
Masetto
Masetto
E per questo?
Und das heißt?
Zerlina
Zerlina
E per questo
Und das heißt,
290
non c'è da dubitar.
dass es nichts zu zweifeln gibt.
Masetto
Masetto
Ed io, cospetto…
Und ich, verflucht…
Don Giovanni
Don Giovanni
Olà, finiam le dispute: se subito
Olà, beenden wir den Streit: wenn du nicht sofort
senz'altro replicar non te ne vai,
ohne weitere Widerrede gehst,
(Mostrandogli la spada.)
zeigt ihm den Degen
Masetto, guarda ben, ti pentirai.
Masetto, pass gut auf, wirst du es bereuen.
No 6 Aria
Nr. 6 Arie
Masetto
Masetto
    Ho capito, signor sì,
    Ich habe verstanden, jawohl mein Herr,
295
chino il capo e me ne vo:
ich neige das Haupt und gehe:
già che piace a voi così,
da es Euch nun einmal so gefällt.
altre repliche non fo.Variante in den Wiederholungen:
No, no, no, no, no, no, non fo.
Ich widerspreche weiter nicht.Variante in den Wiederholungen:
Nein, nein, nein, nein, nein, nein, ich tue es nicht.
    Cavalier voi siete già,
    Ihr seid ja doch Edelmann,
dubitar non posso affé:
zweifeln darf ich keineswegs:
300
me lo dice la bontà
Mir sagt es die Güte,
che volete aver per me.
die Ihr mir erweisen wollt.
(Da parte a Zerlina.)
beiseite zu Zerlina
    Bricconaccia, malandrina,
    Schurkin, Dirne,
fosti ognor la mia ruina.
du warst schon immer mein Verderben.
(A Leporello che lo vuol condur seco.)
zu Leporello, der ihn fortzubringen versucht
Vengo, vengo!
Ich komme, ich komme!
(A Zerlina.)
zu Zerlina
Resta, resta!
Bleibe, bleibe!
305
È una cosa molto onesta:
Es ist eine sehr ehrenwerte Sache:
faccia il nostro cavaliere
es mache unser Edelmann
cavaliera ancora te.
noch eine Edelfrau aus dir.
(Va via.)
ab
SCENA IX
SZENE IX.
Don Giovanni e Zerlina.
Don Giovanni und Zerlina.
Recitativo
Rezitativ
Don Giovanni
Don Giovanni
Alfin siam liberati,
Endlich, liebliche Zerlina,
Zerlinetta gentil, da quel scioccone.
sind wir von diesem Dummkopf befreit:
310
Che ne dite, mio ben, so far pulito?
Was sagt Ihr dazu, meine Liebe, habe ich reinen Tisch gemacht?
Zerlina
Zerlina
Signore, è mio marito…
Herr, er wird mein Mann…
Don Giovanni
Don Giovanni
Chi? Colui?
Wer? der?
Vi par che un onest'uomo,
Meint Ihr, dass ein Mann von Ehre,
un nobil cavalier come io mi vanto,
ein Edelmann, wie ich,
possa soffrir che quel visetto d'oro,
es ertragen kann, dass dieses Goldgesichtchen,
315
quel viso inzuccherato,
dies zuckersüße Antlitz,
da un bifolcaccio vil sia strapazzato?
von einem Bauerntölpel verdorben werde?
Zerlina
Zerlina
Ma signor, io gli diedi
Aber Herr, ich gab ihm
parola di sposarlo.
mein Wort, ihn zu heiraten.
Don Giovanni
Don Giovanni
Tal parola
Dieses Wort
non vale un zero; voi non siete fatta
ist nicht soviel wert; Ihr seid nicht dazu gemacht,
320
per essere paesana: un'altra sorte
auf dem Dorf zu leben: eine andere Zukunft
vi procuran quegli occhi bricconcelli,
bereiten Euch diese schelmischen Augen,
quei labbretti sì belli,
diese so schönen Lippen,
quelle dituccia candide e odorose;
diese weißen und duftenden Fingerchen:
parmi toccar giuncata e fiutar rose.
sie fühlen sich wie Topfen an und duften wie Rosen.
Zerlina
Zerlina
325
Ah non vorrei…
Ah ich möchte nicht…
Don Giovanni
Don Giovanni
Che non vorresti?
Was möchtet Ihr nicht?
Zerlina
Zerlina
Alfine
Am Ende
ingannata restar; io so che raro
betrogen sein; ich weiß, dass ihr Edelleute
colle donne voi altri cavalieri
es mit den Frauen selten
siete onesti e sinceri.
ernst und ehrlich meint.
Don Giovanni
Don Giovanni
Eh un'impostura
Pah eine Einbildung
della gente plebea! La nobiltà
des niederen Volkes! Dem Adel
330
ha dipinta negl'occhi l'onestà.
ist die Ehrenhaftigkeit in die Augen geschrieben.
Orsù, non perdiam tempo: in questo istante
Auf, verlieren wir keine Zeit: in diesem Augenblick
io ti voglio sposar.
will ich dich heiraten.
Zerlina
Zerlina
Voi?
Ihr?
Don Giovanni
Don Giovanni
Certo, io.
Sicher, ich.
Quel casinetto è mio: soli saremo,
Das Schlösschen dort ist mein: wir werden allein sein,
e là, gioiello mio, ci sposeremo.
und dort, mein Kleinod, werden wir Hochzeit halten.
No 7 Duettino
Nr. 7 Duettino
Don Giovanni
335
    Là ci darem la mano,
    Dort werden wir uns die Hand geben,
là mi direte sì;Variante nach dem Libretto-Druck Prag 1787:
là mi dirai di sì;

Der zweite Vers von No 7 Duettino „Là ci darem la mano“ ist in drei Varianten überliefert:

Variante 1: „e là mi dirai sì“ (Quelle W1: Libretto-Druck Wien 1787)
Variante 2: „là mi direte sì“ (Quelle A: Autographe Partitur)
Variante 3: „là mi dirai di sì“ (Quellen P und W2: Libretto-Drucke Prag 1787 und Wien 1788)

Im ersten unvollständigen Libretto-Druck Wien 1787 (Quelle W1, Seite 19) steht die metrisch noch nicht ausgereifte Variante „e là mi dirai sì“ („und dort wirst du ja zu mir sagen“) – der Settenario tronco hat hier zwar die korrekte Anzahl der metrischen Silben, der natürliche Akzent im Wort „dirài“ fällt aber regelwidrig auf die fünfte metrische Silbe des Verses unmittelbar vor dem letzten metrischen Hauptakzent auf „sì“. In seiner autographen Partitur hat Mozart den Vers sowohl beim ersten Auftreten in T. 3–4 (Quelle A, Faszikel 3, folio 59r) als auch bei seiner Wiederholung in T. 34–35 (Quelle A, Faszikel 3, folio 60v, T. 34–35) immer konsistent in der Variante „là mi direte sì“ („dort werdet Ihr ja zu mir sagen“) mit regelkonformer Akzentuierung der vierten statt der fünften metrischen Silbe geschrieben. In den Libretto-Drucken Prag 1787 (Quelle P, Seite 21) und Wien 1788 (Quelle W2, Seite 20) ist der Vers in der metrisch ebenfalls korrekten Variante „là mi dirai di sì“ („dort wirst du ja zu mir sagen“) überliefert.
Die zeitliche Reihenfolge bei der Entstehung dieser drei möglichen Varianten des Verses lässt sich nicht mit Gewissheit eruieren. Sehr wahrscheinlich stellt die Variante im ersten unvollständigen Libretto-Druck Wien 1787 (Quelle W1: „e là mi dirai sì“) die ursprüngliche Fassung aus dem verschollenen Libretto-Entwurf Da Pontes dar. Hypothetisch ist zwar denkbar, dass eine der zwei metrisch korrekteren Varianten der autographen Partitur (Quelle A: „là mi direte sì“) bzw. der Libretti-Drucke Prag 1787 und Wien 1788 (Quellen P und W2: „là mi dirai di sì“) bereits im Entwurf des Librettisten notiert war und dass die Variante des Libretto-Drucks Wien 1787 (Quelle W1) erst durch einen Druckfehler entstanden ist. Das würde aber voraussetzen, dass der Drucker aus freien Stücken eine Konjunktion „e“ zu Beginn des Verses hinzugefügt und dazu noch entweder die Verbform „direte“ (wie in Quelle A) zu „dirai“ geändert oder die Präposition „di“ (wie in den Quellen P und W2) ausgelassen hat. Derart weitreichende Eingriffe, insbesondere die gezielte Ergänzung einer Konjunktion an die richtige Stelle eines Satzes, können aber kaum durch den Fehler eines Druckers verursacht worden sein. Viel wahrscheinlicher hat hier der Drucker in Quelle W1 die erste, grammatikalisch korrekte, aber metrisch noch nicht zufriedenstellende Variante aus dem ersten Textentwurf Da Pontes übernommen, die Mozart und der Librettist dann jeweils bei der Vertonung in der autographen Partitur (Quelle A) bzw. in den Libretto-Drucken für die Prager Premiere und für die Wiener Erstaufführung (Quellen P und W2) verbessert haben. Demnach sind beide Varianten der autographen Partitur („là mi direte sì“) respektive der Libretto-Drucke Prag 1787 und Wien 1788 („là mi dirai di sì“) zeitlich wohl erst nach der Variante des Libretto-Drucks Wien 1787 entstanden. Dabei wurde in beiden Quellensträngen – in der autographen Partitur genauso wie in den Libretto-Drucken Prag 1787 und Wien 1788 – die regelwidrige Akzentuierung der fünften metrischen Silbe aus der ursprünglichen Entwurfsversion durch die Auslassung der Anfangskonjunktion „e“ behoben, womit der metrische Hauptakzent des Settenario tronco von der fünften auf die vierte metrische Silbe des Verses fällt. Die durch die Auslassung der Anfangskonjunktion nun fehlende metrische Silbe wurde allerdings in den zwei Quellensträngen unterschiedlich kompensiert: In Quelle A wurde das zweisilbige Verb in der zweiten Person Singular (Anrede mit Du: „dirai“) zur dreisilbigen Höflichkeitsform der zweiten Person Plural (Anrede mit Ihr: „direte“) geändert; in den Quellen P und W2 wurde hingegen das Verb in der zweiten Person Singular „dirai“ beibehalten, dafür aber die Präposition „di“ zum Objekt des Verbs „sì“ ergänzt („dirai di“). Letztere Lösung klingt in der italienischen Sprache leicht idiomatischer, da das Objekt zum Verb „dire“ in der Regel durch die Präposition „di“ eingeführt wird (ähnlich dem Genitivobjekt bei Verben wie „bedürfen des/der“ in der deutschen Sprache). Dennoch kann das Objekt zum Verb „dire“ hier auch im Sinne einer direkten Rede verstanden werden (-> là mi direte: “sì” = dort werdet Ihr „ja“ zu mir sagen), sodass auch die Version der autographen Partitur als grammatikalisch korrekt zu betrachten ist.

Chronologische Reihenfolge, Abhängigkeitsverhältnis und Autorschaft der zwei endgültigen Varianten in der autographen Partitur bzw. in den Libretto-Drucken Prag 1787 und Wien 1788 bleiben offen. Eine andere Textstelle im Atto primo legt die Vermutung nahe, dass die Variante der autographen Partitur (Quelle A: „là mi direte sì“) zeitlich vor der Variante in den Libretto-Drucken (Quellen P und W2: „là mi dirai di sì“) entstanden ist: Zu Beginn der Scena IV ist in der autographen Partitur der ursprüngliche Ausdruck „così tardi“ („so spät“) in der Wendung „essendo così tardi“ („da es so spät ist“) von fremder Hand gestrichen und oberhalb des Systems genau durch jene Variante „l’alba chiara“ („helle Morgendämmerung“) ersetzt worden, die im Libretto-Druck Prag 1787 (bzw. später im Libretto-Druck Wien 1788) dokumentiert ist (vgl. Quelle A, Faszikel 2, folio 26v, siehe dazu auch den Kommentar zum entsprechenden Vers in dieser Edition). Hier zeigt sich also eindeutig, dass der Libretto-Druck Prag 1787 (bzw. Wien 1788) eine spätere Variante als Mozarts eigene Textunterlegung in der autographen Partitur überliefert. Wohl möglich, dass auch der zweite Vers des Duettino in ähnlicher Weise zuerst in der Variante der autographen Partitur und danach in der Variante des Libretto-Drucks Prag 1787 (und später des Libretto-Drucks Wien 1788) festgehalten wurde. Darüber hinaus scheint ein allmählicher Vorgang, bei dem zunächst eine metrisch noch mangelhafte und weniger idiomatische Wendung entworfen (Quelle W1: „e là mi dirai sì“), diese dann metrisch korrigiert (Quelle A: „là mi direte sì“) und schließlich phraseologisch verfeinert (Quellen P und W2: „là mi dirai di sì“) wurde, als konkreter Verbesserungsprozess durchaus plausibel. Dessen ungeachtet könnten die zwei Varianten der autographen Partitur bzw. der Libretto-Drucke Prag 1787 und Wien 1788 auch aus zwei unabhängig voneinander vorgenommenen Korrekturvorgängen des ursprünglichen Libretto-Entwurfs entstanden sein: Beide Varianten sind an sich metrisch und grammatikalisch korrekt, und anders als in der nachträglichen Änderung in der Scena IV (così tardi -> alba chiara, vgl. Quelle A, Faszikel 2, folio 26v) ist der Vers „là mi direte sì“ in der autographen Partitur sowohl beim ersten Auftreten (T. 3–4: Quelle A, Faszikel 3, folio 59r) als auch bei seiner Wiederholung (T. 34–35: Quelle A, Faszikel 3, folio 60v) weder gestrichen noch ersetzt worden. Er bleibt also per se eine Variante, die gleichberechtigt neben der Variante der Libretto-Drucke Prag 1787 und Wien 1788 steht.
Auch die Autorschaft der beiden Varianten lässt sich nicht ganz eindeutig feststellen. Für die Variante der autographen Partitur („là mi direte sì“) zeichnete freilich Mozart verantwortlich, allerdings ist nicht auszuschließen, dass hier die Verbesserung der ursprünglichen Fassung aus dem Libretto-Entwurf doch von Da Ponte angeregt oder vorgeschlagen wurde. Für die Variante der Libretto-Drucke Prag 1787 und Wien 1788 („là mi dirai di sì“), die wie erwähnt sprachlich noch etwas idiomatischer klingt, dürfte hingegen der Muttersprachler Da Ponte als offizieller Librettist die Verantwortung getragen haben.
Beide Varianten haben auch unabhängig voneinander Eingang in spätere Quellen gefunden. Die Variante des Libretto-Drucks Prag 1787 („là mi dirai di sì“), die später wie erwähnt in den Libretto-Druck Wien 1788 eingegangen ist, ist unter anderem in zwei Partiturabschriften der Prager Fassung (Quellen C1 und D1) dokumentiert. Die Variante der autographen Partitur („là mi direte sì“) ist nicht nur in der Partiturabschrift, die in der Überlieferungskette dem Autograph am nächsten liegt und wohl in direkter Verbindung mit der Uraufführung der Oper in Prag steht (Quelle B1), sondern auch in den beiden Referenzpartituren der Wiener Fassung (Quellen F1 und Melk II) beibehalten worden. In der Aufführungspartitur der Wiener Fassung E1 fehlt zwar die Nummer 7 komplett; da aber Quelle B1 (evtl. mittels einer Zwischenquelle) als Vorlage sowohl für Quelle E1 als auch für die Quellen F1 und Melk II diente (vgl. Ian Woodfield, The Vienna Don Giovanni, Woodbridge 2010, S. 31), ist anzunehmen, dass in Quelle E1 wie in den Quellen F1 und Melk II der Vers aus Quelle B1 in der Variante der autographen Partitur übertragen wurde. Somit dürfte der Vers sowohl bei der Prager Uraufführung am 29. Oktober 1787 als auch bei der Wiener Erstaufführung am 7. Mai 1788 am wahrscheinlichsten in der Version der autographen Partitur „là mi direte sì“ erklungen sein.
Demzufolge wird die Variante der autographen Partitur („là mi direte sì“) im Haupttext unserer Edition angezeigt. Die bekanntere Version nach den Libretto-Drucken Prag 1787 und Wien 1788 („là mi dirai di sì“), die im Haupttext der NMA ediert ist (vgl. Wolfgang Amadeus Mozart, Don Giovanni, Neue Mozart Ausgabe, Serie II: Bühnenwerke 5/17, hrsg. von Wolfgang Plath und Wolfgang Rehm, Kassel 1968, S. 111), wird dennoch als mögliche Variante in dieser Fußnote ediert. Die Variante des Libretto-Drucks Wien 1787 („e là mi dirai sì“) ist hingegen nur als Entwurf ohne Endgültigkeitsstatus zu betrachten und wird nur in der kritischen Edition dieses Libretto-Drucks wiedergegeben.
Am Schluss dieses Kommentars sei noch auf die semantischen Unterschiede zwischen den zwei definitiven Varianten des Verses kurz hingewiesen. In der Fassung der Libretto-Drucke Prag 1787 und Wien 1788 ergibt sich aus der Variante des Verses mit dem Verb in der zweiten Person Singular „là mi dirai di sì“ („dort wirst du ja zu mir sagen“) einen klaren Übergang bei Don Giovannis Anrede an Zerlina in Scena IX: von der Höflichkeitsform der zweiten Person Plural im Recitativo (Anrede mit Ihr) zur direkteren Umgangsform der zweiten Person Singular im Duetto (Anrede mit Du). Dieser Wechsel der pronominalen Anredeform dürfte bereits in Da Pontes Libretto-Entwurf vorgesehen sein, da er auch im unvollständigen Libretto-Druck Wien 1787 überliefert ist. Er kann als Zeichen für Don Giovannis auch sprachlich gewiefte Verführungskunst interpretiert werden: Er beginnt sein Werben um die Gunst Zerlinas in der höflichsten, galanten Anredeform mit Ihr, um das Eis zu brechen und zugleich seinem Heiratsantrag den Anschein von Ehrlichkeit zu verleihen, und geht dann, genau an der Schwelle zwischen Recitativo secco und geschlossener Nummer, zum Du über, wenn er in der Bäuerin bereits ein gewisses Vertrauen geweckt hat und so seine und seiner Angebeteten Leidenschaft frei entfachen kann. Man merke hier auch die schmeichelnde Wirkung, die es für eine Frau niedrigeren Standes wie Zerlina haben muss, plötzlich vom einem Edelmann per Du angesprochen zu werden, als ob sie durch das reine Heiratsversprechen bereits in den höheren Adelstand Don Giovannis wie durch eine reale Eheschließung erhoben würde. In Mozarts Version der autographen Partitur ist Don Giovannis Überredungskunst noch windiger, unvorhersehbarer, fast dämonischer. Hier geht der Libertin bereits am Ende des Rezitativs vom Ihr zum Du über, und zwar genau dann, wenn er sein Heiratsversprechen an Zerlina macht („Orsù, non perdiam tempo: in questo istante / io ti voglio sposar.“ = „Auf, verlieren wir keine Zeit: In diesem Augenblick will ich dich heiraten.“), wohingegen er in allen drei Libretto-Drucken Wien 1787, Prag 1787 und Wien 1788 noch beim Ihr bleibt („Orsù, non perdiam tempo: in questo istante / io vi voglio sposar.“ = „Auf, verlieren wir keine Zeit: In diesem Augenblick will ich Euch heiraten.“). Dem überraschenden, die Bäuerin wohl betörenden Wechsel vom Ihr zum Du im Heiratsversprechen des Recitativo secco der autographen Partitur entspricht nun im darauffolgenden Duettino der gleiche blendende Wechsel der Anredeform von Ihr im zweiten zum Du im dritten Vers der ersten Strophe: „là mi direte sì; / vedi non è lontanto“ („dort werdet Ihr ja zu mir sagen; sieh, es ist nicht weit“), umrahmt vom geschickt verbindenden Wir im ersten und letzten Vers des Vierzeilers.

Là ci darem la mano, Dort werden wir uns die Hand geben,
là mi direte sì; dort werdet Ihr ja zu mir sagen;
vedi non è lontano, sieh, es ist nicht weit,
partiam, mio ben, da qui. gehen wir fort von hier, mein Leben.

Beide Wechsel vom Ihr zum Du in den Libretto-Drucken oder in der autographen Partitur (bzw. in den Aufführungs- und Referenzpartituren der Prager und Wiener Fassung) bringen mit linguistischer Raffinesse Don Giovannis Rede- und Verführungskunst zum Ausdruck, in den Libretti eher mit klarem rationalem Kalkül, in der autographen Partitur mit unbändiger, zwingender Kraft.
dort wirst du ja zu mir sagen;
vedi, non è lontano,
sieh, es ist nicht weit,
partiam, ben mio, da qui.
gehen wir fort von hier, mein Leben.
Zerlina
Zerlina
    Vorrei e non vorrei,
    Ich möchte, und ich möchte nicht,
340
mi trema un poco il cor;
mir zittert etwas das Herz;
felice, è ver, sarei,
glücklich wäre ich, sicher,
ma può burlarmi ancor.
doch er kann mich noch betrügen.
Don Giovanni
Don Giovanni
    Vieni, mio bel diletto…Variante in den Wiederholungen:
Vieni, vieni.
    Komm, mein schönes Glück;Variante in den Wiederholungen:
Komm, komm.
Zerlina
Zerlina
Mi fa pietà Masetto…
Masetto tut mir leid.
Don Giovanni
Don Giovanni
345
Io cangerò tua sorte…
ich ändere dein Geschick.
Zerlina
Zerlina
Presto non son più forte…
bald bin ich nicht mehr stark.
Don Giovanni
Don Giovanni
    Andiam, andiam.
    gehn wir, gehn wir…
Zerlina
Zerlina
Andiam.
gehn wir…
a due
Don Giovanni, Zerlina
Andiam, andiam, mio bene,
Gehn wir, gehn wir, mein Leben,
a ristorar le peneVariante in den Wiederholungen:
le pene a ristorar
um die Schmerzen
350
d'un innocente amor.
einer unschuldigen Liebe zu stillen.
(Vanno verso il casino di Don Giovanni abbracciati etc.)
Umschlungen usw. wenden sie sich Don Giovannis Schlösschen zu.
SCENA X
SZENE X.
I suddetti e Donna Elvira che ferma con atti disperatissimi Don Giovanni etc.
Die Vorigen und Donna Elvira, die mit verzweifelten Gebärden Don Giovanni aufzuhalten versucht.
Recitativo
Rezitativ
Donna Elvira
Donna Elvira
Fermati, scellerato: il ciel mi fece
Halt Schändlicher: der Himmel ließ mich
udir le tue perfidie; io sono a tempo
deine Abgefeimtheiten hören; ich bin rechtzeitig da,
di salvar questa misera innocente
diese elende Unschuldige
dal tuo barbaro artiglio.
vor deinen barbarischen Krallen zu schützen.
Zerlina
Zerlina
355
Meschina, cosa sento!
Ich Ärmste, was höre ich!
Don Giovanni
Don Giovanni
(Amor, consiglio!)
(Amor, rate mir!)
(A Donna Elvira piano.)
leise zu Donna Elvira
Idol mio, non vedete
Mein Alles, seht Ihr nicht,
ch'io voglio divertirmi…
dass ich Spaß haben möchte…
Donna Elvira
Donna Elvira
(Forte.)
laut
Divertirti?
Spaß haben? —
È vero! divertirti! Io so, crudele,
Richtig! Ich weiß, Grausamer,
come tu ti diverti…
wie du spaßt…
Zerlina
Zerlina
360
Ma signor cavaliere…
Aber gnädiger Herr…
è ver quel ch'ella dice?
ist es wahr, was sie sagt?
Don Giovanni
Don Giovanni
(Piano a Zerlina.)
leise zu Zerlina
La povera infelice
Die arme Unglückliche
è di me innamorata, e per pietà
ist in mich verliebt, und aus Mitleid
deggio fingere amore,
muss ich Liebe vortäuschen;
365
ch'io son per mia disgrazia uom di buon core.
denn ich habe zu meinem Unglück ein gutes Herz.
No 8 Aria
Nr. 8 Arie
Donna Elvira
Donna Elvira
    Ah fuggi il traditor,Variante in den Wiederholungen:
Ah fuggi.
    Ah fliehe den Betrüger,Variante in den Wiederholungen:
Ah fliehe.
non lo lasciar più dir:
lass ihn nichts mehr sagen:
il labbro è mentitor,
die Lippe ist lügnerisch,
fallace il ciglio.Variante in den Wiederholungen:
fallace il ciglio, sì.
die Wimper falsch.Variante in den Wiederholungen:
die Wimper falsch, ja.
370
    Da' miei tormenti impara
    Aus meinen Qualen lerne,
a creder a quel cor,
diesem Herzen zu glauben,
e nasca il tuo timor
und Furcht wachse dir
dal mio periglio.
aus meiner Gefahr.
(Parte conducendo seco Zerlina.)
Sie geht ab und nimmt Zerlina mit.
SCENA XI
SZENE XI.
Don Giovanni solo, poi Don Ottavio e Donn'Anna.
Don Giovanni allein; dann Don Ottavio und Donn'Anna.
Recitativo
Rezitativ
Don Giovanni
Don Giovanni
Mi par ch'oggi il demonio si diverta
Mir scheint, der Teufel ergötzt sich heute daran,
375
d'opporsi a' miei piacevoli progressi;
sich meinen vergnüglichen Plänen entgegenzustellen;
vanno mal tutti quanti.
sie gehen alle schief.
Don Ottavio
Don Ottavio
Ah ch'ora, idolo mio, son vani i pianti!
Ach jetzt, mein Alles, nützen die Tränen nichts!
Di vendetta si parli. Ah Don Giovanni!
Sprechen wir von Rache… Ah Don Giovanni!
Don Giovanni
Don Giovanni
(Mancava questo inver!)
(Das fehlte wirklich noch.)
Donn'Anna
Donn'Anna
Signore, a tempo
Mein Herr, zur rechten Zeit
380
vi ritroviam: avete core, avete
treffen wir Euch: habt Ihr Herz, habt Ihr
anima generosa?
Großmut?
Don Giovanni
Don Giovanni
(Sta' a vedere
(Sicherlich
che il diavolo gliAnders als in allen direkten Quellen des Textes (autographe Partitur und Libretto-Drucke Wien 1787, Prag 1787 und Wien 1788, klicken Sie bitte auf den Vers in der linken Spalte) steht das Pronomen in NMA nicht im Plural („gli“), sondern im Singular (“le”). Vgl. Wolfgang Amadeus Mozart, Don Giovanni, Neue Mozart Ausgabe, Serie II: Bühnenwerke 5/17, hrsg. von Wolfgang Plath und Wolfgang Rehm, Kassel 1968, S. 121 sowie Wolfgang Plath und Wolfgang Rehm, Kritischer Bericht, Neue Mozart-Ausgabe, Serie II: Bühnenwerke 5/17, Kassel 2003, S. 108, T. 11. Dadurch ändert sich der ursprüngliche Sinn des Satzes („Sicherlich hat der Teufel ihnen etwas gesagt.“), da das Pronomen nicht mehr auf beide Don Ottavio und Donn’Anna, sondern nur auf Letztere bezogen ist („Sicherlich hat der Teufel ihr etwas gesagt.“). ha detto qualche cosa.)
hat der Teufel ihr etwas gesagt.)
Che domanda! Perché?
Welche Frage! was gibt's?
Donn'Anna
Donn'Anna
Bisogno abbiamo
Wir brauchen
della vostra amicizia.
Eure Freundschaft.
Don Giovanni
Don Giovanni
385
(Mi torna il fiato in corpo.) Comandate:
(Die Lebensgeister kehren mir zurück.) Befehlt:
(Con molto foco.)
sehr feurig
i congiunti, i parenti,
all meine Verwandten,
questa man, questo ferro, i beni, il sangue
diese Hand, dieses Eisen, meine Güter, mein Blut
spenderò per servirvi.
opfre ich, um Euch zu dienen:
Ma voi, bella Donn'Anna,
Aber Ihr, schöne Donna Anna,
390
perché così piangete?
weshalb weint Ihr so?
Il crudele chi fu che osò la calma
Wer war der Grausame, der es wagte, die Ruhe
turbar del viver vostro…
Eures Lebens zu stören…
SCENA XII
SZENE XII.
I suddetti, Donna Elvira.
Die Vorigen; Donna Elvira.
Recitativo
Rezitativ
Donna Elvira
Donna Elvira
Ah ti ritrovo ancor, perfido mostro!
Ah treffe ich dich noch immer, falsches Ungeheuer?
No 9 Quartetto
Nr. 9 Quartett
Donna Elvira
    Non ti fidar, o misera,
    Glaube nicht, o Elende,
395
di quel ribaldo cor:
diesem verruchten Herzen!
me già tradì quel barbaro,
Mich schon betrog dieser Barbar:
te vuol tradire ancor.
dich will er noch betrügen.
Donn'Anna, Don Ottavio
Donn'Anna, Don Ottavio
    Cieli! che aspetto nobile!
    Himmel! welch edler Anblick!
Che dolce maestà!
Welch süße Majestät!
400
Il suo pallor, le lagrime
Ihre Blässe, die Tränen
m'empiono di pietà.
erfüllen mich mit Mitleid.
Don Giovanni
Don Giovanni
(A parte, Donna Elvira ascolta.)
beiseite, Donna Elvira hört zu.
    La povera ragazza
    Das arme Mädchen
è pazza, amici miei:
ist von Sinnen, meine Freunde;
lasciatemi con lei,
lasst mich mit ihr allein,
405
forse si calmerà.
vielleicht beruhigt sie sich.
Donna Elvira
Donna Elvira
    Ah non credete al perfido!
    Ah glaubt dem Falschen nicht!
Don Giovanni
Don Giovanni
È pazza, non badate.
Sie ist von Sinnen, achtet nicht darauf,
Donna Elvira
Restate ancor, restate!Variante in den Wiederholungen:
Restate!
Bleibt noch, bleibt!Variante in den Wiederholungen:
Bleibt!
Donn'Anna, Don Ottavio
Donn'Anna, Don Ottavio
A chi si crederà?
Wem soll man glauben?
Don Giovanni, Donn'Anna, Don Ottavio
Don Giovanni, Donn'Anna, Don Ottavio
410
    Certo moto d'ignoto tormento|spavento
    Eine gewisse Regung unbekannter Qual|unbekannten Schreckens
dentro l'alma girare mi sento
fühle ich in meiner Seele,
che mi dice per quella infelice
die mir über diese Unglückliche
cento cose che intender non sa.Variante in den Wiederholungen:
cento cose che intender non sa, no.
hundert unverständliche Dinge sagt.Variante in den Wiederholungen:
hundert Dinge, die er nicht verstehen kann, nein.
Donna Elvira
Donna Elvira
    Sdegno, rabbia, dispetto, tormento
    Empörung, Zorn, Verachtung, Qual
415
dentro l'alma girare mi sento
fühle ich in meiner Seele,
che mi dice di quel traditore
die mir über diesen Verräter
cento cose che intender non sa.Variante in den Wiederholungen:
cento cose che intender non sa, no.
hundert unverständliche Dinge sagt.Variante in den Wiederholungen:
hundert Dinge, die er nicht verstehen kann, nein.
Don Ottavio
Don Ottavio
(A parte.)
beiseite
    Io di qua non vado via,
    Ich gehe von hier nicht fort,
se non scopro questo affar.
wenn ich die Sache nicht kläre.
Donn'Anna
Donn'Anna
(A parte.)
beiseite
420
Non ha l'aria di pazzia
Ihr Antlitz, ihre Sprache
il suo volto, il suo parlar.
hat nichts von Wahnsinn.
Don Giovanni
Don Giovanni
(A parte.)
    Se men vado si potria
    Wenn ich fortgehe, könnte man
qualche cosa sospettar.
Verdacht schöpfen.
Donna Elvira
Donna Elvira
Da quel ceffo si dovria
Nach diesem Haarschopf müsste man
425
la ner'alma giudicar.
die schwarze Seele beurteilen.
Don Ottavio
Don Ottavio
(A Don Giovanni.)
zu Don Giovanni
    Dunque quella?
    Diese also?
Don Giovanni
Don Giovanni
È pazzarella.
Ist nicht ganz bei sich.
Donn'Anna
Donn'Anna
(A Donna Elvira.)
zu Donna Elvira
Dunque quegli?
Dieser also?
Donna Elvira
Donna Elvira
È un traditore.
Ist ein Verräter:
Don Giovanni
Don Giovanni
Infelice!
Unglückliche!
Donna Elvira
Donna Elvira
Mentitore!
Lügner!
Donn'Anna, Don Ottavio
Donn'Anna, Don Ottavio
Incomincio a dubitar.
Ich beginne zu zweifeln.
Don Giovanni
Don Giovanni
(Piano a Donna Elvira.)
leise zu Donna Elvira
430
    Zitto, zitto, che la gente
    Still, still, Leute
si raduna a noi d'intorno;
versammeln sich um uns,
siate un poco più prudente,
seid etwas vorsichtiger,
vi farete criticar.Varianten in den Wiederholungen:

Zitto, zitto,
si raduna a noi la gente:
siate un poco più prudente!
Vi farete criticar.

Zitto, zitto:
siate un poco più prudente,
vi farete criticar.
man wird schlecht von Euch reden.Varianten in den Wiederholungen:

Still, still,
Leute versammeln sich um uns:
Seid etwas vorsichtiger!
Man wird schlecht von Euch reden.

Still, still:
Seid etwas vorsichtiger,
man wird schlecht von Euch reden.
Donna Elvira
Donna Elvira
(Forte a Don Giovanni.)
laut zu Don Giovanni
    Non sperarlo, o scellerato,
    Hoffe das nicht, o Schurke,
435
ho perduta la prudenza:Variante in den Wiederholungen:
Non sperarlo, o scellerato!
Ho perduta la prudenza:
ich habe die Vorsicht verloren:Variante in den Wiederholungen:
Hoffe das nicht, o Schurke!
Ich habe die Vorsicht verloren:
le tue colpe ed il mio stato
Deine Schuld und meinen Zustand
voglio a tutti palesar.
will ich allen offen zeigen.
Donn'Anna, Don Ottavio
Donn'Anna, Don Ottavio
(A parte, guardando Don Giovanni.)
beiseite, Don Giovanni beobachtend.
    Quegli accenti sì sommessi,
    Diese so leisen Töne,
quel cangiarsi di colore
dieses Wechselspiel der Farben,
440
son indizi troppo espressi
sind allzu deutliche Zeichen,
che mi fan determinar.
sie machen mich sicher.
(Parte Donna Elvira.)
Donna Elvira geht ab.
Recitativo
Rezitativ
Don Giovanni
Don Giovanni
Povera sventurata! I passi suoi
Arme Unglückliche! ich will ihren Schritten
voglio seguir: non voglio
folgen: ich will nicht,
che faccia un precipizio. Perdonate,
dass sie etwas Unüberlegtes tut. Verzeiht,
445
bellissima Donn'Anna;
schönste Donna Anna;
se servirvi poss'io,
wenn ich euch dienen kann,
in mia casa v'aspetto. Amici, addio.
erwarte ich euch bei mir: Freunde, lebt wohl.
(Parte.)
Er geht ab.
SCENA XIII
SZENE XIII.
No 10 Recitativo strumentatoNMA: Recitativo accompagnato ed Aria
Nr. 10 Accompagnato-Rezitativ und Arie
Recitativo strumentatoNMA: Recitativo accompagnato
Accompagnato-Rezitativ
Don Ottavio e Donn'Anna.
Don Ottavio und Donn'Anna.
Donn'Anna
Donn'Anna
Don'Ottavio, son morta!
Don Ottavio, ich bin am Ende!
Don Ottavio
Don Ottavio
Cosa è stato?
Was ist geschehen?
Donn'Anna
Donn'Anna
Per pietà, soccorretemi.
Helft mir doch, bitte!
Don Ottavio
Don Ottavio
Mio bene…
Mein Leben…
450
fate coraggio!
fasst Mut!
Donn'Anna
Donn'Anna
Oh dèi!
O Götter!
quegli è il carnefice
Das ist der Schlächter
del padre mio.
meines Vaters.
Don Ottavio
Don Ottavio
Che dite…
Was sagt Ihr…
Donn'Anna
Donn'Anna
Non dubitate più: gli ultimi accenti
Zweifelt nicht mehr: die letzten Töne,
che l'empio proferì, tutta la voce
die ich von dem Gottlosen hörte, weckten in meinem Herzen
richiamar nel cor mio di quell'indegno
die Erinnerung an die Stimme jenes Unwürdigen,
455
che nel mio appartamento…
der in meiner Wohnung…
Don Ottavio
Don Ottavio
Oh ciel! possibile
O Himmel! ist es möglich,
che sotto il sacro manto d'amicizia…
dass unter dem heiligen Mantel der Freundschaft…
Ma come fu? Narratemi
Doch wie war es, erzählt mir
lo strano avvenimento.
das seltsame Geschehen.
Donn'Anna
Donn'Anna
Era già alquanto
Die Nacht war schon ziemlich
avanzata la notte,
vorgeschritten,
460
quando nelle mie stanze, ove soletta
als ich in meine Zimmer, wo ich
mi trovai per sventura, entrar io vidi
zum Unglück mich allein befand,
in un mantello avvolto
in einen Mantel gehüllt einen Mann eintreten sah,
un uom che al primo istante
den ich im ersten Augenblick
avea preso per voi…
für Euch gehalten hatte:
465
ma riconobbi poi
aber ich merkte dann,
che un inganno era il mio…
dass ich mich getäuscht hatte.
Don Ottavio
Don Ottavio
(Con affanno.)
leidenschaftlich
Stelle! seguite.
Himmel! Fahrt fort…
Donn'Anna
Donn'Anna
Tacito a me s'appressa
Schweigend nähert er sich mir
e mi vuole abbracciar: sciogliermi cerco,
und will mich umarmen: ich versuche, mich loszumachen,
ei più mi stringe; grido,
er greift mich fester; ich schreie:
470
non viene alcun.
niemand kommt.
Con una mano cerca
Mit einer Hand versucht er,
d'impedire la voce
mich am Rufen zu hindern,
e coll'altra m'afferra
und mit der andern fasst er mich
stretta così, che già mi credo vinta.
so fest, dass ich mich schon besiegt glaube.
Don Ottavio
Don Ottavio
Perfido! E alfin?
Schändlicher! und dann?
Donn'Anna
Donn'Anna
Alfine il duol, l'orrore
Dann wuchsen durch den Schmerz, durch das Entsetzen
475
dell'infame attentato
über den ungeheuerlichen Überfall
accrebbe sì la lena mia, che a forza
meine Kräfte so, dass ich mich
di vincolarmi, torcermi e piegarmi
nach langem Winden, Drehen und Beugen
da lui mi sciolsi.
von ihm löste.
Don Ottavio
Don Ottavio
Ohimè, respiro.
O Gott, ich atme auf.
Donn'Anna
Donn'Anna
Allora
Jetzt
rinforzo i stridi miei,
schreie ich noch lauter,
chiamo soccorso:
rufe um Hilfe,
480
fugge il fellon, arditamente il seguo
der Elende flieht, kühn folge ich ihm
fin nella strada per fermarlo, e sono
bis auf die Straße, um ihn zu halten, – nicht mehr
assalitrice d'assalita; il padre
Verfolgte, sondern Verfolgerin. Der Vater
v'accorre, vuol conoscerlo, e l'iniquo,
eilt herbei, will ihn sehen, und der Schändliche,
che del povero vecchio era più forte,
stärker als der arme Alte,
485
compie il misfatto suo col dargli morte.
vollbringt seine Untat und gibt ihm den Tod.
Aria
Arie
Donn'Anna
    Or sai chi l'onore
    Jetzt weißt du, wer die Ehre
rapire a me volse,
mir rauben wollte,
chi fu il traditore
wer der Verräter war,
che il padre mi tolse:
der mir den Vater nahm;
490
vendetta ti chiedo,
Rache fordre ich von dir,
la chiede il tuo cor.
sie fordert dein Herz.
    Rammenta la piaga
    Denk an die Wunde
del misero seno,
des armen Busens,
rimira di sangueVariante in den Wiederholungen:
rimira di sangue…
sieh noch den Boden,
495
coperto il terreno,
mit Blut bedeckt,
se l'ira in te langue
wenn der Zorn in dir dürstet
d'un giusto furor.
nach gerechter Wut.
(Parte.)
Sie geht ab.
SCENA XIV
SZENE XIV.
Don Ottavio solo.
Don Ottavio allein.
Recitativo
Rezitativ
Don Ottavio
Don Ottavio
Come mai creder deggio
Wie kann ich jemals glauben,
di sì nero delitto
dass ein Edelmann
500
capace un cavaliero?
eines so grausigen Verbrechens fähig ist!
Ah di scoprire il vero
Ah die Wahrheit zu entdecken
ogni mezzo si cerchi! Io sento in petto
suche man mit jedem Mittel; ich fühle in der Brust,
e di sposo e d'amico
als Verlobter und als Freund,
il dover che mi parla:
die Pflicht, die zu mir spricht:
505
disingannar la voglio o vendicarla.Am oberen Rand links auf der ersten Seite des Autographs zur Zusatznummer No 10 Aria "Dalla sua pace" (Don Ottavio) für die Wiener Fassung hat Mozart den letzten Vers des Rezitativs als Stichwort in einer leicht geänderten Variante notiert:
disingannarla io voglio o vendicarla. Vgl. KB, 29.
ich will sie von der Täuschung befreien oder sie rächen.
No 10a Aria KV 540a
Nr. 10a Arie KV 540a
Don Ottavio
Don Ottavio
    Dalla sua pace
    Von ihrem Frieden
la mia dipende,
hängt meiner ab,
quel che a lei piace
was ihr gefällt,
vita mi rende,
gibt mir das Leben,
510
quel che le incresce
was ihr Schmerzen macht,
morte mi dà.
gibt mir den Tod.
    S'ella sospira
    Wenn sie seufzt,
sospiro anch'io,
seufze auch ich;
è mia quell'ira,
dieser Zorn ist mein,
515
quel pianto è mio,
mein sind diese Tränen;
e non ho bene
und ich habe kein Gut,
s'ella non l'ha.
wenn sie es nicht hat.
(Parte.)
Er geht ab.
SCENA XV
SZENE XV.
Leporello solo, poi Don Giovanni.
Leporello allein; dann Don Giovanni.
Recitativo
Leporello
Leporello
Io deggio ad ogni patto
Ich muss auf jeden Fall
per sempre abbandonar questo bel matto!
diesen Verrückten auf immer verlassen!
520
Eccolo qui: guardate
Da ist er: seht,
con qual indifferenza se ne viene!
mit welcher Gleichgültigkeit er daherkommt! —
Don Giovanni
Don Giovanni
Oh Leporello mio, va tutto bene!
O mein Leporello, es geht alles gut!
Leporello
Leporello
Don Giovannino mio, va tutto male!
Mein Herr Giovannino, es geht alles schlecht!
Don Giovanni
Don Giovanni
Come va tutto male?
Wieso geht alles schlecht?
Leporello
Leporello
Vado a casa,
Ich gehe ins Haus,
525
come voi l'ordinaste,
wie Ihr es befahlt,
con tutta quella gente…
mit all den Leuten…
Don Giovanni
Don Giovanni
Bravo!
Bravo!
Leporello
Leporello
A forza
Durch
di chiacchiere, di vezzi e di bugie,
Geschwätz, Charme und Lügen,
ch'ho imparato sì bene a star con voi,
die ich bei Euch so gut gelernt habe,
cerco d'intrattenerli…
suche ich, sie zu unterhalten…
Don Giovanni
Don Giovanni
Bravo!
Bravo!
Leporello
Leporello
Dico
Ich sage
530
mille cose a Masetto per placarlo,
Masetto tausend Dinge, um ihn zu besänftigen,
per trargli dal pensier la gelosia…
um ihm die Eifersucht aus dem Gehirn zu treiben…
Don Giovanni
Don Giovanni
Bravo, bravo in coscienza mia!
Bravo, ich meine das ehrlich!
Leporello
Leporello
Faccio che bevano
Ich lasse sie trinken,
e gli uomini e le donne:
die Männer wie die Frauen:
son già mezzo ubbriachi,
schon sind sie halb betrunken,
535
altri canta, altri scherza,
einige singen, einige scherzen,
altri seguita a ber; in sul più bello
einige trinken weiter; im schönsten Augenblick,
chi credete che capiti?
wer, glaubt Ihr, platzt herein? —
Don Giovanni
Don Giovanni
Zerlina!
Zerlina!
Leporello
Leporello
Bravo! E con lei chi viene?
Bravo! und wer kommt mit ihr?
Don Giovanni
Don Giovanni
Donna Elvira.
Donna Elvira!
Leporello
Leporello
Bravo! E disse di voi…
Bravo! und sagte über Euch —
Don Giovanni
Don Giovanni
540
Tutto quel mal che in bocca le venia.
Alles Schlechte, was ihr auf die Zunge kam.
Leporello
Leporello
Bravo, bravo in coscienza mia!
Bravo, ich meine das ehrlich!
Don Giovanni
Don Giovanni
E tu cosa facesti?
Und was tatest du?
Leporello
Leporello
Tacqui.
Ich schwieg.
Don Giovanni
Don Giovanni
Ed ella?
Und sie?
Leporello
Leporello
Seguì a gridar.
Schrie weiter.
Don Giovanni
Don Giovanni
E tu?
Und du?
Leporello
Leporello
Quando mi parve
Als mir schien,
che già fosse sfogata, dolcemente
dass sie sich schon ausgetobt hatte, zog ich
545
fuor dell'orto la trassi e, con bell'arte
sie sanft aus dem Garten, schloss
chiusa la porta a chiave,
die Tür kunstvoll ab,
io mi cavai
verschwand
e sulla via soletta la lasciai.
und ließ sie allein auf der Straße.
Don Giovanni
Don Giovanni
Bravo, bravo, arcibravo!
Bravo, bravo, ausgezeichnet!
L'affar non può andar meglio: incominciasti,
Die Sache konnte nicht besser gehen: du hast sie begonnen,
550
io saprò terminar. Troppo mi premono
ich werde sie zu beenden wissen. Allzu sehr liegen
queste contadinotte:
diese Bauernmädchen mir am Herzen:
le voglio divertir fin che vien notte.
ich will sie amüsieren, bis es Nacht wird.
No 11 Aria
Nr. 11 Arie
Don Giovanni
    Fin ch'han dal vino
    Damit ihnen vom Wein
calda la testa,
der Kopf heiß wird,
555
una gran festa
lass ein großes Fest
fa' preparar.
bereiten.
    Se trovi in piazza
    Wenn du auf der Straße
qualche ragazza,
irgendein Mädchen findest,
teco ancor quella
suche auch die noch
560
cerca menar.
mitzuführen.
    Senza alcun ordine
    Ohne jede Regel