Eilfter Auftritt
 
 
Die Gräfin, Susanna, der Graf, Cherubin, Figaro.
 
 
Cherubin
 
 
Ganz leise will ich mich ihr nähern, die Zeit wird nicht verloren sein.
 
 
Die Gräfin
 
 
Ach, wenn nur der Graf kömmt! Es wird gewiss ein Gezänke abgeben.
 
 
Cherubin
 
 
Susannchen – – – Sie antwortet nicht – – – verdecket das Gesicht mit der Hand – – – Itzt will ich ihr einen Possen spielen.
 
 
(Er nimmt sie bei der Hand, sträuchelt sie; die Gräfin will sich von ihm losmachen.)
 
 
 
 
Die Gräfin
 
 
(verändert die Stimme)
 
 
Wie keck! du Ausgelassener, mache dich gleich von hier weg.
 
 
Cherubin
 
 
Wie verstellt! du Boshafte! ich weiß schon, was du da tuest!
 
 
 
 
Der Graf
 
 
(in der Stellung, wenn man von Weitem etwas bemerket)
 
 
Da ist sie, meine Susanna.
 
 
Figaro, Susanna
 
 
(die weit voneinander entfernt sind)
 
 
Da ist der Vogelfänger!
 
 
Cherubin
 
 
Sei mit mir nicht so grausam.
 
 
Susanna, Figaro, der Graf
 
 
Ach, mir pocht das Herz gewaltsam in meinem Busen! Ist jemand anderer mit ihr.
 
 
Die Gräfin
 
 
Gehe alsogleich, sonst lasse ich Leute kommen.
 
 
Cherubin
 
 
(hält sie fest bei der Hand)
 
 
Gib mir einen Kuss, sonst ist alles vergebens.
 
 
Figaro, Susanna, der Graf
 
 
Der Stimme nach ist es der Page.
 
 
Die Gräfin
 
 
Einen Kuss! was für eine Keckheit!
 
 
Cherubin
 
 
Und warum sollte ich das nicht tun dürfen, was nun bald der Graf tun wird?
 
 
Figaro, Susanna, iDer Graf, die Gräfin
 
 
(jeder für sich)
 
 
Verwegener!
 
 
Cherubin
 
 
O! was für Grimassen! Erinnerst du dich, wie ich hinter dem Sofa steckte?
 
 
Figaro, Susanna, der Graf, die Gräfin
 
 
(wie oben)
 
 
Wenn der Henker noch länger da bleibt, so wird er das ganze Werk verderben!
 
 
Cherubin
 
 
Da hast du indessen – – –
 
 
(Der Page will der Gräfin einen Kuss geben, der Graf kömmt dazwischen und bekömmt selbst den Kuss.)
 
 
Die Gräfin, Cherubin
 
 
O Gott! der Graf!
 
 
(Der Page gehet zu der Barberina hinein.)
 
 
Figaro
 
 
Ich will sehen, was sie da tun.
 
 
(Der Graf will dem Cherubin eine Ohrfeige geben, Figaro kömmt eben dazu und bekömmt sie selbst.)
 
 
Der Graf
 
 
Damit du es nicht wiederholest, so nimm diese da!
 
 
Figaro
 
 
O! welch einen schönen Vorteil habe ich mit meinem Vorwitze gemacht.
 
 
(Susanna, die es sieht, lacht.)
 
 
Susanna, die Gräfin, der Graf
 
 
Er hat einen schönen Nutzen mit seinem Vorwitze|mit seiner Verwegenheit davon getragen.
 
 
Zwölfter Auftritt
 
 
Der Graf, Susanna, Figaro, die Gräfin.
 
 
Der Graf
 
 
(zu der Gräfin)
 
 
Endlich ist er fort, der Bösewicht. Komm herbei, mein Schatz.
 
 
Die Gräfin
 
 
Weil es Ihnen so gefällig ist, hier bin ich.
 
 
Figaro
 
 
Welch ein nachgiebiges Frauenzimmer! Welch eine gutherzige Braut!
 
 
Der Graf
 
 
Reiche mir deine Hand.
 
 
Die Gräfin
 
 
Hier ist sie.
 
 
Der Graf, Figaro
 
 
Liebenswürdige!
 
 
 
 
Der Graf
 
 
O wie zart sind diese Finger! wie fein diese Fellhaut! Ich fühle einen Trieb, so die Liebesflammen in mir rege macht!
 
 
Susanna, die Gräfin, Figaro
 
 
Das blinde Vorurteil spottet der Vernunft, täuschet die Sinne!
 
 
 
 
Der Graf
 
 
(gibt ihr einen Ring)
 
 
Nebst dem Heuratgute nimm, o Schöne, diesen Ring, so dir ein Liebhaber zum Zeugen seiner Liebe gibt.
 
 
Die Gräfin
 
 
Susanna nimmt von ihrem Guttäter alles an.
 
 
Die Gräfin, Figaro, Susanna
 
 
Es gehet alles nach Wünschen! Doch es muss noch etwas Besseres folgen.
 
 
Die Gräfin
 
 
Mein Herr, ich sehe das Licht brennender Fackeln.
 
 
 
 
Der Graf
 
 
Gehen wir, meine schöne Göttin, wir wollen uns verstecken!
 
 
Figaro, Susanna
 
 
Kommt, ihr dumme Ehemänner, lernet.
 
 
 
 
Die Gräfin
 
 
Dort in das finstere Gebüsch, mein Herr?
 
 
Der Graf
 
 
Das will ich eben; du weißt ja, daß ich nicht zum Lesen hingehe.
 
 
 
 
Figaro
 
 
Die Treulose folget ihm auf dem Fuße. Alles Zweifeln ist vergebens!
 
 
Susanna
 
 
Die Arglistigen sind gefangen!
 
 
Die Gräfin
 
 
Die Sache geht nach Wunsch!
 
 
 
 
Der Graf
 
 
(Figaro geht vorbei, der Graf in einem gebieterischen Tone.)
 
 
Wer gehet da?
 
 
Figaro
 
 
(zornig)
 
 
Leute gehen.
 
 
 
 
Die Gräfin
 
 
Figaro ist da, ich gehe.
 
 
Der Graf
 
 
Gehe, ich komme nach.
 
 
(Der Graf verlieret sich durch das Gebüsch aus dem Angesichte der Zuschauer, die Gräfin gehet rechts hinein.)
 
 
 
 
Dreizehnter Auftritt
 
 
Figaro, Susanna.
 
 
Figaro
 
 
Alles ist ruhig und einsam: Die schöne Venus ist hineingegangen. Ich als ein anderer Vulkan dieses Jahrhunderts werde sie mit dem reizvollen Kriegesgotte überfallen können.
 
 
Susanna
 
 
(in einem erhabenen Tone)
 
 
Ei! Figaro, schweige.
 
 
Figaro
 
 
O! diese ist die Gräfin – – – Sie kommen zu Recht hieher; dort werden Sie es selbst sehen, der Graf und meine Braut – – – Mit eigener Hand sollen Sie die Sache betasten.
 
 
Susanna
 
 
(vergisst die Stimme zu verändern)
 
 
Rede in einem niederen Tone; ich gehe von dieser Stelle nicht weg, aber ich will mich rächen.
 
 
Figaro
 
 
(Susanna!) Rächen?
 
 
Susanna
 
 
Ja.
 
 
Figaro
 
 
Wie konnte dieses geschehen?
 
 
 
 
(Der Fuchs will mich überraschen!Ich will ihre Reden stützen.)
 
 
Susanna
 
 
(Ich will den Boshafen überfallen;dann weiß ich, was zu tun ist.)
 
 
 
 
Figaro
 
 
(komisch gezwungen)
 
 
Ach, wenn Madame es wollte!
 
 
Susanna
 
 
Ganz gut, geschwinde um!
 
 
Figaro
 
 
(wie oben)
 
 
Hier bin ich zu Ihren Füßen. Die Liebesflamme steiget in meinem Herzen empor! Überlegen Sie den Platz; denken Sie an den Verräter! Ich kann die Hand schon kaum zurückhalten.
 
 
 
 
Susanna
 
 
Ach, welchen Trieb fühl ich in meinen Händen, welche Unruhe, welchen Wut!
 
 
Figaro
 
 
Welche Wallung fühl ich in meinem Geblüte, welche Unruhe, welches Feuer!
 
 
 
 
Susanna
 
 
(verändert etwas die Stimme)
 
 
Und ohne der geringsten Neigung? – –
 
 
Figaro
 
 
Die Rache sei Ihnen ein genugsamer Antrieb; lassen wir die Gelegenheit nicht ungenutzt vorbeigehen; reichen Sie mir die Hand – – – –
 
 
Susanna
 
 
(gibt ihm eine Ohrfeige, indem sie in ihrer gewöhnlichen Stimme redet)
 
 
Bedienen Sie sich, mein Herr!
 
 
Figaro
 
 
Welch eine Ohrfeige!
 
 
Susanna
 
 
Und diese und noch eine und wieder eine.
 
 
Figaro
 
 
Höre doch einmal auf!
 
 
Susanna
 
 
Noch diese, mein listiger Herr, und diese noch.
 
 
 
 
Figaro
 
 
O! was für artige Ohrfeigen! O! wie glücklich ist meine Liebe!
 
 
Susanna
 
 
Lerne, o Treuloser, lerne, was Verführen ist.
 
 
 
 
Vierzehnter Auftritt
 
 
Die Vorigen, der Graf.
 
 
Figaro
 
 
(fällt auf die Knie)
 
 
Friede, Friede! mein zärtlicher Schatz! Ich erkannte die Stimme deren, die ich anbete und die mir stets vor Augen schwebet.
 
 
Susanna
 
 
(lachend mit Verwunderung)
 
 
Meine Stimme!
 
 
Figaro
 
 
Die Stimme, die ich anbete.
 
 
Figaro, Susanna
 
 
Friede, Friede, mein geliebter Schatz; Friede, meine zärtliche Liebe.
 
 
Der Graf
 
 
Ich finde sie nicht; ich bin den ganzen Wald durchgangen.
 
 
Susanna, Figaro
 
 
Dieser ist er Graf; ich kenne ihn an der Stimme.
 
 
Der Graf
 
 
(redet dem Gelager zu, wo Madame hineingegangen, der er selbst aufmacht)
 
 
Ehi! Susanna – – – bist du taub – – – bist du stumm?
 
 
Susanna
 
 
Hübsch! Hübsch! er hat sie nicht gekannt.
 
 
Figaro
 
 
Wen?
 
 
Susanna
 
 
Madame.
 
 
Figaro
 
 
Madame?
 
 
Susanna
 
 
Ja, Madame.
 
 
Figaro, Susanna
 
 
Enden wir, mein Herz! dieses Lustspiel! Trösten wir den sonderbaren Liebhaber.
 
 
Figaro
 
 
(fällt vor Susanna auf die Knie)
 
 
Ja, Madame, Sie sind meine einzige Freude.
 
 
Der Graf
 
 
Ach! meine Frau – – – itzt muss ich eben ohne Waffen sein!
 
 
Figaro
 
 
Gestatten Sie meinem Herzen eine Erholung.
 
 
Susanna
 
 
Hier bin ich; ich tue, was du willst.
 
 
Der Graf
 
 
Ach, ihr Gottlosen!
 
 
Susanna, Figaro
 
 
Eilen wir, mein Schatz, das Vergnügen soll unsere Pein ersetzen.
 
 
(Sie gehen dem Gelager zu, so links ist.)
 
 
Der Graf
 
 
Kommt, Leute, eilet – – – zu den Waffen, zu den Waffen!
 
 
(Susanna geht in das Gelager; Figaro stellt sich äußerst erschrocken.)
 
 
Figaro
 
 
Der Herr! Ach, wie wird es mir gehen?
 
 
Der Graf
 
 
Hilfe, Leute! Hilfe!
 
 
Fünfzehnter Auftritt
 
 
Die Vorigen, Anton, Basilio, Chor mit brennenden Fackeln.
 
 
Anton, Basilio, Chor
 
 
Was ist geschehen?
 
 
Der Graf
 
 
Der Lasterhafte! Er hat mich betrogen, er hat mich entehret, und mit wem, das werdet ihr sehen.
 
 
Anton
 
 
Der Arme! er ist völlig außer sich.
 
 
Basilio
 
 
Das scheinet mir nicht wahr zu sein.
 
 
Chor
 
 
Der Arme ist völlig außer sich.
 
 
Figaro
 
 
Welch ein unterhaltliches Ereignis!
 
 
Der Graf
 
 
(reißt den Cherubin bei dem Arme, der ihm widerstehen will und nur halb gesehen wird)
 
 
Vergebens widerstehest du; hervor, Madame, du sollst den Lohn für deine Ehrbarkeit empfangen.
 
 
Der Graf
 
 
Der Page!
 
 
(Nach dem Pagen kommen Barberina, Marzellina und Susanna in den Kleidern der Gräfin hervor, letztere verdecket sich mit dem Schnupftuche das Gesicht und fällt vor dem Grafen auf die Knie.)
 
 
Anton
 
 
Meine Tochter!
 
 
Figaro
 
 
Meine Mutter!
 
 
Alle
 
 
Madame!
 
 
Der Graf
 
 
Die Verwicklung ist aufgelöset: Hier ist die Treulose.
 
 
(Alle knien nieder, einer nach dem anderen.)
 
 
Susanna
 
 
Vergebung, Vergebung!
 
 
Der Graf
 
 
Nein, hoffe sie nicht.
 
 
Figaro
 
 
Vergebung, Vergebung!
 
 
Der Graf
 
 
Nein, nein, du sollst sie nicht erhalten.
 
 
Alle
 
 
Vergebung, Vergebung!
 
 
Der Graf
 
 
(mit Nachdruck)
 
 
Nein! Nein, gar nicht, nein!
 
 
Die Gräfin
 
 
(tritt aus dem Gelager heraus und will niederknien, der Graf lässt es nicht zu)
 
 
Vielleicht werde ich wenigstens Vergebung für sie erhalten.
 
 
Der Graf
 
 
O Himmel! was sehe ich! Ich werde unsinnig! ich verzweifle! Kaum kann ich es glauben. O Gräfin, verzeihe!
 
 
(bittweise)
 
 
Die Gräfin
 
 
Ich bin viel nachgiebiger und verzeihe dir gleich.
 
 
Alle
 
 
Ach, so werden wir alle vergnügt sein.
 
 

     Diesen Tag der Angst, des Eigensinnes und der Torheit kann die Liebe allein in ungestörter Freude endigen.
 
 

     Brautleute, Freunde, zum Tanze, zum Spiele; zündet die Feuerwerke an; eilen wir unter dem Schalle eines anmutigen Marsches, das Fest zu feuern.
 
 
Ende des Schauspiels.