Zehnter Auftritt
 
 
Cherubin gekleidet wie ein Bauernmädchen, Barberina, einige andere Landmädchen auf die nämliche Art angeleget, mit Blumenbüschen.
 
 
Der Chor
 
 

     Nehmen Sie, liebe Frau, diese Rosen, diese Blumen hin, die wir heute gesammelt haben, um Ihnen unsere Liebe zu bezeugen.
 
 

     Wir sind alle Bauernmädchen und sind alle arm. Es ist wenig, was wir Ihnen darbieten, doch wir geben es Ihnen mit gutem Herzen.
 
 
Barberina
 
 
Meine Frau, diese Mädchen sind von diesem Orte; sie sind gekommen, Ihnen das Wenige, so sie haben, anzutragen: Vergeben Sie ihrer Kühnheit.
 
 
Die Gräfin
 
 
Das ist brav, ich dank' euch.
 
 
Susanna
 
 
Wie voll Reize sind sie!
 
 
Die Gräfin
 
 
Sagt mir, wer ist jenes liebenswürdige Mädchen dort, so ganz Eingezogenheit?
 
 
Barberina
 
 
Sie ist meine Base, sie ist gestern abends der Hochzeit halber hieher gekommen.
 
 
Die Gräfin
 
 
Lasst uns jene schöne Fremde beehren! Komm her… Gib mir deine Blumen. Sie errötet – – Susanna – – – sieht sie nicht jemandem gleich?
 
 
Susanna
 
 
Ganz gleich!
 
 
Eilfter Auftritt
 
 
Die Vorigen, der Graf, Anton.
 
 
(Anton hat den Hut des Cherubin, tritt ganz leise herein, nimmt ihm die Haube ab und setzet ihm seinen Hut auf.)
 
 
Anton
 
 
Sehen Sie da zum Geier! Dieser ist der Offizier.
 
 
Die Gräfin
 
 
O Gott!
 
 
Susanna
 
 
(Der Schelm!)
 
 
Der Graf
 
 
Also Madame!
 
 
Die Gräfin
 
 
Was soll ich sagen? Ich erstaune nicht weniger als du selbst.
 
 
Der Graf
 
 
Aber – heute morgens?
 
 
Die Gräfin
 
 
Heute morgens – – – Wir wollten ihn für die heutige Feier ebenso kleiden, wie sie ihn itzt gekleidet haben.
 
 
Der Graf
 
 
Und du? Warum bist du nicht fortgereist?
 
 
Cherubin
 
 
Herr – – – –
 
 
Der Graf
 
 
Ich will deinen Ungehorsam nach Verdienste strafen.
 
 
Barberina
 
 
Aber Exzellenz, Sie sagen mir, so oft Sie mich umarmen und küssen: "Barberina, wenn du mich liebest, sollst du von mir alles haben, was du verlangest!"
 
 
Der Graf
 
 
Ich habe das gesagt?
 
 
Barberina
 
 
Sie, ja, Sie: Nun lassen Sie mich den Cherubin heuraten; ich werde Sie lieben, wie ich mein Kätzchen liebe.
 
 
Anton
 
 
Liebes Kleinod! du bist bei einem guten Meister in der Lehre.
 
 
Der Graf
 
 
Ich weiß nicht, ist er ein Mensch, ein Teufel oder ein Gott, der so alles wider mich anordnet?
 
 
Zwölfter Auftritt
 
 
Die Vorigen, Figaro.
 
 
Figaro
 
 
Mein Herr, wenn Sie alle diese Mädchen bei sich behalten, so wird es mit dem Tanze übel aussehen.
 
 
Der Graf
 
 
Und du, mit dem verdreheten Fuße, wolltest tanzen?
 
 
Figaro
 
 
Ich empfinde schon keine Schmerzen mehr: Gehen wir, meine Schönen.
 
 
(ruft alle Mädchen, will abgehen, der Graf zieht ihn mit Gewalt in die Mitte)
 
 
Der Graf
 
 
(zu Susanna)
 
 
Wie wird er sich nun aus einer solchen Verlegenheit bringen?
 
 
Susanna
 
 
Es fehlet ihm nicht an Rat.
 
 
Die Gräfin
 
 
Zum guten Glücke waren die Stöcke von Gips!
 
 
Susanna
 
 
Jawohl.
 
 
Figaro
 
 
Nun, so gehen wir.
 
 
(Wie oben: Anton ruft ihn wieder.)
 
 
Anton
 
 
Indessen ging der Page zu Pferd und in Galopp nach Sevilien.
 
 
Figaro
 
 
In Galopp oder im Trotte – – – – Glückliche Reise. Kommt, schöne Mädchen.
 
 
(Wie oben: Der Graf ruft ihn wieder.)
 
 
Der Graf
 
 
(führet ihn wieder in die Mitte)
 
 
Und dir blieb sein Patent im Sacke!
 
 
Figaro
 
 
(erstaunend)
 
 
Freilich, was für Fragen!
 
 
Anton
 
 
(zu Susanna, die dem Figaro winkt)
 
 
Winke ihm nur nicht mehr, er versteht dich nicht mehr. (nimmt den Cherubin bei der Hand und führt ihn vor den Figaro) Nun wer behauptet, dass mein Herr Vetter ein Lügner sei?
 
 
Figaro
 
 
Cherubin?
 
 
Anton
 
 
Nun hab ich dich.
 
 
Figaro
 
 
(zum Grafen)
 
 
Was Teufel blauscht er?
 
 
Der Graf
 
 
Er blauscht nicht, allein er sagt, dass er heute morgens hinausgesprungen ist auf die Nelkenstöcke – – –
 
 
Figaro
 
 
Er sagt es – – – Kann sein – – – Ich bin gesprungen, er kann es ebenfalls getan haben.
 
 
Der Graf
 
 
Auch er?
 
 
Figaro
 
 
Warum nicht? Ich leugne nie das, wovon ich nicht weiß. Hören Sie nur den Marsch; gehen wir. Jede zu ihrem Platze, meine Schöne! Susanna, henk dich ein.
 
 
Susanna
 
 
Hier bin ich.
 
 
(Figaro nimmt den Anton bei einem Arm, beim andern die Susanna und gehen alle ab, ausgenommen der Graf und die Gräfin.)
 
 
Der Graf
 
 
Die Verwegenen!
 
 
Die Gräfin
 
 
Ich bin betäubt!
 
 
Dreizehnter Auftritt
 
 
Der Graf, die Gräfin.
 
 
(Der Marsch nimmt nach und nach auf.)
 
 
Der Graf
 
 
Gräfin – –
 
 
Die Gräfin
 
 
Lassen wir das beiseite – – Da sind sie die zwei Verlobnisse, wir müssen ihnen willfahren. Man handelt ja von einer, die unter deinem Schutze steht. Setzen wir uns nieder.
 
 
Der Graf
 
 
Setzen wir uns, um über die Art der Sache sich zu besinnen.
 
 
Vierzehnter Auftritt
 
 
Jäger mit Flinten auf der Schulter, viele Leute von der Gegend, Bauern; zwei Mädchen, welche jungfräuliche Hüte, zwei andere, welche einen weißen Schleier, und noch zwei, welche die Handschuh und den Blumenbuschen tragen. Figaro mit Marzellina. Zwei andere Mädchen, welche einen ähnlichen Hut für die Susanna tragen. Barhtolo mit der Susanna. Nun beginnt folgende Strophe, welche von zwei Mädchen angefangen und von allen geschlossen wird. Bartholo führet die Susanna zu dem Grafen, sie kniet vor ihm nieder und empfängt von ihm den Hut und den Blumenbuschen. Figaro führt die Marzellina zu der Gräfin, die das nämliche tut.
 
 

     Besinget, ihr Lieblinge! ihr standhafte Anhänger der Ehre, das Lob eines so vernünftigen Herrn, der sich seines alten Rechts entsetzet hat, welches so unbillig und schädlich war, um euch als reine Jungfrauen euren Liebhabern zukommen zu lassen.
 
 
Alle
 
 

     Lasst uns besingen. Lasst uns loben einen so vernünftigen Herrn.
 
 
Bei den letzten zween Versen der Strophe ziehet Susanna, die vor dem Grafen noch kniet, ihn bei dem Rock, zeiget ihm das Billett, dann fährt sie von der Seite der Zuseher mit der Hand zu dem Kopfe, allwo es scheinet, als wollte ihr der Graf an dem Hut etwas richten, sie gibt ihm das Billett. Der Graf verstecket es heimlicherweise in dem Busen. Susanna stehet auf und machet vor dem Grafen eine tiefe Verbeugung. Marzellina steht etwas später auf. Figaro kommt, um von der Hand des Grafen die Susanna zu empfangen, und ziehet sich zurück. Bartholo nähert sich der Gräfin, um die Marzellina von ihrer Hand zu erhalten.
 
 
Der Graf gehet auf die Seite, nimmt das Billett heraus und tut das, was ein Mensch tut, der sich an den Finger gestochen hat: beutlet ihn, drücket, sauget und, indem er sieht, dass das Billett mit einer Nadel versiegelt ist, sagt er, nachdem er die Nadel weggeworfen:
 
 
Der Graf
 
 
Es ist schon der Gebrauch, die Frauenzimmer bringen überall die Nadeln an.
 
 
Figaro
 
 
(der alles gesehen hat)
 
 
No! No! Ich versteh das Gespiel. Ein Liebes–Billett: Eine Schöne hat ihm's im Vorbeigehen gegeben! Es war mit einer Nadel verschlossen, er hat sich in den Finger gestochen.
 
 
Jetzt suchet er sie, der schöne Ganimed, o welch ein Unsinniger!
 
 
Der Graf
 
 
Gehet nun, meine Freunde! Für heute abends soll alles zur Hochzeit angeordnet sein. Mit der reichesten Pracht soll dieser Tag gefeiert werden, mit Gesängen, mit Feuerwerke, ein herrliches Nachtmahl, ein prächtiger Ball. Es erfahre jedermann, wie gut ich jene Leute bewirte, die ich liebe. (Er wirft einen Blick auf Susanna.)
 
 

Man wiederholt von Neuem den Chor oder Marsch, und alle gehen ab.
 
 
Ende des dritten Aufzuges.