Achter Auftritt
 
 
Susanna, die Gräfin, alsdenn der Graf.
 
 
Die Gräfin
 
 
Susanna, ich bin außer mir.
 
 
Susanna
 
 
(freudenvoll weiset die Gräfin auf das Fenster hin, bei dem Cherubin hinausgesprungen)
 
 
Mehr Mut, frischer, er ist schon sicher.
 
 
Der Graf
 
 
(tritt verwirrt aus dem Kabinette)
 
 
Welch ein Irrtum! Kaum kann ich es glauben; habe ich dich ungerecht beleidiget, ich bitte um Vergebung; doch einen solchen Spaß zu unternehmen, ist zu grausam.
 
 
Die Gräfin, Susanna
 
 
Deine|Ihre Torheiten verdienen keine Nachsicht.
 
 
Der Graf
 
 
Ich liebe dich.
 
 
Die Gräfin
 
 
(erholt sich nach und nach)
 
 
Nur das nicht.
 
 
Der Graf
 
 
Ich schwöre es.
 
 
Die Gräfin
 
 
(aufgebracht mit Nachdruck)
 
 
Du lügest; ich bin die Boshafte, die Untreue, die dich immer hintergehet.
 
 
 
 
Der Graf
 
 
Hilf mir, Susanna, ihren Zorn zu besänftigen.
 
 
Susanna
 
 
So strafet man jeden, der argwöhnisch sein kann.
 
 
 
 
Die Gräfin
 
 
(aufgebracht)
 
 
Die Treue einer liebenden Seele hatte also eine so grausame Vergeltung zu hoffen.
 
 
Der Graf
 
 
O hilf mir doch, Susanna, jenen Zorn zu besänftigen.
 
 
 
 
Susanna
 
 
(bittweise)
 
 
Meine Frau!
 
 
Der Graf
 
 
(bittweise)
 
 
Rosine!
 
 
Ende
 
 
Die Gräfin
 
 
Grausamer! – Ich bin nicht jene mehr, ich bin die Elende, die du verlassen und über deren Verzweiflung du dich freuest.
 
 
Der Graf
 
 
Meine Verwirrung, meine Reue strafen mich hinlänglich; habe Mitleiden mit mir.
 
 
Die Gräfin
 
 
Ich kann eine solche Unbild ungerochen nicht leiden.
 
 
Der Graf
 
 
Allein der eingesperrte Page?
 
 
Die Gräfin
 
 
War bloß, um dich auf die Probe zu stellen.
 
 
Der Graf
 
 
Doch jene Angst, – das Herzklopfen?
 
 
Die Gräfin
 
 
Es war nur ein Scherz.
 
 
Der Graf
 
 
Und ein so grausamer Brief?…
 
 
Die Gräfin, Susanna
 
 
Den Brief schrieb Figaro, den er durch den Basilio…
 
 
Der Graf
 
 
O ihr Lasterhaften! ich will euch…
 
 
Die Gräfin, Susanna
 
 
Jener verdient keine Nachsicht, der nicht andern verzeihet.
 
 
Der Graf
 
 
(zärtlich)
 
 
Wohlan, wenn es dir gefällig ist, sei der Friede allgemein; Rosine wird gegen mich doch nicht unerbittlich sein.
 
 
Die Gräfin
 
 
O welch ein weiches Herz hab ich nicht, Susanna! Wer wird nun mehr dem Zorn der Frauenzimmer Glauben beimessen?
 
 
Susanna
 
 
Es ist schon mit den Männern nicht anders: Man mag mit ihnen tun, was man will, sich wie immer stellen, es geht doch immer so aus.
 
 
Der Graf
 
 
(mit Zärtlichkeit)
 
 
Einen Blick!
 
 
Die Gräfin
 
 
Undankbarer!
 
 
Der Graf
 
 
(Er küsst der Gräfin zu wiederholten Malen die Hand.)
 
 
Ich tat dir Unrecht und es reuet mich.
 
 
a tre
 
 
Von nun an wirst mich|werde dich|wird Sie kennenlernen.
 
 
Neunter Auftritt
 
 
Die Vorigen und Figaro voll der Freude.
 
 
Figaro
 
 
Mein Herr, draußen sind schon die Geiger: Hören Sie den Schall der Trompeten, hören Sie die Pfeifen. Unter dem Gesange, dem Springen und Tanzen unserer Vasallen nun gehen wir eilends die Hochzeit zu feiern.
 
 
(Figaro nimmt Susanna bei der Hand, will abgehen; der Graf hält ihn auf.)
 
 
Der Graf
 
 
Langsam, langsam, nicht so eilfertig.
 
 
Figaro
 
 
Es erwarten mich schon alle.
 
 
Der Graf
 
 
Bevor man von hier weggehe, befreie mich eines Zweifels.
 
 
Figaro, die Gräfin, Susanna, der Graf
 
 
Die Sache ist gefährlich, was wird sie doch für einen Ausgang nehmen? Man muss mit List die Sache entdecken.
 
 
Der Graf
 
 
Kennt der Herr Figaro, (Er weiset ihm den Brief, den ihm Basilio gebracht. Figaro stellt sich, als wollte er ihn untersuchen.) wer diesen Brief geschrieben hat?
 
 
Figaro
 
 
Nein, ich kenne ihn nicht…
 
 
Die Gräfin
 
 
Du kennst ihn nicht?
 
 
Susanna
 
 
Du kennst ihn nicht?
 
 
Der Graf
 
 
Wirklich nicht?
 
 
Figaro
 
 
(allen, einem nach dem anderen mit Kühnheit)
 
 
Nein, sage ich, nein, nein.
 
 
Susanna, die Gräfin, der Graf
 
 
Hast du ihn nicht dem Basilio gegeben, dass er ihn überbringen…
 
 
Figaro
 
 
Ganz und gar nicht.
 
 
Susanna, die Gräfin, der Graf
 
 
Weißt du nichts von dem Stutzer, der heute abends im Garten… Du verstehst mich schon…
 
 
Figaro
 
 
(nicht mehr so kühn)
 
 
Nein, ich weiß nichts.
 
 
Der Graf
 
 
Umsonst suchst du eine Ausflucht, es hilft keine Entschuldigung, dein ganzes Aussehen verrät dich; ich kenne wohl, dass du mich belügen willst.
 
 
Figaro
 
 
Mein Aussehen betrügt; ich aber lüge nicht.
 
 
Die Gräfin, Susanna
 
 
Deine Spitzfindigkeit ist vergebens, wir haben das Geheimnis schon entdecket, darfst nicht widersprechen.
 
 
Der Graf
 
 
Was sagst also?
 
 
Figaro
 
 
Nichts, gar nichts.
 
 
Der Graf, die Gräfin, Susanna
 
 
Gestehest du es also ein?
 
 
Figaro
 
 
Nein.
 
 
Susanna, die Gräfin
 
 
Nun gescheit, du Schelm, der Spaß muss einmal ein Ende nehmen.
 
 
Figaro
 
 
(nimmt Susanna unter den Arm)
 
 
Um die Sache recht lustig auszumachen, und nach komischem Gebrauche, soll nun eine Heurat den Beschluss machen.
 
 
 
 
Susanna, Figaro
 
 
Mein Herr! widersprechen Sie es nicht, befriedigen Sie meine Wünsche.
 
 
Die Gräfin
 
 
So widersprich ihnen doch nicht, befriedige ihre Wünsche.
 
 
Der Graf
 
 
(bei sich)
 
 
Marzellina! Marzellina! wie lange verweilest du dich!
 
 
Zehnter Auftritt
 
 
Die Vorigen, Anton Gärtner (ganz rasend mit einem zusammengeschlagenen Nelkenstocke.)
 
 
Anton
 
 
Ach, mein Herr… mein Herr…
 
 
Der Graf
 
 
Was ist denn geschehen?
 
 
Anton
 
 
(mit Angst)
 
 
Welch eine Spitzbüberei! Wer hat es getan! Wer war's!
 
 
Der Graf, die Gräfin, Susanna, Figaro
 
 
So sage, was ist dir? Was ist geschehen?
 
 
Anton
 
 
(wie oben)
 
 
Hören Sie nur.
 
 
Figaro, der Graf
 
 
Nun, so rede doch.
 
 
Anton
 
 
Bei dem Fenster, so gegen den Garten schauet, sehe ich täglich allerhand Sachen hinauswerfen, und kurz vorher sah ich – kann es ärger sein? – einen Menschen hinunterwerfen.
 
 
Der Graf
 
 
(mit Lebhaftigkeit)
 
 
Von dem Fenster?
 
 
Anton
 
 
(weiset ihm den gebrochenen Nelkenstock)
 
 
Sehen Sie die Nelken.
 
 
Der Graf
 
 
In dem Garten?
 
 
Anton
 
 
Ja.
 
 
Susanna, die Gräfin
 
 
(still zu Figaro)
 
 
Figaro, mache dich gefasset.
 
 
Der Graf
 
 
Was höre ich?
 
 
Die Gräfin, Figaro, Susanna
 
 
(still)
 
 
Der Kerl störet uns.
 
 
Die Gräfin, Figaro, Susanna
 
 
(laut)
 
 
Was will der Besoffene da?
 
 
Der Graf
 
 
(in vollem Eifer)
 
 
Also ein Mensch… aber wo, wo ist er hingegangen?
 
 
Anton
 
 
Hurtig floh er davon, und auf einmal sah ich ihn nicht mehr.
 
 
Susanna
 
 
(still zu Figaro)
 
 
Weißt du, dass der Page…
 
 
Figaro
 
 
(still zu Susanna)
 
 
Ich weiß alles, hab ihn gesehen. (lacht laut) Ha, ha, ha!
 
 
Der Graf
 
 
Sei still.
 
 
Anton
 
 
Was lachst du?
 
 
Figaro, Susanna
 
 
Du taumelst im Weine schon bei angehendem Morgen.
 
 
Der Graf
 
 
So sag es mir noch einmal: ein Mensch aus dem Fenster…
 
 
Anton
 
 
Aus dem Fenster…
 
 
Der Graf
 
 
In den Garten…
 
 
Anton
 
 
In den Garten.
 
 
Susanna, die Gräfin, Figaro
 
 
Aber mein Herr! es redet ja der Wein durch ihn.
 
 
Der Graf
 
 
Fahre nur fort: Und hast ihn im Gesichte nicht gesehen?
 
 
Anton
 
 
Nein, das nicht.
 
 
Susanna, die Gräfin
 
 
(still zu Figaro)
 
 
Ei, Figaro, merk auf.
 
 
Figaro
 
 
(berührt die Nelken mit Verachtung)
 
 
Geh, du Dummkopf, sei einmal still, wegen drei Kreuzer einen solchen Lärmen anzufangen! Weil die Tat nicht heimlich bleiben kann: Ich war's, der aus dem Fenster gesprungen ist.
 
 
Der Graf, Anton
 
 
Was? Du? Du selbst?
 
 
Die Gräfin, Susanna
 
 
Wie fein!
 
 
Figaro
 
 
Was Wunder!
 
 
Der Graf
 
 
Nein, ich kann es nicht glauben.
 
 
Anton
 
 
Wie bist du denn itzt so dick geworden? So warst du nach dem Sprunge nicht.
 
 
Figaro
 
 
Wer springt, dem geschiehet es nicht anders.
 
 
Anton
 
 
Wer sollt es glauben?
 
 
Susanna, die Gräfin
 
 
Er will es noch behaupten.
 
 
Der Graf
 
 
Du, was meinest du?
 
 
Anton
 
 
Mich dünkte, es ware der Knabe.
 
 
Der Graf
 
 
(mit Eifer)
 
 
Cherubin!
 
 
Susanna, die Gräfin
 
 
(still)
 
 
Verfluchter Kerl!
 
 
Figaro
 
 
Er ist eben von Sevilien zu Pferde angekommen, (ironisch) von Sevilien, wo er vielleicht itzt schon ist.
 
 
Anton
 
 
(mit plumper Einfältigkeit)
 
 
Das nicht, das nicht, kein Pferd hab ich daraus nicht springen gesehen.
 
 
Der Graf
 
 
Welch große Geduld! Vollende man diesen Spaß.
 
 
Die Gräfin, Susanna
 
 
(still)
 
 
Gerechter Himmel! Wie wird es doch ausgehen?
 
 
Der Graf
 
 
(mit Eifer)
 
 
Also du –
 
 
Figaro
 
 
(mit Gleichgültigkeit)
 
 
Bin hinuntergesprungen.
 
 
Der Graf, die Gräfin, Susanna, Anton
 
 
Und warum?
 
 
Figaro
 
 
Die Furcht –
 
 
Die andern
 
 
Welche Furcht?
 
 
Figaro
 
 
(weiset auf die Zimmer der Dienstmädchen)
 
 
Dort eingesperret, wartete ich auf jenes liebe Gesichtl… tipp tapp ein ungewöhnliches Getöse – – sie schrien – – das geschriebene Billett – vor Schrecken verwirret sprang ich hinunter – (stellt sich, als hätte er sich dadurch Übel getan) und habe mir den Fuß verdrehet.
 
 
Anton
 
 
Diese verlorne Schriften werden also vermutlich dein sein –
 
 
(reicht einige Schriften dem Figaro, der Graf nimmt sie hinweg)
 
 
Der Graf
 
 
Hola, reiche sie mir.
 
 
Figaro
 
 
(still zu Susanna und der Gräfin)
 
 
(Jetzt bin ich gefangen.)
 
 
Susanna, die Gräfin
 
 
Figaro, zur List.
 
 
Der Graf
 
 
(öffnet die Schrift und biegt sie gleich wieder zusammen)
 
 
Sage mir nun, was ist das für eine Schrift?
 
 
Figaro
 
 
(nimmt aus dem Sacke Schriften und stellt sich, als ob er untersuchte)
 
 
Gleich… itzt gleich… ich habe deren so viele.
 
 
Anton
 
 
Es wird vielleicht die Rechnung der Schulden sein.
 
 
Figaro
 
 
Nein, das Verzeichnis der Wirte.
 
 
Der Graf
 
 
Rede, und du lass ihn gehen.
 
 
Die Gräfin, Susanna, Figaro
 
 
Lass ihn| gehen. Geh dich von hier.
 
 
Anton
 
 
Ich gehe ja, aber wenn ich dich wieder ertappe…
 
 
(gehet ab)
 
 
Figaro
 
 
Geh nur, ich fürchte dich nicht.
 
 
Der Graf
 
 
(zu Figaro)
 
 
Also…
 
 
(Der Graf öffnet die Schrift und biegt sie wieder zusammen.)
 
 
Die Gräfin
 
 
(still zu Susanna)
 
 
O Himmel! das Patent des Pagen!
 
 
Susanna
 
 
(still zu Figaro)
 
 
O Gott, das Patent!
 
 
Der Graf
 
 
Nun wohlan!
 
 
Figaro
 
 
(als ob ihm einfiel)
 
 
O ich Dummer! das ist das Patent, so mir kurz vorher der Knabe gegeben.
 
 
Der Graf
 
 
Wozu?
 
 
Figaro
 
 
(verwirret)
 
 
Es fehlt…
 
 
Der Graf
 
 
Was fehlt denn?
 
 
Die Gräfin
 
 
(still zu Susanna)
 
 
Das Insiegel.
 
 
Susanna
 
 
(still zu Figaro)
 
 
Das Insiegel.
 
 
Der Graf
 
 
(zu Figaro, der sich stellt, als ob er nachdenken wollte)
 
 
Antworte.
 
 
Figaro
 
 
Man pflegt…
 
 
Der Graf
 
 
(schauet die Schrift an und sieht, dass das Insiegel fehlt: zerreißet das Papier)
 
 
Weiter! Gerätst du in Verwirrung?
 
 
Figaro
 
 
Man pflegt, ein Insiegel darauf zu setzen.
 
 
Der Graf
 
 
(in äußerstem Zorn)
 
 
Der Schelm macht mich wahnsinnig, alles ist für mich ein Geheimnis.
 
 
 
 
Die Gräfin, Susanna
 
 
Wenn ich unbeschadet aus diesem Sturme komme, so fürchte ich keinen Schiffbruch mehr.
 
 
Figaro
 
 
Er schnaufet und stampfet umsonst, der Arme weiß weniger als ich.
 
 
 
 
Letzter Auftritt
 
 
Die Vorigen, Marzellina, Bartholo und Basilio.
 
 
Marzellina, Bartholo, Basilio
 
 
Sie, gnädiger Herr, weil Sie gerecht sind, müssen uns itzt anhören.
 
 
 
 
Der Graf
 
 
Sie sind gekommen, mich zu rächen.
 
 
Die Gräfin
 
 
Nun fühle ich ein Vergnügen.
 
 
Figaro
 
 
Sie sind gekommen, mich zu stören.
 
 
Susanna
 
 
Wie sollte man dem allen abhelfen?
 
 
 
 
Figaro
 
 
Diese sind drei Dummköpfe, drei Narren; was wollen sie denn haben?
 
 
Der Graf
 
 
Sachte und ohne Getümmel sage jeder sein Begehren.
 
 
Marzellina
 
 
Dieser da hat sich verpflichtet, mich zu heuraten, und fordere, dass er den Vertrag vollzuziehen angehalten werde.
 
 
Die Gräfin, Figaro, Susanna
 
 
Wie denn! wie denn!
 
 
Der Graf
 
 
Ei, still: Ich muss hier das Urteil sprechen.
 
 
Bartholo
 
 
Ich, von ihr erwählter Rechtsfreund, komme her, ihre rechtmäßige Forderung kundzumachen und sie zu verteidigen.
 
 
Figaro, die Gräfin, Susanna
 
 
Ein Schelm…
 
 
Der Graf
 
 
Ei, still: Ich muss hier das Urteil sprechen.
 
 
Basilio
 
 
Ich, als ein der Welt bekannter Mann, komme, um Zeugenschaft für die mittelst geborgten Geldes versprochene Ehe abzulegen.
 
 

Alle.
 
 
Der Graf, Marzellina, Basilio, Bartholo
 
 
Welch ein schöner Streich, welch schöner Zufall!Allen ist die Nase gewachsen.Ein uns wohlwollender Gotthat uns|sie hieher geschicket.
 
 
Die andern
 
 
Ich bin verwirret, ich bin betrübt, bin verzweifelt; gewiss welcher Teufel von der Hölle hat sie hier geschicket.
 
 
Figaro, Susanna, die Gräfin
 
 
Sie sind drei Narren.
 
 
Der Graf
 
 
Wir werden es sehen:Man wird den Vertrag lesen,alles muss ordentlich abgehandelt werden.
 
 
(Alle wie oben.)
 
 
Ende des zweiten Aufzuges.