Dritter Auftritt
 
 
Der Graf und die Gräfin.
 
 
Der Graf
 
 
Welche Neuigkeit? Es war sonst niemals deine Gewohnheit, dich im Zimmer einzusperren!
 
 
Die Gräfin
 
 
Es ist wahr, aber ich… wollte mich eben anziehen…
 
 
Der Graf
 
 
Was denn anziehen?
 
 
Die Gräfin
 
 
Gewisse Sachen… war mit mir Susanna… die in ihr Zimmer gegangen ist.
 
 
Der Graf
 
 
Sei wie's wolle, du bist nicht ruhig. Kennest du diesen Brief?
 
 
Die Gräfin
 
 
Himmel! ist der nämliche, den ihm Figaro schrieb.
 
 
Der Graf
 
 
Was ist dies für ein Getös'? – Im Kabinette ist was niedergefallen.
 
 
Die Gräfin
 
 
Ich habe nichts gehört.
 
 
Der Graf
 
 
Du musst in sehr wichtigen Gedanken vertiefet sein.
 
 
Die Gräfin
 
 
In was für Gedanken?
 
 
Der Graf
 
 
Dort drinnen ist jemand.
 
 
Die Gräfin
 
 
Wer sollt's denn sein?
 
 
Der Graf
 
 
Dich frag ich eben: Ich komme in dem Augenblick an.
 
 
Die Gräfin
 
 
Ja… wirklich wahr… Susanna ist's.
 
 
Der Graf
 
 
Du sagtest mir, sie sei in ihr Zimmer gegangen…
 
 
Die Gräfin
 
 
In ihr Zimmer oder da drinnen, habe nicht gut aufgemerkt…
 
 
Der Graf
 
 
Susanna! und woher kömmt's, dass du so verwirrt bist?
 
 
Die Gräfin
 
 
(mit gezwungenem Lächeln)
 
 
Wegen meiner Kammerjungfer gewiss?
 
 
Der Graf
 
 
Dies weiß ich nicht, aber verwirrt sonder Zweifel.
 
 
Die Gräfin
 
 
Ach, dies Mädchen verwirrt wohl mehr dich selbsten als mich.
 
 
Der Graf
 
 
Ja, gewiss, du wirst's itzt sehen.
 
 
Der Graf
 
 
Susanna, komm nun heraus, ich will es haben.
 
 
(Susanna tritt bei der nämlichen Türe ein, bei welcher sie ausging, und bleibt stehen, als sie den Graf siehet, dass er an der Türe des Kabinetts redet.)
 
 
Die Gräfin
 
 
(mit Kümmernis)
 
 
Warte… höre mich, sie kann nicht herauskommen.
 
 
Susanna
 
 
Was ist dies für ein Gezänke? Wo ging denn der Page hin?
 
 
Der Graf
 
 
Und wer trauet sich es zu verbieten?
 
 
Die Gräfin
 
 
Die Ehrbarkeit verbiet's; sie probiert ihr Brautkleid.
 
 
 
 
Der Graf
 
 
Die Sache ist ganz einleuchtend: Es wird hier der Liebhaber sein.
 
 
Die Gräfin
 
 
Die Sache siehet sehr übel aus: Wer weiß, was es sein wird.
 
 
Susanna
 
 
Etwas begreife ich: Man sehe, wie es gehet.
 
 
 
 
Der Graf
 
 
Also rede, Susanna, wenigstens, wenn du hier bist…
 
 
Die Gräfin
 
 
Nein nein, auch nicht; ich befehle dir zu schweigen.
 
 
 
 
Susanna
 
 
O Himmel! Ein Verderben,
 
 
a due
 
 
ein Ärgernis, eine Unordnungmeiden wir, ich bitte dich.
 
 
Susanna
 
 
Hier wird gewiss eine Unordnung, ein Ärgernisentstehen.
 
 
(Susanna verbirgt sich hinter der Alkowe.)
 
 
a due
 
 
Vernunft, mein Gemahl|meine Gemahlin.
 
 
 
 
Der Graf
 
 
Du willst also nicht aufsperren?
 
 
Die Gräfin
 
 
Und warum sollt ich meine Zimmer aufmachen?
 
 
Der Graf
 
 
Gut, man wird ohne Schlüssel aufsperren. Ei, Leute!
 
 
Die Gräfin
 
 
Wie? Und wolltest die Ehre einer Dame feilbieten?
 
 
Der Graf
 
 
Es ist wahr, ich irre mich, ohne Geschrei und Ärgernis kann ich selbst das dazu Notwendige holen. Warte nur hier… allein, damit jeder auch geringste Zweifel verschwinden solle, werde ich eher die Türen verschließen.
 
 
(Der Graf schließet die Türen zu, welche in die Zimmer der Dienstboten führen.)
 
 
Die Gräfin
 
 
(bei sich)
 
 
Welche Unbesonnenheit!
 
 
Der Graf
 
 
Du wirst die Gefälligkeit haben, mit mir zu kommen: (mit gezwungener Liebe) Madame, hier ist der Arm, gehen wir.
 
 
Die Gräfin
 
 
(mit Widerwärtigkeit)
 
 
Gehen wir.
 
 
Der Graf
 
 
(deutet aufs Kabinett)
 
 
Susanna wird hier bleiben, bis wir zurückkehren.
 
 
(gehen ab)
 
 
Vierter Auftritt
 
 
Susanna, die eilfertig aus der Alkowe heraustritt, alsdennCherubin, der aus dem Kabinette kömmt.
 
 
Susanna
 
 
Mach auf, geschwind, mach auf, ist die Susanna da. Komm nun heraus, gehe von hier ab.
 
 
(Cherubin kömmt heraus.)
 
 
Cherubin
 
 
(verwirrt und ohne Atem)
 
 
Ach, schreckliche Szene! Welch fürchterliches Unglück!
 
 
Susanna
 
 
Gehe fort, versäume nicht; hier, da, dort.
 
 
(gehen bald zu einer, bald zur anderen Türe, und finden alle gesperrt)
 
 
a due
 
 
Die Türen sind gesperret, was wird nun sein?
 
 
 
 
Hier darf man den Mut nicht sinken lassen: Er schlägt mich tot, wenn er mich antrifft.
 
 
Cherubin
 
 
Sehen wir ein wenig da hinaus: Dieses Fenster siehet eben in den Garten.
 
 
(Cherubino nähert sich dem Fenster, so im Garten geht, als ob er herunterspringen wollte; Susanna hält ihn ein)
 
 
Susanna
 
 
Cherubin, halt ein, halt ein, ich bitte dich.
 
 
Cherubin
 
 
Ein oder zwei Blumenstöcke… größeres Übel wird nicht geschehen.
 
 
Susanna
 
 
(fährt fort ihn einzuhalten)
 
 
Zu hoch für einen Sprung.
 
 
Cherubin
 
 
(macht sich von Susanna los)
 
 
Lass mich: Eher als ihr zu schaden, wollt ich ins Feuer gehen. Statt ihrer umarme ich dich; lebe wohl, so tut man.
 
 
(Cherubin springt hinunter.)
 
 
Susanna
 
 
(schreiet laut, sitzt einen Augenblick nieder, dann geht sie kraftlos zum Fenster)
 
 
Gott! er gehet dem Tode entgegen; ich bitte dich, halt ein.
 
 
Susanna
 
 
Der kleine Teufel! Ich glaube, er hat einen Poltergeist im Leibe; wie er fliehet! Er ist schon eine Meilweges entfernt; aber verlieren wir uns nicht unnütz, man gehe ins Kabinett: Komme alsdenn der Schnarcher, ich erwarte ihn allhier.
 
 
Fünfter Auftritt
 
 
Die Gräfin, der Graf mit Hammer und Zange in der Hand; beschauet bei seiner Ankunft alle Türen.
 
 
Der Graf
 
 
Es ist alles, wie ich's hinterließ: Willst also freiwillig aufsperren, (als ob er wollte mit Gewalt aufsperren) oder sollt ich…
 
 
Die Gräfin
 
 
Ach, halt ein, höre mich ein wenig an. (Der Graf wirft den Hammer und die Zange auf einen Stuhl.) Und glaubst mich fähig, meine Pflichten zu übertreten?…
 
 
Der Graf
 
 
Wie es dir gefällig ist; ich will sehen, wer in dem Kabinette eingesperret ist.
 
 
Die Gräfin
 
 
(furchtsam und zitternd)
 
 
Ja, du wirst es sehen… aber höre mich friedsam an.
 
 
Der Graf
 
 
(alteriert)
 
 
Ist also nicht Susanna?
 
 
Die Gräfin
 
 
Nein, aber es ist ein Gegenstand, der dir gar keinen Verdacht verursachen kann: Heute nachts… dachte man… einen unschuldigen Scherz zu machen… und ich schwöre dir… dass die Ehre, die Ehrbarkeit…
 
 
Der Graf
 
 
(mehr alteriert)
 
 
Wer ist es also, sag es mir… Ich werde ihn umbringen.
 
 
Die Gräfin
 
 
Höre mich… Ach, ich kann es nicht sagen!
 
 
Der Graf
 
 
Rede.
 
 
Die Gräfin
 
 
Es ist ein Knabe…
 
 
Der Graf
 
 
Ein Knabe!
 
 
Die Gräfin
 
 
Ja: der Cherubin.
 
 
Der Graf
 
 
(Muss ich also diesen Purschen aller Orten antreffen?) Wie? Ist er noch nicht abgereiset? O Gottlose! Nun ist der Zweifel aufgelöset: Dieser ist der Gegenstand des Gezänkes, das sind die Umschweife, wovon mir der Brief berichtet.
 
 
Sechster Auftritt
 
 
Der Graf, die Gräfin und Susanna im Kabinette.
 
 
Der Graf
 
 
(an der Türe des Kabinetts mit Ungestüm)
 
 
Komme nun heraus, boshafter Pursche, geschwind, heraus.
 
 
Die Gräfin
 
 
(ziehet den Grafen mit Gewalt von dem Kabinette weg)
 
 
Ach, deine Wut gegen ihn macht mich zitternd.
 
 
Der Graf
 
 
Willst du dich noch widersetzen?
 
 
Die Gräfin
 
 
Nein, aber höre.
 
 
Der Graf
 
 
Rede also.
 
 
Die Gräfin
 
 
O Gott! was für einen Verdacht wird nicht… Die Umstände, in denen du ihn antriffst… (zitternd und erschrocken) mit offenem Halse… bloßer Brust…
 
 
Der Graf
 
 
Offene Brust… Nur weiter.
 
 
Die Gräfin
 
 
Um weibliche Kleider anzuziehen…
 
 
 
 
Der Graf
 
 
Ich begreife alles, unwürdiges Weib, (nähert sich dem Kabinette, dann tritt er zurück) will mich alsogleich rächen.
 
 
Die Gräfin
 
 
Jener unüberlegte Zorn beleidiget mich, dein Zweifeln tut mir unrecht.
 
 
 
 
Der Graf
 
 
Her da mit dem Schlüssel.
 
 
Die Gräfin
 
 
(reicht dem Grafen den Schlüssel)
 
 
Er ist unschuldig, du weißt…
 
 
Der Graf
 
 
Ich weiß nichts. Gehe von meinem Angesichte: Du Boshafte, du Untreue suchest, mich zu entehren.
 
 
Die Gräfin
 
 
Ich gehe… ja… aber…
 
 
Der Graf
 
 
Ich mag nichts hören.
 
 
Die Gräfin
 
 
Ich bin an nichts schuldig.
 
 
Der Graf
 
 
Ich lese es dir an der Stirne.
 
 
 
 
Er soll sterben, ja sterben, und mich nicht mehr quälen.
 
 
(Der Graf macht das Kabinett auf, Susanna kömmt ganz ernsthaft hervor und bleibt bei der Türschwelle stehen.)
 
 
Die Gräfin
 
 
Ach, die blinde Eifersucht verleitet ihn gewiss zu welcher Übeltat.
 
 
 
 
Siebenter Auftritt
 
 
Die Vorigen und Susanna, (die aus dem Kabinette kömmt.)
 
 
Der Graf, die Gräfin
 
 
(mit Erstaunen)
 
 
Susanna!
 
 
Susanna
 
 
(ironisch)
 
 
Nun mein Herr! was zaudern Sie? Ergreifen Sie das Schwert, bringen Sie den Pagen um, jenen boshaften Pagen, sehen Sie ihn da.
 
 
 
 
Der Graf
 
 
Welch ein Stück ist das nicht! Mir schwindelt der Kopf.
 
 
Die Gräfin
 
 
Welches Wunder ist das! Susanna ist da.
 
 
Susanna
 
 
In Verwirrung geraten, sind sie ihrer selbst nicht bewußt.
 
 
 
 
Der Graf
 
 
Bist du allein?
 
 
 
 
Susanna
 
 
Untersuchen Sie, dahinten steckt er vielleicht.
 
 
Der Graf
 
 
Man sehe, er wird hier verstecket sein.
 
 
(Der Graf tritt ins Kabinett.)
 
 
 
 
Achter Auftritt
 
 
Susanna, die Gräfin, alsdenn der Graf.
 
 
Die Gräfin
 
 
Susanna, ich bin außer mir.
 
 
Susanna
 
 
(freudenvoll weiset die Gräfin auf das Fenster hin, bei dem Cherubin hinausgesprungen)
 
 
Mehr Mut, frischer, er ist schon sicher.
 
 
Der Graf
 
 
(tritt verwirrt aus dem Kabinette)
 
 
Welch ein Irrtum! Kaum kann ich es glauben; habe ich dich ungerecht beleidiget, ich bitte um Vergebung; doch einen solchen Spaß zu unternehmen, ist zu grausam.
 
 
Die Gräfin, Susanna
 
 
Deine|Ihre Torheiten verdienen keine Nachsicht.
 
 
Der Graf
 
 
Ich liebe dich.
 
 
Die Gräfin
 
 
(erholt sich nach und nach)
 
 
Nur das nicht.
 
 
Der Graf
 
 
Ich schwöre es.
 
 
Die Gräfin
 
 
(aufgebracht mit Nachdruck)
 
 
Du lügest; ich bin die Boshafte, die Untreue, die dich immer hintergehet.
 
 
 
 
Der Graf
 
 
Hilf mir, Susanna, ihren Zorn zu besänftigen.
 
 
Susanna
 
 
So strafet man jeden, der argwöhnisch sein kann.
 
 
 
 
Die Gräfin
 
 
(aufgebracht)
 
 
Die Treue einer liebenden Seele hatte also eine so grausame Vergeltung zu hoffen.
 
 
Der Graf
 
 
O hilf mir doch, Susanna, jenen Zorn zu besänftigen.
 
 
 
 
Susanna
 
 
(bittweise)
 
 
Meine Frau!
 
 
Der Graf
 
 
(bittweise)
 
 
Rosine!
 
 
Ende
 
 
Die Gräfin
 
 
Grausamer! – Ich bin nicht jene mehr, ich bin die Elende, die du verlassen und über deren Verzweiflung du dich freuest.
 
 
Der Graf
 
 
Meine Verwirrung, meine Reue strafen mich hinlänglich; habe Mitleiden mit mir.
 
 
Die Gräfin
 
 
Ich kann eine solche Unbild ungerochen nicht leiden.
 
 
Der Graf
 
 
Allein der eingesperrte Page?
 
 
Die Gräfin
 
 
War bloß, um dich auf die Probe zu stellen.
 
 
Der Graf
 
 
Doch jene Angst, – das Herzklopfen?
 
 
Die Gräfin
 
 
Es war nur ein Scherz.
 
 
Der Graf
 
 
Und ein so grausamer Brief?…
 
 
Die Gräfin, Susanna
 
 
Den Brief schrieb Figaro, den er durch den Basilio…
 
 
Der Graf
 
 
O ihr Lasterhaften! ich will euch…
 
 
Die Gräfin, Susanna
 
 
Jener verdient keine Nachsicht, der nicht andern verzeihet.
 
 
Der Graf
 
 
(zärtlich)
 
 
Wohlan, wenn es dir gefällig ist, sei der Friede allgemein; Rosine wird gegen mich doch nicht unerbittlich sein.
 
 
Die Gräfin
 
 
O welch ein weiches Herz hab ich nicht, Susanna! Wer wird nun mehr dem Zorn der Frauenzimmer Glauben beimessen?
 
 
Susanna
 
 
Es ist schon mit den Männern nicht anders: Man mag mit ihnen tun, was man will, sich wie immer stellen, es geht doch immer so aus.
 
 
Der Graf
 
 
(mit Zärtlichkeit)
 
 
Einen Blick!
 
 
Die Gräfin
 
 
Undankbarer!
 
 
Der Graf
 
 
(Er küsst der Gräfin zu wiederholten Malen die Hand.)
 
 
Ich tat dir Unrecht und es reuet mich.
 
 
a tre
 
 
Von nun an wirst mich|werde dich|wird Sie kennenlernen.
 
 
Neunter Auftritt
 
 
Die Vorigen und Figaro voll der Freude.
 
 
Figaro
 
 
Mein Herr, draußen sind schon die Geiger: Hören Sie den Schall der Trompeten, hören Sie die Pfeifen. Unter dem Gesange, dem Springen und Tanzen unserer Vasallen nun gehen wir eilends die Hochzeit zu feiern.
 
 
(Figaro nimmt Susanna bei der Hand, will abgehen; der Graf hält ihn auf.)
 
 
Der Graf
 
 
Langsam, langsam, nicht so eilfertig.
 
 
Figaro
 
 
Es erwarten mich schon alle.
 
 
Der Graf
 
 
Bevor man von hier weggehe, befreie mich eines Zweifels.
 
 
Figaro, die Gräfin, Susanna, der Graf
 
 
Die Sache ist gefährlich, was wird sie doch für einen Ausgang nehmen? Man muss mit List die Sache entdecken.
 
 
Der Graf
 
 
Kennt der Herr Figaro, (Er weiset ihm den Brief, den ihm Basilio gebracht. Figaro stellt sich, als wollte er ihn untersuchen.) wer diesen Brief geschrieben hat?
 
 
Figaro
 
 
Nein, ich kenne ihn nicht…
 
 
Die Gräfin
 
 
Du kennst ihn nicht?
 
 
Susanna
 
 
Du kennst ihn nicht?
 
 
Der Graf
 
 
Wirklich nicht?
 
 
Figaro
 
 
(allen, einem nach dem anderen mit Kühnheit)
 
 
Nein, sage ich, nein, nein.
 
 
Susanna, die Gräfin, der Graf
 
 
Hast du ihn nicht dem Basilio gegeben, dass er ihn überbringen…
 
 
Figaro
 
 
Ganz und gar nicht.
 
 
Susanna, die Gräfin, der Graf
 
 
Weißt du nichts von dem Stutzer, der heute abends im Garten… Du verstehst mich schon…
 
 
Figaro
 
 
(nicht mehr so kühn)
 
 
Nein, ich weiß nichts.
 
 
Der Graf
 
 
Umsonst suchst du eine Ausflucht, es hilft keine Entschuldigung, dein ganzes Aussehen verrät dich; ich kenne wohl, dass du mich belügen willst.
 
 
Figaro
 
 
Mein Aussehen betrügt; ich aber lüge nicht.
 
 
Die Gräfin, Susanna
 
 
Deine Spitzfindigkeit ist vergebens, wir haben das Geheimnis schon entdecket, darfst nicht widersprechen.
 
 
Der Graf
 
 
Was sagst also?
 
 
Figaro
 
 
Nichts, gar nichts.
 
 
Der Graf, die Gräfin, Susanna
 
 
Gestehest du es also ein?
 
 
Figaro
 
 
Nein.
 
 
Susanna, die Gräfin
 
 
Nun gescheit, du Schelm, der Spaß muss einmal ein Ende nehmen.
 
 
Figaro
 
 
(nimmt Susanna unter den Arm)
 
 
Um die Sache recht lustig auszumachen, und nach komischem Gebrauche, soll nun eine Heurat den Beschluss machen.
 
 
 
 
Susanna, Figaro
 
 
Mein Herr! widersprechen Sie es nicht, befriedigen Sie meine Wünsche.
 
 
Die Gräfin
 
 
So widersprich ihnen doch nicht, befriedige ihre Wünsche.
 
 
Der Graf
 
 
(bei sich)
 
 
Marzellina! Marzellina! wie lange verweilest du dich!
 
 
Zehnter Auftritt
 
 
Die Vorigen, Anton Gärtner (ganz rasend mit einem zusammengeschlagenen Nelkenstocke.)
 
 
Anton
 
 
Ach, mein Herr… mein Herr…
 
 
Der Graf
 
 
Was ist denn geschehen?
 
 
Anton
 
 
(mit Angst)
 
 
Welch eine Spitzbüberei! Wer hat es getan! Wer war's!
 
 
Der Graf, die Gräfin, Susanna, Figaro
 
 
So sage, was ist dir? Was ist geschehen?
 
 
Anton
 
 
(wie oben)
 
 
Hören Sie nur.
 
 
Figaro, der Graf
 
 
Nun, so rede doch.
 
 
Anton
 
 
Bei dem Fenster, so gegen den Garten schauet, sehe ich täglich allerhand Sachen hinauswerfen, und kurz vorher sah ich – kann es ärger sein? – einen Menschen hinunterwerfen.
 
 
Der Graf
 
 
(mit Lebhaftigkeit)
 
 
Von dem Fenster?
 
 
Anton
 
 
(weiset ihm den gebrochenen Nelkenstock)
 
 
Sehen Sie die Nelken.
 
 
Der Graf
 
 
In dem Garten?
 
 
Anton
 
 
Ja.
 
 
Susanna, die Gräfin
 
 
(still zu Figaro)
 
 
Figaro, mache dich gefasset.
 
 
Der Graf
 
 
Was höre ich?
 
 
Die Gräfin, Figaro, Susanna
 
 
(still)
 
 
Der Kerl störet uns.
 
 
Die Gräfin, Figaro, Susanna
 
 
(laut)
 
 
Was will der Besoffene da?
 
 
Der Graf
 
 
(in vollem Eifer)
 
 
Also ein Mensch… aber wo, wo ist er hingegangen?
 
 
Anton
 
 
Hurtig floh er davon, und auf einmal sah ich ihn nicht mehr.
 
 
Susanna
 
 
(still zu Figaro)
 
 
Weißt du, dass der Page…
 
 
Figaro
 
 
(still zu Susanna)
 
 
Ich weiß alles, hab ihn gesehen. (lacht laut) Ha, ha, ha!
 
 
Der Graf
 
 
Sei still.
 
 
Anton
 
 
Was lachst du?
 
 
Figaro, Susanna
 
 
Du taumelst im Weine schon bei angehendem Morgen.
 
 
Der Graf
 
 
So sag es mir noch einmal: ein Mensch aus dem Fenster…
 
 
Anton
 
 
Aus dem Fenster…
 
 
Der Graf
 
 
In den Garten…
 
 
Anton
 
 
In den Garten.
 
 
Susanna, die Gräfin, Figaro
 
 
Aber mein Herr! es redet ja der Wein durch ihn.
 
 
Der Graf
 
 
Fahre nur fort: Und hast ihn im Gesichte nicht gesehen?
 
 
Anton
 
 
Nein, das nicht.
 
 
Susanna, die Gräfin
 
 
(still zu Figaro)
 
 
Ei, Figaro, merk auf.
 
 
Figaro
 
 
(berührt die Nelken mit Verachtung)
 
 
Geh, du Dummkopf, sei einmal still, wegen drei Kreuzer einen solchen Lärmen anzufangen! Weil die Tat nicht heimlich bleiben kann: Ich war's, der aus dem Fenster gesprungen ist.
 
 
Der Graf, Anton
 
 
Was? Du? Du selbst?
 
 
Die Gräfin, Susanna
 
 
Wie fein!
 
 
Figaro
 
 
Was Wunder!
 
 
Der Graf
 
 
Nein, ich kann es nicht glauben.
 
 
Anton
 
 
Wie bist du denn itzt so dick geworden? So warst du nach dem Sprunge nicht.
 
 
Figaro
 
 
Wer springt, dem geschiehet es nicht anders.
 
 
Anton
 
 
Wer sollt es glauben?
 
 
Susanna, die Gräfin
 
 
Er will es noch behaupten.
 
 
Der Graf
 
 
Du, was meinest du?
 
 
Anton
 
 
Mich dünkte, es ware der Knabe.
 
 
Der Graf
 
 
(mit Eifer)
 
 
Cherubin!
 
 
Susanna, die Gräfin
 
 
(still)
 
 
Verfluchter Kerl!
 
 
Figaro
 
 
Er ist eben von Sevilien zu Pferde angekommen, (ironisch) von Sevilien, wo er vielleicht itzt schon ist.
 
 
Anton
 
 
(mit plumper Einfältigkeit)
 
 
Das nicht, das nicht, kein Pferd hab ich daraus nicht springen gesehen.
 
 
Der Graf
 
 
Welch große Geduld! Vollende man diesen Spaß.
 
 
Die Gräfin, Susanna
 
 
(still)
 
 
Gerechter Himmel! Wie wird es doch ausgehen?
 
 
Der Graf
 
 
(mit Eifer)
 
 
Also du –
 
 
Figaro
 
 
(mit Gleichgültigkeit)
 
 
Bin hinuntergesprungen.
 
 
Der Graf, die Gräfin, Susanna, Anton
 
 
Und warum?
 
 
Figaro
 
 
Die Furcht –
 
 
Die andern
 
 
Welche Furcht?
 
 
Figaro
 
 
(weiset auf die Zimmer der Dienstmädchen)
 
 
Dort eingesperret, wartete ich auf jenes liebe Gesichtl… tipp tapp ein ungewöhnliches Getöse – – sie schrien – – das geschriebene Billett – vor Schrecken verwirret sprang ich hinunter – (stellt sich, als hätte er sich dadurch Übel getan) und habe mir den Fuß verdrehet.
 
 
Anton
 
 
Diese verlorne Schriften werden also vermutlich dein sein –
 
 
(reicht einige Schriften dem Figaro, der Graf nimmt sie hinweg)
 
 
Der Graf
 
 
Hola, reiche sie mir.
 
 
Figaro
 
 
(still zu Susanna und der Gräfin)
 
 
(Jetzt bin ich gefangen.)
 
 
Susanna, die Gräfin
 
 
Figaro, zur List.
 
 
Der Graf
 
 
(öffnet die Schrift und biegt sie gleich wieder zusammen)
 
 
Sage mir nun, was ist das für eine Schrift?
 
 
Figaro
 
 
(nimmt aus dem Sacke Schriften und stellt sich, als ob er untersuchte)
 
 
Gleich… itzt gleich… ich habe deren so viele.
 
 
Anton
 
 
Es wird vielleicht die Rechnung der Schulden sein.
 
 
Figaro
 
 
Nein, das Verzeichnis der Wirte.
 
 
Der Graf
 
 
Rede, und du lass ihn gehen.
 
 
Die Gräfin, Susanna, Figaro
 
 
Lass ihn| gehen. Geh dich von hier.
 
 
Anton
 
 
Ich gehe ja, aber wenn ich dich wieder ertappe…
 
 
(gehet ab)
 
 
Figaro
 
 
Geh nur, ich fürchte dich nicht.
 
 
Der Graf
 
 
(zu Figaro)
 
 
Also…
 
 
(Der Graf öffnet die Schrift und biegt sie wieder zusammen.)
 
 
Die Gräfin
 
 
(still zu Susanna)
 
 
O Himmel! das Patent des Pagen!
 
 
Susanna
 
 
(still zu Figaro)
 
 
O Gott, das Patent!
 
 
Der Graf
 
 
Nun wohlan!
 
 
Figaro
 
 
(als ob ihm einfiel)
 
 
O ich Dummer! das ist das Patent, so mir kurz vorher der Knabe gegeben.
 
 
Der Graf
 
 
Wozu?
 
 
Figaro
 
 
(verwirret)
 
 
Es fehlt…
 
 
Der Graf
 
 
Was fehlt denn?
 
 
Die Gräfin
 
 
(still zu Susanna)
 
 
Das Insiegel.
 
 
Susanna
 
 
(still zu Figaro)
 
 
Das Insiegel.
 
 
Der Graf
 
 
(zu Figaro, der sich stellt, als ob er nachdenken wollte)
 
 
Antworte.
 
 
Figaro
 
 
Man pflegt…
 
 
Der Graf
 
 
(schauet die Schrift an und sieht, dass das Insiegel fehlt: zerreißet das Papier)
 
 
Weiter! Gerätst du in Verwirrung?
 
 
Figaro
 
 
Man pflegt, ein Insiegel darauf zu setzen.
 
 
Der Graf
 
 
(in äußerstem Zorn)
 
 
Der Schelm macht mich wahnsinnig, alles ist für mich ein Geheimnis.
 
 
 
 
Die Gräfin, Susanna
 
 
Wenn ich unbeschadet aus diesem Sturme komme, so fürchte ich keinen Schiffbruch mehr.
 
 
Figaro
 
 
Er schnaufet und stampfet umsonst, der Arme weiß weniger als ich.
 
 
 
 
Letzter Auftritt
 
 
Die Vorigen, Marzellina, Bartholo und Basilio.
 
 
Marzellina, Bartholo, Basilio
 
 
Sie, gnädiger Herr, weil Sie gerecht sind, müssen uns itzt anhören.
 
 
 
 
Der Graf
 
 
Sie sind gekommen, mich zu rächen.
 
 
Die Gräfin
 
 
Nun fühle ich ein Vergnügen.
 
 
Figaro
 
 
Sie sind gekommen, mich zu stören.
 
 
Susanna
 
 
Wie sollte man dem allen abhelfen?
 
 
 
 
Figaro
 
 
Diese sind drei Dummköpfe, drei Narren; was wollen sie denn haben?
 
 
Der Graf
 
 
Sachte und ohne Getümmel sage jeder sein Begehren.
 
 
Marzellina
 
 
Dieser da hat sich verpflichtet, mich zu heuraten, und fordere, dass er den Vertrag vollzuziehen angehalten werde.
 
 
Die Gräfin, Figaro, Susanna
 
 
Wie denn! wie denn!
 
 
Der Graf
 
 
Ei, still: Ich muss hier das Urteil sprechen.
 
 
Bartholo
 
 
Ich, von ihr erwählter Rechtsfreund, komme her, ihre rechtmäßige Forderung kundzumachen und sie zu verteidigen.
 
 
Figaro, die Gräfin, Susanna
 
 
Ein Schelm…
 
 
Der Graf
 
 
Ei, still: Ich muss hier das Urteil sprechen.
 
 
Basilio
 
 
Ich, als ein der Welt bekannter Mann, komme, um Zeugenschaft für die mittelst geborgten Geldes versprochene Ehe abzulegen.
 
 

Alle.
 
 
Der Graf, Marzellina, Basilio, Bartholo
 
 
Welch ein schöner Streich, welch schöner Zufall!Allen ist die Nase gewachsen.Ein uns wohlwollender Gotthat uns|sie hieher geschicket.
 
 
Die andern
 
 
Ich bin verwirret, ich bin betrübt, bin verzweifelt; gewiss welcher Teufel von der Hölle hat sie hier geschicket.
 
 
Figaro, Susanna, die Gräfin
 
 
Sie sind drei Narren.
 
 
Der Graf
 
 
Wir werden es sehen:Man wird den Vertrag lesen,alles muss ordentlich abgehandelt werden.
 
 
(Alle wie oben.)
 
 
Ende des zweiten Aufzuges.