Achter Auftritt
 
 
Figaro mit einem weißen Gewande in der Hand. Chor der Bauern und Bäuerinnen in weißen Kleidern, welche in einem Körblein gesammelte Blumen vor dem Grafen streuen, und Folgendes singen.
 
 
Chor
 
 

     Lustige Mädchen, streuet Blumen vor unserm edlen Herrn. Sein großmütiges Herz bleibe rein, wie die liebliche Weiße der schönsten Blume.
 
 
Der Graf
 
 
(zu Figaro mit Verwunderung)
 
 
Was ist das für Comédie?
 
 
Figaro
 
 
(still zu Susanna)
 
 
Nun sind wir auf dem Wege: Folge mir, mein Herz.
 
 
Susanna
 
 
Ich habe keine Hoffnung.
 
 
Figaro
 
 
Mein Herr! verachten Sie nicht diesen von unserer Liebe herrührenden Tribut: Nun, da Sie das einem zärtlichen Liebhaber so unangenehme Recht abgeschaffet haben…
 
 
Der Graf
 
 
Itzt bestehet dies Recht nicht mehr; was verlanget man also?
 
 
Figaro
 
 
Heute wollen wir die erste Frucht Ihrer Klugheit genießen: Heute ist unsere Hochzeit schon bestimmet; nun gehört es Ihnen, diese, welche vermög' eines Ihrigen Geschenkes ist rein erhalten worden, mit diesem weißen Gewande, Merkzeichen der Ehrbarkeit, zu bedecken.
 
 
Der Graf
 
 
Höllische Arglistigkeit! Allein man muss sich verstellen. Ich danke euch, meine Freunde, für so ehrliche Gesinnungen, aber verdiene deshalben weder Tribute noch Lobsprüche, und indem ich in meinen Lehngütern ein so unbilliges Recht abschaffe, stelle ich der Natur ihre Rechte zurück.
 
 
Alle
 
 
Er lebe, er lebe, er lebe!
 
 
Susanna
 
 
(hinterhaltisch)
 
 
Welche Tugend!
 
 
Figaro
 
 
Was für Gerechtigkeit!
 
 
Der Graf
 
 
(zu Figaro und Susanna)
 
 
Ich verspreche euch, die Zeremonie zu vollziehen. Ich begehre nur kurzen Aufschub: Ich will euch in Gegenwart meiner Treuesten und mit herrlicher Pracht vollkommen glücklich machen. (Man schaue um Marzellina.) Gehet, meine Freunde.
 
 
Die Bauern wiederholen den Chor, streuen die übrigen Blumen und gehen ab.
 
 
Figaro
 
 
Er lebe!
 
 
Susanna
 
 
Er lebe!
 
 
Basilio
 
 
Er lebe!
 
 
Figaro
 
 
(zu Cherubin)
 
 
Und du stimmst nicht bei?
 
 
Susanna
 
 
Der Arme ist betrübt, weil ihn der Herr vom Schlosse verjaget.
 
 
Figaro
 
 
Ach, in einem so feierlichen Tage!
 
 
Susanna
 
 
Am Tage der Hochzeit!
 
 
Figaro
 
 
Als Sie die ganze Welt bewundert!
 
 
Cherubin
 
 
(kniet nieder)
 
 
Vergebung, mein Herr.
 
 
Der Graf
 
 
Du verdienst sie nicht.
 
 
Susanna
 
 
Er ist noch kindisch.
 
 
Der Graf
 
 
Weniger als du meinst.
 
 
Cherubin
 
 
Es ist wahr, ich verging mich; aber von meinem Munde endlich…
 
 
Der Graf
 
 
(deutet, er soll aufstehen)
 
 
Gut, ich vergebe dir; ich will noch viel Mehrers tun: In meinem Regimente ist eine Offizierstelle leer, dich erwähle ich dazu, füge dich gleich dahin – lebe wohl.
 
 
(Der Graf will abgehen, Susanna, Figaro und Cherubin halten ihn auf.)
 
 
Susanna, Figaro
 
 
Nur bis auf Morgen…
 
 
Der Graf
 
 
Nein, gleich soll er gehen.
 
 
Cherubin
 
 
(seufzend)
 
 
Ich bin schon bereit, Ihnen zu gehorchen.
 
 
Der Graf
 
 
Doch zum letzten Male umarme die Susanna. (Cherubin umarmet Susanna, sie bleibt verwirret.)  (Der Streich ist unerwartet.)
 
 
Figaro
 
 
Ei, Hauptmann, mir auch die Hand; (still zu Cherubin) (ehe du abreisest, will ich dich sprechen.) (mit verstellter Freude) Lebe wohl, kleiner Cherubin; wie verändert sich in einem Augenblicke dein Schicksal!
 
 

     Wirst nicht mehr, flatterhafter Liebender, Tag und Nacht herumirren. Wirst nicht mehr, flüchtiger Schwärmer, die Ruhe der Schönen stören.
 
 

     Nicht mehr jene schöne Federbuschen werden deinen feinen artigen Hut zieren. Nicht mehr dies schöne lange Haar, jene heitere Mine, diese lebhafte weibliche Farbe.
 
 

     Zwischen Kriegern, potztausend! Mit langem Schnautzbart, engem Rocke, einem Gewehr auf den Schultern, Säbl an der Seite, gradem Halse, freiem Angesichte; mit einem großen Casquet oder Mütze auf dem Kopf, viel Ehre, wenig Geld, und statt des Tanzes ein Marsch durch Pfütze, durch Berge und Täler, im Schnee und heißesten Sonnenstrahlen, unter dem Konzert der Trompeten, der Bomben und Kanonen, deren Kugeln allerlei Töne in den Ohren hervorbringen.
 
 

     Cherubin, zum Siege, zum kriegerischen Ruhme!
 
 
Ende des ersten Aufzuges.