Sechster Auftritt
 
 
Die Vorigen, Madame Vogelsang.
 
 
Puf
 
 
Ah! Madame Vogelsang! Willkommen, willkommen. Eben recht! Wollen Sie Engagement haben?
 
 
Madame Vogelsang
 
 
Deswegen komm ich her. Ich höre – –
 
 
Puf
 
 
Herr Frank, da machen Sie eine Akquisition. (etwas heimlich auf Madame Krone deutend) Wenn Madame das Publikum mit lauter Empfindung eingewiegt hat, weckt die es wieder auf. Ich will Ihnen gleich eine Probe machen. (zu Madame Vogelsang) Madame! wissen Sie noch die Szene aus der Galanten Bäurin, die wir so oft zusammen gespielt haben?
 
 
Madame Vogelsang
 
 
Was sollt ich nicht! Es ist ja eine meiner Lieblingsszenen, meine Hauptszene; ist ja auf mich geschrieben worden.
 
 
Puf
 
 
Nun, so bitten wir um Platz. (Madame Krone, Frank und Herz treten zurück.) "Guten Morgen, Röschen! wohin so früh?"
 
 
Madame Vogelsang
 
 
"In die Stadt."
 
 
Puf
 
 
"Und so geputzt?"
 
 
Madame Vogelsang
 
 
"Es hat seine Ursachen."
 
 
Puf
 
 
"Ei! was denn für welche?"
 
 
Madame Vogelsang
 
 
"Musst du's denn wissen?"
 
 
Puf
 
 
"Das versteht sich, als dein zukünftiger Mann."
 
 
Madame Vogelsang
 
 
(seufzend)
 
 
"Ja, da ist noch eine gute Weile hin."
 
 
Puf
 
 
"Hm! so gar lange ist's doch eben nicht bis auf den Herbst."
 
 
Madame Vogelsang
 
 
"Mein guter Michel, deine heurige Fechsung wirst du wohl noch ohne mich verzehren."
 
 
Puf
 
 
(seufzend)
 
 
"So? Ei! wie käm denn das?"
 
 
Madame Vogelsang
 
 
"Ja, schau, mein lieber Michel, man muss weiter hinaus denken als auf heute und morgen. Ich habe nichts und du hast nicht viel, was kommt da heraus? Siebzehn Jahr bin ich auch erst alt, und wenn man gar so jung heuratet, wird man gar geschwind alt, hab ich gehört."
 
 
Puf
 
 
"So! so!"
 
 
Madame Vogelsang
 
 
"Es ist also besser, wir lassen's noch stehn."
 
 
Puf
 
 
"Kurios! Wie kommt dir denn das auf einmal in Kopf?"
 
 
Madame Vogelsang
 
 
"Ganz natürlich! Wenn man ein wenig weiter geguckt hat als in seine Schüssel, so sieht man ja, dass das Geld heutzutage das notwendigste Hausgeräte ist, und wenn man das nun nicht hat, so muss man sich doch erst darum umsehn."
 
 
Puf
 
 
"Meinst du? Gehst etwan deswegen in die Stadt?"
 
 
Madame Vogelsang
 
 
"Grade deswegen. Ich will mein Glück probieren."
 
 
Puf
 
 
"Nun, und wie willst du denn das anstellen? Sag einem doch auch ein bisschen was, vielleicht lernt man noch ein und anders."
 
 
Madame Vogelsang
 
 
"Du darfst weiter nicht spitzig tun, es hat alles seine gute Richtigkeit. Schau, da hab ich einen Korb Äpfel."
 
 
Puf
 
 
"Das seh ich. Nun?"
 
 
Madame Vogelsang
 
 
"Der muss machen, dass ich noch einmal mit Kutsch und Pferden fahre."
 
 
Puf
 
 
(greift ihr an die Stirne)
 
 
"Bist gestern gewiss zu viel in der Sonne gestanden?"
 
 
Madame Vogelsang
 
 
"Gar nicht, Herr Michel. Nu – die Äpfel trag ich zu der alten Anne Bruder, der ist fürstlicher Gärtner – –"
 
 
Puf
 
 
"Und der wird dir so viel dafür geben, dass du – –?"
 
 
Madame Vogelsang
 
 
"Plump mir nur nicht drein. Da hab ich auch ein Briefchen an ihn, wo sie mich ihm rekommandiert, damit er mich bei sich behält. Der hat nun das ganze Jahr hindurch eine Menge Pomeranzen und Pfirsichen. Er gibt mir also alle Tage ein Körbel voll zu verkaufen. Die trag ich in der Früh aus, in die Kanzeleien, auf die Reitschule und, was mir noch übrig bleibt, gegen Mittag zu den vornehmen Herren, wenn sie Ballen spielen. Nun, mit einem hübschen Mädel handeln solche Leute nicht: Jeder gibt mir, was ich fodre, mancher schenkt mir wohl gar noch was dazu. Da kann ich mir also leicht in einem Vormittage ein paar Gulden verdienen."
 
 
Puf
 
 
"Manchmal auch mehr, nachdem du eine Kundschaft triffst. Hm! hm!"
 
 
Madame Vogelsang
 
 
"Rümpf du nur die Nase, ich weiß schon, was ich zu tun habe. Wenn mir einer sagt, ich soll ihm Pomeranzen ins Haus bringen, so versprech ich ihm's wohl, weil er mir desto mehr zahlt, aber ich find's Haus nicht, und so behalt ich lange eine gute Kundschaft an ihm."
 
 
Puf
 
 
"Schau, schau! Freilich, bei Handel und Wandel kommt viel auf die Kundschaften an. Nu, weiter?"
 
 
Madame Vogelsang
 
 
"Das geschieht nun alles Vormittag. Nachmittag lern ich Näh'n, Putzmachen und Frisieren. In einem Jahr bin ich fertig, da leg ich denn mein Bauerngewandel ab, kleid mich nach der Mode und komm zu einer Gräfin als Kammerjungfer."
 
 
Puf
 
 
"Potztausend, wie geschwind!"
 
 
Madame Vogelsang
 
 
"Du darfst gar nicht zweifeln, ein hübsch Gesicht wird überall rekommandiert."
 
 
Puf
 
 
"Und da fährst du also mit Kutsch und Pferden? Richtig, mit der Bagage, wenn die Herrschaft auf die Güter fährt."
 
 
Madame Vogelsang
 
 
"Nein, Herr Michel, ich sitz bei der Gräfin in der Kutsche. Das ist aber alles noch nicht, was ich meine."
 
 
Puf
 
 
"Nicht? Hören wir also weiter!"
 
 
Madame Vogelsang
 
 
"Nun hat mich gleich alles im Haus zum Fressen lieb. Der junge Graf streicht mir erschrecklich nach; aber den lass ich ablaufen, damit ich's mit der alten Gräfin nicht verderbe."
 
 
Puf
 
 
"Eine gute Ursache."
 
 
Madame Vogelsang
 
 
"Aber mit dem Hofmeister von der jungen Herrschaft geb ich's ein bisschen gelinder. Der kann Musik und lernt mich singen; damit ich also seine Kundschaft nicht verliere, lass ich ihn hoffen, dass ich ihn heuraten werde."
 
 
Puf
 
 
"Wieder nur wegen der Kundschaft."
 
 
Madame Vogelsang
 
 
"In zwei Jahren kann ich singen wie eine Nachtigall, da komm ich auf die Komödie als Sängerin und krieg's Jahr tausend Dukaten."
 
 
Puf
 
 
"Auf die Komödie! O liebes Röschen, was fängst du an? Weißt du nicht, dass die Leute nicht selig werden?"
 
 
Madame Vogelsang
 
 
"Vor alters wohl; aber nach der neuen Einrichtung kommen sie so gut in Himmel als der Schulmeister."
 
 
Puf
 
 
"Ich hab noch keinen dort gesehen."
 
 
Madame Vogelsang
 
 
"Das glaub ich, du bist auch noch nicht dort gewesen. Nun ist's gar aus; itzt verliebt sich die ganze Welt in mich; ich schick aber alle spazieren, ich weiß schon, auf wen ich warte."
 
 
Puf
 
 
"Auf wen denn?"
 
 
Madame Vogelsang
 
 
"Auf einen alten Kavalier. Den lass ich mir an die linke Hand antrauen; in einem Monat stirbt er und vermacht mir eine Herrschaft, die mir des Jahrs hunderttausend Gulden einträgt."
 
 
Puf
 
 
"Ach Röschen! Herzens-Röschen! mach mich doch hernach zum Verwalter!"
 
 
Madame Vogelsang
 
 
(eine hohe Miene annehmend)
 
 
"Ihr könnt ja nicht schreiben, guter Freund."
 
 
Puf
 
 
"Ach liebe gnädige Frau, ich werd's schon lernen, wenn ich nur einmal Verwalter bin. Und mit Ihrem Mann werden Sie's ja auch nicht so genau nehmen."
 
 
(will sie umarmen)
 
 
Madame Vogelsang
 
 
(stößt ihn von sich)
 
 
"Grober Knopf! Wisst Ihr, wen Ihr vor Euch habt?"
 
 
Puf
 
 
(zu sich kommend)
 
 
"Potztausend sapperment! tust du doch, als ob du schon eine Dame wärst."
 
 
Madame Vogelsang
 
 
(sich ebenfalls erholend)
 
 
"Ha, ha, ha! Gelt, ich weiß mich dreinzuschicken?"
 
 
Puf
 
 
"Ja, ja. Wenn nur der Kabalier schon gestorben wäre!"
 
 
Madame Vogelsang
 
 
"Das geht alles, wie ich gesagt habe. Nun, was sagst du? Ist das nicht klug ausgedacht?"
 
 
Puf
 
 
"I ja, wenn's nur alles so ginge! Aber sag mir nur, Röschen, (denn jetzt bist doch noch keine Dame) woher hast du denn das Zeug alles?"
 
 
Madame Vogelsang
 
 
"Von der alten Anne. Du weißt, die hat viel gesehn, da hat sie mir denn immer so erzählt; und ich hab mir das so zusammenbuchstabiert."
 
 
Puf
 
 
"Schau, Röse, ich hätte nichts dagegen. Aber, wenn nun alles so ginge, wie du sagst, wie käm denn ich hernach an dich?"
 
 
Madame Vogelsang
 
 
"Das will ich dir gleich sagen: Du gehst itzt mit mir in die Stadt. Annens Bruder muss dich in ein groß Haus als Kucheltrager bringen; tragen kannst du, das weiß ich; nun, da lernst du daneben schreiben und lesen. In ein paar Jahren wirst du Kuchelinspektor. Nun legst du dir was auf die Seite; hernach wirfst du irgendeinem Hofrat was ins Maul, der bringt dich zu einer rechten großen Herrschaft als Hofmeister. Itzt hast du schon gewonnen. Denn in der Zeit bin ich schon auf der Komödie; ich geb dir mein Erübrigtes, du legst deine Sporteln dazu und leihst aus. Zwanzig vom Hundert, sagt die alte Anne, wär immer noch christlich. Das häuft sich nun von Tag zu Tag. Endlich braucht dein Graf ein Funfzigtausend Gulden, die leihst du ihm, und er verschreibt dir seine Herrschaft. Du gibst ihm jährlich zehntausend Gulden, und wenn er stirbt, gehört alles dein. Itzt ist gerade mein Kavalier auch gestorben. Du wirst ein 'Herr von', und wir heuraten uns."
 
 
Puf
 
 
"Ah! Rubenfikerment! Ich ein 'Herr von'! Nun, Röse, du sollst sehn, wie ich mich patzen will. Ich will dir gewiss meinen 'Herrn von' vorstellen, trotz einem. Da hast meine Hand drauf, ich geh mit dir, verkauf meine Wirtschaft und werd ein Kucheltrager."
 
 
Madame Vogelsang
 
 
"Aber Michel, dass du nur gescheit bist. Das erste Jahr können wir noch zusammenkommen, aber hernach müssen wir tun, als ob wir uns nicht kennten."
 
 
Puf
 
 
"Was? Ich sollt dich nicht sehen?"
 
 
Madame Vogelsang
 
 
"Nur heimlich; das werden wir schon ausmachen, bis du 'Herr von' bist und ich Witwe; hernach gehts schon."
 
 
Puf
 
 
"Und was unterdessen vorfällt? – – Nun geht eins mit dem andern auf." (Er nimmt sie in Arm und kehrt sich gegen die Anwesenden.) Nun, Herr Frank?
 
 
Frank
 
 
Mit außerordentlich viel Natur.
 
 
Madame Vogelsang
 
 
Also werden Sie mir doch Engagement geben?
 
 
Puf
 
 
Können Sie noch fragen?
 
 
Madame Vogelsang
 
 
Nun, ich will billig sein, achtzehn Taler die Woche.
 
 
Frank
 
 
(verlegen)
 
 
Madame – recht gern –
 
 
Madame Krone
 
 
Was! und ich soll mit vierzehn Talern zufrieden sein?
 
 
Puf
 
 
(zu Madame Krone)
 
 
Madame, Sie werden erlauben – es ist immer schwerer, das Publikum mit Anstand lachen zu machen als Tränen zu erregen. Über das ist auch eine komische Aktrice immer brauchbarer als eine bloß tragische.
 
 
Madame Vogelsang
 
 
Ich habe noch einen Vorzug. Ich habe einen Mann, der singen kann.
 
 
Herz
 
 
Und ich eine Frau, die singt.
 
 
Madame Vogelsang
 
 
Ich will meinen Mann gleich holen.
 
 
(ab)
 
 
Herz
 
 
Und ich meine Frau.
 
 
(ab)
 
 
Madame Krone
 
 
Nein, das heißt die Kunst zu weit herabsetzen.
 
 
(ab)
 
 
Frank
 
 
Warten Sie doch, Madame!
 
 
Madame Krone
 
 
Nicht einen Augenblick.
 
 
Frank
 
 
Da haben wirs, die Gesellschaft ist noch nicht beisammen, und die Uneinigkeit herrscht schon in vollem Maß.
 
 
Puf
 
 
Warum sind Sie mit der Gage gestiegen? Sie treiben sie noch auf zwanzig Taler hinauf, wenn Sie nicht festhalten.
 
 
Siebenter Auftritt
 
 
Frank, Puf, Herr und Madame Herz.
 
 
Herz
 
 
Hier hab ich das Vergnügen, Ihnen meine Frau vorzustellen. Sie ist bereit, Ihnen mit einer kleinen Arie eine Probe von ihrer Stimme zu geben.
 
 
Frank
 
 
Sie werden mir ein außerordentliches Vergnügen machen.
 
 
Madame Herz
 
 
(singt)
 
     
 
    Da schlägt des Abschieds Stunde,
 
 
um grausam uns zu trennen;
 
 
wie werd ich leben können,
 
 
o Damon! ohne dich!
 
     
 
    Ich will dich begleiten,
 
 
im Geist dir zur Seiten
 
 
schweben um dich!
 
 
Und du! – – vielleicht auf ewig
 
 
vergisst dafür auf mich!
 
     
 
    Doch nein, wie fällt mir so was ein!
 
 
Du kannst gewiss nicht treulos sein.
 
 
Ein Herz, das so der Abschied kränket,
 
 
dem ist kein Wankelmut bekannt,
 
 
wohin es auch das Schicksal lenket!
 
 
Nichts trennt das fest geknüpfte Band.
 
 
Frank
 
 
Göttlich! unvergleichlich! Ich bin Ihnen für das Vergnügen unendlich verbunden, Madame!
 
 
(Er küsst Madame Herz die Hand.)
 
 
Herz
 
 
(der ihm seiner Frauen Hand wegnimmt)
 
 
Um Vergebung, Herr Frank, Sie bewundern zu lebhaft! Ich mag das nicht gern leiden. Sie sind also mit dem Talent meiner Frau zufrieden?
 
 
Frank
 
 
Wer würde das nicht sein?
 
 
Herz
 
 
Nun denn, so werden Sie auch unsre Foderung nicht zu hoch finden. Sie geben meiner Frau sechzehn Taler die Woche und mir, weil ich's schon eingegangen bin, vierzehn.
 
 
Frank
 
 
Recht gerne.
 
 
Puf
 
 
Wir steigen.
 
 
Achter Auftritt
 
 
Die Vorigen, Mademoiselle Silberklang.
 
 
Mademoiselle Silberklang
 
 
Ihre Dienerin, Herr Frank. Sie errichten, wie ich höre, eine deutsche Oper? Ich will mich also bei Ihnen als Sängerin melden. Ich bin Mademoiselle Silberklang, Sie müssen mich ohne Zweifel per renommée kennen. – Weil der Ruf aber oft betrüglich ist, so will ich Ihnen ein kleines Rondeau singen, damit Sie selbst urteilen können.
 
 
Mademoiselle Silberklang
 
     
 
    Bester Jüngling! mit Entzücken
 
 
nehm ich deine Liebe an,
 
 
da in deinen holden Blicken
 
 
ich mein Glück entdecken kann.
 
     
 
    Nichts ist mir so wert und teuer
 
 
als dein Herz und deine Hand;
 
 
voll vom reinsten Liebesfeuer
 
 
geb ich dir mein Herz zum Pfand.
 
     
 
    Aber ach! wenn düstres Leiden
 
 
unsrer Liebe folgen soll,
 
 
lohnen dies der Liebe Freuden?
 
 
Jüngling, das bedenke wohl!
 
 
Frank
 
 
Bravo! Bravo! Zwei so vortreffliche Sängerinnen müssen meiner Gesellschaft einen besondern Wert geben. Wenn Sie um sechzehn Taler bei mir bleiben wollen – –
 
 
Mademoiselle Silberklang
 
 
Da haben Sie meine Hand – Ich mache nicht viel Umstände.
 
 
Puf
 
 
(heimlich zu Frank)
 
 
Akkordieren Sie zugleich, wie oft sie in einer Woche den Katarrh haben will.
 
 
Neunter Auftritt
 
 
Vorige, Madame und Herr Vogelsang.
 
 
Madame Vogelsang
 
 
Hier, Herr Frank, hab ich die Ehre, Ihnen meinen Mann aufzuführen.
 
 
Frank
 
 
Willkommen, willkommen. O nun hab ich ja schon eine Oper beisammen. Nur Einigkeit bitt ich, meine Kinder.
 
 
Mademoiselle Silberklang
 
 
Über mich werden Sie deshalb nicht klagen können, ich bin das beste Mädchen, ich tue alles, was man will. Sagen Sie mir, wie viel hat Madame (auf Madame Herz zeigend) Gage?
 
 
Frank
 
 
So viel wie Sie.
 
 
Mademoiselle Silberklang
 
 
Das hätt ich wissen sollen.
 
 
Madame Herz
 
 
Sie glauben doch wohl nicht, mehr zu verdienen als ich?
 
 
Puf
 
 
O Einigkeit!
 
 
Mademoiselle Silberklang
 
 
(zu Frank)
 
 
So müssen Sie wenigstens mich als Erste Sängerin annehmen.
 
 
Madame Herz
 
 
Dagegen protestier ich.
 
 
Mademoiselle Silberklang
 
     
 
    Ich bin die Erste Sängerin.
 
 
Madame Herz
 
 
(spöttisch)
 
 
Das glaub ich, ja, nach Ihrem Sinn.
 
 
Mademoiselle Silberklang
 
 
Das sollen Sie mir nicht bestreiten.
 
 
Madame Herz
 
 
(spöttisch)
 
 
Ich will es Ihnen nicht bestreiten.
 
 
Monsieur Vogelsang
 
 
Ei! lassen Sie sich doch bedeuten.
 
 
Mademoiselle Silberklang
 
     
 
    Ich bin von keiner zu erreichen,
 
 
das wird mir jeder eingestehn.
 
 
Madame Herz
 
 
(spöttisch)
 
 
Gewiss, ich habe Ihresgleichen
 
 
noch nie gehört und nie gesehn.
 
 
Monsieur Vogelsang
 
     
 
    Was wollen Sie sich erst entrüsten,
 
 
mit einem leeren Vorzug brüsten,
 
 
ein jedes hat besondern Wert.
 
 
 
 
Madame Herz, Mademoiselle Silberklang
 
 
Mich lobt ein jeder, der mich hört.
 
 
 
 
Madame Herz
 
 
Adagio! adagio!
 
 
Mademoiselle Silberklang
 
 
Allegro! allegrissimo!
 
 
Monsieur Vogelsang
 
 
Piano! pianissimo!
 
     
 
    Kein Künstler muss den andern tadeln,
 
 
es setzt die Kunst zu sehr herab.
 
 
Madame Herz
 
 
Wohlan! nichts kann die Kunst mehr adeln,
 
 
ich steh von meiner Fodrung ab.
 
 
Mademoiselle Silberklang
 
 
Ganz recht! Nichts kann die Kunst mehr adeln,
 
 
ich stehe ebenfalls nun ab.
 
 
Puf
 
 
(ironisch)
 
 
Es lebe die Einigkeit!
 
 
Letzter Auftritt
 
 
Die Vorigen, Eiler, Madame Pfeil und Madame Krone.
 
 
Madame Pfeil
 
 
Was hab ich gehört, Herr Frank, Sie geben andern sechzehn Taler und mir nur zwölfe? Da wird nichts draus. Ich muss die höchste Gage haben; denn ich bin in allen Fächern zu brauchen.
 
 
Eiler
 
 
(heimlich zu Frank)
 
 
Gestehn Sie ihr's nur ein. Ich zahle ja so alles.
 
 
Frank
 
 
(heimlich zu Madame Pfeil)
 
 
Beruhigen Sie sich nur; Sie sollen einen Separat-Kontrakt haben.
 
 
Madame Pfeil
 
 
So lass ich's gelten.
 
 
 
 
Madame Krone, Madame Vogelsang, Madame Herz, Mademoiselle Silberklang
 
 
Was ist das?
 
 
 
 
Frank
 
 
Dass ich gar keine Gesellschaft errichten will, wenn ich gleich anfangs so viel Hindernisse finde.
 
 
(nach einer kleinen Pause)
 
 
Madame Krone
 
 
Herr Frank, ich will der Kunst mein Intresse aufopfern.
 
 
Madame Vogelsang
 
 
Ich will mich am Beifall schadlos halten.
 
 
Madame Herz
 
 
Ich auch.
 
 
Mademoiselle Silberklang
 
 
Daran wird mirs auch nicht fehlen.
 
 
Puf
 
 
Nun, so wäre alles wieder in Ruhe. (beiseite) Bis es wieder ausbricht. Herr Frank, ich wünsche Ihnen Glück zu Ihrer Gesellschaft. Ich fürchte nichts – als dass Sie lauter Erste Aktricen und Erste Sängerinnen haben.
 
 
Schlussgesang
 
 
Mademoiselle Silberklang
 
     
 
    Jeder Künstler strebt nach Ehre,
 
 
wünscht, der einzige zu sein;
 
 
und wenn dieser Trieb nicht wäre,
 
 
bliebe jede Kunst nur klein.
 
 
Alle
 
     
 
    Künstler müssen freilich streben,
 
 
stets des Vorzugs wert zu sein;
 
 
doch sich selbst den Vorzug geben,
 
 
über andre sich erheben,
 
 
macht den größten Künstler klein.
 
 
Monsieur Vogelsang
 
     
 
    Einigkeit rühm ich vor allen
 
 
andern Tugenden uns an;
 
 
denn das Ganze muss gefallen
 
 
und nicht bloß ein einzler Mann.
 
 
Alle
 
     
 
    Künstler müssen freilich streben etc.
 
 
Madame Herz
 
     
 
    Jedes leiste, was ihm eigen,
 
 
halte Kunst, Natur gleich wert;
 
 
lasst das Publikum dann zeigen,
 
 
wem das größte Lob gehört.
 
 
Alle
 
     
 
    Künstler müssen freilich streben etc.
 
 
Puf
 
     
 
    Ich bin hier unter diesen Sängern
 
 
der Erste Buffo, das ist klar;
 
 
ich heiße Puf – nur um ein O
 
 
brauch ich den Namen zu verlängern,
 
 
so heiß ich ohne Streit: Buffo.
 
 
Und dass wie ich keins singen kann,
 
 
sieht man den Herren doch wohl an?
 
 
Alle
 
     
 
    Künstler müssen freilich streben etc.