Siebenter Auftritt
 
 
Pheron. Mirza.
 
 
Mirza
 
 
(aus dem Hause der Sonnenjungfrauen)
 
 
So spät, Pheron?
 
 
Pheron
 
 
Ich konnte den Thamos nicht früher verlassen. – Höre, Mirza! Ich hin heut Befehlshaber über die Stadt. Der Bürger, der Soldat gehorcht mir.
 
 
Mirza
 
 
(freudig
 
 
Welch unerwartetes Glück! Thamos liefert sich dir selbst in die Hände!
 
 
 
 
 
Pheron
 
 
Du weißt, wie leicht er durch verstellte Offenherzigkeit zu gewinnen ist. Wir redeten von den angeschlagenen Zetteln. Phanes und Sethos waren dabei. Ihr Auge ist scharfsichtig. Ob sie schon die Nachricht von Menes' Tochter für eine Erdichtung hielten, so errieten sie doch die Absicht des Erfinders. Natürlich fiel ihr Argwohn auf einen der Fürsten. Vielleicht traf er mich. Thamos hätte ebenso denken können. – Was tat ich? Ich bat ihn, sich unserer Personen, meiner am ersten, zu versichern. – Der Leichtgläubige! Zur Strafe, dass ich so von ihm dächte, trug er mir die Anstalten zur Erhaltung der Ruhe auf.
 
 
Mirza
 
 
Die Götter sind auf unserer Seite! – Stehen aber auch deine Anhänger bereit?
 
 
Pheron
 
 
Sie erwarten meinen Wink. Diesen Abend, in dem Augenblicke, wenn Thamos das Diadem aufsetzt, soll die Tochter des Menes erscheinen.
 
 
Mirza
 
 
Versuche noch den Feldherrn und den Oberpriester zu gewinnen.
 
 
Pheron
 
 
Mit dem Sethos darf ich es wagen. Beide zwar, Sethos und Phanes, sind eifrige Anhänger des Menes; beide, ich weiß es, erklären sich für die Sais, sobald sie in ihr die Tochter ihres geliebten Königs erkennen. Allein Phanes, der Feldherr, ist nicht mein Freund. Er wird zu verhindern suchen, dass Sais mir ihre Hand reiche.
 
 
Mirza
 
 
Sei unbesorgt! Einen aus den Fürsten muss sie wählen. Wen sonst als dich? – Den schon vermählten Amosis? – Den Horus, den Athos? – Beide an Jahren ihre Väter! – Etwa den Thamos, den Feind ihres Hauses? der auch schon, wie er dir gestand, andere Fesseln trägt! – Erhebst du sie nicht auf den Thron? Wagst du nicht alles für sie?
 
 
Pheron
 
 
Und ich, Mirza! habe dir alles zu danken.
 
 
Mirza
 
 
Den Sohn meiner Schwester über Ägypten herrschen zu sehen, war mein Plan von dem Tage an, als Ramesses mir die Geburt der Sais und seine Absicht, sie mit dem Thamos zu vermählen, entdeckte. Diese Verbindung sollte das Reich seinem Stamme versichern. Zum Glücke starb er plötzlich.
 
 
Pheron
 
 
Wenn Thamos die Sais gesehen, wenn er sie geliebt, wenn er ihre Gegenliebe gewonnen hätte!
 
 
Mirza
 
 
Beider Jugend hat es verhindert, solange Ramesses lebte. Als König besuchte Thamos das Haus der geheiligten Jungfrauen anfangs nur selten. Auch alsdann verlangte er nicht allzeit, die edlen Töchter Ägyptens, die bei uns erzogen werden, zu sehen. Ich stellte es dabei so an, dass Sais nicht zum Vorschein kam. Noch jetzt würde sie ihm unbekannt sein, wenn ich nicht sie dir hätte zeigen wollen. Dies konnte nicht geschehen, ohne dass auch Thamos sie sah, weil selbst den Fürsten nur im Gefolge des Königs unsere Wohnungen offenstehen. Er schien die Sais kaum zu bemerken. Und ob er schon jetzt fleißiger kömmt, so redet er doch wenig mit ihr; weit mehr mit ihrer Gespielin Myris. – Fast mutmaße ich, dass ihn diese eingenommen habe. – Ließ Thamos sich gegen dich nicht heraus?
 
 
Pheron
 
 
Ich wagte es, ihn zu befragen. Er versprach, meine Neugierde zu befriedigen. Zuvor müsse er die Gesinnung derjenigen erforschen, von der er als Thamos, nicht als König, geliebt sein wolle.
 
 
Mirza
 
 
Und ich werde ihn ausforschen. Er besucht uns diesen Morgen.
 
 
Pheron
 
 
Wenn wirst du der Sais ihre Geburt entdecken?
 
 
Mirza
 
 
Nicht eher, als kurz vor dem Anfange der feierlichen Handlung. Dann soll sie zugleich von mir hören, was du für sie unternimmst. Dir selbst verschaffe ich Gelegenheit, mit ihr zu sprechen. Der entscheidende Augenblick naht heran: Alles sei jetzt gewagt!
 
 
Pheron
 
 
Ich bekenne dir es, Mirza! Nicht ganz ohne Furcht sehe ich diesem Augenblicke entgegen. Ein Schritt, der entweder zum Throne oder zum Untergang führt! …
 
 
Mirza
 
 
(fällt ihm in die Rede)
 
 
Nun aber geschehen ist! – Schon glimmst du den Felsen hinan, bald hast du die Spitze erreicht. Vor dir schweben Szepter und Diadem; unter deinen Füßen ist Abgrund. Aufwärts wende deinen Blick, nicht mehr hinab; sonst bist du verloren. Mirza ist ein Weib und zittert nicht. Du ein Mann: Herrsche oder stirb!
 
 
(Mirza geht in das Haus der Sonnenjungfrauen zurück und Pheron in die Burg ab.)
 
 
Ende des ersten Aufzugs
 
speaker-icon
Nr. 2Eintrag von der Hand Leopold Mozarts in der autographen Partitur:
Der erste Aufzug schließt mit dem genommenen Entschluss zwischen Pheron und Mirza, den Pheron auf den Thron zu setzen.