ERSTER AUFZUG
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Weite und anmutige Landschaft mit Sicht auf die Stadt Sidon in der Ferne.
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ERSTE SZENE
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Amintas singt auf einem Stein sitzend; dann Elisa.
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Amintas
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Ich verstehe, mein Freund Bach,
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dies leises Murmeln;
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du fragst in deiner Sprache:
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„Wo ist unsere Liebste“?
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Ich verstehe, freundlicher Bach …
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Rezitativ
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Amintas
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(sieht Elisa und läuft ihr entgegen.)
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Schöne Elisa? Meine Angebetete?
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Wohin?
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Elisa
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(fröhlich und eilig)
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Zu dir, mein lieber Amintas.
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Amintas
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O Götter! Weißt du nicht,
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dass Alexanders Lager
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sich nicht weit von hier befindet? Dass
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der bewaffnete Mazedonier
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all diese lieblichen Gegenden heimgesucht hat?
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Elisa
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Ich weiß es.
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Amintas
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Warum denn
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setzt du dich allein der frechen
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Willkür der Soldaten aus?
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Elisa
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Liebe fürchtet kein Wagnis,
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und hört auf keinen Rat.
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Dich nicht zu sehen, ist für mich die größte Gefahr.
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Amintas
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Und das wegen mir?
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Elisa
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Ach, höre mir zu. Mein Herz ist voll
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von seligen Hoffnungen, und ich finde keine Ruhe,
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bis ich sie mit dir teilen kann.
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Amintas
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Woanders
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könntest du in größerer Sicherheit …
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Elisa
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Aber du tust Alexanders Tugend
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Unrecht. Bewacher
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unserer Sicherheit sind
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jene Scharen, die du fürchtest. Er ist hergekommen,
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um Sidon von einem Tyrannen zu befreien, und doch will er
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für seine Gaben keinen Lohn:
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Das Joch hat er zerbrochen, den Thron jedoch weist er zurück.
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Amintas
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Wer wird also unser König sein?
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Elisa
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Man glaubt,
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dass im Verborgenen und ohne sich dessen bewusst zu sein
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der rechtmäßige Erbe lebt.
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Amintas
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Und wo …
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Elisa
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Ach lass
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Alexander ihn suchen. Höre. Meine
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mitfühlende Mutter (oh, die liebe Mutter!) willigt endlich
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in meine Liebe zu dir ein.
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Amintas
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Ach!
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Elisa
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Du seufzt, Amintas!
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Was soll dieser Seufzer bedeuten?
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Amintas
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Dem Schicksal grolle ich,
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das mich so wenig
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deiner würdig machte, Elisa. Du kannst dich des reinen
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Blutes von Kadmos rühmen, ich unbekannter Schäfer
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kenne meines nicht. Du musst
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meinetwegen die elterlichen Annehmlichkeiten aufgeben, ich kann dir stattdessen
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wegen meines bescheidenen Loses
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nur eine ärmliche Herde bieten, einen primitiven Stall.
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Elisa
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Hadere nicht mit dem Himmel: Generös genug
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ist er dir mit seinen Gaben gewesen. Wenn er dir Purpur und Gold
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verwehrte, hat er dir doch diese Sprache, dies Antlitz,
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dieses Herz gegeben. Nicht Reichtum oder Ahnen,
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sondern Amintas suche ich in Amintas; und ich liebe an ihm
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sogar seine Armut. Vom ersten Tag an,
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als ich, ein Kind noch, ihn erblickte, schienen mir
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dieser Hirte, diese Herde und dieser Stall
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liebenswert und freundlich;
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und im Herzen sind mir
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dieser Stall, diese Herde und dieser Hirte immer geblieben.
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Amintas
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O mein einziges, o mein wahres
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Glück! Diese lieben Worte …
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Elisa
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Leb wohl.
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Zur Mutter laufe ich und komme bald wieder zu dir.
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Ich werde dich niemals mehr verlassen. Zusammen
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wird uns die Sonne stets sehen, im Sinken wie im Wiederkehren.
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O süßes Leben! O glückliche Tage!
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Nr. 2 Arie
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Elisa
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Zum Wald, zur Wiese und zur Quelle
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werde ich mit der geliebten Herde gehen;
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zum Wald, zur Quelle und zur Wiese
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wird mein Geliebter dann mit mir kommen.
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Unter dem rohen, engen Dach,
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das uns behüten wird,
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wird die Unschuld mit der Freude und dem Entzücken
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wohnen.
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(Sie geht ab.)
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ZWEITE SZENE
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Amintas, dann Alexander, Agenor mit einem kleinen Gefolge.
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Rezitativ [Fassung A]
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Amintas
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Verzeihung, gütige Götter. Ich war zu ungerecht,
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als ich mit euch haderte. Es glänzt am Himmel
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kein schönerer Stern als der Stern, der mich leitet.
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||
Wenn jemand auf Erden glücklich ist, so ist es Amintas.
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Agenor
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(leise zu Alexander)
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(Das ist der Hirte.)
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Amintas
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(will weggehen.)
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Bei aller Freude vergesse ich
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meine arme Herde.
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Alexander
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(zu Amintas)
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Höre, Freund.
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Amintas
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(Ein Krieger!) Was begehrst du?
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Alexander
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Nur mit dir zu sprechen.
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Amintas
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||
Herr, verzeih
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(wer auch immer du bist): Es ist höchste Zeit,
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die Herde zu tränken.
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Alexander
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Gehe nur, doch schenke mir
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||
einen kurzen Augenblick.
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(zu Agenor)
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(Was für ein edles Antlitz!)
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||
Amintas
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(Was wird er wohl von mir wollen?)
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Alexander
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Wie nennst du dich?
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||
Amintas
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Amintas.
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||
Alexander
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||
Und der Vater?
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Amintas
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||
Alceos.
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||
Alexander
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||
Lebt er noch?
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Amintas
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||
Nein, es schon fünf Jahre her,
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||
dass ich ihn verloren habe.
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||
Alexander
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||
Was hattest du
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als väterliches Erbe?
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Amintas
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Einen schmalen Gemüsegarten,
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von dem ich meine Nahrung beziehe,
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||
ein paar Schafe, eine Hütte und ein zufriedenes Herz.
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Alexander
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In bescheidenen Umständen lebst du.
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Amintas
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Sehr günstig
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scheint mir mein Stern zu sein:
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Ich begehre kein schöneres Los als das meine.
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||
Alexander
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Aber mit so geringen Gütern …
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Amintas
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||
Noch viel geringer
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sind meine Wünsche.
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||
Alexander
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||
In saurem Schweiß bereitest du
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dein schlichtes Mahl.
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Amintas
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||
Er würzt es aber.
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||
Alexander
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||
Du kennst
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Ruhm und Ehre nicht.
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Amintas
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Und ich fürchte keine Widersacher,
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und mich plagen keine Gewissenbisse.
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||
Alexander
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||
Dein Schafstall bietet dir
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unbequemen und harten Schlaf.
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||
Amintas
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||
Doch ruhigen und sicheren.
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Alexander
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Und wer kann dich vor diesen
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umherstreifenden bewaffneten Truppen,
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||
schützen?
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Amintas
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Was ich so sehr
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lobe, du verachtest und der Himmel schützt:
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Ein armes Dasein im Verborgenen.
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Agenor
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(leise zu Alexander)
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(Hast du noch Zweifel?)
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Alexander
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(Diese Rede erstaunt und bezaubert mich.)
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Amintas
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Wenn du nichts weiter willst, so lebe wohl.
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||
Alexander
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||
Höre. Ich werde dich
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zu Alexander führen, wenn du willst.
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Amintas
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||
Nein.
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||
Alexander
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Warum?
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Amintas
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Er würde mich
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von meinen Pflichten abhalten, ich würde der Welt
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einige Augenblicke seines kostbaren,
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wertvollen Einflusses stehlen. Jeder schuldet seinem
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Stand das seine. Amintas hat andere Pflichten
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als Alexander. Zu klein ist für ihn
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||
die ganze Erde, eine Hütte für mich
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ist groß genug. Ich gehöre meinen Schafen,
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er ist Feldherr seiner Krieger:
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Ein kleines Feld bestelle ich, er gründet Reiche.
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||
Alexander
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Der Himmel kann jedoch mit einem Schlag
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den Lauf deines Schicksals verändern.
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Amintas
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Gewiss, aber der Himmel bestimmt mich bislang zum Hirten.
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Rezitativ [Fassung B]
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Amintas
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Liebliche Landschaften,
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einsame Wälder, was hab ich euch zu verdanken!
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Meinen Frieden, die Ruhe und die heiteren Tage,
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übervoll der Wonnen
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und der wahren Freude, wofür ich dankbar
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die Pracht eines Thrones jederzeit zurückweisen würde,
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all dies, ich erkenne es an, ist eure Gabe.
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||
Wenn ich ganz allein unter euch
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den Weg meiner lieben Herde beobachte,
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versüße ich die Weide mit den schlichten Tönen
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meiner bescheidenen Schalmei, und inzwischen
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vertreibe ich die Trübsal von meinem Herzen und singe froh.
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Ich singe von der süßen Liebe meiner Nymphe,
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die, wenn sie nicht bei mir ist, nach mir seufzt;
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sie strahlt volle Liebe aus,
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sie steht ganz in Flammen für mich, und auch ich gehe in ihren Flammen
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wie ein Phönix unter und erstehe wieder auf.
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Sagt ihr es, Hirten,
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ob sich einer unter euch befindet,
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der seliger und glücklicher ist als ich. Dass die schöne Elisa
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dem treuen Amintas treu ist, sagt jedes geschwätzige
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Bächlein allen, der hohle Berg
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ruft es fröhlich weiter, jeder Zweig
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bestätigt es nickend, und sogar die Vöglein
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eifern unserer Liebe nach
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und künden unter Küssen und Liebkosungen,
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am bekannten Beispiel
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der Schäfer Elisa und Amintas,
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als wahrhaftige Zeugen von Pol zu Pol:
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dass die Ruhe, der Friede und die wahre Liebe
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in des Hirten Leben wohnen.
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Nr. 3 Arie
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Amintas
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Sanfte Lüfte und heitere Tage,
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||
frische Quellen und grüne Wiesen
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sind das allerhöchste Glück
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für Herde und Hirten.
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Sollte es einmal dem Schicksal gefallen,
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||
meine Pflichten zu ändern,
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mögen die Götter Sorge tragen,
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mir Sinn und Herz zu wandeln.
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(Er geht ab.)
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DRITTE SZENE
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Alexander und Agenor.
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Rezitativ
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Agenor
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Was sagst du nun, Alexander?
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Alexander
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||
Ach, gewiss verbirgt sich
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||
hinter jenem Hirten der unbekannte Erbe
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des Throns von Sidon! Deine Beweise waren
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schon gewichtig; doch diese Worte, dieses Antlitz
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sind es noch mehr. Was für ein edles Herz! Was für eine sanfte,
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heitere Tugend! Folge mir: Wir wollen nun
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das große Werk vollenden. Dieses wird
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mein größter Triumph sein. Mauern einzureißen,
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Heere in die Flucht zu schlagen, Reiche
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im Kriegsgetümmel zu erschüttern,
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||
das ist das Vergnügen, das die Helden auf Erden empfinden.
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||
Doch Unterdrückte aufzurichten,
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den Königreichen Glück zu bringen,
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||
Tugend zu krönen und den schimpflichen Schleier zu entreißen,
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||
der sie trübt,
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||
das ist das Vergnügen, das die Götter im Himmel empfinden.
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Nr. 4 Arie
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Alexander
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Vor der Sonne Angesicht zieht
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manchmal eine Wolke auf
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und blitzt und dräut
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hinab zur dürren Erde.
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||
Doch nachdem sie sich auf diese Weise
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zu einem Gewitter zusammengebraut hat,
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||
löst sie sich ganz in Regen auf
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||
und macht ihren Schoß fruchtbar.
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||
(Er geht ab.)
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VIERTE SZENE
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Tamiris in Schäferkleidung und Agenor.
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Rezitativ
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||
Tamiris
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||
Agenor? Halt.
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Höre …
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||
Agenor
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||
Verzeihe,
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||
anmutige Hirtin: Ich muss Alexanders
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||
Schritten folgen … (O Götter! Tamiris ist es.)
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||
Prinzessin …
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Tamiris
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||
Ach, mein Liebster!
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Agenor
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||
Bist du es?
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Tamiris
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||
Ich bin's.
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||
Agenor
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||
Du hier? Du in diesen Kleidern?
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Tamiris
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||
Ihnen verdanke ich
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das einzige Gut, das mir geblieben ist,
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das heißt meine Freiheit, da Alexander
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mir den Vater und das Reich genommen hat.
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||
Agenor
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||
Oh, wie habe ich
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um dich geweint und dich gesucht! Aber wo hast du
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dich bisher verborgen gehalten?
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Tamiris
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||
Die schöne Elisa
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nahm mich als Flüchtling auf.
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||
Agenor
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Und welche Absicht …
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Ach, mich erwartete Alexander.
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Lebe wohl: Ich komme wieder.
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Tamiris
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Höre. Du musst mir einen Weg zur Flucht
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verschaffen, mein Liebster:
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Woanders kann ich dann wenigstens in Sicherheit weinen.
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Agenor
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Willst du, Prinzessin,
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einem weiseren Rat folgen? Zu Alexander
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komm mit mir.
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Tamiris
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Zum Mörder meines Vaters!
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Agenor
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Straton hat sich selbst getötet: Er kam damit der Gnade
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des Siegers zuvor.
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Tamiris
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||
Ich selbst soll meine Hand
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in Bande legen? Ich soll mich
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den Beleidigungen der griechischen Weiber aussetzen?
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Agenor
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Du täuschst dich:
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Du kennst Alexander nicht. Und ich kann
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dich jetzt nicht aufklären.
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(Er will weggehen.)
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||
Lebewohl. Bald
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komme ich zu dir.
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Tamiris
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Sieh: Elisas Haus
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dort …
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Agenor
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(wie zuvor)
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Es ist mir schon bekannt.
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Tamiris
|
||
Höre.
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Agenor
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||
Was willst du?
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Tamiris
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||
Welchen Platz habe ich in deinem Herzen?
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Agenor
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||
Ach, siehst du es nicht?
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Frag deine schönen Augen, Prinzessin.
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||
Nr. 5 Arie
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||
Agenor
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||
Gebt mir Antwort,
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schöne Sterne der Liebe:
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Wenn ihr es nicht wisst,
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wer sollte es dann wissen?
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||
Ihr habt alle Wege
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meines Herzens erkundet,
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als ihr den Sieg
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über meine Freiheit errungen habt.
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(Er geht ab.)
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FÜNFTE SZENE
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||
Tamiris allein.
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Rezitativ
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||
Tamiris
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||
Nein, ihr seid nicht, o Götter,
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||
so unbarmherzig mit mir,
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||
wie ich bisher glaubte. Gewiss, ihr habt
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||
meinen Thron in eine Hütte verwandelt, in ein grobes Fell
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das königliche Gewand; aber ich habe
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meinen Liebsten weiterhin treu gefunden:
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||
Barmherzige Götter, ihr habt mir viel gelassen.
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||
Nr. 6 Arie
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Tamiris
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||
All die vielen Stürme
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hat diese Seele nun vergessen,
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ihre Ruhe hat sie
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in des Geliebten Blick wiedergefunden.
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Wenn es unter dem Zorn der Sterne
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auch vor Schreck gebebt hat,
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||
so bebt nun das Herz vor Freude
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||
in der Brust.
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||
(Sie geht ab.)
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||
Garten. |
||
SECHSTE SZENE
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||
Elisa äußerst heiter und eilig, dann Amintas.
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||
Rezitativ
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||
Elisa
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||
O froher Tag! Ach ich Glückliche! O mein lieber
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||
Vater! Aber … wo ist er hingegangen?
|
||
Hier habe ich ihn doch vorher
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||
zurückgelassen. Er wird drinnen sein. Amintas!
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||
Amintas! … Oh, ich Törichte! Nun fällt mir ein: Es ist die Stunde,
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||
die Herde zu tränken. An der Quelle
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||
und nicht hier muss ich ihn suchen.
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||
Amintas
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||
Wohin eilst du, Elisa?
|
||
Elisa
|
||
Ach, du bist endlich zurück! Gehen wir.
|
||
Amintas
|
||
Und wohin?
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||
Elisa
|
||
Zum Vater.
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||
Amintas
|
||
Also stimmt er zu …
|
||
Elisa
|
||
Das Herz
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||
hat mich nicht getäuscht. Du wirst mein Gatte sein, und zwar noch ehe
|
||
die Sonne sinkt. Der Vater ist ungeduldig
|
||
so wie wir. Stolz und glücklich
|
||
über einen so liebenswerten Sohn … Er wird es dir sagen. Du wirst es
|
||
an seinem Empfang merken … Komm.
|
||
Amintas
|
||
Ach, meine Liebe,
|
||
lass mich doch zu Atem kommen! Hab Mitleid mit einem Herzen,
|
||
das in seinem höchsten Glück …
|
||
Elisa
|
||
(will weggehen.)
|
||
Ach, zaudern wir nicht: Zu Atem können wir gemeinsam kommen.
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||
SIEBENTE SZENE
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||
Agenor, gefolgt von königlichen Wachen, die in Goldschalen die Insignien des Königs tragen; die Vorigen.
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||
Rezitativ
|
||
Agenor
|
||
Vom treuesten Vasallen
|
||
empfange, erhabener König, diese erste Huldigung.
|
||
Elisa
|
||
(zu Amintas)
|
||
Was sagt er?
|
||
Amintas
|
||
(zu Agenor)
|
||
Zu wem sprichst du?
|
||
Agenor
|
||
Zu dir, mein Herr.
|
||
Amintas
|
||
(mit verächtlichem Gesichtsausdruck)
|
||
Lass mich in Ruhe und treibe
|
||
mit anderen deinen Spott. Ich bin frei geboren,
|
||
auch wenn ich kein König bin;
|
||
(mit wachsendem Groll)
|
||
und wenn ich auch keine Huldigungen verdiene,
|
||
so habe ich doch ein Herz, das keine Beleidigungen duldet.
|
||
Agenor
|
||
Der edle Zorn
|
||
zeigt, wer du bist, und entschuldigt mich. Höre mich an und lass
|
||
meine Worte dir offenbaren, wer du bist.
|
||
Elisa
|
||
(zu Agenor)
|
||
Wie! Ist er nicht Amintas?
|
||
Agenor
|
||
Nein.
|
||
Amintas
|
||
Und wer bin ich?
|
||
Agenor
|
||
Du bist Abdolonimus: der einzige Erbe
|
||
des Thrones von Sidon.
|
||
Amintas
|
||
Ich!
|
||
Agenor
|
||
Ja. Verjagt
|
||
vom perfiden Straton, übergab dich dein Vater als Kind
|
||
dem meinen. Dieser vertraute dich im Sterben
|
||
mir an,
|
||
dein Geheimnis und auch die Beweise.
|
||
Elisa
|
||
Und der alte Alceos …
|
||
Agenor
|
||
… zog dich unerkannt auf.
|
||
Amintas
|
||
Und du hast bisher ...
|
||
Agenor
|
||
Und ich habe schweigend
|
||
dem Gebot des Vaters gehorcht. Das Reden war mir verboten,
|
||
bis dir die Hilfe der Götter irgendeinen Weg zum Thron
|
||
eröffnen sollte. Ich suchte Hilfe
|
||
im großmütigen Herzen Alexanders, und ich fand sie.
|
||
Elisa
|
||
O Jubel! O Freude!
|
||
Mein Liebster ist mein König!
|
||
Amintas
|
||
(zu Agenor)
|
||
Alexander also …
|
||
Agenor
|
||
… erwartet dich und will mit eigner Hand
|
||
dein Haupt krönen. Das ist das königliche Gewand,
|
||
das er dir schickt. Jene, die du siehst,
|
||
sind deine Diener und Wachen. Ach, komm endlich;
|
||
ach, lange habe ich diesen Tag herbeigesehnt!
|
||
(Er geht ab.)
|
||
ACHTE SZENE
|
||
Elisa heiter, Amintas erstaunt.
|
||
Rezitativ
|
||
Amintas
|
||
Elisa!
|
||
Elisa
|
||
Amintas!
|
||
Amintas
|
||
Träume ich?
|
||
Elisa
|
||
Ach nein!
|
||
Amintas
|
||
Du glaubst
|
||
also …
|
||
Elisa
|
||
Ja. Für mich ist diese Wendung
|
||
nicht seltsam, wenn auch unvermutet.
|
||
Ein königliches Herz habe ich in deinem Antlitz stets gesehen.
|
||
Amintas
|
||
Mag sein. Doch jetzt lass uns
|
||
zu deinem Vater gehen.
|
||
(Er macht sich auf den Weg.)
|
||
Elisa
|
||
(Sie hält ihn auf.)
|
||
Nein, höhere Pflichten verlangen die Götter
|
||
nun von dir. Geh, herrsche, und dann …
|
||
Amintas
|
||
Wie? Du drängst mich, dich zu verlassen? Denkst du nicht,
|
||
dass der Vater, der Vater, o Götter!
|
||
dem du dein Glück verdankst,
|
||
und ich das meine, an dieser neuen
|
||
unvermuteten Freude gleich teilhaben soll?
|
||
Verzeihe, Elisa, ich kann dir nicht gehorchen;
|
||
das verbieten mir die Liebe zu dir, die große Freude,
|
||
der Respekt, die Pflicht.
|
||
Ach, ehe er es von anderen erfährt,
|
||
soll er aus meinem Munde die frohe Kunde hören,
|
||
dann werde ich zu Alexander gehen und den Thron besteigen;
|
||
darauf wird dein treuer Hirte
|
||
bald als König zu dir zurückkommen.
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||
Dulde, dass ich gehe … Ach, wenn du nur wüsstest,
|
||
meine Liebste, wie ein einziger Augenblick fern von dir
|
||
mein liebendes Herz betrübt!
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||
Elisa
|
||
Ach, wenn du nur sehen könntest,
|
||
wie es diesem Herzen geht! Vor Freude jubelt es.
|
||
Und doch … Nein, nein, so schweigt,
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ihr lästigen Ängste. Nun soll man an nichts anderes denken,
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als dass Amintas König ist. Ach geh:
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Alexander könnte zürnen.
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Amintas
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Gütige Götter,
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ich bin für eure Gabe dankbar;
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doch allzu hoch ist dieser Preis für einen Thron.
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Nr. 7 Duett
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Elisa
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Gehe hin und herrsche, mein Geliebter;
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bewahre aber in deinem Herzen, wenn du
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kannst, Treue für die, die dich anbetet.
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Amintas
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Wenn ich herrschen muss, meine Geliebte,
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werde ich auch auf dem Thron
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dein treuer Hirte sein.
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Elisa
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Ach, dass du mein König bist!
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Amintas
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Ach, was für grausame Ängste!
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Beide
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Ach, schützt, o Götter,
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diese unschuldige Liebe.
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Ende des ersten Aufzugs. |