ERSTER AUFZUG
 
 
Ein angenehmer Garten im Schloss des Amtshauptmanns.
 
 
Erster Auftritt
 
 
Der Amtshauptmann, der Ritter Ramiro und Serpetta; Sandrina und Nardo, welche letztere mit Arbeit beschäftiget sind.
 
 
Alle
 
     
 
    Welches Vergnügen,
 
 
welch froher TageDichterische Lizenz für "Tag",
 
 
welch schöne Gegend,
 
 
welch schöne Lage!
 
 
Wonne und Liebe
 
 
verbreiten sich hier.
 
 
Ramiro
 
 
    Verborgnes Leiden macht mich verzagen,
 
 
mein Herz empfindet stets neue Plagen,
 
 
Freud und Zufriedenheit fliehen von mir.
 
 
Amtshauptmann
 
     
 
    Wer kann dies Mädchen genugsam schätzen?
 
 
An ihrem Reize sich satt ergötzen?
 
 
Für sie allein sei mein Herz aufbewahrt.
 
 
Sandrina
 
     
 
    Ach! welche Schwermut drückt meine Seele!
 
 
Ich noch die Ursach davon verhehle.
 
 
Verfolgt das Schicksal wohl jemand so hart?
 
 
Nardo
 
 
(auf Serpetta deutend)
 
     
 
    Sie denkt nicht einmal, mich anzuschauen.
 
 
Auf Weibertreue ist nicht zu bauen;
 
 
der falsche Wechselbalg hat mich zum Spott.
 
 
Serpetta
 
 
(auf den Amtshauptmann deutend)
 
     
 
    In dieses Affeng'sicht ist er vernarret:
 
 
steht unbeweglich da und fast erstarret.
 
 
Betrügt der Falsche mich, quäl ich ihn tot.
 
 
Ramiro
 
     
 
    Mein bittres Leiden muss ich verhehlen.
 
 
Amtshauptmann
 
 
Gutes Sandrinchen! nichts soll dich quälen.
 
 
Sandrina
 
 
So vieler Gütigkeit bin ich nicht wert.
 
 
Ramiro
 
     
 
    Wann wird sich enden dies herbe Leiden?
 
 
Amtshauptmann
 
 
Von dieser Schönheit kann mich nichts scheiden.
 
 
Serpetta
 
 
Der Männer Falschheit ist ganz unerhört.
 
 
Alle
 
     
 
    Welches Vergnügen, welch froher TageDichterische Lizenz für "Tag",
 
 
welch schöne Gegend, welch schöne Lage!
 
 
Wonne und Liebe verbreiten sich hier.
 
 
Amtshauptmann
 
 
Ha! es lebe der gute Geschmack meiner artigen Gärtnerin! Wie hübsch sie meinen Garten herausgeputzt hat! Doch sie selbst ist wohl die schönste Blume darin? Flosculus Amoris. Nicht wahr, Ritter?
 
 
Ramiro
 
 
Sicher! doch so vortrefflich dieser Garten auch immer ist, so kann er mich doch nicht ganz von meiner Schwermut heilen.
 
 
Amtshauptmann
 
 
Eh! das ist Thorheit! Aber Sandrinchen! warum machst du denn so betrübte Gesichter?
 
 
Serpetta
 
 
(für sich)
 
 
Wenn sie nur beim Henker wäre! – Seitdem dies Fratzengesicht hier im Hause ist, (auf den Amtshauptmann deutend) sieht mich der Alte nicht einmal mehr an.
 
 
Nardo
 
 
(zu Serpetta)
 
 
Gibst du mir heute keinen Blick?
 
 
Serpetta
 
 
Lass mich zufrieden.
 
 
Amtshauptmann
 
 
(zu Sandrina)
 
 
Nun, wo fehlt's denn, mein Liebchen?
 
 
Serpetta
 
 
(Mir scheint, sie hat Herzweh!)
 
 
Sandrina
 
 
Ich bin Ihrer Güte nicht wert: Es überfällt mich zuweilen eine gewisse Schwermut, die mich niederschlägt und mir alle Fröhlichkeit raubt.
 
 
Nardo
 
 
(zu Serpetta)
 
 
Aber bedenke doch, mein Kind!
 
 
Serpetta
 
 
(Mir vergeht alle Geduld.)
 
 
Amtshauptmann
 
 
Ritter, Sandrina! munter! aufgeräumt! Ich erwarte alle Augenblicke meine Nichte, die Braut des Grafen Belfior. Sie kann keine traurigen Gesichter leiden. Fort! was zum Henker soll dies melancholische Wesen zu einer Zeit, da alles tanzen, springen und lustig sein soll. Gaudeamus, laetemur!
 
 
Sandrina
 
 
(Dazu werd ich sehr wenig aufgelegt sein.)
 
 
Ramiro
 
 
(Mich kann nichts erheitern.)
 
 
Amtshauptmann
 
 
Freund, ich fürchte immer, die Liebe hat Ihnen einen schlimmen Streich gespielt. Amor ludificus proditor.
 
 
Ramiro
 
 
Nur allzuwahr, Freund! Ich seufze um eine Ungetreue, eine Undankbare.
 
 
Amtshauptmann
 
 
Lächerlich! ha ha ha! – Wie lächerlich, sich um ein Frauenzimmer zu kränken! sich das Leben um sie verkürzen! Folgen Sie meinem Rat: Schenken Sie Ihr Herz einer andern. Vis vi repellatur! Die Liebe hat Sie verwundet, die Liebe soll Sie wieder heilen.
 
 
Ramiro
 
 
Dafür bewahre mich der Himmel! Ich sollte mir neuerdings Fesslen anlegen? Nein nein! nie soll mir wieder ein solcher Gedanke kommen.
 
     
 
    Die Lerche, die von Maschen
 
 
sich einmal losgedrungen,
 
 
lässt sich nicht zweimal haschen,
 
 
sie nimmt sich wohl in acht.
 
     
 
    Da es mir jetzt gelungen,
 
 
mich aus dem Netz zu ziehen,
 
 
will ich in Zukunft fliehen
 
 
Amors betrogne Macht.
 
 
(geht ab)
 
 
Zweiter Auftritt
 
 
Der Amtshauptmann, Sandrina, Serpetta, Nardo.
 
 
Amtshauptmann
 
 
Serpetta! Nardo! geschwind, hurtig! Seht zu, dass bei der Ankunft der Brautleute alles prächtig und in guter Ordnung sei.
 
 
Serpetta
 
 
(Haha! wir sind ihm hier ungelegen! Er will mit seinem Gärtnermädchen allein sein.)
 
 
Nardo
 
 
Gehen wir, Serpetta.
 
 
(geht ab)
 
 
Serpetta
 
 
Geh, brich dir den Hals, Dummkopf.
 
 
(Sie geht bis in Grund des Theaters, verbirgt sich und lauret auf.)
 
 
Amtshauptmann
 
 
Endlich sind wir allein! Nun wollen wir näher miteinander sprechen. Sandrinchen! deine Schönheit, dein Reiz, dein artiges, einnehmendes Wesen hat mich völlig bezaubert. Der Blitz deiner schönen Augen hat mein Herz in Brand gesteckt. Comburor ab intus! Und wenn du nicht löschen hilfst, so wird der ganze Palast meines Körpers zu Asche verbrennen.
 
 
Sandrina
 
 
Was sagen Sie, mein Herr? Ein armes Baurenmädchen.
 
 
Serpetta
 
 
(hervor)
 
 
Soll Sandrina nicht auch helfen?
 
 
Amtshauptmann
 
 
Was willst du? Apage! Sandrina soll hier bleiben. Heu impudentem!
 
 
Serpetta
 
 
Wie Sie befehlen. (für sich) Die verdammte Hexe!
 
 
(geht ab)
 
 
Amtshauptmann
 
 
Nun, Sandrinchen! du balsamisches oleum popoleum meines Herzens! Was meinst du? Sprich!
 
 
Sandrina
 
 
Aber erwägen Sie einmal! Ihr Stand und der meinige; welcher Unterschied!
 
 
Amtshauptmann
 
 
Ei was Unterschied! Die Liebe kennt keinen.
 
 
Sandrina
 
 
Aber kann ein ehrbares Mädchen zugeben, dass Ihr ansehnliches Haus durch sie entehrt werde?
 
 
Serpetta
 
 
(kehrt zurück wie zuvor)
 
 
Verzeihen Sie, Herr Amtshauptmann, wenn ich Sie störe.
 
 
Amtshauptmann
 
 
Was zum Teufel schon wieder?
 
 
Serpetta
 
 
Wo soll ich der Braut ihren Putztisch hinstellen?
 
 
Amtshauptmann
 
 
(zornig)
 
 
He! in die Stube, in den Keller, ins Kamin, auf den Heuboden – wohin du willst.
 
 
Serpetta
 
 
Ich bitte um Vergebung.  (für sich) Das Affengesicht!
 
 
(geht zürück)
 
 
Amtshauptmann
 
 
Heus molestam! – Genug, mein Schatz! Deine Schönheit entehrt keineswegs, sondern erhebt vielmehr den Glanz meines hochansehnlichen Hauses.
 
 
Sandrina
 
 
Was verlangen Sie denn also?
 
 
Amtshauptmann
 
 
Dich zu meinem süßen Weibchen zu machen.
 
 
Serpetta
 
 
(wie zuvor)
 
 
Was werden Sie wohl denken, wenn ich – –
 
 
Amtshauptmann
 
 
Dass du ein unverschämtes, boshaftes und nasenweises Ding bist, die – –
 
 
Serpetta
 
 
Erlauben Sie nur ein paar Worte –
 
 
Amtshauptmann
 
 
Geh zum Henker, du Überlästige.
 
 
Serpetta
 
 
Geduld, Geduld! ich gehe schon (für sich) Warte, Mensch! du sollst es mir entgelten.
 
 
(geht ab)
 
 
Sandrina
 
 
Mit Dero Erlaubnis, mein Herr!
 
 
(will fort)
 
 
Amtshauptmann
 
 
Wohin, mein Herzchen? Warte, höre mich! Ach! wenn du wüßtest – (Ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht.) Alles geht bei mir drunter und drüber. Mein Herz schlägt mir, ich weiß nicht, ist's Freude, Furcht oder Hoffnung.
 
     
 
    In meiner Brust erhallet
 
 
ein liebliches Ertönen
 
 
der Flauten und der Oboe.
 
     
 
    Die Lust mein Herz durchwallet.
 
 
Kann ich die Freud gewöhnen?
 
 
Ich weiß nicht, wo ich steh!
 
     
 
    Doch wie! was muss ich hören?
 
 
Welch schwarze Harmonie,
 
 
die mich erzittern macht.
 
     
 
    Es sind hier die Bratschisten,
 
 
mit düstrer Melodie,
 
 
die mich in Angst gebracht.
 
     
 
    Jetzt kömmt ein großes Lärmen
 
 
von Pauken und Trompeten,
 
 
von Bässen und Fagotten,
 
 
das mich fast närrisch macht.
 
 
(geht ab)
 
 
Dritter Auftritt
 
 
Sandrina, hernach Nardo.
 
 
Sandrina
 
 
Grausames Schicksal! wie lange wirst du mich noch verfolgen? Von dem einzigen Gegenstande, der mir so teuer ist, aus blinder Eifersucht verwundet und dann verlassen, muss ich meinen Stand verleugnen und unter erborgter Kleidung bei niedriger Arbeit meine Täge hinweinen. Und doch wollte ich alles vergessen, könnte ich den Undankbaren nur noch einmal sehen –
 
 
Nardo
 
 
Gnädige Frau! –
 
 
Sandrina
 
 
Unvorsichtiger, schweige! Wenn dich jemand hörte –
 
 
Nardo
 
 
Wer soll uns hören? Wir sind ja allein.
 
 
Sandrina
 
 
Du weißt, dass heute die Jahrszeit jener traurigen Nacht ist, wo der unwürdige Graf Belfior, aus toller Eifersucht gereizt, auf mich den Degen zog, mir eine tödliche Wunde versetzte, und, als er mich tot glaubte, eilfertig die Flucht nahm?
 
 
Nardo
 
 
O des abscheulichen Zufalls! Ich muss weinen, so oft ich daran denke.
 
 
Sandrina
 
 
Du weißt, mein treuer Robert, dass ich bloß in der Absicht, meinen Geliebten aufzusuchen, mich in diese Kleider gestecket, und mit dir, den man für meinen Vetter hält, mich unerkannt in die Welt gewagt habe. Nun bin ich kaum eine kurze Zeit hier und schon droht mir ein neues Ungewitter.
 
 
Nardo
 
 
Ungewitter? Wo soll das herkommen? Wir sind in guten Händen. Der Herr Amtshauptman liebt Sie ja, und er –
 
 
Sandrina
 
 
Eben seine Liebe ist's, die mich zwingt, auf meine Abreise zu denken. Wie kann ich die ewigen Seufzer und die unaufhörlichen Zudringlichkeiten eines ungestümen, lächerlichen Liebhabers länger aushalten, ohne – –
 
 
Nardo
 
 
Ei zum Henker! wer kann Sie denn zwingen, ihn zu lieben? Machen Sie es wie andere Frauenzimmer: Schmeichlen Sie ihm zum Scheine! verstellen Sie sich – bohren Sie ihm den Narren! wie es jetzt bei den Weibern Mode ist! –
 
 
Sandrina
 
 
Diese Mode ist nicht für mich! Und ich wollte auch selbst zum Zeitvertreib es nicht wagen, mich in eine neue Liebe einzulassen. Ich kenne zu sehr die Gefahr, die man bei Männern läuft! Ich will sie alle fliehen –
 
 
(will gehen)
 
 
Vierter Auftritt
 
 
Ramiro, Vorige.
 
 
Ramiro
 
 
(der die letzten Worte mit angehört und Sandrinen aufhält)
 
 
Lieben müssen Sie die Männer, nicht fliehen.
 
 
Nardo
 
 
Das war ein gescheides Wort.
 
 
Ramiro
 
 
Was für Grund haben Sie denn, die Männer zu hassen?
 
 
Sandrina
 
 
Ihre Untreue, Eifersucht und Falschheit.
 
 
Ramiro
 
 
Und doch gibt es Männer, die alle diese Fehler nicht haben. Ich selbst darf mich darunter zählen: Ich liebte eine junge, reizende Person von Stande, mit dem reinesten, aufrichtigsten Herzen. Die Zeit unsrer Verbindung war da; doch (unglückliche Erinnerung!) statt ihre Hand mir zu reichen, vergaß sie Ehre, Pflicht und Schwüre, verließ mich beschimpft, verraten, und – –
 
 
Sandrina
 
 
Da haben wir es! Wir armen Mädchen müssen die Schuld tragen! Wir sind der Ursprung allen Übels. Armes Frauenzimmer! wie hart ist doch unser Schicksal! Weder Schönheit noch Verstand kann uns glücklich machen.
 
     
 
    Wir arme, gute Mädchen,
 
 
wie sind wir nicht geschoren!
 
 
Kaum da wir sind geboren,
 
 
fängt unser Leiden an.
 
     
 
    Unwissend in der Kindheit,
 
 
geplagt in unsrer Jugend,
 
 
sind in der Jahre Blüte,
 
 
die Wilde wie die Schöne,
 
 
von der verwünschten Liebe
 
 
zu Asche fast verbrennt.
 
     
 
    Ach! arme, gute Mädchen,
 
 
wär es für uns nicht besser,
 
 
wir wären nicht auf der Welt!
 
 
(geht ab)
 
 
Ramiro
 
 
Hätte ich nie eine Arminda gekannt, so wäre ich ruhig und glücklich!
 
 
(geht ab)
 
 
Fünfter Auftritt
 
 
Nardo.
 
 
Zum Henker! meine Gräfin will schon wieder Reißaus nehmen? Der verdammte Streich! Ha, vielleicht! – ja, nichts vielleicht! – ich bin selbst verlegner als sie. Serpetta hat mir das rechte Gift gegeben! Ich möchte vor Liebe krepieren, und doch ist die Unbarmherzige so hart, so unempfindlich wie ein Klotz, immer weicht sie mir aus. Was soll ich doch tun, um sie in mich verliebt zu machen? – Ich will bitten, seufzen, weinen, dass es – Aber was wird es helfen? Heutzutage hat das Weibsvolke Herzen wie Marmor, Stahl und Eisen.
 
     
 
    Der Hammer zwingt das Eisen,
 
 
erweicht durch Feuershitze.
 
 
Der Marmor lässt sich formen
 
 
durch scharfe Meißelspitze.
 
 
Doch wer kann mir erweisen,
 
 
dass Hammer oder Eisen,
 
 
wohl selbst der Liebe Feuer
 
 
hab jemals überwunden
 
 
der Weiber Eigensinn?
 
     
 
    Sind wir nicht alle Narren,
 
 
recht blinde, dumme Narren,
 
 
betrogen durch der Weiber List?
 
 
Verlachet sie, verspottet sie,
 
 
verachtet sie und fliehet sie.
 
 
Sie sind kein Teufel wert!
 
 
(geht ab)
 
 


Saal im Schloss des Amtshauptmanns.
 
 
Sechster Auftritt
 
 
Der Amtshauptmann, Arminda, hernach Serpetta.
 
 
Amtshauptmann
 
 
Nun, liebe Nichte! ruhen Sie hier ein wenig aus. Ich hoffe, Ihr Bräutigam wird bald eintreffen.
 
 
Arminda
 
 
Das ist in der Tat wider allen Wohlstand, dass er mich auf sich warten lässt.
 
 
Amtshauptmann
 
 
Vielleicht weiß er noch nicht –
 
 
Arminda
 
 
Er weiß freilich noch nicht, dass ich sehr empfindlich bin und meine eigne Grillen habe.
 
 
Amtshauptmann
 
 
Sein Sie nicht böse, liebste Nichte! Es lässt sich alles mit guter Art richten. Patientia, moderatio!
 
 
Arminda
 
 
Setzen wir uns!
 
 
Amtshauptmann
 
 
He! wo bleiben denn die Stühle, werden sie bald kommen?
 
 
Serpetta
 
 
(bringt Sessel)
 
 
Hier sind sie, hier sind sie! Das ist ein Geschrei, als wenn man taub wär.
 
 
Arminda
 
 
Wer ist sie?
 
 
Serpetta
 
 
Kammerjungfer, Wirtschafterin, was Sie wollen.
 
 
Amtshauptmann
 
 
Iuris utriusque.
 
 
Arminda
 
 
Und Ihr beobachtet nicht Eure Schuldigkeit? Ihr kömmt nicht, mir die Hand zu küssen?
 
 
Serpetta
 
 
(will ihr die Hand küssen)
 
 
Eben wollt ich es tun.
 
 
Arminda
 
 
 
 
Gut, gut!
 
 
Amtshauptmann
 
 
Geh nur.
 
 
Serpetta
 
 
Wie Sie befehlen.
 
 
 
 
Arminda
 
 
 
 
He! Mädchen!
 
 
Serpetta
 
 
 
 
(Hier wird es Geduld brauchen!) Was befehlen Euer Gnaden?
 
 
Arminda
 
 
Hast du noch nichts von meinem Bräutigam gesehen?
 
 
Serpetta
 
 
Nein, Ihro Gnaden! aber ich glaube –
 
 
Arminda
 
 
Geh nur!
 
 
Amtshauptmann
 
 
Ja, geh nur!
 
 
Serpetta
 
 
 
 
(Wir zwei werden nicht gut miteinander auskommen.)
 
 
(geht ab)
 
 
Arminda
 
 
Sagen Sie mir, Herr Oheim! ist mein Bräutigam schön, artig, wohlerzogen?
 
 
Amtshauptmann
 
 
O was das betrifft – –
 
 
Serpetta
 
 
(zurücklaufend)
 
 
Geschwind! Euer Gnaden! Eben ist ein Wagen angekommen.
 
 
 
 
Arminda
 
 
Das wird wohl der Graf sein!
 
 
Amtshauptmann
 
 
Ich will ihm entgegen gehen. Holla! he! wo sind meine Leute, dass jeder seine Schuldigkeit beobachte – (zu Arminda) Hören Sie, Nichte! – (zu Serpetta) Rufe Kammerdiener, Laquaien und alle –
 
 
Serpetta
 
 
Hier kömmt schon der Herr Bräutigam.
 
 
Amtshauptmann
 
 
Zum Teufel! meine Leute! – Nun muss ich mir ein Ansehen geben.
 
 
Siebenter Auftritt
 
 
Graf Belfior, Vorige.
 
 
Belfiore
 
     
 
    Welche Pracht, welch seltne Schönheit!
 
 
Welcher Glanz! ihr große Götter!
 
 
Selbst die Sonne muss ihr weichen,
 
 
kann ihr Feuer nicht erreichen,
 
 
das mein Herz zu Asche brennt.
 
 
Arminda! meine englische Braut! der Graf Belfior wirft sich der aufgehenden Sonne seiner künftig glücklichen Tage in Ehrfurcht zu Füßen.
 
 
Arminda
 
 
 
 
Englischer Graf! stehen Sie auf! Sie sollen einen Platz in meinem Herzen finden. (Ein artiges Närrchen: Er gefällt mir nicht übel.)
 
 
Amtshauptmann
 
 
(ganz gravitätisch)
 
 
Illustrissime nec non venerandissime comes ac futurissime nepos. Empfangen Sie in dieser Umarmung die Versicherung meiner Hochachtung und Freundschaft.
 
 
(Er will ihn umarmen, der Graf entschlüpft ihm.)
 
 
Belfiore
 
 
(zu Arminda)
 
 
Erlauben Sie, schönste Braut, dass ich auf diese schneeweiße Alabasterhand – (zum Amtshauptmann) Ach verzeihen Sie, ich irrte mich, ich, ich – die Schuldigkeit erfordert, dass ich – (zu Serpetta) Artiges Mädchen! ich bin Ihr – (Er läuft hin und her.) Englisches Fräulein – mein Herr – hübsches Kind – ich bin – ganz – verwirrt –! Ich weiß nicht, was ich sagen soll!
 
 
Serpetta
 
 
(Ich muss von Herzen über den Narren lachen.)
 
 
Amtshauptmann
 
 
(zu Belfiore)
 
 
Nun, Herr Graf! wie gefällt Ihnen meine Nichte?
 
 
Belfiore
 
 
Unvergleichlich! ein Meisterstück der Natur! eine hohe Stirne, blitzende Augen, rosenfarbe Wangen, eine majestätische Nase! Ach sie beschämt Lilien und Rosen.
 
 
Arminda
 
 
Und Sie sind eine Sonnenblum, ein Wetterhahne, der sich nach allen Winden dreht.
 
 
Belfiore
 
 
Wie meinen Sie das, meine Göttin?
 
 
Arminda
 
 
Ich meine, dass Sie leichtsinnig und flatterhaft sind. (zum Amtshauptmann) Was sagen Sie, Herr Oheim?
 
 
Amtshauptmann
 
 
Erlauben Sie mir doch, ein wenig Ihr Gesicht zu sehen. Secundum lineamenta zu urteilen, halte ich ihn für einen Getreuen.
 
 
Belfiore
 
 
Sagen Sie: für den Getreuesten –
 
 
Amtshauptmann
 
 
Beständigen und Standhaften –
 
 
Belfiore
 
 
Standhaftesten Liebhaber! Gleich einem Felsen, welcher – oder vielmehr einem Schiffe, das vom heftigsten Sturm an eine Klippe geworfen, in Stücke zerschmettert – nein, nein, das aller Gefahr trotzet und den brausenden Wellen entwischt. Sie werden dieses schöne Gleichnis verstehen.
 
 
Amtshauptmann
 
 
Wenn es auf Gleichnisse ankömmt, so könnte man dem Ihrigen andere entgegen setzen! Exempli gratia: Sie sind ein stürmender Nordwind – oder melius ein feuerspeiender Vesuvius – ein Wirbelwind – ein Orkan – nein, nein! ein sanft säuslender Zephir. Das ist das schönste Gleichnis.
 
 
Arminda
 
 
Gut, es wird sich zeigen. Nun, Graf! sagen Sie mir! lieben Sie mich?
 
 
Belfiore
 
 
Ob ich Sie liebe? Gleich beim ersten Anblicke hat mich das Feuer Ihrer Augen entzündet, bezaubert, be – be –
 
 
Amtshauptmann
 
 
Bene.
 
 
Arminda
 
 
Geduld! Kennen Sie schon mein Temperament?
 
 
Belfiore
 
 
O Sie sind die Allerliebste – –
 
 
Arminda
 
 
Ich bin wunderlich, eigensinnig, empfindlich – –
 
 
Belfiore
 
 
Das ist mir lieb!
 
 
Amtshauptmann
 
 
Optime!
 
 
Arminda
 
 
Ich bin freundlich, gutherzig, habe aber auch gute Hände –
 
 
Amtshauptmann
 
 
Optimissime! (zu Belfiore)Gratulor ex animo!
 
 
Arminda
 
 
Die Sie für jede Untreu züchtigen wird.
 
 
Amtshauptmann
 
 
Welch edle Offenherzigkeit! Da siehet man wohl, dass sie meine Nichte ist. Non procul a stipite pomum!
 
 
Belfiore
 
 
Schön brav! Zum Entzücken! Welcher Geist! welche Grazie! Ich bin ganz hingerissen.
 
 
Arminda
 
 
Sie wissen jetzt, woran Sie sind. Ich werde Sie lieben! Aber weh Ihnen, wenn ich Sie auf einer Untreue ertappe! Sie bekommen es mit mir zu tun, und wenn es mitten auf der Straße wäre.
 
     
 
    Wenn die Männer sich verlieben,
 
 
schwören Sie ganz leicht die Treu;
 
 
und durch schmeichlendes Entzücken
 
 
läßt ein Mädchen sich berücken,
 
 
glaubt geschwind, dass es so sei.
 
     
 
    Doch bei mir kann das nicht gehen:
 
 
Erst muss alles richtig stehen,
 
 
eh ich ja sag oder nein.
 
     
 
    Sie allein nur sind mein Leben,
 
 
Ihnen will ich mich ergeben.
 
 
Wenn Sie aber mich belügen,
 
 
nach der Mode mich betrügen,
 
 
räch ich mich mit eigner Hand.
 
 
(geht ab)
 
 
Achter Auftritt
 
 
Graf Belfior, der Amtshauptmann, hernach Serpetta.
 
 
Amtshauptmann
 
 
Nun, Herr Graf, was halten Sie von meiner Nichte?
 
 
Belfiore
 
 
Ihr Feuer reißt mich hin! Welch Glück für mich, ein Frauenzimmer wie sie gefunden zu haben! Doch, was sage ich? sie ist eine Göttin, die an Witz, Verstand, Schönheit und Reiz von keiner Sterblichen übertroffen wird. Kurz, sie ist das achte Weltwunder.
 
 
Amtshauptmann
 
 
Ich sollte es zwar nicht sagen, weil ich ihr Oheim bin, doch hat sie in der Tat ganz was außerordentliches. Es ist eine Freude, sie zu hören. Ihre Reden sind Sentenzen und Machtsprüche! Sie ist ein zweiter Cicero.
 
 
Belfiore
 
 
Ja, das ist die Wahrheit! Und damit Sie es nur wissen: Ich verliebte mich schon in ihren Verstand, ehe ich sie kannte. Glauben Sie gewiss: Ich habe mehr als hundert der schönsten Mädchen wegen ihr den Korb gegeben.
 
 
Amtshauptmann
 
 
Haud minimum dubito.
 
 
Belfiore
 
 
Seien Sie versichert: An allen Orten, wo ich immer war, sind mir die Frauenzimmer in Menge nachgeloffen, um die Schönheit und Majestät meines Gesichts zu bewundern. Denn Sie müssen wissen, ich bin wirklich ein schöner Mann.
 
 
Amtshauptmann
 
 
Certissime! Ich bewundere Sie ordentlich, Herr Graf. Ein zweiter Narzissus! profecto!
 
 
Belfiore
 
 
Ich bin ein Kavalier von großem Geist, reich und vornehm. Mein Blut fließt aus den Adern der ältesten Geschlechter griechisch- und römischer Helden. Ich bin mit den größten Monarchen der Welt versippschaftet. Hier, hier sehen Sie den unumstößlichen Beweis! meinen Stammbaum.
 
 
(Er zieht einen ziemlich großen Stammbaum hervor.)
 
 
Amtshauptmann
 
 
Mit Dero gütigster Erlaubnis – Heus obstupesco! – dürfte ich wohl meiner Nichte die unbeschreibliche Freude machen, ihr solchen sogleich ad inspiciendum zu übersenden?
 
 
Belfiore
 
 
Ich will ihr die Gnad erweisen.
 
 
Amtshauptmann
 
 
He, Serpetta! Serpetta!
 
 
Serpetta
 
 
 
 
(Immer muss man laufen.) Was befehlen Sie?
 
 
Amtshauptmann
 
 
Hier, bringe meiner Nichte das glorreiche testimonium ihres zukünftigen großen Glückes, das preiswürdige Stammenregister ihres hochadelichen Herrn Bräutigams – (Serpetta will damit fort.) Doch warte! ich will dir die Sache erst ein bisschen erklären, damit du die wichtige Wichtigkeit dieser Legation einsiehst, mit der man dich als eine respektive Abgeordnete honoriert. (Er eröffnet den Stammbaum und haltet ihr denselben vor.) Verbeuge dich und neige dich. – Erige aures, Pamphile! – Öffne deine Augen, spitze die Ohren und erstaune.
 
     
 
    Hier von Osten bis zu Westen,
 
 
dort von Süden bis zu Norden
 
 
ist schon längst bekannt geworden
 
 
sein hochadeliches Haus.
 
     
 
    Er hat Güter, Lehenträger,
 
 
Städte, Dörfer, große Schwäger,
 
 
Fürsten, Grafen, Generalen,
 
 
Kaiser, König, Admiralen.
 
 
Diktatoren, Bürgermeister,
 
 
Helden Roms und große Geister
 
 
zählt sein Stamme ohne Zahl.
 
     
 
    Doch zum Teufel! warum lachst du?
 
 
Welcher Zweifel? willst du sie sehen?
 
 
Hier ist Numma, dort ist Scipio,
 
 
Marc Aurel und Marc Agrippa,
 
 
Mutio Scaevola und der Cato.
 
 
Auch der große Alexander
 
 
ist sein nächster Anverwandter.
 
 
Mit der größten Ehrfurcht bücke dich!
 
 
Und neige dich!
 
 
Nur geschwind bald hin, bald her.
 
 
 
 
(Der Graf und der Amtshauptmann gehen ab.)
 
 
Neunter Auftritt
 
 
Serpetta, hernach NardoIm Libretto-Druck Augsburg 1780 wurde der Auftritt Nardos zunächst separat als zehnter Auftritt gezählt. Die nachfolgende Szene (nach dem Libretto eigentlich "eilfter Auftritt") wurde in Anlehnung an die italienische Vorlage Rom 1774 wiederum als "zehnter Auftritt" gezählt..
 
 
Serpetta
 
 
Wer zum Geier sollte nicht lachen? – Ha! es leben alle die Herrn Stukkatoren, Bürgermeister, Zipio und alle die großen Parucken des hochadelichen Stammenbaums! – Das ist ein wahrer Spaß mit solchen Narren. – – Bei allem dem ist es, wenn's so fortgeht, in diesem Haus nicht mehr auszuhalten. Seitdem diese Braut angekommen, ist weder Rast noch Ruhe. Alle Augenblicke ruft sie, schreit sie, klingelt, zanket, befiehlt! Wo bist du? warum kömmst du nicht? wo bleibst du? tu dies! mach das! geh fort! bleib hier! Alles in einem Atem. – Da müßt' ich meine Füße gestohlen haben und mich zu Tod laufen. Nein, das ist nicht für mich! Ha, hier kömmt Nardo. Der wird mir wohl seine Liebe wieder vorseufzen. Ich will tun, als wenn ich ihn nicht sähe, und zum Spaß ein Liedchen singen, daraus er merken kann, dass er von mir nichts zu hoffen hat.
 
 
 
     
 
    Das Vergnügen in dem Ehestand
 
 
möcht ich gerne bald erfahren!
 
 
Doch ein Mann, der schon bei Jahren,
 
 
taugt in Wahrheit nicht für mich.
 
 
 
 
Nardo
 
 
(der die ganze Arie ruckwärts mit angehört hat, für sich)
 
 
Schau! schau! sie stichelt mit ihrem Liedchen auf mich. Aber Geduld! ich will ihr durch ein anders auch meine Meinung sagen.
 
     
 
    Das Vergnügen in dem Ehestand
 
 
wünschest du bald zu erfahren?
 
 
Doch ein Mann, der jung von Jahren,
 
 
taugt in Wahrheit nicht für dich.
 
 
Serpetta
 
 
Vortrefflich, Herr Spaßmacher! Wer hat dir die Erlaubnis gegeben, mir so nahe zu kommen?
 
 
Nardo
 
 
Liebstes Serpettchen! nimm mir es nicht übel! Ich fand die Türe offen und da ging ich herein.
 
 
Serpetta
 
 
Wenn du den gnädigen Herrn suchst, so geh nur dort hinüber, dort wirst du ihn finden. Geh, geh fort!
 
 
Nardo
 
 
Jagst mich schon wieder fort, und bist mir doch so tief ins Herz gewachsen.
 
 
Serpetta
 
 
Ich habe dir schon oft gesagt, du bist nicht für mich. Soll ich es nochmal wiederholen?
 
 
Nardo
 
 
Nein, nein! ich verlang es nicht mehr zu hören. Serpettchen!
 
 
Serpetta
 
 
Nun?
 
 
Nardo
 
 
Sei doch nicht so grausam!
 
 
Serpetta
 
 
Und du nicht so überlästig! Ein für allemal! du bist kein Mann für mich.
 
 
Nardo
 
 
Aber bin ich denn nicht ebensowohl eine Mannsperson wie ein anderer?
 
 
Serpetta
 
 
Du gefällst mir nicht.
 
 
Nardo
 
 
Ruh, nur Geduld! du wirst noch einmal froh sein, mich zu kriegen.
 
 
Serpetta
 
 
 
 
Ha! ha! ha!
 
 
Nardo
 
 
Du lachst?
 
 
Serpetta
 
 
Ja, ich muss lachen, weil der Narr glaubt, dass man auf ihn anstehen wird. Dummkopf! Männer kann ich genug haben: Ich darf nur die Hand ausstrecken, so laufen sie zu ganzen Haufen, nur um sie zu küssen.
 
     
 
    Sobald sie mich sehen,
so sind sie gefangen,
 
 
sie rennen und flehen,
mein Herz zu erlangen.
 
 
Von Liebe erhitzet,
der schnaubet und schwitzet.
 
 
Es ruft einer da und ein anderer dort:
 
     
 
    Bewundert die Augen des englischen Kindes,
 
 
wie artig, wie lebhaft,
ihr Anstand und Farbe;
 
 
mich rühret die Schöne, wenn ich sie betracht.
 
     
 
    Ich schlage die Lider
der Augen dann nieder
 
 
und schweige ganz züchtig mit allem Bedacht.
 
 
(gehen ab)
 
 


Garten.
 
 
Zehnter Auftritt
 
 
Sandrina, hernach Arminda.
 
 
Sandrina
 
     
 
    Seufzend beklagt das Täubchen,
 
 
ferne von seinem Männchen,
 
 
sein trauriges Verhängnis
 
 
und sucht nach seiner Sprache
 
 
Mitleid in seinem Schmerz.
 
 
Arminda
 
 
(Das wird wohl das Gärtnermädchen sein, von der man so viel Wesens macht.) He! Mädchen, geh her!
 
 
Sandrina
 
 
Was befehlen Sie?
 
 
Arminda
 
 
Sage mir! was fehlt dir, dass ich dich so traurig sehe?
 
 
Sandrina
 
 
Mein unglückliches Schicksal –
 
 
Arminda
 
 
Ha! ich verstehe dich; du bist verliebt, und deine Seufzer gehen nach dem Amtshauptmann – –
 
 
Sandrina
 
 
O ich bitte! verschonen Sie mich – ich bin ein ehrbares Mädchen und weiß den Unterschied.
 
 
Arminda
 
 
Halts Maul, du Zofe! Bedenke, dass du mit Fräulein Arminda sprichst, die – –
 
 
Sandrina
 
 
Ihro Gnaden verzeihen! Ich wusste nicht – –
 
 
Arminda
 
 
Nun gut, so wisse es jetzt, dass ich die Nichte vom Hause und die Braut des Grafen Belfiore bin –
 
 
Sandrina
 
 
 
 
(Weh mir!) Was sagen Sie? Belfiore Ihr Bräutigam?
 
 
Arminda
 
 
Ja, ja! Belfiore mein Bräutigam, und noch heute wird unsere Vermählung vollzogen.
 
 
Sandrina
 
 
 
 
(O Himmel, ich vergehe! Ich – fühle – den – Tod.)
 
 
Arminda
 
 
Was ist dir? Du entfärbst dich?
 
 
Sandrina
 
 
Ich weiß nicht. Ein heftiger Schmerz überfällt mich auf einmal – Er drückt mir das Herz ab – Ich werde – schwach – Der Angstschweiß – Ach ich bin – des – Todes! –
 
 
(Sie wird ohnmächtig.)
 
 
Arminda
 
 
Das arme Mädchen! He! zu Hülfe! Ist niemand da?
 
 
Eilfter Auftritt
 
 
Belfiore, Vorige.
 
 
Belfiore
 
 
Was gibt's? Hier bin ich.
 
 
Arminda
 
 
Hier, liebster Graf, stehen Sie diesem armen Mädchen bei! Ich laufe nach Lebensbalsam, um sie wieder zurecht zu bringen. Ich bin gleich wieder da.
 
 
(Sie läuft geschwind ab.)
 
 
Belfiore
 
 
 
     
 
    Himmel, welch seltsamer Zufall!
 
 
Violante! Sie lebt noch? Weh mir!
 
 
Zitternd schlägt mein Herz,
 
 
ich fühle Lust und Schmerz.
 
 
Sandrina
 
 
 
     
 
    Ach Undankbarer, komme,
 
 
sieh mich aus Liebe sterben.
 
 
Belfiore
 
 
 
 
Ihre Stimm und ihre Züge,
 
 
wenn ich mich nicht betrüge.
 
     
 
    Doch was soll diese Kleidung?
 
 
Ich könnte mich wohl irren,
 
 
ich muss sie näher sehen.
 
 
 
 
Sandrina
 
 
 
     
 
    Ach, dass über mich Arme
 
 
der Himmel sich erbarme!
 
 
Belfiore
 
 
Sie ist es wirklich,
 
 
mir sinket Herz und Mut.
 
 
Sandrina
 
 
 
 
Was seh ich? der Graf! o Himmel!
 
 
Zwölfter Auftritt
 
 
Arminda, Ramiro, Vorige.
 
 
 
 
Arminda
 
     
 
    Nehmet hier Balsam Sulphuris –
 
 
Belfiore
 
 
Herr Graf, mit Ihrer Erlaubnis –
 
 
Arminda, Ramiro
 
 
Ramiro!|Arminda! was soll ich tun?
 
 
Belfiore
 
 
(zu Sandrina)
 
 
Sag, wer bist du?
 
 
Sandrina
 
 
 
 
(Was sag ich?)
 
 
Ramiro
 
 
(zu Arminda)
 
 
Grausame!
 
 
Arminda
 
 
 
 
(Was soll ich tun?)
 
 
Alle vier
 
     
 
    O unerhörtes Schicksal,
 
 
dieser verdammte Zufall
 
 
quälet mich fast zu Tod.
 
 
Belfiore
 
 
(für sich)
 
     
 
    Steh ich, geh ich oder bleib ich,
 
 
schlaf ich, träum ich oder wach ich?
 
 
Mein Gehirn ist ganz verrückt.
 
 
Sandrina
 
 
(für sich)
 
     
 
    Ich empfind in meinem Herzen,
 
 
unermesslich bittren Schmerzen,
 
 
der mich weinen und seufzen macht.
 
 
Ramiro
 
 
(für sich)
 
     
 
    Meine Sinne sind verrücket,
 
 
von dem Zufall unterdrücket,
 
 
ich verliere den Verstand.
 
 
Arminda
 
 
(für sich)
 
     
 
    Ich weiß nicht, was vorgegangen,
 
 
noch was ich soll jetzt anfangen;
 
 
zitternd, bebend, steh ich da.
 
 
Alle vier
 
 
(für sich)
 
     
 
    Meine Seel ist ganz entkräftet!
 
 
Mir starrt jedes Wort im Mund.
 
 
Dreizehnter Auftritt
 
 
Der Amtshauptmann, Vorige.
 
 
Amtshauptmann
 
     
 
    Welche Stille, welche Mienen!
 
 
Macht ihr etwa hier Kalender?
 
 
Habt ihr etwa die Sprach verloren?
 
 
Ist der Mund euch zugefroren?
 
 
Nun so sprecht! was geht hier vor?
 
 
Sandrina
 
 
 
     
 
    (Kann ich es sagen?)
 
 
Belfiore
 
 
 
 
(Welche Plagen!)
 
 
Ramiro
 
 
 
 
(Welche Frage!)
 
 
Arminda
 
 
 
 
(Ich verzage.)
 
 
Amtshauptmann
 
 
Alles ist mir unbegreiflich!
 
 
Hier ist etwas vorgegangen,
 
 
mit der Sprache nur heraus.
 
 
Belfiore
 
 
(zu Arminda)
 
     
 
    Bist du diese?
 
 
Ramiro
 
 
(zu Sandrina)
 
     
 
    Bist du diese?
 
 
Arminda
 
 
(zu Ramiro)
 
 
Bist du jener?
 
 
Sandrina
 
 
(zu Belfiore)
 
 
Bist du jener?
 
 
Alle fünf
 
 
Mein Gehirn ist in Verwirrung,
 
 
es hüpft drin bald hin und her.
 
 
(Ramiro, Belfiore, Sandrina, Arminda gehen verschiedentlich ab.)
 
 
Vierzehnter Auftritt
 
 
Der Amtshauptman, gleich hernach Serpetta und Nardo.
 
 
Amtshauptmann
 
     
 
    Wo ist die Ehrfurcht, die mir gebühret?
 
 
Mich, den Hochweisen, der alles regieret,
 
 
lässt man hier stehen wie einen Narren?
 
 
Gehet zum Teufel, macht mir nicht bange,
 
 
ich will nichts wissen von Eurem Range,
 
 
vom Nepotismus und Adelsstand.
 
 
 
 
Serpetta
 
     
 
    Lustig! ich bringe recht hübsche Nachricht.
 
 
Das Gärtnermädchen mit ihrem Grafen
 
 
küssen und drücken unten im Garten
 
 
mit aller Freiheit, ruhig und still.
 
 
Amtshauptmann
 
     
 
    Teufel und Hölle! das sollt ich leiden?
 
 
 
 
Nardo
 
 
Glaubt nicht den Lügen des losen Mädchens,
 
 
sie will Euch schicken in den April.
 
 
Serpetta
 
     
 
    Hier diese Augen, hier diese Ohren
 
 
mussten es sehen, konnten es hören.
 
 
Nardo
 
 
Schröckliche Lügen! Sie zu betören.
 
 
Amtshauptmann
 
 
Gleich überzeiget mich.
 
 
Nardo
 
 
 
 
Kommt nur mit mir.
 
 
Serpetta
 
 
(gegen Nardo)
 
     
 
    Er kann nur lügen.
 
 
Nardo
 
 
(gegen Serpetta.)
 
 
Und sie betrügen.
 
 
Amtshauptmann
 
 
Quäle mich tot, widriges Schicksal!
 
 
Sehet verspottet, seht hintergangen
 
 
jenen berühmten Mann, den Podestà!
 
 
Alle drei
 
     
 
    Wir wollen gehen und nun gleich sehen!
 
 
Die Wahrheit zeiget sich dort oder da.
 
 
(gehen ab)
 
 


Ein anderer Teil des Garten.
 
 
Fünfzehnter Auftritt
 
 
Sandrina, Belfior, gleich darauf der Amtshauptmann mit Serpetta und Nardo, hernach Arminda und letztlich Ramiro.
 
 
Sandrina
 
 
(zu Belfiore)
 
     
 
    Was ist denn Ihr Verlangen?
 
 
Ich bin genug gequälet,
 
 
Sie haben schon gewählet
 
 
Armindens schöne Hand.
 
 
Belfiore
 
 
(zu Sandrina)
 
     
 
    Ach meine Liebe kennet
 
 
die Sprache und die Miene:
 
 
Sie sind Violantine,
 
 
der ich mein Herz verpfand.
 
 
Serpetta
 
 
(zum Amtshauptmann, auf Sandrina und den Grafen deutend)
 
     
 
    Sie sehen, mit welcher Zärtlichkeit
 
 
die Buhlerin ihm schmeichlet.
 
 
Amtshauptmann
 
 
Ich seh es: dass sie krepiere!
 
 
Ich räche mich an ihr.
 
 
Nardo
 
 
 
 
(Der Graf! ach welcher Zufall!
 
 
Wie helf ich ihr heraus?)
 
 
Sandrina
 
     
 
    Sie sind in großer Irrung.
 
 
Belfiore
 
 
 
 
(Himmel, welche Verwirrung!)
 
 
Arminda
 
 
Ihr Hinterlist und Meineid
 
 
hat ihren Stand entehrt.
 
 
Ramiro
 
 
(zu Arminda)
 
 
Das Herz, das sie belebet,
 
 
nur schwarze Falschheit nährt.
 
 
Sandrina
 
 
(entschlossen zu Belfiore)
 
     
 
    Grausamer, ohn Verschonen!
 
 
Kann man so schlecht belohnen
 
 
mein zärtlich treues Herz?
 
 
Nenne mir mein Verbrechen,
 
 
dann magst dich an mir rächen!
 
 
Fühlloser ohne Ehr!
 
 
Belfiore
 
 
 
     
 
    Sieh itzt nur meine Reue;
 
 
mein Engel, mir verzeihe,
 
 
o himmlische Violante!
 
 
Sandrina
 
 
Bedaure ihr hart Geschicke,
 
 
denn nun ist Violante,
 
 
das arme Kind, dahin.
 
 
O Himmel! sie ist tot.
 
 
 
 
Amtshauptmann
 
     
 
    Gebt mir Antwort!
 
 
Arminda
 
 
Sprecht nur weiter!
 
 
Ramiro
 
 
Graf, hübsch munter!
 
 
Serpetta
 
 
Nicht gezittert!
 
 
Nardo
 
 
 
 
(Wo will alles dies hinaus?)
 
 
Sandrina
 
 
 
     
 
    (Alles muss ich schweigend dulden.)
 
 
Belfiore
 
 
 
 
(Ach sie büßet mein Verschulden.)
 
 
Arminda, Ramiro, Amtshauptmann, Nardo, Serpetta
 
 
Alle schweigen, was geschieht?
 
 
Arminda
 
 
(zu Belfiore)
 
     
 
    Graf! die Lieb wird Sie verzehren!
 
 
Arminda
 
 
(zu Sandrina)
 
 
Solche Einfalt muss man ehren!
 
 
Ramiro
 
 
(zu Arminda)
 
 
Ich erfreue mich mit Ihnen!
 
 
Serpetta
 
 
(zu Sandrina)
 
 
Welche unschuldsvolle Mienen!
 
 
Arminda, Ramiro, Amtshauptmann, Serpetta, Nardo
 
     
 
    Lebt vergnügt, verliebte Seelen,
 
 
 
 
niemals soll ein Zwist euch quälen.
 
 
 
 
Steigt herab, ihr Liebesflammen,
 
 
und verbrennt zu Staub ihr Herz.
 
 
Sandrina, Belfiore
 
 
Über mich schlägt hier zusammen
 
 
alles Unglück und aller Schmerz.
 
 
Arminda
 
 
(zu Belfiore)
 
 
Unmensch! Verräter, könnt ich dein Herz in Stücke zerreißen.
 
 
Ramiro
 
 
(zu Arminda)
 
 
Den großen Eifer und diese Hitze begreif ich nicht.
 
 
Amtshauptmann
 
 
(zu Sandrina)
 
     
 
    Kannst du meine Güte
 
 
so wenig schätzen?
 
 
Serpetta
 
 
(zu Sandrina)
 
 
Könnt ich Sie aus dem Haus
 
 
mit Hunden hetzen!
 
 
Nardo
 
 
 
 
(Bei diesem Handel
 
 
gebricht mir die Sprach.)
 
 
Alle
 
     
 
    Welche Verwirrung! Ohn alle Rettung,
 
 
der Zorn zernagt mir das Herz im Leibe,
 
 
nichts dämpfet diese Glut, nichts hemmt die Wut.
 
 
Ende des ersten Aufzuges.