Kritische Edition des deutschen Libretto-Drucks Wien 1786       Diplomatische Übertragung des deutschen Libretto-Drucks Wien 1786 
Achter Auftritt
 
Achter Auftritt.
 
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Figaro mit einem weißen Gewande in der Hand. Chor der Bauern und Bäuerinnen in weißen Kleidern, welche in einem Körblein gesammelte Blumen vor dem Grafen streuen, und Folgendes singen.
 
stage086x{Figaro mit einem weissen Gewande in
der Hand: Chor der Bauern und
Bäuerinnen in weissen Kleidern,
welche in einem Körblein gesam
melte Blumen vor dem Grafen
streuen, und folgendes singen.}
Chor
 
Chor.

     Lustige Mädchen, streuet Blumen vor unserm edlen Herrn. Sein großmütiges Herz bleibe rein, wie die liebliche Weiße der schönsten Blume.
 
    Lustige Mädchen streuet Blumen, vor
unserm edlen Herrn. Sein groß
müthiges Herz bleibe rein, wie die
liebliche Weisse der schönsten Blume.
Der Graf
 
Graf
Was ist das für Comédie?
 
Was ist das für Comedie? stage087x{(zu Figaro
mit Verwunderung)}
Figaro
 
Fig.
Nun sind wir auf dem Wege: Folge mir, mein Herz.
 
Nun sind wir auf dem Wege, folge mir
mein Herz. stage088a{(still zu Sus.)}
Susanna
 
Sus.
 
stage088b{}
Ich habe keine Hoffnung.
 
Ich habe keine Hoffnung.
Figaro
 
Fig.
Mein Herr! verachten Sie nicht diesen von unserer Liebe herrührenden Tribut: Nun, da Sie das einem zärtlichen Liebhaber so unangenehme Recht abgeschaffet haben…
 
Mein Herr! verachten Sie nicht diesen von
unserer Liebe herrührenden Tribut: nun
da sie das einem zärtlichen Liebhaber so
unangenehme Recht abgeschaffet haben…
Der Graf
 
Graf
Itzt bestehet dies Recht nicht mehr; was verlanget man also?
 
Itzt bestehet dies Recht nicht mehr; was
verlanget man also?
Figaro
 
Fig.
Heute wollen wir die erste Frucht Ihrer Klugheit genießen: Heute ist unsere Hochzeit schon bestimmet; nun gehört es Ihnen, diese, welche vermög' eines Ihrigen Geschenkes ist rein erhalten worden, mit diesem weißen Gewande, Merkzeichen der Ehrbarkeit, zu bedecken.
 
Heute wollen wir die erste Frucht ihrer
Klugheit geniessen: heute ist unsere Hochzeit
schon bestimmet: nun gehört es Ihnen,
diese, welche vermög eines Ihrigen Ge
schenkes ist rein erhalten worden, mit die=
sem weissen Gewande, Merkzeichen der
Ehrbarkeit zu bedecken.
Der Graf
 
Graf
 
stage088c{}
Höllische Arglistigkeit! Allein man muss sich verstellen. Ich danke euch, meine Freunde, für so ehrliche Gesinnungen, aber verdiene deshalben weder Tribute noch Lobsprüche, und indem ich in meinen Lehngütern ein so unbilliges Recht abschaffe, stelle ich der Natur ihre Rechte zurück.
 
Höllische Arglistigkeit! allein man muß
sich verstellen. Ich danke euch meine
Freunde für so ehrliche Gesinnungen, aber
verdiene deshalben weder Tribute noch Lob=
sprüche, und indem ich in meinen Lehngü=
tern ein so unbilliges Recht abschaffe, stelle
ich der Natur ihre Rechte zurück.
Alle
 
Alle
Er lebe, er lebe, er lebe!
 
Er lebe, er lebe, er lebe. stage089x{(hinterhaltisch)}
Susanna
 
Sus.
Welche Tugend!
 
Welche Tugend!
Figaro
 
Fig
Was für Gerechtigkeit!
 
Was für Gerechtigkeit!
Der Graf
 
Graf
Ich verspreche euch, die Zeremonie zu vollziehen. Ich begehre nur kurzen Aufschub: Ich will euch in Gegenwart meiner Treuesten und mit herrlicher Pracht vollkommen glücklich machen. (Man schaue um Marzellina.) Gehet, meine Freunde.
 
Ich verspreche euch stage090a{(zu Fig. und Sus.)}
die Zeremonie zu vollziehen. Ich begehre
nur kurzen Aufschub; Ich will euch in
Gegenwart meiner Treuesten, und mit herr=
licher Pracht vollkommen glücklich machen.
(man schaue um Marzellina) Gehet meine
Freunde.
Die Bauern wiederholen den Chor, streuen die übrigen Blumen und gehen ab.
 
stage091x{Die Bauern wiederholen den
Chor, streuen die übrigen
Blumen, und gehen ab.}
 
{} 
Figaro
 
Fig.
Er lebe!
 
Er lebe.
Susanna
 
Sus.
Er lebe!
 
Er lebe.
Basilio
 
Bas.
Er lebe!
 
Er lebe.
Figaro
 
Fig.
Und du stimmst nicht bei?
 
Und du stimmst nicht bey? stage092x{(zu Cher.)}
Susanna
 
Sus.
Der Arme ist betrübt, weil ihn der Herr vom Schlosse verjaget.
 
Der arme ist betrübt, weil ihn der Herr
vom Schlosse verjaget.
Figaro
 
Fig.
Ach, in einem so feierlichen Tage!
 
Ach. in einem so feyerlichen Tage!
Susanna
 
Sus.
Am Tage der Hochzeit!
 
Am Tage der Hochzeit!
Figaro
 
Fig.
Als Sie die ganze Welt bewundert!
 
Als Sie die ganze Welt bewundert.
Cherubin
 
Cher.
Vergebung, mein Herr.
 
Vergebung mein Herr stage093x{(kniet nieder)}
Der Graf
 
Graf.
Du verdienst sie nicht.
 
Du verdienst sie nicht.
Susanna
 
Sus.
Er ist noch kindisch.
 
Er ist noch kindisch
Der Graf
 
Graf
Weniger als du meinst.
 
Weniger als du meinst.
Cherubin
 
Cher.
Es ist wahr, ich verging mich; aber von meinem Munde endlich…
 
Es ist wahr, ich vergieng mich, aber
von meinem Munde endlich
Der Graf
 
Graf
Gut, ich vergebe dir; ich will noch viel Mehrers tun: In meinem Regimente ist eine Offizierstelle leer, dich erwähle ich dazu, füge dich gleich dahin – lebe wohl.
 
Gut ich vergebe dir stage094x{(deutet, er soll
aufstehen)} ich will noch viel mehrers
thun: in meinem Regimente ist eine Of=
fizierstelle leer, dich erwähle ich dazu
füge dich gleich dahin – lebe wohl.
(Der Graf will abgehen, Susanna, Figaro und Cherubin halten ihn auf.)
 
stage095x{(Der Graf will abgehen, Sus. Fig. und
Cher halten ihn auf.)}
Susanna, Figaro
 
Sus./Fig. ens010x{a. 2.}
Nur bis auf Morgen…
 
Nur bis auf Morgen…
Der Graf
 
Graf
Nein, gleich soll er gehen.
 
Nein gleich soll er gehen.
Cherubin
 
Cher
Ich bin schon bereit, Ihnen zu gehorchen.
 
Ich bin schon bereit, Ihnen zu gehorchen
 
stage097x{(seufzend)}
Der Graf
 
Graf
Doch zum letzten Male umarme die Susanna. (Cherubin umarmet Susanna, sie bleibt verwirret.)  (Der Streich ist unerwartet.)
 
Doch zum letzten Mahle umarme die Su=
sanna: der Streich ist unerwartet. stage098a{(Cher.
umarmet Sus., sie bleibt verwirret.)}
Figaro
 
Fig.
Ei, Hauptmann, mir auch die Hand; (still zu Cherubin) (ehe du abreisest, will ich dich sprechen.) (mit verstellter Freude) Lebe wohl, kleiner Cherubin; wie verändert sich in einem Augenblicke dein Schicksal!
 
Ey Hauptmann mir auch die Hand (ehe
du abreisest, will ich dich sprechen) stage099x{(still
zu Cher.)} Lebe wohl kleiner Cherubin;
wie verändert sich in einem Augenblicke dein
Schicksal. stage100x{(mit verstellter Freude.)}
 
{} 
 
stage101a{}

     Wirst nicht mehr, flatterhafter Liebender, Tag und Nacht herumirren. Wirst nicht mehr, flüchtiger Schwärmer, die Ruhe der Schönen stören.
 
    Wirst nicht mehr flatterhafter Liebender
Tag und Nacht herumirren.
 
    Wirst nicht mehr flüchtiger Schwärmer
die Ruhe der Schönen stören.

     Nicht mehr jene schöne Federbuschen werden deinen feinen artigen Hut zieren. Nicht mehr dies schöne lange Haar, jene heitere Mine, diese lebhafte weibliche Farbe.
 
    Nicht mehr jeue schöne Federbuschen
werden deinen feinen artigen Hut zieren.
 
    Nicht mehr dies schöne lange Haar,
jene heitere Mine, diese lebhafte weib=
liche Farbe.

     Zwischen Kriegern, potztausend! Mit langem Schnautzbart, engem Rocke, einem Gewehr auf den Schultern, Säbl an der Seite, gradem Halse, freiem Angesichte; mit einem großen Casquet oder Mütze auf dem Kopf, viel Ehre, wenig Geld, und statt des Tanzes ein Marsch durch Pfütze, durch Berge und Täler, im Schnee und heißesten Sonnenstrahlen, unter dem Konzert der Trompeten, der Bomben und Kanonen, deren Kugeln allerlei Töne in den Ohren hervorbringen.
 
    Zwischen Kriegern potztausend! mit
langem Schnautzbart, engem Rocke,
einem Gewehr auf den Schultern,
Säbl an der Seite, gradem Halse,
freyem Angesichte; mit einem gros=
sen Casquet, oder Mütze auf dem
Kopf, viel Ehre, wenig Geld, und
statt des Tauzes ein Marsch durch
Pfütze, durch Berge, und Thä=
ler, im Schnee, und heissesten Son=
nenstrahlen, unter dem Konzert der
Trompeten, der Bomben, und Ka=
nonen, deren Kugeln allerley Töne
in den Ohren hervorbringen.

     Cherubin, zum Siege, zum kriegerischen Ruhme!
 
    Cherubin zum Siege
zum kriegerischen Ruhme.
 
stage101b{}
Ende des ersten Aufzuges.
 
stage102x{Ende des ersten Aufzuges.}