Kritische Edition des Librettos | Diplomatische Übertragung des Librettos | |||
---|---|---|---|---|
Achter Auftritt
|
FAchter Auftritt.
|
|||
Pedrillo und Blonde werden von einem andern Teil der Wache hereingeführt, und die Vorigen.
|
Pedrillo und Blonde werden von einem andern
Theil der Wache hereingeführt; und die Vorigen. |
|||
Pedrillo
|
Pedrillo.
|
|||
Ach Herr! wir sind hin! An Rettung ist nicht mehr zu denken. Man macht schon alle Zubereitungen, um uns aus der Welt zu schaffen. Es ist erschrecklich, was sie mit uns anfangen wollen! Ich, wie ich im Vorbeigehen gehört habe, soll in Öl gesotten und dann gespießt werden. Das ist ein sauber Traktament! Ach! Blondchen! Blondchen! was werden sie wohl mit dir anfangen?
|
Ach Herr! wir sind hin! An Ret=
tung ist nicht mehr zu denken. Man macht schon alle Zubereitungen, um uns aus der Welt zu schaffen. Es ist erschrecklich, was sie mit uns anfangen wollen! Ich, wie ich im Vorbeygehen gehört habe, soll in Oel gesotten, und dann gespießt werden. Das ist ein sauber Traktament! Ach! Blondchen! Blondchen! was werden sie wohl mit dir anfangen? |
|||
Blonde
|
Blonde.
|
|||
Das gilt mir nun ganz gleich. Da es einmal gestorben sein muss, ist mir alles recht.
|
Das gilt mir nun ganz gleich. Da
es einmal gestorben seyn muß, ist mir alles recht. |
|||
Pedrillo
|
Pedrillo.
|
|||
Welche Standhaftigkeit! Ich bin doch von gutem altchristlichen Geschlecht aus Spanien, aber so gleichgültig kann ich beim Tode nicht sein! – – Weiß der Teufel… Gott sei bei mir! Wie kann mir auch itzt der Teufel auf die Zunge kommen?
|
Welche Standhaftigkeit! Ich bin
doch von gutem altchristlichen Geschlecht aus Spa= nien, aber so gleichgültig kann ich beym Tode nicht seyn! – – Weiß der Teufel… Gott sey bey mir! wie kann mir auch itzt der Teufel auf die Zunge kommen? |
|||
Letzter Auftritt
|
FLetzter Auftritt.
|
|||
Die Vorigen, Bassa Selim, Osmin (voll Freuden) und Gefolge.
|
(Die Vorigen, Bassa Selim, Osmin (voll
Freuden) und Gefolge. |
|||
Selim
|
Selim.
|
|||
Nun, Sklave! elender Sklave! zitterst du? Erwartest du dein Urteil?
|
Nun Sklave! elender Sklave! zitterst
du? erwartest du dein Urtheil? |
|||
Belmonte
|
Belmonte.
|
|||
Ja, Bassa, mit so vieler Kaltblütigkeit als Hitze du es aussprechen kannst. Kühle deine Rache an mir, tilge das Unrecht, so mein Vater dir angetan; – – ich erwarte alles und tadle dich nicht.
|
Ja Bassa mit so vieler Kaltblü=
tigkeit, als Hitze du es aussprechen kannst. Kühle deine Rache an mir, tilge das Unrecht, so mein Vater dir angethan; – – ich erwarte alles, und tadle dich nicht. |
|||
Selim
|
Selim.
|
|||
Es muss also wohl deinem Geschlechte ganz eigen sein, Ungerechtigkeiten zu begehen, weil du das für so ausgemacht annimmst? Du betrügst dich. Ich habe deinen Vater viel zu sehr verabscheut, als dass ich je in seine Fußtapfen treten könnte. Nimm deine Freiheit, nimm Konstanzen, segle in dein Vaterland, sage deinem Vater, dass du in meiner Gewalt warst, dass ich dich freigelassen, um ihm sagen zu können, es wäre ein weit größer Vergnügen, eine erlittene Ungerechtigkeit durch Wohltaten zu vergelten, als Laster mit Lastern tilgen.
|
Es muß also wohl deinem Geschlechte
ganz eigen seyn Ungerechtigkeiten zu begehen, weil du das für so ausgemacht annimmst? Du betrügst dich. Ich habe deinen Vater viel zu sehr verabscheut, als daß ich je in seine Fußtapfen treten könnte. Nimm deine Freyheit, nimm Konstanzen, seegle in dein Vaterland, sage dei= nem Vater, daß du in meiner Gewalt warst, daß ich dich frey gelassen, um ihm sagen zu kön= nen, es wäre ein weit grösser Vergnügen eine erlittene Ungerechtigkeit durch Wohlthaten zu vergelten, als Laster mit Lastern tilgen. |
|||
Belmonte
|
Belmonte.
|
|||
Herr!… du setzest mich in Erstaunen…
|
Herr!… du setzest mich in
Erstaunen… |
|||
Selim
|
Selim.
|
|||
(ihn verächtlich ansehend)
|
(ihn verächtlich ansehend)
|
|||
Das glaub ich. Zieh damit hin und werde du wenigstens menschlicher als dein Vater, so ist meine Handlung belohnt.
|
Das
glaub ich. Zieh damit hin und werde du wenig= stens menschlicher, als dein Vater, so ist meine Handlung belohnt. |
|||
Konstanze
|
FKonstanze.
|
|||
Herr! vergib! Ich schätzte bisher deine edle Seele, aber nun bewundre ich…
|
Herr! vergieb! Ich schätzte bisher
deine edle Seele, aber nun bewundre ich… |
|||
Selim
|
Selim.
|
|||
Still! Ich wünsche für die Falschheit, so Sie an mir begangen, dass Sie es nie bereuen möchten, mein Herz ausgeschlagen zu haben.
|
Still! Ich wünsche für die Falschheit,
so Sie an mir begangen, daß Sie es nie bereu= en möchten, mein Herz ausgeschlagen zu haben. |
|||
(im Begriff abzugehen)
|
(im Begriff abzugehen)
|
|||
Pedrillo
|
Pedrillo.
|
|||
(tritt ihm in Weg und fällt ihm zu Füßen)
|
(tritt ihm in Weg und fällt ihm
zu Füßen) |
|||
Herr! dürfen wir beide Unglückliche es auch wagen, um Gnade zu flehen? – – Ich war von Jugend auf ein treuer Diener meines Herrn…
|
Herr! dürfen wir beyde Unglückliche es
auch wagen, um Gnade zu flehen? – – Ich war von Jugend auf ein treuer Diener meines Herrn… |
|||
Osmin
|
Osmin.
|
|||
Herr! beim Allah! lass dich ja nicht von dem verwünschten Schmarotzer hintergehn! Keine Gnade! Er hat schon hundertmal den Tod verdient.
|
Herr! beym Alla! laß dich ja nicht
von dem verwünschten Schmarotzer hintergehn! Keine Gnade! Er hat schon hundertmal den Tod verdient. |
|||
Selim
|
Selim.
|
|||
Er mag ihn also in seinem Vaterlande suchen. (zur Wache) Man begleite alle viere an das Schiff. (gibt Belmonte ein Papier) Hier ist Euer Passport.
|
Er mag ihn also in seinem Vaterlan=
de suchen. (zur Wache) Man begleite alle viere an das Schif. (giebt Belmonte ein Papier) Hier ist euer Paßport. |
|||
Osmin
|
Osmin.
|
|||
Wie! meine Blonde soll er auch mitnehmen?
|
Wie! meine Blonde soll er auch mit=
nehmen? |
|||
Selim
|
Selim.
|
|||
(scherzhaft)
|
(scherzhaft)
|
|||
Alter! sind dir deine Augen nicht lieb? – Ich sorge besser für dich, als du denkst.
|
Alter! sind dir deine
Augen nicht lieb? – Ich sorge besser für dich als du denkst. |
|||
Osmin
|
Osmin.
|
|||
Gift und Dolch! Ich möchte bersten!
|
Gift und Dolch! Ich möchte bersten!
|
|||
Selim
|
Selim.
|
|||
Beruhige dich. Wen man durch Wohltun nicht für sich gewinnen kann, den muss man sich vom Halse schaffen.
|
Beruhige dich. Wen man durch
Wohlthun nicht für sich gewinnen kann, den muß man sich vom Halse schaffen. |
|||
Belmonte
|
Belmonte.
|
|||
Nie werd ich deine Huld verkennen,
|
Nie werd' ich deine Huld verkennen,
|
|||
mein Dank bleibt ewig dir geweiht!
|
Mein Dank bleibt ewig dir geweiht!
|
|||
An jedem Ort, zu jeder Zeit
|
FAn jedem Ort, zu jeder Zeit
|
|||
werd ich dich groß und edel nennen.
|
Werd' ich dich groß und edel nennen.
|
|||
Wer so viel Huld vergessen kann,
|
Wer so viel Huld vergessen kann,
|
|||
den seh man mit Verachtung an.
|
Den seh' man mit Verachtung an.
|
|||
Alle
|
Alle.
|
|||
Wer so viel Huld etc.
|
Wer so viel Huld etc.
|
|||
Konstanze
|
Konstanze.
|
|||
Nie werd ich im Genuss der Liebe
|
Nie werd' ich im Genuß der Liebe
|
|||
vergessen, was der Dank gebeut,
|
Vergessen, was der Dank gebeut,
|
|||
mein Herz, der Liebe nun geweiht,
|
Mein Herz, der Liebe nun geweiht,
|
|||
hegt auch dem Dank geweihte Triebe.
|
Hegt auch dem Dank geweihte Triebe.
|
|||
Wer so viel Huld vergessen kann,
|
Wer so viel Huld etc.
|
|||
den seh man mit Verachtung an.
|
||||
Pedrillo
|
Pedrillo.
|
|||
Wenn ich es je vergessen könnte,
|
Wenn ich es je vergessen könnte,
|
|||
wie nah ich am Erdrosseln war
|
Wie nah' ich am Erdrosseln war,
|
|||
und all der anderen Gefahr:
|
Und all der anderen Gefahr:
|
|||
Ich lief', als ob der Kopf mir brennte.
|
Ich lief', als ob der Kopf mir brennte.
|
|||
Wer so viel Huld vergessen kann,
|
Wer so viel Huld etc.
|
|||
den seh man mit Verachtung an.
|
||||
Blonde
|
Blonde.
|
|||
Herr Bassa, ich sag recht mit Freuden
|
Herr Bassa, ich sag' recht mit Freuden
|
|||
viel Dank für Kost und Lagerstroh,
|
Viel Dank für Kost und Lagerstroh,
|
|||
doch bin ich recht von Herzen froh,
|
Doch bin ich recht von Herzen froh,
|
|||
dass er mich lässt von dannen scheiden.
|
Daß er mich lässt von dannen scheiden.
|
|||
(auf Osmin zeigend)
|
(auf Osmin zeigend)
|
|||
Denn seh er nur das Tier dort an,
|
Denn seh' er nur das Thier dort an,
|
|||
ob man so was ertragen kann.
|
Ob man so was ertragen kann.
|
|||
Osmin
|
Osmin.
|
|||
Verbrennen sollte man die Hunde,
|
Verbrennen sollte man die Hunde,
|
|||
die uns so schändlich hintergehn;
|
Die uns so schändlich hintergehn;
|
|||
es ist nicht länger anzusehn,
|
Es ist nicht länger anzusehn,
|
|||
mir starrt die
|
FMir starrt die
|
|||
Zunge fast im Munde,
|
Zunge fast im Munde,
|
|||
um ihren Lohn zu ordnen an:
|
Um ihren Lohn zu ordnen an:
|
|||
Erst geköpft,
|
Erst geköpft,
|
|||
dann gehangen,
|
Dann gehangen,
|
|||
dann gespießt
|
Dann gespießt
|
|||
auf heiße Stangen,
|
Auf heiße Stangen;
|
|||
dann verbrannt,
|
Dann verbrannt,
|
|||
dann gebunden
|
Dann gebunden
|
|||
und getaucht,
|
Und getaucht,
|
|||
zuletzt geschunden.
|
Zuletzt geschunden.
|
|||
(läuft voll Wut ab)
|
(läuft voll Wuth ab)
|
|||
Alle
|
Alle.
|
|||
Nichts ist so hässlich als die Rache;
|
Nichts ist so häßlich, als die Rache;
|
|||
hingegen menschlich, gütig sein
|
Hingegen menschlich, gütig seyn;
|
|||
und ohne Eigennutz verzeihn,
|
Und ohne Eigennutz verzeihn,
|
|||
ist nur der großen Seelen Sache.
|
Ist nur der großen Seelen Sache.
|
|||
Wer dieses nicht erkennen kann,
|
Wer dieses nicht erkennen kann,
|
|||
den seh man mit Verachtung an.
|
Den seh' man mit Verachtung an.
|
|||
Die Wache
|
Die Wache.
|
|||
Bassa Selim lebe lange,
|
Bassa Selim lebe lange,
|
|||
Ehre sei sein Eigentum,
|
Ehre sey sein Eigenthum,
|
|||
seine holde Scheitel prange
|
Seine holde Scheitel prange
|
|||
voll von Jubel, voll von Ruhm.
|
Voll von Jubel, voll von Ruhm.
|
|||
Ende des Singspiels.
|
Ende des Singspiels.
|