Kritische Edition des Librettos | Diplomatische Übertragung des Librettos | |||
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Dritter Aufzug
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FDritter Aufzug.
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Platz vor dem Palaste des Bassa Selim; auf einer Seite der Palast des Bassa, gegenüber die Wohnung des Osmin, hinten Aussicht aufs Meer. Es ist Mitternacht.
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(Platz vor dem Palaste des Bassa Selim;
auf einer Seite der Palast des Bassa; ge= gen über die Wohnung des Osmin; hinten Aussicht aufs Meer. Es ist Mitternacht.) |
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Erster Auftritt
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Erster Auftritt.
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Pedrillo, Klaas (der eine Leiter bringt.)
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Pedrillo, Klaas (der eine Leiter bringt.)
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Pedrillo
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Pedrillo.
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Hier, lieber Klaas, hier leg sie indes nur nieder und hole die zwote vom Schiff. Aber nur hübsch leise, dass nicht viel Lärm gemacht wird: Es geht hier auf Tod und Leben.
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Hier, lieber Klaas, hier leg sie in=
deß nur nieder, und hole die zwote vom Schiff. Aber nur hübsch leise, daß nicht viel Lerm ge= macht wird: es geht hier auf Tod und Leben. |
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Klaas
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Klaas.
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Lass mich nur machen, ich versteh das Ding auch ein bisschen, wenn wir sie nur erst am Bord haben.
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Laß mich nur machen, ich versteh das
Ding auch ein bischen, wenn wir sie nur erst am Bord haben. |
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Pedrillo
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Pedrillo.
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Ach lieber Klaas! wenn wir mit unsrer Beute glücklich nach Spanien kommen, ich glaube, Don Belmonte lässt dich in Gold einfassen.
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Ach lieber Klaas! wenn wir mit
unsrer Beute glücklich nach Spanien kommen: ich glaube, Don Belmonte lässt dich in Gold einfassen. |
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Klaas
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Klaas.
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Das möchte wohl ein bisschen zu warm aufs Fell gehn; doch das wird sich schon geben. Ich hole die Leiter.
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Das möchte wohl ein bischen zu warm
aufs Fell gehn; doch das wird sich schon geben. Ich hole die Leiter. |
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(geht ab)
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(geht ab)
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Pedrillo
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Pedrillo.
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Ach! wenn ich sagen sollte, dass mir's Herz nicht klopfte, so sagt ich eine schreckliche Lüge. Die verzweifelten Türken verstehn nicht den mindesten Spaß; und ob der Bassa gleich ein Renegat ist, so ist er, wenn's aufs Kopfab ankommt, doch ein völliger Türke.
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Ach! wenn ich sagen sollte, daß
mirs Herz nicht klopfte, so sagt' ich eine schreck= liche Lüge. Die verzweifelten Türken verstehn Fnicht den mindesten Spaß; und ob der Bassa gleich ein Renegat ist, so ist er, wenns aufs Kopfab ankommt, doch ein völliger Türke. |
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(Klaas bringt die zwote Leiter.)
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Klaas. (bringt die zwote Leiter)
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Pedrillo.
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So, guter Klaas, und nun lichte die Anker und spann alle Segel auf, denn eh eine halbe Stund vergeht, hast du deine völlige Ladung.
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So, guter Klaas, und nun lichte
die Anker, und spann alle Segel auf: denn eh eine halbe Stund vergeht, hast du deine völlige Ladung. |
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Klaas
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Klaas.
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Bring sie nur hurtig, und dann lass mich sorgen.
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Bring sie nur hurtig, und dann laß
mich sorgen. |
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(geht ab)
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(geht ab)
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Zweiter Auftritt
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Zweyter Auftritt.
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Belmonte, Pedrillo.
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Belmonte, Pedrillo.
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Pedrillo
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Pedrillo.
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Ach! – ich muss Atem holen. – Es zieht mir's Herz so eng zusammen, als wenn ich's größte Schelmstück vorhätte. – Ach wo mein Herr auch bleibt! –
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Ach! – ich muß Athem holen –
Es zieht mir's Herz so eng zusammen, als wenn ichs größte Schelmstück vorhätte – Ach wo mein Herr auch bleibt! – |
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Belmonte
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Belmonte.
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(ruft leise)
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(ruft leise)
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Pedrillo! Pedrillo!
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Pedrillo! Pedrillo!
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Pedrillo
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Pedrillo.
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Wie gerufen!
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Wie gerufen!
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Belmonte
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Belmonte.
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Ist alles fertig gemacht?
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Ist alles fertig gemacht?
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Pedrillo
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Pedrillo.
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Alles! Jetzt will ich ein wenig um den Palast herum spionieren, wie's aussieht. Singen Sie indessen eins. Ich hab das so alle Abende getan; und wenn Sie da auch jemand gewahr wird oder begegnet, denn alle Stunden macht hier eine Janitscharenwache die Runde, so hat's nichts zu bedeuten, sie sind das von mir schon gewohnt; es ist fast besser, als wenn man Sie so stille hier fände.
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Alles! Jetzt will ich ein wenig
um den Palast herum spioniren, wie's aussieht. Singen Sie indessen eins. Ich hab das so alle Abende gethan; und wenn Sie da auch jemand gewahr wird, oder begegnet: denn alle Stunden macht hier eine Janitscharenwache die Runde; so hat's nichts zu bedeuten, sie sind das von mir schon gewohnt; es ist fast besser, als wenn man Sie so stille hier fände. |
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Belmonte
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FBelmonte.
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Lass mich nur machen und komm bald wieder.
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Laß mich nur machen, und komm
bald wieder. |
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(Pedrillo geht ab.)
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Pedrillo. (geht ab)
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Dritter Auftritt
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Dritter Auftritt.
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Belmonte allein.
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Belmonte allein.
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O Konstanze, Konstanze! wie schlägt mir das Herz! Je näher der Augenblick kommt, desto ängstlicher zagt meine Seele; ich fürchte und wünsche, bebe und hoffe. O Liebe, sei du meine Leiterin!
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O Konstanze, Konstanze! wie schlägt mir das
Herz! Je näher der Augenblick kommt, desto ängstlicher zagt meine Seele; ich fürchte und wünsche, bebe und hoffe. O Liebe, sey du meine Leiterinn! |
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Ich baue ganz auf deine Stärke,
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Ich baue ganz auf deine Stärke,
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vertrau, o Liebe! deiner Macht!
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Vertrau' o Liebe! deiner Macht!
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Denn ach! was wurden nicht für Werke
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Denn, ach! was wurden nicht für Werke
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schon oft durch dich zustand gebracht!
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Schon oft durch dich zu Stand gebracht!
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Was aller Welt unmöglich scheint,
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Was aller Welt unmöglich scheint,
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wird durch die Liebe doch vereint.
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Wird durch die Liebe doch vereint.
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Vierter Auftritt
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Vierter Auftritt.
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Belmonte und Pedrillo.
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Belmonte, und Pedrillo.
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Pedrillo
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Pedrillo.
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Alles liegt auf dem Ohr; es ist al=
les so ruhig, so stille als den Tag nach der Sündfluth. |
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Belmonte
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FBelmonte.
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Nun so laß uns sie befreyen. Wo
ist die Leiter? |
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Pedrillo
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Pedrillo.
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Nicht so hitzig. Ich muß erst das
Signal geben. |
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Belmonte
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Belmonte.
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Was hindert dich denn es nicht
zu thun? Mach fort. |
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Pedrillo
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Pedrillo.
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(sieht nach der Uhr)
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(sieht nach der Uhr)
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Eben recht,
Schlag zwölfe. Gehen Sie dort an die Ecke, und geben Sie wohl acht, daß wir nicht über= rascht werden. |
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Belmonte
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Belmonte.
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Zaudre nur nicht!
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Zaudre nur nicht!
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(geht ab)
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(geht ab)
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Pedrillo
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Pedrillo.
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(indem er seine Mandoline hervorholt)
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(indem er seine Mandoline her=
vor holt) |
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Es ist doch um die Herzhaftigkeit ei=
ne erzläppische Sache. Wer keine hat, schafft sich mit aller Mühe keine an! Was mein Herz schlägt! Mein Papa muß ein Erzpoltron gewe= sen seyn. (fängt an zu spielen) Nun so sey es denn gewagt! |
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(singt und akkompagniert sich)
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(singt und akkompagnirt
sich) |
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Romanze
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Romanze.
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1.
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1.
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|||
In Mohrenland gefangen war
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In Mohrenland gefangen war
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ein Mädel hübsch und fein;
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Ein Mädel hübsch und fein;
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sah rot und weiß, war schwarz von Haar,
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Sah roth und weiß, war schwarz von Haar,
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seufzt' Tag und Nacht und weinte gar;
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Seufzt' Tag und Nacht und weinte gar;
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wollt gern erlöset sein.
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Wollt' gern erlöset seyn.
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2.
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F2.
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Da kam aus fremdem Land daher
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Da kam aus fremdem Land daher
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ein junger Rittersmann;
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Ein junger Rittersmann;
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den jammerte das Mädchen sehr;
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Den jammerte das Mädchen sehr;
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"Jach", rief er, "wag ich Kopf und Ehr,
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Jach rief er, wag' ich Kopf und Ehr,
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wenn ich sie retten kann."
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Wenn ich sie retten kann.
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Noch geht alles gut, es rührt sich noch nichts.
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Belmonte
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Belmonte.
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(kommt hervor)
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(kommt hervor)
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Mach ein En=
de, Pedrillo. |
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Pedrillo
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Pedrillo.
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An mir liegt es nicht, daß sie sich
noch nicht zeigen. Entweder schlafen sie fester als jemals; oder der Bassa ist bey der Hand. Wir wollens weiter versuchen. Bleiben Sie nur auf Ihren Posten. |
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(Belmonte geht wieder fort.)
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Belmonte. (geht wieder fort)
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Pedrillo.
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3.
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3.
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"Ich komm zu dir in finstrer Nacht,
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Ich komm zu dir in finstrer Nacht,
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lass, Liebchen, husch mich ein!
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Laß, Liebchen, husch mich ein!
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Ich fürchte weder Schloss noch Wacht;
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Ich fürchte weder Schloß noch Wacht;
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|||
holla! horch auf! um Mitternacht
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Holla! horch auf! um Mitternacht,
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sollst du erlöset sein."
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Sollst du erlöset seyn.
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4.
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4.
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Gesagt, getan; Glock zwölfe stand
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Gesagt, gethan; Glock zwölfe stand
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der tapfre Ritter da;
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Der tapfre Ritter da;
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sanft reicht sie ihm die weiche Hand,
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FSanft reicht sie ihm die weiche Hand,
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früh man die leere Zelle fand;
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Früh man die leere Zelle fand;
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fort war sie, hopsasa!
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Fort war sie, hopsasa!
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(Pedrillo hustet einige Mal, Konstanze öffnet das Fenster.)
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(Pedrillo hustet einigemal, Konstanze öfnet
das Fenster) |
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Pedrillo
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Pedrillo.
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Sie macht auf, Herr! Sie macht
auf. |
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Belmonte
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Belmonte.
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Ich komme, ich komme!
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Konstanze
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Konstanze.
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(oben am Fenster)
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(oben am Fenster)
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Belmonte!
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Belmonte
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Belmonte.
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Konstanze! hier bin ich! hurtig
die Leiter! |
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(Pedrillo stellt die Leiter an Konstanzens Fenster, Belmonte steigt hinein; Pedrillo hält die Leiter.)
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(Pedrillo stellt die Leiter an Konstanzens Fen=
ster, Belmonte steigt hinein; Pedrillo hält die Leiter.) |
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Pedrillo
|
Pedrillo
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Was das für ein abscheuliches Spek=
takel macht. (hält die Hand aufs Herz) Es wird immer ärger, weil es nun Ernst wird. Wenn sie mich hier erwischten, wie schön würden sie mit mir abtrollen, zum Kopfabschlagen, zum Spießen, oder zum Hängen. Je nu! der Anfang ist einmal gemacht, itzt ists nicht mehr aufzuhal= ten, es geht nun schon einmal aufs Leben oder auf den Tod los. |
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(Belmonte kommt mit Konstanzen unten zur Türe heraus.)
|
(Belmonte kommt mit Konstanzen unten zur
Thüre heraus) |
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Belmonte
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Belmonte.
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Nun, holder Engel! nun hab'
ich dich wieder, ganz wieder; Nichts soll uns mehr trennen. |
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Konstanze
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FKonstanze.
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Wie ängstlich schlägt mein Herz!
kaum bin ich im Stande mich aufrecht zu halten: wenn wir nur glücklich entkommen. |
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Pedrillo
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Pedrillo.
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Nur fort! nicht geplaudert! sonst
könnt' es freylich schief gehen, wenn wir da lange Rath halten, und seufzen. (stößt Belmon= ten und Konstanzen fort) Nur frisch nach dem Strande zu! ich komme gleich nach. |
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(Belmonte und Konstanze ab)
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(Belmonte und Konstanze ab)
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Pedrillo.
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Nun Kupido, du mächtiger Herzens=
dieb, halte mir die Leiter, und hülle mich sammt meiner Geräthschaft in einen dicken Nebel ein! (er hat unter der Zeit die Leiter an Blon= dens Fenster gelegt, und ist hinaufgestiegen) Blondchen, Blondchen! mach auf ums Himmels willen, zaudre nicht! es ist um Hals und Kragen zu thun. |
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(Es wird das Fenster geöffnet, er steigt hinein.)
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(Es wird das Fenster geöfnet, er steigt
hinein) |
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Fünfter Auftritt
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Fünfter Auftritt.
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Osmin und ein schwarzer Stummer öffnen die Türe von Osmins Hause, wo Pedrillo hineingestiegen ist. Osmin noch halb schlaftrunken hat eine Laterne. Der Stumme gibt Osmin durch Zeichen zu verstehen, dass es nicht richtig sei, dass er Leute gehört habe usw.
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Osmin und ein schwarzer Stummer öfnen die
Thüre von Osmins Hause, wo Pedrillo hineingestiegen ist. Osmin noch halb schlaf= trunken hat eine Laterne. Der Stum= me giebt Osmin durch Zeichen zu verstehen, daß es nicht richtig sey; daß er Leute ge= hört habe, u.s.w. |
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Osmin
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FOsmin.
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Lärmen hörtest du? was kanns denn
geben? vielleicht Schwärmer? Geh, spionire, bringe mir Antwort. |
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(Der Stumme lauscht ein wenig herum; endlich wird er die Leiter an Osmins Fenster gewahr, erschrickt und zeigt sie Osmin, der wie im Taumel mit der Laterne in der Hand an seine Haustüre gelehnt steht und nickt.)
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(Der Stumme lauscht ein wenig herum; end=
lich wird er die Leiter an Osmins Fenster gewahr, erschrickt und zeigt sie Osmin, der wie im Taumel mit der Laterne in der Hand an seine Hausthüre gelehnt, steht und nickt) |
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Osmin
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Osmin.
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Gift und Dolch! was ist das? wer
kann ins Haus steigen? Das sind Diebe, oder Mörder. |
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(Er tummelt sich herum; weil er aber noch halb schlaftrunken ist, stößt er sich hier und da etc.)
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(Er tummelt sich herum: weil er aber noch
halb schlaftrunken ist, stößt er sich hier und da etc.) |
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|
Osmin.
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Hurtig, hole die Wache! ich will
unterdessen lauren. |
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(Der Stumme ab; Osmin setzt sich auf die Leiter mit der Laterne in der Hand und nickt ein. Pedrillo kömmt rückwärts wieder zum Fenster herausgestiegen und will die Leiter wieder herunter. Blonde oben am Fenster wird Osmin gewahr und ruft Pedrillo zu.)
|
(Der Stumme ab; Osmin setzt sich auf die
Leiter mit der Laterne in der Hand und nickt ein. Pedrillo kömmt rückwärts wieder zum Fenster herausgestiegen, und will die Leiter wieder herunter. Blonde oben am Fenster wird Osmin gewahr und ruft Pe= drillo zu) |
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Blonde
|
Blonde.
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|
O Himmel, Pedrillo! wir sind ver=
loren. |
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Pedrillo
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Pedrillo.
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(sieht sich um, und so wie er Osmin gewahr wird, stutzt er, besieht ihn und steigt wieder zum Fenster hinein)
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(sieht sich um, und so wie er
Osmin gewahr wird, stutzt er, besieht ihn Fund steigt wieder zum Fenster hinein) |
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|
Ah!
welcher Teufel hat sich wider uns verschworen. |
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Osmin
|
Osmin.
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(auf der Leiter dem Pedrillo nach, ruft)
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(auf der Leiter dem Pedrillo
nach, ruft) |
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Blondchen! Blondchen!
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Pedrillo
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Pedrillo.
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(im Hineinsteigen zu BlondchenBlonde)
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(im Hineinsteigen zu Blondchen)
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Zurück, nur zurück!
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Osmin
|
Osmin.
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(steigt wieder zurück)
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(steigt wieder zurück)
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Wart, Spitz=
bube, du sollst mir nicht entkommen. Hilfe! Hilfe! Wache, hurtig, hier giebts Räuber! her= bey, herbey! |
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(Pedrillo kommt mit Blonden unten zur Haustüre heraus, sieht schüchtern nach der Leiter und schleicht sich dann mit Blonden darunter weg.)
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Pedrillo. (kommt mit Blonden unten zur
Hausthüre heraus, sieht schüchtern nach der Leiter, und schleicht sich dann mit Blonden darunter weg) |
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Blonde, Pedrillo
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Pedrillo und Blonde.
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(im Abgehen)
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(im Abgehen)
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O
Himmel steh uns bey! sonst sind wir verloren. |
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Osmin
|
Osmin.
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Zu Hilfe! zu Hilfe! geschwind!
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(Er will nach.)
|
(er will nach)
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Wache
|
Wache.
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(mit Fackeln, halten Osmin auf)
|
(mit Fackeln, halten Osmin auf)
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|
Halt, halt! Wohin?
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Osmin
|
Osmin.
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Dorthin, dorthin.
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Wache
|
Wache.
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Wer bist du?
|
Wer bist du?
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Osmin
|
Osmin.
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Nur nicht lange gefragt, sonst entkommen die Spitzbuben. Seht ihr denn nicht? Hier ist noch die Leiter.
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Nur nicht lange gefragt, sonst ent=
kommen die Spitzbuben. Seht ihr denn nicht? hier ist noch die Leiter. |
|||
Wache
|
Wache.
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|||
Das sehn wir. Kannst nicht du sie angelegt haben?
|
Das sehn' wir: kannst nicht du sie
angelegt haben? |
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Osmin
|
Osmin.
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|||
Gift und Dolch! Kennt ihr mich denn nicht? Ich bin Oberaufseher der Gärten beim Bassa. Wenn ihr noch lange fragt, so hilft euer Kommen nichts.
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Gift und Dolch! kennt ihr mich
denn nicht? ich bin Oberaufseher der Gärten beym Bassa. Wenn ihr noch lange fragt, so hilft euer Kommen nichts. |
|||
(Ein Teil der Wache bringt Pedrillo und Blonden zurück.)
|
F(Ein Theil der Wache bringen Pedrillo und
Blonden zurück) |
|||
Osmin
|
Osmin.
|
|||
|
Ah endlich! Gift und Dolch! seh'
ich recht! ihr beyde? warte, spitzbübischer Pedrillo, dein Kopf soll am längsten fest gestanden seyn. |
|||
Pedrillo
|
Pedrillo.
|
|||
|
Brüderchen, Brüderchen! wirst doch
Spaß verstehen? ich wollt' dir dein Weibchen nur ein wenig spazieren führen, weil du heute dazu nicht aufgelegt bist. Du weißt schon (heimlich zu Osmin) wegen des Cyperweins. |
|||
Osmin
|
Osmin.
|
|||
|
Schurke, glaubst du mich zu betäu=
ben? hier verstehe ich keinen Spaß; dein Kopf muß herunter, so wahr ich ein Muselmann bin. |
|||
Pedrillo
|
Pedrillo.
|
|||
|
Und hast du einen Nutzen dabey?
wenn ich meinen Kopf verliere, sitzt deiner um so viel fester? |
|||
(Ein anderer Teil der Wache, auch mit Fackeln, bringen Belmonte und Konstanze.)
|
(Ein anderer Theil der Wache auch mit Fa=
ckeln bringen Belmonte und Konstanze) |
|||
Belmonte
|
Belmonte.
|
|||
(widersetzt sich noch)
|
(widersetzt sich noch)
|
|||
|
Schänd=
liche, laßt mich los! |
|||
Wache
|
Wache.
|
|||
|
Sachte, junger Herr! sachte! uns
entkömmt man nicht so geschwinde. |
|||
Osmin
|
Osmin.
|
|||
|
Sieh da! die Gesellschaft wird immer
stärker. Hat der Herr Baumeister auch wollen spazieren gehen? O ihr Spitzbuben! Hatte ich heute nicht recht, (zu Belmonte) daß ich dich nicht in's Haus lassen wollte? nun wird der Bas= sa sehen, was für sauberes Gelichter er um sich hat. |
|||
Belmonte
|
Belmonte.
|
|||
|
Das bey Seite! laß hören, ob
mit euch ein vernünftig Wort zu sprechen ist? FHier ist ein Beutel mit Zechinen, er ist euer, und noch zweymal so viel; laßt mich los. |
|||
Konstanze
|
Konstanze.
|
|||
|
Laßt euch bewegen!
|
|||
Osmin
|
Osmin.
|
|||
|
Ich glaube, ihr seyd besessen? euer
Geld brauchen wir nicht, das bekommen wir oh= nehin: eure Köpfe wollen wir. (zur Wache) Schleppt sie fort zum Bassa! |
|||
Konstanze, Belmonte
|
Belmonte und Konstanze.
|
|||
|
Habt doch Erbar=
men! laßt euch bewegen! |
|||
Osmin
|
Osmin.
|
|||
|
Um nichts in der Welt! Ich habe
mir längst so einen Augenblick gewünschet. Fort, fort! |
|||
(Die Wache führt Belmont und Konstanzen fort samt Pedrillo und Blonden.)
|
(Die Wache führt Belmont und Konstanzen
fort, samt Pedrillo und Blonden) |
|||
Osmin allein.
|
Osmin allein.
|
|||
Oh! wie will ich triumphieren!
|
O! wie will ich triumphiren!
|
|||
wenn sie euch zum Richtplatz führen
|
Wenn sie euch zum Richtplatz führen
|
|||
und die Hälse schnüren zu;
|
Und die Hälse schnüren zu;
|
|||
hüpfen will ich, lachen, springen
|
Hüpfen will ich, lachen, springen
|
|||
und ein Freudenliedchen singen,
|
Und ein Freudenliedchen singen
|
|||
denn nun hab ich vor euch Ruh.
|
Denn nun hab' ich vor euch Ruh.
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|||
Schleicht nur säuberlich und leise,
|
Schleicht nur säuberlich und leise
|
|||
ihr verdammten Haramsmäuse„Haram“ ist das persische Äquivalent zum türkischen „Harem“ im Sinne von „Serail“. Vgl. u. a. Karl Steuerwald, Türkisch-Deutsches Wörterbuch, Wiesbaden 2010, S. 365 und 367; Heinrich F. J. Junker und Buzurg Alawi, Persisch-Deutsch: Wörterbuch, Wiesbaden 2002, S. 246; Hans Wehr, Arabisches Wörterbuch für die Schriftsprache der Gegenwart, 5 Aufl., Wiesbaden 1999, S. 155.
Das Wort „Haram“ ist im Sinne von „Serail“ auch in deutschsprachigen Quellen der Zeit mit Bezug auf Persien belegt. Vgl. u.a. Thomas Salomon und Matthias van Goch, Die heutige Historie und Geographie; oder der gegenwärtige Staat vom Königreich Persien, Flensburg und Altona 1739; Wilhelm Friedrich Hezel und Hermann Friedrich Koechel, Biblisches Real-Lexicon über biblische und die Bibel erläuternde alte Geschichte, Erdbeschreibung, Zeitrechnung, Altertümer und morgenländische Gebräuche, Naturlehre, Naturgeschichte, Religionsgeschichte, Isagogik, Onomatologie der in der Bibel vorkommenden interessantesten Personen etc., Bd. 2, Leipzig 1784, S. 94 (Art. „Frauenzimmer“); Barthélemy d'Herbelot de Molainville, Orientalische Bibliothek oder Universalwörterbuch, welches alles enthält, was zur Kenntnis des Orients nothwendig ist, Bd. 4, Halle: Gebauer 1790, S. 570., |
Ihr verdammten Harams=Mäuse,
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|||
unser Ohr entdeckt euch schon;
|
Unser Ohr entdeckt euch schon;
|
|||
und eh ihr uns könnt entspringen,
|
Und eh' ihr uns könnt entspringen,
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|||
seht ihr euch in unsern Schlingen
|
Seht ihr euch in unsern Schlingen,
|
|||
und erhaschet euren Lohn.
|
Und erhaschet euren Lohn.
|
|||
Oh! wie will ich triumphieren etc.
|
O! wie will ich triumphiren etc. etc.
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(geht ab)
|
(geht ab)
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|||
Zimmer des Bassa. |
||||
Sechster Auftritt
|
FSechster Auftritt.
|
|||
|
(Zimmer des Bassa)
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|||
Selim mit Gefolge, hernach Osmin, Belmonte, Konstanze und Wache.
|
Selim mit Gefolge, hernach Osmin, Bel=
monte, Konstanze und Wache. |
|||
Selim
|
Selim.
|
|||
(zu einem Offiziere)
|
(zu einem Offiziere)
|
|||
Geht, unterrichtet euch, was der Lärm im Palast bedeutet; er hat uns im Schlaf aufgeschreckt, und lasst mir Osmin kommen.
|
Geht, unterrich=
tet euch, was der Lärm im Palast bedeutet; er hat uns im Schlaf aufgeschreckt, und laßt mir Osmin kommen. |
|||
(Der Offizier will abgehen, indem kommt Osmin zwar hastig, doch noch ein wenig schläfrig.)
|
(Der Offizier will abgehen,
indem kommt Osmin zwar hastig, doch noch ein wenig schläfrig) |
|||
Osmin
|
Osmin.
|
|||
Herr! – Verzeih, dass ich es so früh wage – deine Ruhe zu stören.
|
Herr! – Verzeih, daß ich es so
früh wage – deine Ruhe zu stören. |
|||
Selim
|
Selim.
|
|||
Was gibt's, Osmin, was gibt's? Was bedeutet der Aufruhr?
|
Was giebts, Osmin, was giebts?
Was bedeutet der Aufruhr? |
|||
Osmin
|
Osmin.
|
|||
Herr, es ist die schändlichste Verräterei in deinem Palast –
|
Herr, es ist die schändlichste Ver=
rätherey in deinem Palast – |
|||
Selim
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Selim.
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Verräterei?
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Verrätherey?
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Osmin
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Osmin.
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Die niederträchtigen Christensklaven entführen uns – die Weiber. Der große Baumeister, den du gestern auf Zureden des Verräters Pedrillo aufnahmst, hat deine – schöne Konstanze entführt.
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Die niederträchtigen Christenskla=
ven entführen uns – die Weiber. Der große Baumeister, den du gestern auf Zureden des Ver= räthers Pedrillo aufnahmst, hat deine – schöne Konstanze entführt. |
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Selim
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Selim.
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Konstanze? entführt? Ah, setzt ihnen nach!
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Konstanze? entführt? Ah, setzt ih=
nen nach! |
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Osmin
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FOsmin.
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O 's ist schon dafür gesorgt! Meiner Wachsamkeit – hast du es zu danken, dass ich sie wieder beim Schopfe gekriegt habe. Auch mir selbst hatte der – spitzbübische Pedrillo eine gleiche Ehre zugedacht, und er hatte mein Blondchen schon beim Kopfe, um mit ihr – in alle Welt zu reisen. – Aber, Gift und Dolch! er soll mir's entgelten! – Sieh, da bringen sie sie!
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O 's ist schon dafür gesorgt! Mei=
ner Wachsamkeit – hast du es zu danken, daß ich sie wieder beym Schopfe gekriegt habe. Auch mir selbst hatte der – spitzbübische Pedrillo eine gleiche Ehre zugedacht, und er hatte mein Blond= chen schon beym Kopfe, um mit ihr – in alle Welt zu reisen. – Aber Gift und Dolch! er soll mirs entgelten! – Sieh, da bringen sie sie! |
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(Belmonte und Konstanze werden von der Wache hereingeführt.)
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(Belmonte und Konstanze werden von der
Wache hereingeführt.) |
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Selim
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Selim.
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Ah, Verräter! ist's möglich? – Ha, du heuchlerische Sirene! War das der Aufschub, den du begehrtest? Missbrauchtest du so die Nachsicht, die ich dir gab, um mich zu hintergehen?
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Ah, Verräther! Ists möglich? – Ha,
du heuchlerische Sirene! War das der Aufschub, den du begehrtest? Mißbrauchtest du so die Nach= sicht, die ich dir gab, um mich zu hintergehen? |
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Konstanze
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Konstanze.
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Ich bin strafbar in deinen Augen, Herr, es ist wahr. Aber es ist mein Geliebter, mein einziger Geliebter, dem lang schon dieses Herz gehört. O nur für ihn, nur um seinetwillen fleht ich Aufschub. – O lass mich sterben! Gern, gern will ich den Tod erdulden: Aber schone nur sein Leben –
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Ich bin strafbar in deinen Augen,
Herr, es ist wahr: aber es ist mein Geliebter, mein einziger Geliebter, dem lang schon dieses Herz gehört. O nur für ihn, nur um seinet= willen fleht' ich Aufschub. – O laß mich sterben! gern, gern will ich den Tod erdulden: aber scho= ne nur sein Leben – |
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Selim
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Selim.
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Und du wagst's, Unverschämte, für ihn zu bitten?
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Und du wagst's Unverschämte, für
ihn zu bitten? |
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Konstanze
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Konstanze.
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Noch mehr: für ihn zu sterben!
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Noch mehr: für ihn zu sterben!
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Belmonte
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Belmonte.
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Ha, Bassa! Noch nie erniedrigte ich mich zu bitten, noch nie hat dieses Knie sich vor einem Menschen gebeugt: Aber sieh, hier lieg ich zu deinen Füßen und flehe dein Mitleid an. Ich bin von einer großen spanischen Familie, man wird alles für mich zahlen. Lass dich bewegen, bestimme ein Lösegeld für mich und Konstanze so hoch du willst. Mein Name ist Lostados.
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Ha, Bassa! Noch nie erniedrigte
ich mich zu bitten, noch nie hat dieses Knie sich vor einem Menschen gebeugt: aber sieh, hier lieg Fich zu deinen Füssen; und flehe dein Mitleid an. Ich bin von einer grossen spanischen Familie, man wird alles für mich zahlen. Laß dich bewegen, bestimme ein Lösegeld für mich und Konstanze so hoch du willst. Mein Name ist Lostados. |
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Selim
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Selim.
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(staunend)
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(staunend)
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Was hör ich! Der Kommendant von Oran, ist dir der bekannt?
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Was hör' ich! der Kom=
mendant von Oran, ist dir der bekannt? |
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Belmonte
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Belmonte.
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Das ist mein Vater.
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Das ist mein Vater.
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Selim
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Selim.
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Dein Vater? Welcher glückliche Tag! den Sohn meines ärgsten Feindes in meiner Macht zu haben! Kann was Angenehmers sein! Wisse, Elender! dein Vater, dieser Barbar, ist schuld, dass ich mein Vaterland verlassen musste. Sein unbiegsamer Geiz entriss mir eine Geliebte, die ich höher als mein Leben schätzte. Er brachte mich um Ehrenstellen, Vermögen, um alles. Kurz, er zernichtete mein ganzes Glück. Und dieses Mannes einzigen Sohn habe ich nun in meiner Gewalt! Sage er: An meiner Stelle, was würde er tun?
|
Dein Vater? welcher glückliche Tag!
Den Sohn meines ärgsten Feindes in meiner Macht zu haben! kann was angenehmers seyn! Wisse, Elender! Dein Vater, dieser Barbar ist Schuld, daß ich mein Vaterland verlassen mußte. Sein unbiegsamer Geiz entriß mir eine Geliebte, die ich höher als mein Leben schätzte. Er brach= te mich um Ehrenstellen, Vermögen, um alles. Kurz, er zernichtete mein ganzes Glück. Und dieses Mannes einzigen Sohn habe ich nun in meiner Gewalt! Sage er an meiner Stelle, was würde er thun? |
|||
Belmonte
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Belmonte.
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|||
(ganz niedergedrückt)
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(ganz niedergedrückt)
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Mein Schicksal würde zu beklagen sein.
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Mein
Schicksal würde zu beklagen seyn. |
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Selim
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Selim.
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|||
Das soll es auch sein. Wie er mit mir verfahren ist, will ich mit dir verfahren. Folge mir, Osmin, ich will dir Befehle zu ihren Martern geben. (zu der Wache) Bewacht sie hier.
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Das soll es auch seyn. Wie er mit
mir verfahren ist, will ich mit dir verfahren. Folge mir, Osmin, ich will dir Befehle zu ihren Martern geben. (zu der Wache.) Bewacht sie hier. |
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Siebenter Auftritt
|
FSiebenter Auftritt.
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|||
Belmonte und Konstanze.
|
Belmonte und Konstanze.
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|||
Recitativ
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Recitativ.
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Belmonte
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Belmonte.
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|||
Welch Geschick! o Qual der Seele!
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Welch Geschick! o Qual der Seele!
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|||
Hat sich denn alles wider mich verschworen!
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Hat sich denn alles wider mich verschworen!
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|||
Ach! Konstanze! durch mich bist du verloren!
|
Ach! Konstanze! durch mich bist du verloren!
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|||
Welch eine Pein!
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Welch eine Pein!
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Konstanze
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Konstanze.
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|||
Lass, ach Geliebter, lass dich das nicht quälen!
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Laß, ach Geliebter, laß dich das nicht quälen!
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|||
Was ist der Tod? Ein Übergang zur Ruh;
|
Was ist der Tod? ein Uebergang zur Ruh;
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|||
und dann, an deiner Seite,
|
Und dann, an deiner Seite
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|||
ist er Vorgeschmack der Seligkeit.
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Ist er Vorgeschmack der Seligkeit.
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|||
Belmonte
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Belmonte.
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|||
Meinetwegen sollst du sterben!
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Meinetwegen sollst du sterben!
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|||
Ach Konstanze! kann ich's wagen,
|
Ach Konstanze! kann ich's wagen,
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|||
noch die Augen aufzuschlagen?
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Noch die Augen aufzuschlagen?
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|||
Ich bereite dir den Tod!
|
Ich bereite dir den Tod!
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|||
Konstanze
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Konstanze.
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|||
Belmont! du stirbst meinetwegen,
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Belmont! du stirbst meinetwegen,
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|||
ich nur zog dich ins Verderben,
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Ich nur zog dich ins Verderben,
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|||
und ich soll nicht mit dir sterben?
|
Und ich soll nicht mit dir sterben?
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|||
Wonne ist mir dies Gebot!
|
Wonne ist mir dies Geboth!
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|||
Beide
|
FBeyde.
|
|||
Edle Seele! dir zu leben,
|
Edle Seele! dir zu leben
|
|||
war mein Wunsch und all mein Streben;
|
War mein Wunsch und all mein Streben;
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|||
ohne dich ist mir's nur Pein,
|
Ohne dich ist mirs nur Pein,
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|||
länger auf der Welt zu sein.
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Länger auf der Welt zu seyn.
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|||
Konstanze
|
Konstanze.
|
|||
Ich will alles gerne leiden,
|
Ich will alles gerne leiden,
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|||
Belmonte
|
Belmonte.
|
|||
Ruhig sterb ich und mit Freuden,
|
Ruhig sterb' ich, und mit Freuden,
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|||
Beide
|
Beyde.
|
|||
da ich dir zur Seite bin.
|
Da ich dir zur Seite bin.
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|||
Konstanze
|
Konstanze.
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|||
Um dich, Geliebter!
|
Um dich, Geliebter!
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|||
Belmonte
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Belmonte.
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|||
Um dich, Geliebte!
|
Um dich, Geliebte!
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|||
Beide
|
Beyde.
|
|||
Geb ich gern mein Leben hin!
|
Geb' ich gern mein Leben hin!
|
|||
Beide
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Beyde.
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|||
O welche Seligkeit!
|
O welche Seligkeit!
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|||
Mit der|dem Geliebten sterben,
|
Mit der Geliebten|dem Geliebten sterben
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|||
ist seliges Entzücken!
|
Ist seliges Entzücken!
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|||
Mit wonnevollen Blicken
|
Mit wonnevollen Blicken
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|||
verlässt man da die Welt.
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Verläßt man da die Welt.
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|||
Achter Auftritt
|
FAchter Auftritt.
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|||
Pedrillo und Blonde werden von einem andern Teil der Wache hereingeführt, und die Vorigen.
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Pedrillo und Blonde werden von einem andern
Theil der Wache hereingeführt; und die Vorigen. |
|||
Pedrillo
|
Pedrillo.
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|||
Ach Herr! wir sind hin! An Rettung ist nicht mehr zu denken. Man macht schon alle Zubereitungen, um uns aus der Welt zu schaffen. Es ist erschrecklich, was sie mit uns anfangen wollen! Ich, wie ich im Vorbeigehen gehört habe, soll in Öl gesotten und dann gespießt werden. Das ist ein sauber Traktament! Ach! Blondchen! Blondchen! was werden sie wohl mit dir anfangen?
|
Ach Herr! wir sind hin! An Ret=
tung ist nicht mehr zu denken. Man macht schon alle Zubereitungen, um uns aus der Welt zu schaffen. Es ist erschrecklich, was sie mit uns anfangen wollen! Ich, wie ich im Vorbeygehen gehört habe, soll in Oel gesotten, und dann gespießt werden. Das ist ein sauber Traktament! Ach! Blondchen! Blondchen! was werden sie wohl mit dir anfangen? |
|||
Blonde
|
Blonde.
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|||
Das gilt mir nun ganz gleich. Da es einmal gestorben sein muss, ist mir alles recht.
|
Das gilt mir nun ganz gleich. Da
es einmal gestorben seyn muß, ist mir alles recht. |
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Pedrillo
|
Pedrillo.
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|||
Welche Standhaftigkeit! Ich bin doch von gutem altchristlichen Geschlecht aus Spanien, aber so gleichgültig kann ich beim Tode nicht sein! – – Weiß der Teufel… Gott sei bei mir! Wie kann mir auch itzt der Teufel auf die Zunge kommen?
|
Welche Standhaftigkeit! Ich bin
doch von gutem altchristlichen Geschlecht aus Spa= nien, aber so gleichgültig kann ich beym Tode nicht seyn! – – Weiß der Teufel… Gott sey bey mir! wie kann mir auch itzt der Teufel auf die Zunge kommen? |
|||
Letzter Auftritt
|
FLetzter Auftritt.
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|||
Die Vorigen, Bassa Selim, Osmin (voll Freuden) und Gefolge.
|
(Die Vorigen, Bassa Selim, Osmin (voll
Freuden) und Gefolge. |
|||
Selim
|
Selim.
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|||
Nun, Sklave! elender Sklave! zitterst du? Erwartest du dein Urteil?
|
Nun Sklave! elender Sklave! zitterst
du? erwartest du dein Urtheil? |
|||
Belmonte
|
Belmonte.
|
|||
Ja, Bassa, mit so vieler Kaltblütigkeit als Hitze du es aussprechen kannst. Kühle deine Rache an mir, tilge das Unrecht, so mein Vater dir angetan; – – ich erwarte alles und tadle dich nicht.
|
Ja Bassa mit so vieler Kaltblü=
tigkeit, als Hitze du es aussprechen kannst. Kühle deine Rache an mir, tilge das Unrecht, so mein Vater dir angethan; – – ich erwarte alles, und tadle dich nicht. |
|||
Selim
|
Selim.
|
|||
Es muss also wohl deinem Geschlechte ganz eigen sein, Ungerechtigkeiten zu begehen, weil du das für so ausgemacht annimmst? Du betrügst dich. Ich habe deinen Vater viel zu sehr verabscheut, als dass ich je in seine Fußtapfen treten könnte. Nimm deine Freiheit, nimm Konstanzen, segle in dein Vaterland, sage deinem Vater, dass du in meiner Gewalt warst, dass ich dich freigelassen, um ihm sagen zu können, es wäre ein weit größer Vergnügen, eine erlittene Ungerechtigkeit durch Wohltaten zu vergelten, als Laster mit Lastern tilgen.
|
Es muß also wohl deinem Geschlechte
ganz eigen seyn Ungerechtigkeiten zu begehen, weil du das für so ausgemacht annimmst? Du betrügst dich. Ich habe deinen Vater viel zu sehr verabscheut, als daß ich je in seine Fußtapfen treten könnte. Nimm deine Freyheit, nimm Konstanzen, seegle in dein Vaterland, sage dei= nem Vater, daß du in meiner Gewalt warst, daß ich dich frey gelassen, um ihm sagen zu kön= nen, es wäre ein weit grösser Vergnügen eine erlittene Ungerechtigkeit durch Wohlthaten zu vergelten, als Laster mit Lastern tilgen. |
|||
Belmonte
|
Belmonte.
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|||
Herr!… du setzest mich in Erstaunen…
|
Herr!… du setzest mich in
Erstaunen… |
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Selim
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Selim.
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|||
(ihn verächtlich ansehend)
|
(ihn verächtlich ansehend)
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|||
Das glaub ich. Zieh damit hin und werde du wenigstens menschlicher als dein Vater, so ist meine Handlung belohnt.
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Das
glaub ich. Zieh damit hin und werde du wenig= stens menschlicher, als dein Vater, so ist meine Handlung belohnt. |
|||
Konstanze
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FKonstanze.
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|||
Herr! vergib! Ich schätzte bisher deine edle Seele, aber nun bewundre ich…
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Herr! vergieb! Ich schätzte bisher
deine edle Seele, aber nun bewundre ich… |
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Selim
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Selim.
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|||
Still! Ich wünsche für die Falschheit, so Sie an mir begangen, dass Sie es nie bereuen möchten, mein Herz ausgeschlagen zu haben.
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Still! Ich wünsche für die Falschheit,
so Sie an mir begangen, daß Sie es nie bereu= en möchten, mein Herz ausgeschlagen zu haben. |
|||
(im Begriff abzugehen)
|
(im Begriff abzugehen)
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Pedrillo
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Pedrillo.
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(tritt ihm in Weg und fällt ihm zu Füßen)
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(tritt ihm in Weg und fällt ihm
zu Füßen) |
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Herr! dürfen wir beide Unglückliche es auch wagen, um Gnade zu flehen? – – Ich war von Jugend auf ein treuer Diener meines Herrn…
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Herr! dürfen wir beyde Unglückliche es
auch wagen, um Gnade zu flehen? – – Ich war von Jugend auf ein treuer Diener meines Herrn… |
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Osmin
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Osmin.
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|||
Herr! beim Allah! lass dich ja nicht von dem verwünschten Schmarotzer hintergehn! Keine Gnade! Er hat schon hundertmal den Tod verdient.
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Herr! beym Alla! laß dich ja nicht
von dem verwünschten Schmarotzer hintergehn! Keine Gnade! Er hat schon hundertmal den Tod verdient. |
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Selim
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Selim.
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|||
Er mag ihn also in seinem Vaterlande suchen. (zur Wache) Man begleite alle viere an das Schiff. (gibt Belmonte ein Papier) Hier ist Euer Passport.
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Er mag ihn also in seinem Vaterlan=
de suchen. (zur Wache) Man begleite alle viere an das Schif. (giebt Belmonte ein Papier) Hier ist euer Paßport. |
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Osmin
|
Osmin.
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|||
Wie! meine Blonde soll er auch mitnehmen?
|
Wie! meine Blonde soll er auch mit=
nehmen? |
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Selim
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Selim.
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(scherzhaft)
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(scherzhaft)
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Alter! sind dir deine Augen nicht lieb? – Ich sorge besser für dich, als du denkst.
|
Alter! sind dir deine
Augen nicht lieb? – Ich sorge besser für dich als du denkst. |
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Osmin
|
Osmin.
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Gift und Dolch! Ich möchte bersten!
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Gift und Dolch! Ich möchte bersten!
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Selim
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Selim.
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|||
Beruhige dich. Wen man durch Wohltun nicht für sich gewinnen kann, den muss man sich vom Halse schaffen.
|
Beruhige dich. Wen man durch
Wohlthun nicht für sich gewinnen kann, den muß man sich vom Halse schaffen. |
|||
Belmonte
|
Belmonte.
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|||
Nie werd ich deine Huld verkennen,
|
Nie werd' ich deine Huld verkennen,
|
|||
mein Dank bleibt ewig dir geweiht!
|
Mein Dank bleibt ewig dir geweiht!
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|||
An jedem Ort, zu jeder Zeit
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FAn jedem Ort, zu jeder Zeit
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|||
werd ich dich groß und edel nennen.
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Werd' ich dich groß und edel nennen.
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|||
Wer so viel Huld vergessen kann,
|
Wer so viel Huld vergessen kann,
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|||
den seh man mit Verachtung an.
|
Den seh' man mit Verachtung an.
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|||
Alle
|
Alle.
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|||
Wer so viel Huld etc.
|
Wer so viel Huld etc.
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Konstanze
|
Konstanze.
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|||
Nie werd ich im Genuss der Liebe
|
Nie werd' ich im Genuß der Liebe
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|||
vergessen, was der Dank gebeut,
|
Vergessen, was der Dank gebeut,
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|||
mein Herz, der Liebe nun geweiht,
|
Mein Herz, der Liebe nun geweiht,
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|||
hegt auch dem Dank geweihte Triebe.
|
Hegt auch dem Dank geweihte Triebe.
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|||
Wer so viel Huld vergessen kann,
|
Wer so viel Huld etc.
|
|||
den seh man mit Verachtung an.
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||||
Pedrillo
|
Pedrillo.
|
|||
Wenn ich es je vergessen könnte,
|
Wenn ich es je vergessen könnte,
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|||
wie nah ich am Erdrosseln war
|
Wie nah' ich am Erdrosseln war,
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|||
und all der anderen Gefahr:
|
Und all der anderen Gefahr:
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|||
Ich lief', als ob der Kopf mir brennte.
|
Ich lief', als ob der Kopf mir brennte.
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|||
Wer so viel Huld vergessen kann,
|
Wer so viel Huld etc.
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|||
den seh man mit Verachtung an.
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||||
Blonde
|
Blonde.
|
|||
Herr Bassa, ich sag recht mit Freuden
|
Herr Bassa, ich sag' recht mit Freuden
|
|||
viel Dank für Kost und Lagerstroh,
|
Viel Dank für Kost und Lagerstroh,
|
|||
doch bin ich recht von Herzen froh,
|
Doch bin ich recht von Herzen froh,
|
|||
dass er mich lässt von dannen scheiden.
|
Daß er mich lässt von dannen scheiden.
|
|||
(auf Osmin zeigend)
|
(auf Osmin zeigend)
|
|||
Denn seh er nur das Tier dort an,
|
Denn seh' er nur das Thier dort an,
|
|||
ob man so was ertragen kann.
|
Ob man so was ertragen kann.
|
|||
Osmin
|
Osmin.
|
|||
Verbrennen sollte man die Hunde,
|
Verbrennen sollte man die Hunde,
|
|||
die uns so schändlich hintergehn;
|
Die uns so schändlich hintergehn;
|
|||
es ist nicht länger anzusehn,
|
Es ist nicht länger anzusehn,
|
|||
mir starrt die
|
FMir starrt die
|
|||
Zunge fast im Munde,
|
Zunge fast im Munde,
|
|||
um ihren Lohn zu ordnen an:
|
Um ihren Lohn zu ordnen an:
|
|||
Erst geköpft,
|
Erst geköpft,
|
|||
dann gehangen,
|
Dann gehangen,
|
|||
dann gespießt
|
Dann gespießt
|
|||
auf heiße Stangen,
|
Auf heiße Stangen;
|
|||
dann verbrannt,
|
Dann verbrannt,
|
|||
dann gebunden
|
Dann gebunden
|
|||
und getaucht,
|
Und getaucht,
|
|||
zuletzt geschunden.
|
Zuletzt geschunden.
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|||
(läuft voll Wut ab)
|
(läuft voll Wuth ab)
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|||
Alle
|
Alle.
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|||
Nichts ist so hässlich als die Rache;
|
Nichts ist so häßlich, als die Rache;
|
|||
hingegen menschlich, gütig sein
|
Hingegen menschlich, gütig seyn;
|
|||
und ohne Eigennutz verzeihn,
|
Und ohne Eigennutz verzeihn,
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|||
ist nur der großen Seelen Sache.
|
Ist nur der großen Seelen Sache.
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|||
Wer dieses nicht erkennen kann,
|
Wer dieses nicht erkennen kann,
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|||
den seh man mit Verachtung an.
|
Den seh' man mit Verachtung an.
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|||
Die Wache
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Die Wache.
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|||
Bassa Selim lebe lange,
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Bassa Selim lebe lange,
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|||
Ehre sei sein Eigentum,
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Ehre sey sein Eigenthum,
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|||
seine holde Scheitel prange
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Seine holde Scheitel prange
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|||
voll von Jubel, voll von Ruhm.
|
Voll von Jubel, voll von Ruhm.
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|||
Ende des Singspiels.
|
Ende des Singspiels.
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