Vierter Auftritt
 
 
Vorige, Madame Krone.
 
 
Madame Pfeil
 
 
(mit einem verächtlichen Blick auf Madame Krone)
 
 
Kommt die Prinzessin auch?
 
 
Eiler
 
 
(ängstlich)
 
 
Wir wollen gehen. Auf Wiedersehen, Herr Frank.(heimlich zu Frank)Öffnen Sie nur Ihr Theater bald, damit ich ja nicht mehr die Liebhaberrolle spielen darf.
 
 
(Eiler und Madame Pfeil ab)
 
 
Frank
 
 
Beste Madame Krone, was führt Sie zu mir?
 
 
Madame Krone
 
 
Der Ruf, dass Sie eine neue Gesellschaft errichten wollen. Ich hoffe, Sie werden mir doch Engagement geben? Sie wissen, dass ich in der hohen Tragödie meinesgleichen suche.
 
 
Puf
 
 
(heimlich zu Frank)
 
 
Die ist nichts für uns.
 
 
Madame Krone
 
 
Zaire, Alzire, Kleopatra, Rodogüne und dergleichen sind Eigentumsrollen von mir.
 
 
Frank
 
 
O beste Madame Krone, damit ist's vorbei. Corneille, Racine, Voltaire, diese Väter der echten Tragödie, sind hinter den Ofen geworfen und ihre Stücke, die wahren Probiersteine tragischer Schauspieler, für unbrauchbar erklärt. Der Shakesparismus hat uns ergriffen, und Helden- und Staatsaktionen sind die Produkte, womit wir jetzt paradieren. Ein Trauerspiel ohne Lustigmacher, ohne Tollhausnarren, Donnerwetter und Gespenster wird für fades Gewäsche erklärt, die Zuschauer gähnen, und die Kasse bleibt leer.
 
 
Puf
 
 
Ja, ja, das haben wir alles erfahren. Ich als lustiger Bedienter habe eine Schellenkappe aufsetzen, mich als Pickelhering kleiden und die Tragödie aufrecht halten müssen.(heimlich zu Frank)Schicken Sie die tragische Prinzessin fort.
 
 
Madame Krone
 
 
Das weiß ich leider alles! Aber, Sie hoffte ich nicht so sprechen zu hören, Herr Frank. Ich glaube, es kommt immer auf den Direkteur an, sein Publikum zu haben, wie er will. Gewöhnt er es an gute Sachen, wird es nichts Schlechtes verlangen. Nur muss er ihm nichts auftragen, woran es sich den Geschmack verderben kann; lieber eine Zeit lang lavieren –
 
 
Puf
 
 
und nichts geben, was ihm Geld bringt? So muss er desto geschwinder aufhören.
 
 
Madame Krone
 
 
Wie die Sache liegt, haben Sie dem Schein nach recht; aber wer ist schuld daran? Eben Sie und Ihre Kollegen. Denn wären die lustigen Bedienten aus dem Trauerspiel geblieben, so wäre es noch in seinem alten Wert. Doch ich will mich mit Ihnen in keinen Wortwechsel einlassen. Herr Frank, ich habe einen der besten tragischen Schauspieler bei mir, es ist Herr Herz. Wir wollen Ihnen eine Szene aus Bianka Capello spielen. Urteilen Sie dann, ob es nicht möglich wäre, die reine Empfindung auf dem Theater wieder geltend zu machen.
 
 
(Sie geht an die Szene und führt Herrn Herz heraus.)
 
 
Fünfter Auftritt
 
 
Vorige, Herz.
 
 
Frank
 
 
(zu Herz)
 
 
Mich freut es recht sehr, Sie kennen zu lernen, ich habe viel Rühmliches von Ihnen gehört.
 
 
Herz
 
 
Ich wünsche nur, dass Sie es auch finden.
 
 
Madame Krone
 
 
Wir wollens versuchen. Ich bin Bianka Capello, Sie Bonaventuri!
 
 
(Sie stellt oder setzt sich in eine schwermütige Lage.)
 
 
Herz
 
 
"Warum so äußerst ernsthaft – wohl gar traurig, liebe Bianka?"
 
 
Madame Krone
 
 
"Ich denke diesem Abend nach."
 
 
Herz
 
 
(aufmerksam werdend)
 
 
"Diesem Abend?"
 
 
Madame Krone
 
 
(mit einem ernsthaften Kopfschütteln)
 
 
"O es ist eine feierliche Nacht, Bonaventuri, diese heutige Nacht! – Nicht sowohl ihrer selbst willen – sie müsst es denn noch werden – als vielmehr ihres Andenkens halber."
 
 
Herz
 
 
"Ich verstehe dich nicht, liebstes Weibchen."
 
 
Madame Krone
 
 
"Was mir wehe genug tut! Man vergisst seinen oder eines Freundes Geburtstag nicht leicht, und sie war einst die Geburtsnacht unser ehelichen Verbindung."
 
 
Herz
 
 
"So?"
 
 
Madame Krone
 
 
"Zwei Jahre nun, dass ich mit einem Schauder, der alle Gebeine durchbebte, bei der Rückkehr unsrer zärtlichen Unterredung die väterliche Haustüre verschlossen fand – umkehrte – und, du weißt's ja, in wessen Arme flog!"
 
 
Herz
 
 
(seinen Arm lächelnd um ihre Schultern schlingend)
 
 
"Was dich doch hoffentlich jetzt nicht reut?"
 
 
Madame Krone
 
 
(mit einem starren Blick in sein Auge, den er kaum aushält)
 
 
"Und auch wohl nicht reuen darf! Nicht wahr, Bonaventuri, du liebst mich noch?"
 
 
(indem sie seine Hand ergreift)
 
 
Herz
 
 
"Wie das Bianka fragen kann!"
 
 
Madame Krone
 
 
(immer seine Hand haltend, mit noch ernsterm, liebevollem Blick)
 
 
"Wenigstens kann sie fragen: ob noch so rein, so heiß wie damals?"
 
 
Herz
 
 
(mit dem Tone des sich mühsam zwingenden Gewissens)
 
 
"So rein und heiß!"
 
 
Madame Krone
 
 
"Und so einzig? Nein, Bonaventuri, verbirg deine Verlegenheit nicht länger! Ein Fehlender ist mehr noch als ein Heuchler wert. – Einzig! Dies Wort also vermagst du nicht zu wiederholen; jene vorigen erzwangst du noch."
 
 
Herz
 
 
(der seine Betretung unter Beleidigtsein verbergen will)
 
 
"Erzwang? Fehler? Gewiss, Bianka, ich weiß nicht, wie ich zu diesem Vorwurf komme."
 
 
Madame Krone
 
 
"Bonaventuri! unsere Liebe ist nicht mehr ganz, wie sie ehemals war, nicht mehr so wechselseitig."
 
 
Herz
 
 
"Wenigstens auf meiner Seite."
 
 
Madame Krone
 
 
"Lieber, sprich diese Unwahrheit nicht aus! Ich hasse jeden Mund, welcher lügt, und den deinigen möcht ich gern ewig lieben und achten zugleich. Sieh, schon wirst du bald rot, bald bleich, schon stammelst du und stockst, und doch hab ich das Wort noch nicht einmal ausgesprochen, was weit mehr deine Farbe wechseln und dich stammeln machen könnte."
 
 
Herz
 
 
(immer verlegner)
 
 
"Welches Wort?"
 
 
Madame Krone
 
 
"Kassandra Bongiani."
 
 
Herz
 
 
"Kassandra? Was soll das? Was meinst du mit ihr?"
 
 
Madame Krone
 
 
"Du wolltest es, und meine Vorherverkündigung ist eingetroffen."
 
 
Herz
 
 
(sich fassend)
 
 
"Nein, Bianka, die Röte, die du mir vorwirfst und die ich selbst gar wohl fühle, ist nicht von Scham, sondern von dem Erstaunen erzeugt, dass meine sonst so billig denkende Gattin endlich auch ein Märchen glauben kann, das bloß müßige Pagen und Jagdjunker sich an irgendeinem Regentage ausgedacht haben; Leute, welche glauben, man sei verliebt in jede Dame, mit der man etwa zweimal an einem Balle tanzt oder übern andern Tag je zuweilen zwanzig Worte spricht."
 
 
Madame Krone
 
 
"Und du beharrst auf deinem Leugnen? Warnung auf Warnung erschüttert dich nicht? Damit bei längern Umschweifen nicht stärkere Schuld des Trugs über dein Haupt komme, so schau her! Wessen ist dies Siegel?"
 
 
(zeigt ihm einen Brief)
 
 
Herz
 
 
(erschrocken)
 
 
"Das meinige."
 
 
Madame Krone
 
 
(ihn unwendend)
 
 
"Und die Hand dieser Aufschrift?"
 
 
Herz
 
 
(für sich)
 
 
"Gott! wenn es der verloren gegangene Brief, die Ursache von schon mancher meiner Sorgen wäre?"(laut und zitternd)"Es scheint meine Hand zu sein."
 
 
Madame Krone
 
 
"Und ist es. Ist dein Brief an ein Weib, mit dem nur müßige Pagen und Jagdjunker dich ins Gerede bringen. Bonaventuri! bei dem Allwissenden! Nicht meine Mühe, nicht List der Eifersucht verschaffte mir diesen Brief! Bloß der Hass deiner Feinde bracht ihn in meine Hände, und ich geb ihn dir wieder, wie ich ihn empfing. Ich dürfte das Siegel nur erbrechen, und ich hätte dann sichre Beweise deiner Untreu tausendfältig; aber nein – –"
 
 
Herz
 
 
(der gleichsam wie aus einem Traum auffährt und aufmerksam den Brief betrachtet)
 
 
"Wie! – Götter! – Bianka! – ist's möglich! – dies Siegel?"
 
 
Madame Krone
 
 
(mit schmerzhaftem Lächeln)
 
 
"Nun ja, ist ganz."
 
 
Herz
 
 
(mit Feuer ihre Hand ergreifend und küssend)
 
 
"Bianka, Weib ohnegleichen! Engel, der durch Scham mich niederwirft! O wüsstest du, was dieser Brief enthält!"(mit dem Ton der Reue)"Welche Vorschläge? welche Hirngespinste?"
 
 
Madame Krone
 
 
"Mag ich sie doch nicht wissen! Besser freilich, dies Schreiben wäre nie geschrieben, aber da es dies einmal ist, so vergeh es so."
 
 
(zerreißt den Brief)
 
 
Herz
 
 
"Edelstes Weib auf Gottes weiter Erde!"(Indem er sie umarmen will, bebt er zurück.)"Nein, ich bin es nicht wert, dich zu berühren!"(Er fällt aufs Knie.)"nicht wert, ach, nicht wert einmal den tiefsten Saum dieser Gewänder – –"
 
 
Madame Krone
 
 
"Bonaventuri! Mann! steh auf!"(Sie hebt ihn auf.)"Fliegst du nur anders mit inniger Reue, mit verjüngter Zartlichkeit in meine Arme; o so haben diese Arme nie dich zärtlicher umschlungen."(sieht ihn mit liebvollem Drohen an)"Böser, lieber böser Mann! wie viel opfert ich dir nicht auf?"
 
 
Herz
 
 
"Ja, wohl viel! Vaterland, Eltern, Wohlstand, Rang und Sicherheit gabst du hin, um Verbannung, Elend und Niedrigkeit mit mir zu teilen. Und ich – ich –"
 
 
Madame Krone
 
 
"Guter Bonaventuri! alles, was du soeben nanntest, klingt freilich rau, ertrug sich freilich ehemals hart, aber doch war es mir nicht so schwer als mein jetziges Los."
 
 
Herz
 
 
(der sie falsch versteht)
 
 
"Was von nun an dir keinen weitern Stoff zu Klag und Kummer geben soll."
 
 
Madame Krone
 
 
"Nicht? Weißt du das so gewiss? Kennst du meine ganze Lage?"
 
 
Herz
 
 
(dem dies etwas auffällt)
 
 
"Wie? Sollt ich sie nicht kennen? Welch ein Geheimnis verschlüßt Bianka noch vor mir?"
 
 
Madame Krone
 
 
"Das peinlichste, was sie jemals hatte. Ja, Bonaventuri! es ist unumgänglich nötig, dass ich endlich einen Schleier dir vom Auge reiße, bei dem ich's kaum begreife, wie er nicht schon längst dir von selbst entsank."(mit schnell starr werdendem Blick)"Oder wär es vielleicht schon geschehen? Und du hättest nur aus Kaltsinn oder Staatsklugheit geschwiegen? Schande! unauslöschliche Schande über dir, wenn dem so wäre!"
 
 
Herz
 
 
"Bei Gott, ich verstehe dich nicht!"
 
 
Madame Krone
 
 
"Das erste, das einzige Mal, dass eine Blindheit von dir mir lieb ist, wenigstens lieber als ein vorsätzliches Übersehen. – So wisse dann: Eben die geringfügigen Reize, die einst das Glück dich zu besiegen hatten, haben auch schon seit geraumer Zeit das Unglück gehabt, die Begierden unsers Herzogs zu reizen."
 
 
Herz
 
 
(erstaunt)
 
 
"Wie? Der Herzog liebt dich?"
 
 
Madame Krone
 
 
"Wenigstens spricht er so."
 
 
Herz
 
 
"Zwar wer müsste dich nicht lieben, Engel in Weibsgestalt."(sein Haupt auf seine Hand stützend)"Er dich lieben! dich? Wie so natürlich, und doch wie so schrecklich für mich!"(sich vor die Stirne schlagend)"Ha! nun begreif ich alles! Nur das nicht, dass ich's nicht eher begriff! Aber woher weißt du es? Von ihm selbst?"
 
 
Madame Krone
 
 
"Von ihm selbst! Lies diesen Brief. In ihm, wie du siehst, beut er alles auf, was er für fähig hält, meine Tugend zu erschüttern; lässt mir von allem die Wahl, sobald ich ihn zu wählen mich entschlüße; Wahl, ob ich verstohlener Liebe frönen oder als erklärte Günstlingin mit meiner Schande prahlen wolle. Der Arme, er ahndet nicht das Blut einer venezianischen Edeltochter, nicht das Blut einer Capello in mir. – Auch stellt er's ganz auf meinen Ausspruch, ob er dich höher heben oder tiefer stürzen soll, als du jemals standest. – Ob ich die Buhlschaft mit Kassandern an dir bestrafen oder nur durch gleiche mit ihm vergelten wolle. – Dies sein Brief, den ich vorgestern erhielt! Begreifst du nun, warum ich gestern bei seinem Jagdmahle durchaus mich zu erscheinen weigerte? Warum er, deinem eigenen Ausdrucke nach, sich so zweideutig gegen dich betrug? Begreifst du's nun?"
 
 
Herz
 
 
"Ach, ich begreife nur allzu viel, gleiche ganz dem Unglücklichen, den unbekannte Räuber mit verbundenen Augen in ihre Mörderhöhle geschleppt haben; und dem itzt eine mitleidige Hand den Verband wegnimmt. Er steht zwar nun wieder, aber was er sieht, sind Bilder des Schreckens."
 
 
Madame Krone
 
 
"So will ich dir von einer andern Seite her die reizenden Aussichten einer sichern, sich gnügsamen Liebe zeigen. Bonaventuri! Mann meines Herzens, gedenk an jene Zeiten unsrer Armut. Waren sie trotz unsrer Armut nicht die Zeiten unsers Glücks? Spendete nicht eben damals das Schicksal gegen uns seine größten Schätze, da es mit uns zu kargen schien? O Lieber, wir, nur wir allein können reich und arm, beglückt und unbeglückt uns machen; machen, dass uns eine Hütte zur Welt, und eine Welt zur Hütte wird. Lass uns jenes tun, da es noch hoch am Tage ist."
 
 
Herz
 
 
"Und wie dies anfangen?"
 
 
Madame Krone
 
 
"Kurzsichtiger! fragst du noch? Wir flohen aus Venedig über hohe Gebürge, ohne Geld und Schutz, als wir Verfolgung besorgten, müssen wir denn nun hierbleiben, wo sie wirklich schon da ist?"
 
 
Herz
 
 
(nach einer Pause)
 
 
"Meine Teure! weder die Furcht der Armut noch selbst des Todes soll mich von einer Flucht an deiner Seite abhalten. Aber nur eine Furcht, die Furcht der Schande, wünscht ich nicht mitzunehmen, und eben ihrentwegen glaub ich, dass wir nicht ganz so eilen können, wie wir wünschen."
 
 
Madame Krone
 
 
"Welcher Schande?"
 
 
Herz
 
 
"Du weißt, dass des Herzogs anscheinende Großmut mir eine Menge Geschäfte von größter Wichtigkeit anvertrauet hat; itzt fliehn, eh sie vollendet worden, schiene treulos gehandelt, gäbe unsern Feinden ein zweischneidiges Schwert in die Hand."
 
 
Madame Krone
 
 
(den Kopf schüttelnd)
 
 
"Schiene treulos gehandelt! Und warten, bis sie geendet, scheint sehr unklug oder vielleicht sehr unmöglich. Ich bürge für meine Standhaftigkeit. Aber, Mann mit der wachsweichen Seele, wer bürgt dir für dich selbst?"
 
 
(will fort)
 
 
Herz
 
 
(sie haltend)
 
 
"Liebstes, teurestes Weibchen, wohin?"
 
 
Madame Krone
 
 
"Lass mich auf einige Minuten allein; du kennst die Art meines Grams. Auch habe ich dir ja wohl Stoff genug zur Unterhaltung mit dir selbst gegeben."
 
 
(zeigt, dass die Szene vorbei sei)
 
 
Frank
 
 
Vortrefflich! Ja wohl, Madame, sind solche Schauspieler fähig, die reine Empfindung auf dem Theater wieder geltend zu machen. Wollen Sie bei mir bleiben?(zu Herz)Auch Sie? So schätz ich mich glücklich. Aber mehr als vierzehn Taler die Woche kann ich jedem von Ihnen nicht geben.
 
 
Madame Krone
 
 
Vollkommen zufrieden. Die Art, mit der Sie solche anbieten, ist hinlänglicher Ersatz.
 
 
Puf
 
 
(heimlich)
 
 
Herr Frank, da haben Sie einen dummen Streich gemacht, die Leute wollen lachen, nicht ächzen.
 
 
Frank
 
 
Es gibt auch welche, die noch Herzen haben.
 
 
Sechster Auftritt
 
 
Die Vorigen, Madame Vogelsang.
 
 
Puf
 
 
Ah! Madame Vogelsang! Willkommen, willkommen. Eben recht! Wollen Sie Engagement haben?
 
 
Madame Vogelsang
 
 
Deswegen komm ich her. Ich höre – –
 
 
Puf
 
 
Herr Frank, da machen Sie eine Acquisition.(etwas heimlich auf Madame Krone deutend)Wenn Madame das Publikum mit lauter Empfindung eingewiegt hat, weckt die es wieder auf. Ich will Ihnen gleich eine Probe machen.(zu Madame Vogelsang)Madame! wissen Sie noch die Szene aus der Galanten Bäurin, die wir so oft zusammen gespielt haben?
 
 
Madame Vogelsang
 
 
Was sollt ich nicht! Es ist ja eine meiner Lieblingsszenen, meine Hauptszene; ist ja auf mich geschrieben worden.
 
 
Puf
 
 
Nun, so bitten wir um Platz.(Madame Krone, Frank und Herz treten zurück.)"Guten Morgen, Röschen! wohin so früh?"
 
 
Madame Vogelsang
 
 
"In die Stadt."
 
 
Puf
 
 
"Und so geputzt?"
 
 
Madame Vogelsang
 
 
"Es hat seine Ursachen."
 
 
Puf
 
 
"Ei! was denn für welche?"
 
 
Madame Vogelsang
 
 
"Musst du's denn wissen?"
 
 
Puf
 
 
"Das versteht sich, als dein zukünftiger Mann."
 
 
Madame Vogelsang
 
 
(seufzend)
 
 
"Ja, da ist noch eine gute Weile hin."
 
 
Puf
 
 
"Hm! so gar lange ist's doch eben nicht bis auf den Herbst."
 
 
Madame Vogelsang
 
 
"Mein guter Michel, deine heurige Fechsung wirst du wohl noch ohne mich verzehren."
 
 
Puf
 
 
(seufzend)
 
 
"So? Ei! wie käm denn das?"
 
 
Madame Vogelsang
 
 
"Ja, schau, mein lieber Michel, man muss weiter hinaus denken als auf heute und morgen. Ich habe nichts und du hast nicht viel, was kommt da heraus? Siebzehn Jahr bin ich auch erst alt, und wenn man gar so jung heuratet, wird man gar geschwind alt, hab ich gehört."
 
 
Puf
 
 
"So! so!"
 
 
Madame Vogelsang
 
 
"Es ist also besser, wir lassen's noch stehn."
 
 
Puf
 
 
"Kurios! Wie kommt dir denn das auf einmal in Kopf?"
 
 
Madame Vogelsang
 
 
"Ganz natürlich! Wenn man ein wenig weiter geguckt hat als in seine Schüssel, so sieht man ja, dass das Geld heutzutage das notwendigste Hausgeräte ist, und wenn man das nun nicht hat, so muss man sich doch erst darum umsehn."
 
 
Puf
 
 
"Meinst du? Gehst etwan deswegen in die Stadt?"
 
 
Madame Vogelsang
 
 
"Grade deswegen. Ich will mein Glück probieren."
 
 
Puf
 
 
"Nun, und wie willst du denn das anstellen? Sag einem doch auch ein bisschen was, vielleicht lernt man noch ein und anders."
 
 
Madame Vogelsang
 
 
"Du darfst weiter nicht spitzig tun, es hat alles seine gute Richtigkeit. Schau, da hab ich einen Korb Äpfel."
 
 
Puf
 
 
"Das seh ich. Nun?"
 
 
Madame Vogelsang
 
 
"Der muss machen, dass ich noch einmal mit Kutsch und Pferden fahre."
 
 
Puf
 
 
(greift ihr an die Stirne)
 
 
"Bist gestern gewiss zu viel in der Sonne gestanden?"
 
 
Madame Vogelsang
 
 
"Gar nicht, Herr Michel. Nu – die Äpfel trag ich zu der alten Anne Bruder, der ist fürstlicher Gärtner – –"
 
 
Puf
 
 
"Und der wird dir so viel dafür geben, dass du – –?"
 
 
Madame Vogelsang
 
 
"Plump mir nur nicht drein. Da hab ich auch ein Briefchen an ihn, wo sie mich ihm rekommandiert, damit er mich bei sich behält. Der hat nun das ganze Jahr hindurch eine Menge Pomeranzen und Pfirsichen. Er gibt mir also alle Tage ein Körbel voll zu verkaufen. Die trag ich in der Früh aus, in die Kanzeleien, auf die Reitschule und, was mir noch übrig bleibt, gegen Mittag zu den vornehmen Herren, wenn sie Ballen spielen. Nun, mit einem hübschen Mädel handeln solche Leute nicht: Jeder gibt mir, was ich fodre, mancher schenkt mir wohl gar noch was dazu. Da kann ich mir also leicht in einem Vormittage ein paar Gulden verdienen."
 
 
Puf
 
 
"Manchmal auch mehr, nachdem du eine Kundschaft triffst. Hm! hm!"
 
 
Madame Vogelsang
 
 
"Rümpf du nur die Nase, ich weiß schon, was ich zu tun habe. Wenn mir einer sagt, ich soll ihm Pomeranzen ins Haus bringen, so versprech ich ihm's wohl, weil er mir desto mehr zahlt, aber ich find's Haus nicht, und so behalt ich lange eine gute Kundschaft an ihm."
 
 
Puf
 
 
"Schau, schau! Freilich, bei Handel und Wandel kommt viel auf die Kundschaften an. Nu, weiter?"
 
 
Madame Vogelsang
 
 
"Das geschieht nun alles Vormittag. Nachmittag lern ich Nähn, Putzmachen und Frisieren. In einem Jahr bin ich fertig, da leg ich denn mein Bauerngewandel ab, kleid mich nach der Mode und komm zu einer Gräfin als Kammerjungfer."
 
 
Puf
 
 
"Potztausend, wie geschwind!"
 
 
Madame Vogelsang
 
 
"Du darfst gar nicht zweifeln, ein hübsch Gesicht wird überall rekommandiert."
 
 
Puf
 
 
"Und da fährst du also mit Kutsch und Pferden? Richtig, mit der Bagage, wenn die Herrschaft auf die Güter fährt."
 
 
Madame Vogelsang
 
 
"Nein, Herr Michel, ich sitz bei der Gräfin in der Kutsche. Das ist aber alles noch nicht, was ich meine."
 
 
Puf
 
 
"Nicht? Hören wir also weiter!"
 
 
Madame Vogelsang
 
 
"Nun hat mich gleich alles im Haus zum Fressen lieb. Der junge Graf streicht mir erschrecklich nach; aber den lass ich ablaufen, damit ich's mit der alten Gräfin nicht verderbe."
 
 
Puf
 
 
"Eine gute Ursache."
 
 
Madame Vogelsang
 
 
"Aber mit dem Hofmeister von der jungen Herrschaft geb ich's ein bisschen gelinder. Der kann Musik und lernt mich singen; damit ich also seine Kundschaft nicht verliere, lass ich ihn hoffen, dass ich ihn heuraten werde."
 
 
Puf
 
 
"Wieder nur wegen der Kundschaft."
 
 
Madame Vogelsang
 
 
"In zwei Jahren kann ich singen wie eine Nachtigall, da komm ich auf die Komödie als Sängerin und krieg's Jahr tausend Dukaten."
 
 
Puf
 
 
"Auf die Komödie! O liebes Röschen, was fängst du an? Weißt du nicht, dass die Leute nicht selig werden?"
 
 
Madame Vogelsang
 
 
"Vor alters wohl; aber nach der neuen Einrichtung kommen sie so gut in Himmel als der Schulmeister."
 
 
Puf
 
 
"Ich hab noch keinen dort gesehen."
 
 
Madame Vogelsang
 
 
"Das glaub ich, du bist auch noch nicht dort gewesen. Nun ist's gar aus; itzt verliebt sich die ganze Welt in mich; ich schick aber alle spazieren, ich weiß schon, auf wen ich warte."
 
 
Puf
 
 
"Auf wen denn?"
 
 
Madame Vogelsang
 
 
"Auf einen alten Kavalier. Den lass ich mir an die linke Hand antrauen; in einem Monat stirbt er und vermacht mir eine Herrschaft, die mir des Jahrs hunderttausend Gulden einträgt."
 
 
Puf
 
 
"Ach Röschen! Herzens-Röschen! mach mich doch hernach zum Verwalter!"
 
 
Madame Vogelsang
 
 
(eine hohe Miene annehmend)
 
 
"Ihr könnt ja nicht schreiben, guter Freund."
 
 
Puf
 
 
"Ach liebe gnädige Frau, ich werd's schon lernen, wenn ich nur einmal Verwalter bin. Und mit Ihrem Mann werden Sie's ja auch nicht so genau nehmen."
 
 
(will sie umarmen)
 
 
Madame Vogelsang
 
 
(stößt ihn von sich)
 
 
"Grober Knopf! Wisst Ihr, wen Ihr vor Euch habt?"
 
 
Puf
 
 
(zu sich kommend)
 
 
"Potztausend sapperment! tust du doch, als ob du schon eine Dame wärst."
 
 
Madame Vogelsang
 
 
(sich ebenfalls erholend)
 
 
"Ha, ha, ha! Gelt, ich weiß mich dreinzuschicken?"
 
 
Puf
 
 
"Ja, ja. Wenn nur der Kabalier schon gestorben wäre!"
 
 
Madame Vogelsang
 
 
"Das geht alles, wie ich gesagt habe. Nun, was sagst du? Ist das nicht klug ausgedacht?"
 
 
Puf
 
 
"I ja, wenn's nur alles so ginge! Aber sag mir nur, Röschen, (denn jetzt bist doch noch keine Dame) woher hast du denn das Zeug alles?"
 
 
Madame Vogelsang
 
 
"Von der alten Anne. Du weißt, die hat viel gesehn, da hat sie mir denn immer so erzählt; und ich hab mir das so zusammenbuchstabiert."
 
 
Puf
 
 
"Schau, Röse, ich hätte nichts dagegen. Aber, wenn nun alles so ginge, wie du sagst, wie käm denn ich hernach an dich?"
 
 
Madame Vogelsang
 
 
"Das will ich dir gleich sagen: Du gehst itzt mit mir in die Stadt. Annens Bruder muss dich in ein groß Haus als Kucheltrager bringen; tragen kannst du, das weiß ich; nun, da lernst du daneben schreiben und lesen. In ein paar Jahren wirst du Kuchelinspektor. Nun legst du dir was auf die Seite; hernach wirfst du irgendeinem Hofrat was ins Maul, der bringt dich zu einer rechten großen Herrschaft als Hofmeister. Itzt hast du schon gewonnen. Denn in der Zeit bin ich schon auf der Komödie; ich geb dir mein Erübrigtes, du legst deine Sporteln dazu und leihst aus. Zwanzig vom Hundert, sagt die alte Anne, wär immer noch christlich. Das häuft sich nun von Tag zu Tag. Endlich braucht dein Graf ein Funfzigtausend Gulden, die leihst du ihm, und er verschreibt dir seine Herrschaft. Du gibst ihm jährlich zehntausend Gulden, und wenn er stirbt, gehört alles dein. Itzt ist gerade mein Kavalier auch gestorben. Du wirst ein 'Herr von', und wir heuraten uns."
 
 
Puf
 
 
"Ah! Rubenfikerment! Ich ein 'Herr von'! Nun, Röse, du sollst sehn, wie ich mich patzen will. Ich will dir gewiss meinen 'Herrn von' vorstellen, trotz einem. Da hast meine Hand drauf, ich geh mit dir, verkauf meine Wirtschaft und werd ein Kucheltrager."
 
 
Madame Vogelsang
 
 
"Aber Michel, dass du nur gescheit bist. Das erste Jahr können wir noch zusammenkommen, aber hernach müssen wir tun, als ob wir uns nicht kennten."
 
 
Puf
 
 
"Was? Ich sollt dich nicht sehen?"
 
 
Madame Vogelsang
 
 
"Nur heimlich; das werden wir schon ausmachen, bis du 'Herr von' bist und ich Witwe; hernach gehts schon."
 
 
Puf
 
 
"Und was unterdessen vorfällt? – – Nun geht eins mit dem andern auf."(Er nimmt sie in Arm und kehrt sich gegen die Anwesenden.)Nun, Herr Frank?
 
 
Frank
 
 
Mit außerordentlich viel Natur.
 
 
Madame Vogelsang
 
 
Also werden Sie mir doch Engagement geben?
 
 
Puf
 
 
Können Sie noch fragen?
 
 
Madame Vogelsang
 
 
Nun, ich will billig sein, achtzehn Taler die Woche.
 
 
Frank
 
 
(verlegen)
 
 
Madame – recht gern –
 
 
Madame Krone
 
 
Was! und ich soll mit vierzehn Talern zufrieden sein?
 
 
Puf
 
 
(zu Madame Krone)
 
 
Madame, Sie werden erlauben – es ist immer schwerer, das Publikum mit Anstand lachen zu machen als Tränen zu erregen. Über das ist auch eine komische Aktrice immer brauchbarer als eine bloß tragische.
 
 
Madame Vogelsang
 
 
Ich habe noch einen Vorzug. Ich habe einen Mann, der singen kann.
 
 
Herz
 
 
Und ich eine Frau, die singt.
 
 
Madame Vogelsang
 
 
Ich will meinen Mann gleich holen.
 
 
(ab)
 
 
Herz
 
 
Und ich meine Frau.
 
 
(ab)
 
 
Madame Krone
 
 
Nein, das heißt die Kunst zu weit herabsetzen.
 
 
(ab)
 
 
Frank
 
 
Warten Sie doch, Madame!
 
 
Madame Krone
 
 
Nicht einen Augenblick.
 
 
Frank
 
 
Da haben wirs, die Gesellschaft ist noch nicht beisammen, und die Uneinigkeit herrscht schon in vollem Maß.
 
 
Puf
 
 
Warum sind Sie mit der Gage gestiegen? Sie treiben sie noch auf zwanzig Taler hinauf, wenn Sie nicht festhalten.
 
 
Siebenter Auftritt
 
 
Frank, Puf, Herr und Madame Herz.
 
 
Herz
 
 
Hier hab ich das Vergnügen, Ihnen meine Frau vorzustellen. Sie ist bereit, Ihnen mit einer kleinen Arie eine Probe von ihrer Stimme zu geben.
 
 
Frank
 
 
Sie werden mir ein außerordentliches Vergnügen machen.
 
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Nr. 1 Arietta
 
 
Madame Herz
 
 
(singt)
 
     
 
    Da schlägt die Abschiedsstunde,
 
 
um grausam uns zu trennen;
 
 
wie werd ich leben können,
 
 
o Damon, ohne dich!
 
     
 
    Ich will dich begleiten,
 
 
im Geist dir zur Seiten
 
 
schweben um dich!
 
 
Und du – vielleicht auf ewig
 
 
vergisst dafür auf mich!Variante in den Wiederholungen:
vergisst auf mich!
 
     
 
    Doch nein! wie fällt mir so was ein!Variante in den Wiederholungen:
Ach nein!
 
 
Du kannst gewiss nicht treulos sein.
 
 
Ein Herz, das so der Abschied kränket,
 
 
dem ist kein Wankelmut bekannt.
 
 
Wohin es auch das Schicksal lenket,
 
 
nichts trennt das fest geknüpfte Band.
 
 
Frank
 
 
Göttlich! unvergleichlich! Ich bin Ihnen für das Vergnügen unendlich verbunden, Madame!
 
 
(Er küsst Madame Herz die Hand.)
 
 
Herz
 
 
(der ihm seiner Frauen Hand wegnimmt)
 
 
Um Vergebung, Herr Frank, Sie bewundern zu lebhaft! Ich mag das nicht gern leiden. Sie sind also mit dem Talent meiner Frau zufrieden?
 
 
Frank
 
 
Wer würde das nicht sein?
 
 
Herz
 
 
Nun denn, so werden Sie auch unsre Foderung nicht zu hoch finden. Sie geben meiner Frau sechzehn Taler die Woche und mir, weil ich's schon eingegangen bin, vierzehn.
 
 
Frank
 
 
Recht gerne.
 
 
Puf
 
 
Wir steigen.
 
 
Achter Auftritt
 
 
Die Vorigen, Mademoiselle Silberklang.
 
 
Mademoiselle Silberklang
 
 
Ihre Dienerin, Herr Frank. Sie errichten, wie ich höre, eine deutsche Oper? Ich will mich also bei Ihnen als Sängerin melden. Ich bin Mademoiselle Silberklang, Sie müssen mich ohne Zweifel per renommée kennen. – Weil der Ruf aber oft betrüglich ist, so will ich Ihnen ein kleines Rondeau singen, damit Sie selbst urteilen können.
 
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Nr. 2 Rondò
 
 
Mademoiselle Silberklang
 
     
 
    Bester Jüngling! mit Entzücken!
 
 
nehm ich deine Liebe an,
 
 
da in deinen holden Blicken
 
 
ich mein Glück entdecken kann.
 
     
 
    Aber ach! wenn düsters Leiden
 
 
unsrer Liebe folgen soll,
 
 
lohnen dies der Liebe Freuden?
 
 
Jüngling! das bedenke wohl!
 
     
 
    Nichts ist mir so wert und teuer
 
 
als dein Herz und deine Hand,
 
 
voll vom reinsten Liebesfeuer
 
 
geb ich dir mein Herz zum Pfand.
 
 
Frank
 
 
Bravo! Bravo! Zwei so vortreffliche Sängerinnen müssen meiner Gesellschaft einen besondern Wert geben. Wenn Sie um sechzehn Taler bei mir bleiben wollen – –
 
 
Mademoiselle Silberklang
 
 
Da haben Sie meine Hand – Ich mache nicht viel Umstände.
 
 
Puf
 
 
(heimlich zu Frank)
 
 
Akkordieren Sie zugleich, wie oft sie in einer Woche den Katarrh haben will.
 
 
Neunter Auftritt
 
 
Vorige, Madame und Herr Vogelsang.
 
 
Madame Vogelsang
 
 
Hier, Herr Frank, hab ich die Ehre, Ihnen meinen Mann aufzuführen.
 
 
Frank
 
 
Willkommen, willkommen. O nun hab ich ja schon eine Oper beisammen. Nur Einigkeit bitt ich, meine Kinder.
 
 
Mademoiselle Silberklang
 
 
Über mich werden Sie deshalb nicht klagen können, ich bin das beste Mädchen, ich tue alles, was man will. Sagen Sie mir, wie viel hat Madame(auf Madame Herz zeigend)Gage?
 
 
Frank
 
 
So viel wie Sie.
 
 
Mademoiselle Silberklang
 
 
Das hätt ich wissen sollen.
 
 
Madame Herz
 
 
Sie glauben doch wohl nicht, mehr zu verdienen als ich?
 
 
Puf
 
 
O Einigkeit!
 
 
Mademoiselle Silberklang
 
 
(zu Frank)
 
 
So müssen Sie wenigstens mich als Erste Sängerin annehmen.
 
 
Madame Herz
 
 
Dagegen protestier ich.
 
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Nr. 3 Terzett
 
 
Mademoiselle Silberklang
 
     
 
    Ich bin die Erste Sängerin.Varianten in den Wiederholungen (Szenenanweisung zur jeweiligen Stelle in runden Klammern):

(stille zur Madame Herz)
Ich bin die Erste Sängerin!

(laut)
Ich bin die Erste.
 
 
Madame Herz
 
 
(spöttisch)
 
 
Das glaub ich, ja, nach Ihrem Sinn.
 
 
Mademoiselle Silberklang
 
 
Das sollen Sie mir nicht bestreiten.
 
 
Madame Herz
 
 
(spöttisch)
 
 
Ich will es Ihnen nicht bestreiten.
 
 
Monsieur Vogelsang
 
 
Ei, lassen Sie sich doch bedeuten.Varianten in den Wiederholungen:
Ei, so lassen Sie sich doch bedeuten.
Lassen Sie sich doch bedeuten.
 
 
Mademoiselle Silberklang
 
     
 
    Ich bin von keiner zu erreichen,Vers später mit Szenenanweisung "(stille)" von Madame Herz und Mademoiselle Silberklang wiederholt.

Variante in den Wiederholungen:
Ich bin von keiner zu erreichen, nein,
 
 
das wird mir jeder eingestehn.
 
 
Madame Herz
 
 
(spöttisch)
 
 
Gewiss, ich habe Ihresgleichen
 
 
noch nie gehört und nie gesehn.
 
 
Monsieur Vogelsang
 
     
 
    Was wollen Sie sich erst entrüsten,Variante in den Wiederholungen:
Ei, ei, was wollen Sie sich erst entrüsten,
 
 
mit einem leeren Vorzug brüsten,
 
 
ein jedes hat besondern Wert.Variante in den Wiederholungen:
ei, ei, ein jedes hat besondern Wert.
 
 
Madame Herz
 
 
Ich bin die erste Sängerin!Varianten in den Wiederholungen (Szenenanweisung zur jeweiligen Stelle in runden Klammern):

(stille zur Mademoiselle Silberklang)
Ich bin die Erste Sängerin!

(laut)
Ich bin die Erste.
 
 
 
 
Madame Herz, Mademoiselle Silberklang
 
 
Mich lobt ein jeder, der mich hört.
 
 
 
 
Madame Herz
 
 
Adagio, adagio.
 
 
Mademoiselle Silberklang
 
 
Allegro, allegrissimo.
 
 
Monsieur Vogelsang
 
 
Pian piano, pianissimo, pianississimo.Varianten in den Wiederholungen:
Ei, ei, piano, piano, pian piano, piano, piano, pianissimo.
Piano, piano, calando, mancando, diminuendo, decrescendo.
Pian piano, pianissimo.
 
     
 
    Kein Künstler muss den andern tadeln,Varianten in den Wiederholungen:
Kein Künstler muss den andern tadeln, nein,
Kein Künstler muss je tadeln,
 
 
es setzt die Kunst zu sehr herab.
 
 
Madame Herz
 
 
Wohlan! nichts kann die Kunst mehr adeln,Vers später mit Szenenanweisung "(laut)" wiederholt.
 
 
ich steh von meiner Fordrung ab.Vers später mit Szenenanweisung "(laut)" wiederholt.
 
 
Mademoiselle Silberklang
 
 
Ganz recht, nichts kann die Kunst mehr adeln,Vers später mit Szenenanweisung "(laut)" wiederholt.
 
 
ich stehe ebenfalls nun ab.Vers später mit Szenenanweisung "(laut)" wiederholt.
 
 
Puf
 
 
(ironisch)
 
 
Es lebe die Einigkeit!
 
 
Letzter Auftritt
 
 
Die Vorigen, Eiler, Madame Pfeil und Madame Krone.
 
 
Madame Pfeil
 
 
Was hab ich gehört, Herr Frank, Sie geben andern sechzehn Taler und mir nur zwölfe? Da wird nichts draus. Ich muss die höchste Gage haben; denn ich bin in allen Fächern zu brauchen.
 
 
Eiler
 
 
(heimlich zu Frank)
 
 
Gestehn Sie ihr's nur ein. Ich zahle ja so alles.
 
 
Frank
 
 
(heimlich zu Madame Pfeil)
 
 
Beruhigen Sie sich nur; Sie sollen einen Separat-Kontrakt haben.
 
 
Madame Pfeil
 
 
So lass ich's gelten.
 
 
 
 
Madame Krone, Madame Vogelsang, Madame Herz, Mademoiselle Silberklang
 
 
Was ist das?
 
 
 
 
Frank
 
 
Dass ich gar keine Gesellschaft errichten will, wenn ich gleich anfangs so viel Hindernisse finde.
 
 
(nach einer kleinen Pause)
 
 
Madame Krone
 
 
Herr Frank, ich will der Kunst mein Intresse aufopfern.
 
 
Madame Vogelsang
 
 
Ich will mich am Beifall schadlos halten.
 
 
Madame Herz
 
 
Ich auch.
 
 
Mademoiselle Silberklang
 
 
Daran wird mirs auch nicht fehlen.
 
 
Puf
 
 
Nun, so wäre alles wieder in Ruhe.(beiseite)Bis es wieder ausbricht. Herr Frank, ich wünsche Ihnen Glück zu Ihrer Gesellschaft. Ich fürchte nichts – als dass Sie lauter Erste Aktricen und Erste Sängerinnen haben.
 
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Nr. 4 Schlussgesang
 
 
Mademoiselle Silberklang
 
     
 
    Jeder Künstler strebt nach Ehre,
 
 
wünscht, der einzige zu sein.Variante in den Wiederholungen:
Jeder strebt,
jeder wünscht, der einzige zu sein;
 
 
Und wenn dieser Trieb nicht wäre,Variante in den Wiederholungen:
und wenn dieser Trieb nicht wäre,
 
 
bliebe jede Kunst nur klein.
 
 
Alle
 
     
 
    Künstler müssen freilich streben,
 
 
stets des Vorzugs wert zu sein;
 
 
doch sich selbst den Vorzug geben,
 
 
über andre sich erheben,
 
 
macht den größten Künstler klein.Variante in den Wiederholungen:
macht ihn klein.
 
 
Monsieur Vogelsang
 
     
 
    Einigkeit rühm ich vor allen
 
 
andern Tugenden uns an;
 
 
denn das Ganze muss gefallen
 
 
und nicht bloß ein einzler Mann.Variante in den Wiederholungen:
und nicht bloß ein einzlner Mann.
 
 
Alle
 
     
 
    Künstler müssen freilich streben,
 
 
stets des Vorzugs wert zu sein;
 
 
doch sich selbst den Vorzug geben,
 
 
über andre sich erheben,
 
 
macht den größten Künstler klein.
 
 
Madame Herz
 
     
 
    Jedes leiste, was ihm eigen,
 
 
halte Kunst, Natur gleich wert.
 
 
Lasst das Publikum dann zeigen,
 
 
wem das größte Lob gehört.
 
 
Alle
 
     
 
    Künstler müssen freilich streben,
 
 
stets des Vorzugs wert zu sein;
 
 
doch sich selbst den Vorzug geben,
 
 
über andre sich erheben,
 
 
macht den größten Künstler klein.
 
 
Puf
 
     
 
    Ich bin hier unter diesen Sängern
 
 
der Erste Buffo, das ist klar.
 
 
Ich heiße Puf – nur um ein O
 
 
brauch ich den Namen zu verlängern,
 
 
so heiß ich ohne Streit: Buffo.
 
 
Ergo bin ich der Erste Buffo.
 
 
Und dass wie ich keins singen kann,
 
 
sieht man den Herren doch wohl an?
 
 
Alle
 
     
 
    Künstler müssen freilich streben,
 
 
stets des Vorzugs wert zu sein;
 
 
doch sich selbst den Vorzug geben,
 
 
über andre sich erheben,
 
 
macht den größten Künstler klein.