Erster Teil
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Göttliche Gerechtigkeit, göttliche Barmherzigkeit, Christengeist, der laue Christ in einem Blumengesträuche schlafend.
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Recitativo
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Gerechtigkeit
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Die löblich' und gerechte Bitte,
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die du, dem Heil der Sterblichen zu gut
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mitleidend, mir hast vorgebracht,
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ist mir zwar angenehm, doch bin ich nicht bedacht,
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den faulen Knechten zu verschonen.
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Du weißt, mein ist, die Frommen zu belohnen
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und jene abzustrafen,
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wenn sie durch Büßen und Bereuen
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sich nicht der Schuld befreien.
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Und dies geschieht durch unverdiente Gnade,
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die nur des Höchsten Güte
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allein gewähren kann, so wie es ihr gefällt.
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Christengeist
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Wohlan, so sei mein wiederholtes Flehn
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auf gleiche Weis an dich gestellt,
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o göttliches Erbarmen!
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Barmherzigkeit
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Was je erwartest du? –
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Christengeist
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Ach! alles
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von deiner Huld und deinen Helferarmen.
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Barmherzigkeit
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Und was bekümmert dich so sehr? –
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Christengeist
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Ach, der bedaurenswerte Stand,
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die Blindheit, die Gefahr der lauen Menschensöhne,
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die kleine Zahl, die sich bemüht, zu gehn
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den schmalen Weg zum wahren Vaterland,
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die Menge, die zum offnen Höllenschlund
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mit dem betörten Haufen
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auf breiter Blumenstraße laufen:
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Der schlaue Geist der Welt, der unter Blendewerk
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verhüllt die Sünden und Gefahren,
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entführet ganze Scharen.
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Nr. 1 Aria
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Christengeist
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Mit Jammer muss ich schauen
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unzählig' teure Seelen
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in meines Feindes Klauen
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den Untergang erwählen,
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wenn deine Wunderkraft
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nicht Heil, nicht Rettung schafft.
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Ihr zügelfreier Sünn,
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gleich ausgebrochnen Flüssen,
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die schäumend sich ergießen,
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reißt nach den Tausend hin.
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Recitativo
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Barmherzigkeit
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So vieler Seelen Fall ist zwar mit allem Fug
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beweinungswürdig anzusehn,
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doch ist es selbst ihr Will, dass sie zu Grunde gehn.
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Das erste, größte, ja das wichtigste Gebot:
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Aus ganzer Seel, aus Herz und Kräften
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zu lieben ihren Herrn und Gott,
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scheint ihrem trägen Sünn gleich einer Last zu sein.
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Gerechtigkeit
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Flößt ihnen der Verstand, ja endlich die Natur
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nicht diese Pflicht als Kindern ein,
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weil er als Vater sie aus Nichts gebildet hat?
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Weil er sie schützet, liebet, nährt
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und ewiglich belohnet?
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Barmherzigkeit
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Ist er denn nicht das einzig wahre Gut,
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mithin auch höchster Liebe wert?
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Gerechtigkeit
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Pracht, Wollust, Eigennutz und eitler Ehre Schein
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sind die gemeinen Götzen,
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die sie dem Schöpfer gleich, ja höher schätzen.
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Barmherzigkeit
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Derselben Ausspruch gilt viel mehr als Gottes Wort.
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Gerechtigkeit
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Sie wenden nur nach deren falschen Schimmer
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die blöden Augenlichter
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und schauen doch sich selber nicht,
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noch Himmel, Hölle, Tod und Richter.
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Barmherzigkeit
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Sie lieben die Unwissenheit
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der Lehre ihres Heils und ihrer Schuldigkeit.
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Gerechtigkeit
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Wenn sie auf solche Weise
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noch Beispiel der Belohnten,
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noch der Bestraften wollen sehen,
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Barmherzigkeit
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wenn sie mein Rufen, mein Ermahnen
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nicht wollen hören, noch verstehen,
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Gerechtigkeit
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so kann Gerechtigkeit sie nicht der Schuld entbinden,
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Barmherzigkeit
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so kann Barmherzigkeit für sie kein Mittel finden.
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Nr. 2 Aria
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Barmherzigkeit
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Ein ergrimmter Löwe brüllet,
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der den Wald mit Forcht erfüllet,
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ringsherum nach RaubenHier liegt entweder der seltene, aber mögliche Dativ-Plural zu "Raub" oder aber eine Substantivierung des Verbs "rauben" vor.sicht.
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Doch der Jäger will noch schlafen,
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leget hin die Wehr, die Waffen,
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achtet Schutz und Helfer nicht.
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Ein ergrimmter Löwe brüllet,
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der den Wald mit Forcht erfüllet,
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ringsherum nach Rauben sicht.
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Doch der Jäger will noch schlafen,
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leget hin die Wehr, die Waffen,
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achtet Schutz und Helfer nicht.
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Recitativo
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Barmherzigkeit
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Was glaubst du, wird man wohl mit vielen Trauren
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desselben schnöden Tod bedauren?
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Gerechtigkeit
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Anstatt ihn zu beklagen,
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wird man von ihm ja billig sagen,
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sein Eigensünn sei schuld daran.
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Christengeist
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Dass sie zu sorgenlos und wie betäubet sind,
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ist, leider, allzu wahr. Doch ist denn keine Art
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von Mitteln zu ergründen?
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Es würde das Verstandeslicht
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vielleicht sich bald in seiner Helle finden
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und der verkehrte Will sich bald ergeben,
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wenn ihnen sichtbar sollte
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vor ihren Augen schweben
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das Pein- und Schreckenbild des offenen Höllengrund;
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wenn aus so vieler Tausend Mund
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das grässliche Geheul erschallte,
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wenn ein Verdammter sich aus seinem Grab erhebte,
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sie durch sein'unbeglickten Fall
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des großen Hauptgebot gemessne Schuldigkeit,
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den Eifer, die Beflissenheit,
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die Wissenschaft des Heils zu lehren.
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Barmherzigkeit
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Sie können dich, dein Beispiel und deine Wort
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durch ihrer Lehrer Stimme
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genug beschauen, kennen, hören.
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Christengeist
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Ach! wenigist lass ein förchtliches Ermahnen
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in ihre laue Herzen gehen.
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Barmherzigkeit
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Wohlan, es soll nach deinem Wunsche geschehen.
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Gerechtigkeit
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Gerechtigkeit will dich hierin gewähren,
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doch muss der Menschen Will mit mir beflissen sein,
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der Auserwählten Zahl zu mehren:
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Denn, dass ich ihren Willen zwinge,
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das kannst du nicht von mir begehren.
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Es bleibet ihnen freigestellt,
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zu folgen meinem Ruf, zu fliehen jenen Weg,
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der führt zum weiten Höllenrachen.
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Sieh, hier will ich die Probe machen
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an diesem Sterblichen, den falsche Sicherheit
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in tiefen Schlaf versenket hat.
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Christengeist
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O dass doch jeden trägen Geist
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dein heilsames Erschrecken
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aus seinem Schlummer möcht erwecken.
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Nr. 3 Aria
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Gerechtigkeit
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Erwache, fauler Knecht,
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der du den edlen Preis
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so vieler Zeit verloren
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und doch zu Miehe und Fleiß,
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zur Arbeit bist geboren,
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erwarte strenges Recht.
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Es rufet Höll und Tod.
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Du wirst von deinem Leben
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genaue Rechnung geben
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dem Richter, deinem Gott.
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Erwache, fauler Knecht!
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Recitativo
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Christengeist
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Er reget sich –
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Barmherzigkeit
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– Er scheinet zu erwachen.
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Gerechtigkeit
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Nun kannst du hier verborgen sehn,
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ob meine Wort erwünschte Würkung machen.
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(Barmherzigkeit und Gerechtigkeit begeben sich auf den Wolken von hinnen.)
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Christengeist
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Ich will das Beste hoffen.
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(Er verbirgt sich.)
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Recitativo
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Christ
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Wie, wer erwecket mich? Ich sehe niemand hier.
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War dieses Blendewerk? die Wahrheit oder Scherz?
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Tod,
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Hölle,
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Rechenschaft,
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ihr Sinne, saget mir – –
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Weltgeist
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Was Rechenschaft? was Tod? was Hölle?
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Was sollen diese Grillen seyn?
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Christ
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Freund! wie erwünschlichDas nicht mehr gebräuchliche, hier adverbial verwendete Adjektiv "erwünschlich" bedeutet im vorliegenden Kontext "gelegen, zeitlich günstig". triffst du ein!
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Christengeist
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(Nun hört er meinen Feind, o Ungelücke!)
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Christ
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Ach Trost, ach Rat in meiner Seelennot.
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Weltgeist
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Was ist geschehn?
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Christ
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Ein ungewohnter Ruf,
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der meinen Schlaf gestört und Höllenstrafe droht,
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hat mich so gar erschreckt, dass ich vor banger Forcht –
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Weltgeist
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Ich hab genug verstanden:
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Ist dies nicht ein Betrug von unser beeden Feind,
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so war es nur ein eitler Traum,
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ein Irrwisch, der erlöscht, kaum da er uns erscheint;
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ein buntes Nichts, ein Schattenwerk.
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Darum beruhe dich, leg alle Sorge hin.
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Christ
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Es klingen aber noch in meinem Sinn
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die Wort
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"Erwache, fauler Knecht!
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Du wirst von deinem Leben
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genaue Rechnung geben – –"
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Weltgeist
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Ich weiß nicht, was ich nun von dir gedenken soll,
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verlässt dich deine Witz"Witz" ist hier mit "Vernunft, Verstand" gleichzusetzen, einer veralteten Bedeutung dieses Substantivs. Das maskuline Genus konnte sich erst zu Beginn des 18. Jhdts. vollständig gegenüber dem femininen durchsetzen. Vgl. Jacob und Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 30, Leipzig 1960, Sp. 861-888 (Art. "WITZ"); Dudenredaktion, Deutsches Universalwörterbuch, 7. Aufl., Mannheim/Zürich 2011, S. 2022 (Art. "Witz").? Bist du denn außer dir?
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Gewiss, du bist Verwirrung voll.
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Ein Traum, ein elende Geburt
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des wallenden Geblüte
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erschrecket dich, betöret dein Gemüte.
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Ein Glückessohn wie du, der sonst so wohl belebt,
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bisher von klugen Geist, von Umgang edel war,
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von jedermann geehrt, verlieret sich so gar,
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dass er, ich weiß nicht was, auf Träumebilder hält.
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Hätt ich so manchen Träumen
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geringsten Glauben zugestelltDas Verb "zustellen" trägt in Verbindung mit dem Substativ "Glauben" die sonst nicht mehr gebräuchliche Bedeutung "schenken". Vgl. Jacob und Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 32, Leipzig 1954, Sp. 851-853 (Art. "ZUSTELLEN").,
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so hätt ich mir vor Angst und Sorgen
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schon längst das Leben müssen rauben;
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du wirst nun besser mir als Träumen glauben.
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Nr. 4 Aria
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Weltgeist
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Hat der Schöpfer dieses Leben
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samt der Erde uns gegeben,
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o so jauchze, so lache, o so scherze,Varianten in den Wiederholungen:
o so lache, o so jauchze, so lache, so scherze, o so jauchze, lache, scherze, |
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lasse Träume Träume sein:
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Dein Ergetzen, deine Freude
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gehe durch Büsche, Feld und Heide,
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und dein so beklemmtes Herze
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räume sich der Wollust ein.
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Recitativo
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Christ
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Dass Träume Träume sind, gesteh ich willig ein,
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doch war es eine Stimme,
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die mich hat mit Gewalt aus meiner Ruh gebracht
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und die ein bloßer Traum ohnmöglich könnte sein.
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Ich weiß noch deutlich alle Worte,
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denn sie noch hörend wacht ich auf!
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Ich fühle noch des matten Herzen Schläge,
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das kalte Blut hemmt annoch seinen Lauf
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und macht die zagen Glieder beben:
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Ich spüre fast nur halbes Leben.
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Nr. 5 Aria
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Christ
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Jener Donnerworte Kraft,
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die mir in die Seele dringen,
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fordert meine Rechenschaft.
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Ja mit ihrem Widerhall
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hört mein banges Ohr erklingen
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annoch den Posaunenschall.
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Recitativo
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Weltgeist
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Ist dieses, o so zweifle nimmermehr,
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dass diesen Streich hat jener Feind getan,
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der dich und mich zu quälen
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zu keiner Zeit vergessen kann.
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Christ
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Wer ist wohl, der mich hasst, und zwar ohn meiner Schuld,
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da ich noch ihn, noch seinen Namen kenne?
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Weltgeist
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Er hasst dich meinetwegen,
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jedoch verlange nicht, dass ich ihn nenne:
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Dir sei genug, dass ich dir seine Lebensgröße
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mit wenig Worten zeige.
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Christengeist
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(beiseits)
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(Ist's möglich, dass ich länger schweige?)
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Weltgeist
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Er ist ein Mückenfänger,
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der andern wie ihm selbst fast keine Freude gönnt,
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der allen Unterhalt und das Gespräche flieht
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der weltbelebten Leute,
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der jede Grille des Gewissen
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mässt nach der Länge, Tiefe, Breite,
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der seine Sittenlehre
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sucht allen aufzudringen,
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die voll der dummen Einfalt ist,
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dabei sehr unbequem und hart;
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sein Reden, Denken, Tun ist eitel Pfaffenwerk:
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Mit einem Wort, er ist von ganz besondrer Art.
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Christengeist
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(beiseits)
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(O unverschämtes Lügen!
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Wie wahr hingegen spricht der göttlich Mund,
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der niemal kann betrügen:
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"Ihr seid nicht von der Welt, deswegen hasst sie euch."
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Was soll ich tun? – – Will ich mein Ziel erhalten,
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so muss ich mich verstaltenDas nicht mehr gebräuchliche Verb "verstalten" bedeutet "von der Gestalt her verändern". Vgl. Jacob und Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 25, Leipzig 1956, Sp. 1521 (Art. "VERSTALTEN")..)
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(geht ab)
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Nr. 6 Aria
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Weltgeist und Christ. |
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Weltgeist
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Schildre einen Philosophen
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mit betribten Augenlichtern,
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von Gebärden herb und schichtern,
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in dem Angesicht erbleicht:
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Dann hast du ein Bild getroffen,
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das nur ihm alleine gleicht.
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Schildere einen Philosophen
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||
mit betribten Augenlichtern,
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||
von Gebärden herb und schichtern,
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||
in dem Angesicht erbleicht.
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||
Dann hast du ein Bild getroffen,
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das nur ihm alleine gleicht.
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Recitativo
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Weltgeist
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Wen hör ich nun hier in der Nähe?
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Es ist gewiss nur eben der,
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so dir den Possen spielte
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und, da er dich durch seine Stimm erschreckte,
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hier im Gebüsche sich verhüllte. – –
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(Der Christengeist lässt sich im nächsten Wald als ein Arzt sehen.)
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Doch nein: Es ist jemand, der, wie es scheinet, hier
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bewährte Kräuter sucht.
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Christ
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Ist er ein Arzt,
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so sprech ich ihn um Mittel an,
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wodurch ich mein so liebes Leben
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noch viele Jahr gesund erhalten kann.
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Weltgeist
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Sieh da, er geht bedachtsam hier vorbei.
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Christ
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Erlaube, unbekannter Freund!
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ein nicht unnütze Frage:
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Ist deine Wissenschaft vielleicht die Arzenei?
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Christengeist
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Ja! diese ist mein Tun, die Kranken heile ich,
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Gesunde weiß ich zu erhalten.
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Christ
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Mein Wünschen ist, erst nach sehr späten Jahren
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vergnügt, gesund, gemächlich zu eralten.
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(Ach, dass der Tod nicht gar vermeidlich ist!)
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Doch ist ein Mittel dir bekannt,
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entfernte Fälle zu verhüten?
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Christengeist
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Ich bin dem allergrößten Arzt,
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den je die Welt gesehn, sehr nahe anverwandt.
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Dies mein besonders Glücke
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gab mir Gelegenheit, in seinem besten Buch
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das erste und das größte
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aus den Genesungsmitteln
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zu finden, zu entdecken.
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Das Mittel, außer dem der andern Geist und Kraft
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zur Heilung nicht erklecken.
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Christ
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Ach! könntest du mir doch für Kummer, Angst und Forcht,
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die mich viel mehr als jede Krankheit quälen,
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erwünschte Hilfe schaffen:
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Wie gerne wollt ich dich belohnen!
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Christengeist
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Es soll an mir nicht fehlen,
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jedoch sehr vieles liegt bei dir.
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Weltgeist
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Mein Freund! dein Arzenei-Gespräch
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will mir nunmehr zu lange sein,
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denn mir fällt nichts von Tod und Krankheit ein,
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wohl aber die gewohnte Stunde,
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die allgemach zum Fruhstuck ruft:
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Du wirst darauf ja nicht vergessen?
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Christ
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Geh hin, dasselbe zu bereiten.
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Weltgeist
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Dies soll mit aller Eil und besten Fleiß geschehn.
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Ich hab alsdann die Ehre,
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dazu dich zu begleiten.
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(abseits im Hinweggehen)
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(Ich weiß für ihn viel bessre Arzeneien:
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ein holder Blick von seiner Schönen,
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gut Essen, Trinken, Spielen, Jagen
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wird alles Kummers ihn befreien.)
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Christengeist
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(beiseits)
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(Dem Himmel sei gedankt, mein Feind entfernet sich:
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Nun kann ich freier mich erklären.)
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Ich gebe dir mein teures Wort,
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dich meiner Hilfe zu gewähren:
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Du sollst Gesundheit und Vergnügen
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(beiseits)
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(der Seele Heil und Ruh) forthin genießen.
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Allein wirst du dich wohl entschließen,
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zu folgen meinem treuen Rat?
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Zu fliehn die kalte Luft
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(beiseits)
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(den lauen Geist der Welt),
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so dir das Aug verderbt, die Brust erkältet hat?
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||
Christ
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||
Wie? Meine Brust, mein Aug erkältet und verderbt?
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||
Du irrest dich, an beiden fehlt mir nicht:
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Du siehest mir vielleicht in meinem Angesicht
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den ungemein erlittnen Schrecken an,
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der kurzlich mir das Herze machte beben.
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Christengeist
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||
Glaub mir, je mehr sich die Gefahr
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dem Kranken hält verborgen,
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je mehr hat er zu sorgen.
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Nr. 7 Aria
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Christengeist
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Manches Ubel will zuweilen,
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eh es kann der Balsam heilen,
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erstlich Messer, Scher und Glut.
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||
Jener Ruf, der dich erweckte,
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||
jene Stimme, die dich schreckte,
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||
war dir nötig, war dir gut.
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Recitativo
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Christ
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||
(Er hält mich einem Kranken gleich,
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er weiß, was mir gegegnet ist,
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was soll ich wohl von ihm gedenken?)
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||
Wer du nun immer bist, erhalte mich gesund,
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||
wenn ich es bin gewesen;
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und bin ich krank, so mache mich genesen.
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Christengeist
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||
Nimm dies verschlossne Blatt als eine Schankung hin;
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||
(Der Christengeist gibt ihm ein verschlossnes Blatt.)
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||
ich weiß gewiss, du wirst darin
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||
für dich ein solches Mittel finden,
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||
dem keines aus all' andern gleicht.
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||
Christ
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||
Ist es vielleicht sehr hart zu nehmen?
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||
Christengeist
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||
Wer sich dazu mit Ernst entschließt,
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||
dem ist es lieblich, süß und leicht.
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||
Christ
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Und was ist dessen Eigenschaft?
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Christengeist
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||
Es wärmet, muntert auf
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(beiseits)
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(den lau und trägen Geist),
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erheutert den Verstand durch seine Wunderkraft
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(die Christenpflicht zu fassen),
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es schärft das Aug (den schlauen Feind zu sehn),
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verschafft ein gut Gehör (zu hören Gottes Wort),
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||
es bringet Mut und Stärke
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(der Höllenmacht zu widerstehn).
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Für Schwindel in dem Haupt –
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Weltgeist
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||
Freund! alles ist bereit,
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||
und eine ganze Reihe
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der fröhlichen Gemüter
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||
von beiderlei Geschlechte
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||
erwarten dich. –
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||
Christ
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(zu dem Christengeist)
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||
– Verzeihe.
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Der Wohlstand heißt mich eilend gehn.
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||
Hält dieses Mittel seine Probe,
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||
so lohn ich dich bei unserm Wiedersehn.
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(Er gehet ab.)
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||
Weltgeist
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(im Hinweggehn)
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||
(So end ich ihr Gespräche,
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||
denn dieser Arzt will mir so wie verdächtig sein.)
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||
Christengeist
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||
(allein)
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||
Ach! also stellt die eitle Lust der Welt
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||
des Geistes besten Fortgang ein.
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||
Man eilt, man lauft, wohin? Ach! an die Orte,
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||
wo nur der Sinnen Freiheit ruft.
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||
Man höret meine Worte
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||
von wahrer Tugendlehre nicht
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und folget lieber meinem Feind,
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||
der alles Gute unterbricht.
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||
Recitativo
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||
Barmherzigkeit. Gerechtigkeit. Christengeist. |
||
Barmherzigkeit
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||
Hast du nunmehr erfahren,
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||
was unser beiden Hilf an diesem Menschen nutzt?
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||
Wenn er verloren geht, wer ist wohl endlich schuld?
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||
Christengeist
|
||
Ach! er allein, doch habt mit ihm Geduld:
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||
Wie könnt ein laues Herze,
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||
das von dem Geist der Welt mit Schnee bedecket ist,
|
||
sogleich von Gottes Liebe brennen?
|
||
Der Anfang gibt mir doch bei ihm
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||
den Schein der Hoffnung zu erkennen.
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||
Gerechtigkeit
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||
Der Mensch bereite sich zu Strafe oder Lohn,
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||
bleibt doch dem Höchsten Lob und Preis;
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||
denn hört er dich, o Güte! nicht,
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||
so dient er wenigst mir zur Ehre.
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||
Christengeist
|
||
Ich will mich dann dahin bestreben,
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||
damit er sich bekehre
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||
und diene so zu beider Ruhm,
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||
dass ihn Gerechtigkeit belohne,
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||
Barmherzigkeit verschone.
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||
Nr. 8 Terzetto
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||
Christengeist
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||
Lasst mir eurer Gnade Schein
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||
niemal fehlen,
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so erhol ich neuen Mut.
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Barmherzigkeit, Gerechtigkeit
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Es soll an der Gnade Schein
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niemal fehlen,
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wenn der Mensch das Seine tut.
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Christengeist
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Allzeit will ich trachten, sinnen,
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teure Seelen
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meinem Schöpfer zu gewinnen,
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dies soll mein Geschäfte sein.
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Ende des ersten Teils.
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