Erster Aufzug
 
 
Platz vor dem Palast des Bassa am Ufer des Meers.
 
 
Erster Auftritt
 
 
Belmonte allein.
 
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N° 1 Aria
 
 
Belmonte
 
     
 
    Hier soll ich dich denn sehen,
 
 
Konstanze! dich mein Glück!
 
 
Lass, Himmel, es geschehen!
 
 
Gib mir die Ruh zurück.
 
 
Ich duldete der Leiden,
 
 
o Liebe! allzu viel!
 
 
Schenk mir dafür nun Freuden
 
 
und bringe mich ans Ziel!
 
 
Belmonte
 
 
Aber wie soll ich in den Palast kommen, wie sie sehen, wie sprechen?
 
 
Zweiter Auftritt
 
 
Belmonte, Osmin (mit einer Leiter, welche er an einen Baum vor der Türe des Palasts lehnt, hinaufsteigt und Feigen abnimmt).
 
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N° 2 Lied und Duett
 
 
Osmin
 
     
 
    Wer ein Liebchen hat gefunden,
 
 
die es treu und redlich meint,
 
 
lohn es ihr durch tausend Küsse,
 
 
mach ihr all das Leben süße,
 
 
sei ihr Tröster, sei ihr Freund.
 
 
Trallalera, trallalera!
 
 
Belmonte
 
 
Vielleicht, dass ich durch diesen Alten etwas erfahre. – He, Freund! ist das nicht das Landhaus des Bassa Selim? –
 
 
Osmin
 
 
(singt wie zuvor während der Arbeit)
 
     
 
    Doch sie treu sich zu erhalten,
 
 
schließ er Liebchen sorglich ein:
 
 
Denn die losen Dinger haschen
 
 
jeden Schmetterling und naschen
 
 
gar zu gern von fremdem Wein.
 
 
Trallalera, trallalera!
 
 
Belmonte
 
 
He, Alter, he! hört Ihr nicht? – Ist hier des Bassa Selim Palast? –
 
 
Osmin
 
 
(sieht ihn an, dreht sich herum und singt wie zuvor)
 
     
 
    Sonderlich beim Mondenscheine,
 
 
Freunde, nehmt sie wohl in Acht!
 
 
Oft lauscht da ein junges Herrchen,
 
 
kirrt und lockt das kleine Närrchen,
 
 
und dann, Treue, gute Nacht.
 
 
Trallalera, trallalera!
 
 
Belmonte
 
     
 
    Verwünscht seist du samt deinem Liede!
 
 
Ich bin dein Singen nun schon müde;
 
 
so hör doch nur ein einzig Wort!
 
 
Osmin
 
 
Was Henker lasst Ihr Euch gelüsten,
 
 
Euch zu ereifern, Euch zu brüsten?
 
 
Was wollt Ihr? Hurtig! ich muss fort.
 
 
Belmonte
 
     
 
    Ist das des Bassa Selim Haus?
 
 
Osmin
 
 
He? –
 
 
Belmonte
 
 
Ist das des Bassa Selim Haus?
 
 
Osmin
 
 
Das ist des Bassa Selim Haus.
 
 
(will fort)
 
 
Belmonte
 
 
So wartet doch –
 
 
Osmin
 
 
Ich kann nicht weilen.
 
 
Belmonte
 
 
Ein Wort –
 
 
Osmin
 
 
Geschwind! denn ich muss eilen.
 
 
Belmonte
 
 
Seid Ihr in seinen Diensten, Freund?
 
 
Osmin
 
 
He? –
 
 
Belmonte
 
 
Seid Ihr in seinen Diensten, Freund?
 
 
Osmin
 
 
He?
 
 
Belmonte
 
 
Seid Ihr in seinen Diensten, Freund? –
 
 
Osmin
 
 
Ich bin in seinen Diensten, Freund.
 
 
Belmonte
 
     
 
    Wie kann ich den Pedrill wohl sprechen,
 
 
der hier in seinen Diensten steht?
 
 
Osmin
 
 
Den Schurken? – der den Hals soll brechen? –
 
 
Seht selber zu, wenn's anders geht.
 
 
(will fort)
 
 
Belmonte
 
 
(für sich)
 
     
 
    Was für ein alter grober Bengel!
 
 
Osmin
 
 
(ihn betrachtend, auch für sich)
 
 
Das ist just so ein Galgenschwengel!
 
 
Belmonte
 
 
(zu ihm)
 
 
Ihr irrt, es ist ein braver Mann.
 
 
Osmin
 
 
So brav, dass man ihn spießen kann.
 
 
Belmonte
 
 
Ihr müsst ihn wahrlich nicht recht kennen.
 
 
Osmin
 
 
Recht gut. Ich ließ' ihn heut verbrennen.Schreibvariante in den Textwiederholungen:
Heut, heut ließ' ich ihn heut verbrennen.
 
 
Belmonte
 
 
Es ist fürwahr ein guter Tropf.
 
 
Osmin
 
 
Auf einen Pfahl gehört sein Kopf.
 
 
(will fort)
 
 
Belmonte
 
     
 
    So bleibet doch!
 
 
Osmin
 
 
Was wollt Ihr noch?Schreibvariante in den Textwiederholungen:
Was wollt Ihr?
 
 
Belmonte
 
 
Ich möchte gerne…
 
 
Osmin
 
 
(spöttisch)
 
 
so hübsch von ferne
 
 
ums Haus rumschleichen
 
 
und Mädchen stehlen? –
 
 
Fort, Euresgleichen
 
 
braucht man hier nicht.
 
 
Belmonte
 
     
 
    Ihr seid besessen!
 
 
sprecht voller Galle
 
 
mir so vermessen
 
 
ins Angesicht!
 
 
(zugleich)
 
 
 
 
Osmin
 
     
 
    Nur nicht in Eifer!
 
 
Belmonte
 
 
Schont Euren Geifer.
 
 
Osmin
 
 
Ich kenn Euch schon.
 
 
Belmonte
 
 
Lasst Euer Drohn.
 
 
 
 
Osmin
 
     
 
    Schert Euch zum Teufel,
 
 
Belmonte
 
 
Es bleibt kein Zweifel,
 
 
(zusammen)
 
 
 
 
Osmin
 
 
Ihr kriegt, ich schwöre,
 
 
sonst ohne Gnade
 
 
die Bastonade;
 
 
noch habt Ihr Zeit.
 
 
(stößt ihn fort)
 
 
Belmonte
 
 
Ihr seid von Sinnen,
 
 
welch ein Betragen
 
 
auf meine Fragen;
 
 
seid doch gescheit.
 
 
(ab)
 
 
 
 
Dritter Auftritt
 
 
Osmin, hernach Pedrillo.
 
 
Osmin
 
 
(allein)
 
 
Könnt ich mir doch noch so einen Schurken auf die Nase setzen wie den Pedrillo, so einen Gaudieb, der Tag und Nacht nichts tut, als nach meinen Weibern herumzuschleichen und zu schnobern, ob's nichts für seinen Schnabel setzt. Aber ich laure ihm sicher auf den Dienst, und wohl bekomm dir die Prügelsuppe, wenn ich dich einmal beim Kanthaken kriege! – Hätt er sich nur beim Bassa nicht so eingeschmeichelt, er sollte den Strick längst um den Hals haben.
 
 
Pedrillo
 
 
Nun, wie steht's, Osmin? Ist der Bassa noch nicht zurück?
 
 
Osmin
 
 
Sieh darnach, wenn du's wissen willst.
 
 
Pedrillo
 
 
Schon wieder Sturm im Kalender? – Hast du das Gericht Feigen für mich gepflückt?
 
 
Osmin
 
 
Gift für dich, verwünschter Schmarotzer!
 
 
Pedrillo
 
 
Was in aller Welt ich dir nun getan haben muss, dass du beständig mit mir zankst. Lass uns doch einmal Friede machen.
 
 
Osmin
 
 
Friede mit dir? mit so einem schleichenden, spitzbübischen Passauf, der nur spioniert, wie er mir eins versetzen kann? Erdrosseln möcht ich dich! –
 
 
Pedrillo
 
 
Aber sag nur, warum? warum?
 
 
Osmin
 
 
Warum? – Weil ich dich nicht leiden kann.
 
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N° 3 Aria
 
 
Osmin
 
     
 
    Solche hergelaufne Laffen,
 
 
die nur nach den Weibern gaffen,
 
 
mag ich vor den Teufel nicht.
 
 
Denn ihr ganzes Tun und Lassen
 
 
ist, uns auf den Dienst zu passen,
 
 
doch mich trügt kein solch Gesicht!Schreibvariante in den Textwiederholungen:
doch mich trügt kein solch Gesicht.
 
     
 
    Eure Tücken, eure Ränke,
 
 
eure Finten, eure Schwänke
 
 
sind mir ganz bekannt.
 
 
Mich zu hintergehen,
 
 
müsst ihr früh aufstehen;
 
 
ich hab auch Verstand.
 
     
 
    Drum, beim Barte des Propheten!
 
 
ich studiere Tag und Nacht,
 
 
ruh nicht, bis ich dich seh töten,
 
 
nimm dich, wie du willst, in Acht.Schreibvariante in den Textwiederholungen:
nimm dich in Acht.
 
 
Pedrillo
 
 
Was bist du vor ein grausamer Kerl – und ich hab dir nichts getan – –
 
 
Osmin
 
 
Du hast ein Galgengesicht. Das ist genug.
 
     
 
    Erst geköpft,
 
 
dann gehangen,
 
 
dann gespießt
 
 
auf heißen Stangen,
 
 
dann verbrannt,
 
 
dann gebunden
 
 
und getaucht,
 
 
zuletzt geschunden.
 
 
(geht ins Haus)
 
 
Vierter Auftritt
 
 
Pedrillo, hernach Belmonte.
 
 
Pedrillo
 
 
(allein)
 
 
Geh nur, verwünschter Aufpasser; es ist noch nicht aller Tage Abend. Wer weiß, wer den andern überlistet; und dir misstrauischem, gehässigem Menschenfeinde eine Grube zu graben, sollte ein wahres Fest für mich sein.
 
 
Belmonte
 
 
Pedrillo, guter Pedrillo!
 
 
Pedrillo
 
 
Ach mein bester Herr! Ist's möglich? Sind Sie's wirklich? Bravo, Madam Fortuna, bravo! das heißt doch Wort gehalten! Schon verzweifelte ich, ob einer meiner Briefe Sie getroffen hätte.
 
 
Belmonte
 
 
Sag, guter Pedrillo, lebt meine Konstanze noch?
 
 
Pedrillo
 
 
Lebt, und noch, hoff ich, für Sie. Seit dem schrecklichen Tage, an welchem das Glück uns einen so hässlichen Streich spielte und unser Schiff von den Seeräubern erobern ließ, haben wir mancherlei Drangsal erfahren. Glücklicherweise traf sich's noch, dass der Bassa Selim uns alle drei kaufte: Ihre Konstanze nämlich, meine Blonde und mich. Er ließ uns sogleich hier auf sein Landhaus bringen. Donna Konstanze ward seine auserwählte Geliebte. –
 
 
Belmonte
 
 
Ah! was sagst du?
 
 
Pedrillo
 
 
Nu, nur nicht so hitzig! Sie ist noch nicht in die schlimmsten Hände gefallen. Der Bassa ist ein Renegat und hat noch so viel Delikatesse, keine seiner Weiber zu seiner Liebe zu zwingen; und soviel ich weiß, spielt er noch immer den unerhörten Liebhaber.
 
 
Belmonte
 
 
Wär es möglich? Wär Konstanze noch treu?
 
 
Pedrillo
 
 
Sicher noch, lieber Herr! Aber wie's mit meinem Blondchen steht, weiß der Himmel! Das arme Ding schmachtet bei einem alten, hässlichen Kerl, dem sie der Bassa geschenkt hat; und vielleicht – ach ich darf gar nicht dran denken! –
 
 
Belmonte
 
 
Doch nicht der alte Kerl, der soeben ins Haus ging?
 
 
Pedrillo
 
 
Eben der.
 
 
Belmonte
 
 
Und dies ist der Liebling des Bassa?
 
 
Pedrillo
 
 
Liebling, Spion und Ausbund aller Spitzbuben, der mich mit den Augen vergiften möchte, wenn's möglich wäre.
 
 
Belmonte
 
 
O guter Pedrillo! was sagst du?
 
 
Pedrillo
 
 
Nur nicht gleich verzagt! Unter uns gesagt: Ich hab auch einen Stein im Brette beim Bassa. Durch mein bisschen Geschick in der Gärtnerei hab ich seine Gunst weggekriegt, und dadurch hab ich so ziemlich Freiheit, die tausend andere nicht haben würden. Da sonst jede Mannsperson sich entfernen muss, wenn eine seiner Weiber in Garten kommt, kann ich bleiben; sie reden sogar mit mir, und er sagt nichts darüber. Freilich mault der alte Osmin, besonders wenn mein Blondchen ihrer Gebieterin folgen muss.
 
 
Belmonte
 
 
Ist's möglich? Du hast sie gesprochen? – O sag, sag! Liebt sie mich noch?
 
 
Pedrillo
 
 
Hm! dass Sie daran zweifeln! Ich dächte, Sie kennten die gute Konstanze mehr als zu gut, hätten Proben genug ihrer Liebe. – Doch damit dürfen wir uns gar nicht aufhalten. Hier ist bloß die Frage, wie's anzufangen ist, hier wegzukommen?
 
 
Belmonte
 
 
O da hab ich für alles gesorgt! Ich hab hier ein Schiff in einiger Entfernung vom Hafen, das uns auf den ersten Wink einnimmt, und –
 
 
Pedrillo
 
 
Ah, sachte, sachte! Erst müssen wir die Mädels haben, ehe wir zu Schiffe gehen; und das geht nicht so husch, husch! wie Sie meinen.
 
 
Belmonte
 
 
O lieber guter Pedrillo, mach nur, dass ich sie sehen, dass ich sie sprechen kann! Das Herz schlägt mir vor Angst und Freude! –
 
 
Pedrillo
 
 
Pfiffig müssen wir das Ding anfangen, und rasch müssen wir's ausführen, damit wir den alten Aufpasser übertölpeln. Bleiben Sie hier in der Nähe. Jetzt wird der Bassa bald von einer Lustfahrt auf dem Wasser zurückkommen. Ich will Sie ihm als einen geschickten Baumeister vorstellen: Denn Bauen und Gärtnerei sind seine Steckenpferde. Aber lieber, goldner Herr, halten Sie sich in Schranken; Konstanze ist bei ihm –
 
 
Belmonte
 
 
Konstanze bei ihm? Was sagst du? Ich soll sie sehen?
 
 
Pedrillo
 
 
Gemach, gemach ums Himmels willen, lieber Herr! Sonst stolpern wir – Ah, ich glaube, dort seh ich sie schon angefahren kommen. Gehn Sie nur auf die Seite, wenn er kommt; ich will ihm entgegengehen.
 
 
(geht ab)
 
 
Fünfter Auftritt
 
 
Belmonte allein.
 
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N° 4 Recitativo ed Aria
 
 
Belmonte
 
 
Recitativo
 
 
Konstanze! dich wiederzusehen! – dich! –
 
 
Aria
 
     
 
    O wie ängstlich, o wie feurigSchreibvariante in den Textwiederholungen:
O wie ängstlich, o wie feurig!
 
 
klopft mein liebevolles Herz!Schreibvariante in den Textwiederholungen:
klopft mein liebevolles Herz.
 
 
Und des Wiedersehens Zähre
 
 
lohnt der Trennung bangen Schmerz.
 
 
Schon zittr' ich und wanke,
 
 
schon zag ich und schwanke,
 
 
es hebt sich die schwellende Brust.
 
 
Ist das ihr Lispeln?
 
 
Es wird mir so bange;
 
 
war das ihr Seufzen?
 
 
Es glüht mir die Wange;
 
 
täuscht mich die Liebe, war es ein Traum? –
 
 
Pedrillo
 
 
(kömmt hurtig gelaufen)
 
 
Geschwind, geschwind auf die Seite und versteckt! Der Bassa kömmt.
 
 
(Belmonte versteckt sich.)
 
 
Sechster Auftritt
 
 
Der Bassa Selim und Konstanze kommen in einem Lustschiffe angefahren, vor welchem ein anderes Schiff mit Janitscharenmusik voraus landet. Die Janitscharen stellen sich am Ufer in Ordnung, stimmen folgendes Chor an und entfernen sich dann.
 
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N° 5a Marcia
 
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N° 5b Chor der Janitscharen
 
 
Tutti
 
     
 
    Singt dem großen Bassa Lieder,
 
 
töne, feuriger Gesang;
 
 
und vom Ufer halle wieder
 
 
unsrer Lieder Jubelklang.
 
 
Solo
 
     
 
    Weht ihm entgegen,
 
 
kühlende Winde;
 
 
ebne dich sanfter,
 
 
wallende Flut!
 
     
 
    Singt ihm entgegen,
 
 
fliegende Chöre,
 
 
singt ihm der Liebe
 
 
Freuden ins Herz!
 
 
Tutti
 
     
 
    Singt dem großen Bassa Lieder,
 
 
töne, feuriger Gesang;
 
 
und vom Ufer halle wieder
 
 
unsrer Lieder Jubelklang.
 
 
(Janitscharen ab)
 
 
Siebenter Auftritt
 
 
Selim, Konstanze.
 
 
Selim
 
 
Immer noch traurig, geliebte Konstanze? immer in Tränen? – Sieh, dieser schöne Abend, diese reizende Gegend, diese bezaubernde Musik, meine zärtliche Liebe für dich – Sag, kann nichts von allem dich endlich beruhigen, endlich dein Herz rühren? – Sieh, ich könnte befehlen, könnte grausam mit dir verfahren, dich zwingen –
 
 
(Konstanze seufzt.)
 
 
Selim
 
 
Aber nein, Konstanze, dir selbst will ich dein Herz zu danken haben – dir selbst –
 
 
Konstanze
 
 
Großmütiger Mann! o dass ich es könnte! dass ich's erwidern könnte – aber –
 
 
Selim
 
 
Sag, Konstanze, sag, was hält dich zurück?
 
 
Konstanze
 
 
Du wirst mich hassen.
 
 
Selim
 
 
Nein, ich schwöre dir's. Du weißt, wie sehr ich dich liebe, wie viel Freiheit ich dir vor allen meinen Weibern gestatte; dich wie meine Einzige schätze –
 
 
Konstanze
 
 
O so verzeih!
 
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N° 6 Aria
 
 
Konstanze
 
     
 
    Ach, ich liebte,
 
 
war so glücklich,Schreibvariante in den Textwiederholungen:
war so glücklich!
 
 
kannte nicht der Liebe Schmerz.
 
 
Schwur ihm Treue,
 
 
dem Geliebten;
 
 
gab dahin mein ganzes Herz.
 
     
 
    Doch wie schnellIn der Vorlage sowie in dem Auszug von Constanze Webers Hand steht noch „im Hui“ (BD 626: […]"doch im Hui schwand meine freude"). Mozart hat es in der autographen Partitur bewusst durch „wie schnell“ ersetzt, um eine nach seiner Meinung vulgäre Konnotation zu vermeiden (BD 629: „[…] das hui – habe ich in schnell verändert. also; doch wie schnell schwand meine freude p: ich weis nicht was sich unsere teutsche dichter denken; – wen sie schon das theater nicht verstehen, was die opern anbelangt – so sollen sie doch wenigstens die leute nicht reden lassen, als wen schweine vor ihnen stünden. – hui Sau; –“). schwand meine Freude,
 
 
Trennung war mein banges Los;
 
 
und nun schwimmt mein Aug in Tränen,Schreibvarianten in den Textwiederholungen:
mein Aug schwimmt in Tränen,
es schwimmt in Tränen,
 
 
Kummer ruht in meinem Schoß.
 
 
(Während des Gesanges geht der Bassa unwillig hin und her.)
 
 
Konstanze
 
 
Ach, ich sagt es wohl, du würdest mich hassen. Aber verzeih, verzeih dem liebekranken Mädchen! – Du bist ja so großmütig, so gut. – Ich will dir dienen, deine Sklavin sein, bis ans Ende meines Lebens: Nur verlange nicht ein Herz von mir, das auf ewig versagt ist –
 
 
Selim
 
 
Ha, Undankbare! was wagst du zu bitten?
 
 
Konstanze
 
 
Töte mich, Selim, töte mich! Nur zwinge mich nicht, meineidig zu werden – Noch zuletzt, wie mich der Seeräuber aus den Armen meines Geliebten riss, schwur ich aufs Feierlichste –
 
 
Selim
 
 
Halt ein! Nicht ein Wort! Reize meinen Zorn nicht noch mehr. Bedenke, dass du in meiner Gewalt bist –
 
 
Konstanze
 
 
Ich bin es: Aber du wirst dich ihrer nicht bedienen, ich kenne dein gutes, dein mitleidvolles Herz. Hätte ich's sonst wagen können, dir das meinige zu entdecken? –
 
 
Selim
 
 
Wag es nicht, meine Güte zu missbrauchen –
 
 
Konstanze
 
 
Nur Aufschub gönne mir, Herr! nur Zeit, meinen Schmerz zu vergessen –
 
 
Selim
 
 
Wie oft schon gewährt ich dir diese Bitte –
 
 
Konstanze
 
 
Nur noch diesmal!
 
 
Selim
 
 
Es sei! zum letzten Male! – Geh, Konstanze, geh! Besinne dich eines Bessern, und morgen –
 
 
Konstanze
 
 
(im Abgehn)
 
 
Unglückliches Mädchen! O Belmonte, Belmonte!
 
 
Achter Auftritt
 
 
Selim, Pedrillo, Belmonte.
 
 
Selim
 
 
Ihr Schmerz, ihre Tränen, ihre Standhaftigkeit bezaubern mein Herz immer mehr, machen mir ihre Liebe nur noch wünschenswerter. Ha! wer wollte gegen ein solches Herz Gewalt brauchen? – Nein, Konstanze, nein, auch Selim hat ein Herz; auch Selim kennt Liebe –
 
 
Pedrillo
 
 
Herr! verzeih, dass ich es wage, dich in deinen Betrachtungen zu stören –
 
 
Selim
 
 
Was willst du, Pedrillo?
 
 
Pedrillo
 
 
Dieser junge Mann, der sich in Italien mit vielem Fleiß auf die Baukunst gelegt, hat von deiner Macht, von deinem Reichtum gehört und kommt her, dir als Baumeister seine Dienste anzubieten.
 
 
Belmonte
 
 
Herr! könnte ich so glücklich sein, durch meine geringen Fähigkeiten deinen Beifall zu verdienen.
 
 
Selim
 
 
Hm! Du gefällst mir. Ich will sehen, was du kannst. – (zum Pedrillo) Sorge für seinen Unterhalt. Morgen werde ich dich wieder rufen lassen.
 
 
(geht ab)
 
 
Neunter Auftritt
 
 
Belmonte, Pedrillo.
 
 
Pedrillo
 
 
Ha! Triumph, Triumph, Herr! der erste Schritt war getan.
 
 
Belmonte
 
 
Ach lass mich zu mir selbst kommen! – Ich habe sie gesehen, hab das gute, treue, beste Mädchen gesehen! – O Konstanze, Konstanze! Was könnt ich für dich tun, was für dich wagen?
 
 
Pedrillo
 
 
Ha! gemach, gemach, bester Herr! Stimmen Sie den Ton ein bisschen herab; Verstellung wird uns weit bessere Dienste leisten. Wir sind nicht in unserm Vaterlande. Hier fragen sie den Henker darnach, ob's einen Kopf mehr oder weniger in der Welt gibt. Bastonade und Strick um Hals sind hier wie ein Morgenbrot.
 
 
Belmonte
 
 
Ach, Pedrillo! wenn du die Liebe kenntest –
 
 
Pedrillo
 
 
Hm! Als wenn's mit unsereinem gar nichts wäre. Ich habe so gut meine zärtlichen Stunden als andere Leute. Und denken Sie denn, dass mir's nicht auch im Bauche grimmt, wenn ich mein Blondchen von so einem alten Spitzbuben, wie der Osmin ist, bewacht sehen muss?
 
 
Belmonte
 
 
O wenn es möglich wäre, sie zu sprechen –
 
 
Pedrillo
 
 
Wir wollen sehen, was zu tun ist. Kommen Sie nur mit mir in Garten: Aber, um alles in der Welt, vorsichtig und fein. Denn hier ist alles Aug und Ohr.
 
 
(Sie wollen in den Palast; Osmin kommt ihnen in der Tür entgegen und hält sie zurück.)
 
 
Zehnter Auftritt
 
 
Vorige, Osmin.
 
 
Osmin
 
 
Wohin?
 
 
Pedrillo
 
 
Hinein!
 
 
Osmin
 
 
(zu Belmonte)
 
 
Was will das Gesicht? – Zurück mit dir, zurück!
 
 
Pedrillo
 
 
Ha, gemach, Meister Grobian, gemach! er ist in des Bassa Diensten.
 
 
Osmin
 
 
In des Henkers Diensten mag er sein! Er soll nicht herein!
 
 
Pedrillo
 
 
Er soll aber herein!
 
 
Osmin
 
 
Kommt mir nur einen Schritt über die Schwelle –
 
 
Belmonte
 
 
Unverschämter! Hast du nicht mehr Achtung für einen Mann meines Standes?
 
 
Osmin
 
 
Ei, Ihr mögt mir vom Stande sein! – Fort, fort, oder ich will Euch Beine machen.
 
 
Pedrillo
 
 
Alter Dummkopf! Es ist ja der Baumeister, den der Bassa angenommen hat.
 
 
Osmin
 
 
Meinethalben sei er Stockmeister: Nur komm er mir hier nicht zu nahe. Ich müsste nicht sehen, dass es so ein Kumpan deines Gelichters ist und dass das so eine abgeredte Karte ist, uns zu überlisten. Der Bassa ist weich wie Butter, mit dem könnt ihr machen, was ihr wollt; aber ich habe eine feine Nase. Gaunerei ist's um den ganzen Kram mit euch fremden Gesindel; und ihr abgefeimten Betrüger habt lange euer Plänchen angelegt, eure Pfiffe auszuführen: Aber wart ein bisschen! Osmin schläft nicht. Wär ich Bassa, ihr wärt längst gespießt. – Ja! schneid't nur Gesichter, lacht nur höhnisch in Bart hinein!
 
 
Pedrillo
 
 
Ereifere dich nicht so, Alter; es hilft dir doch nichts. Sieh, soeben werden wir hineinspazieren.
 
 
Osmin
 
 
Ha! das will ich sehen!
 
 
(stellt sich vor die Türe)
 
 
Pedrillo
 
 
Mach keine Umstände. –
 
 
Belmonte
 
 
Weg, Niederträchtiger!
 
speaker-icon
N° 7 Terzett
 
 
Osmin
 
     
 
    Marsch, marsch, marsch, trollt euch fort;
 
 
sonst soll die Bastonade
 
 
euch gleich zu Diensten stehn.
 
 
Belmonte, Pedrillo
 
 
Ei, ei, ei! das wär ja schade,Schreibvariante in den Textwiederholungen:
Ei, ei, ei, das wär ja schade,
Ei, ei, ei, das wär ja schade!
 
 
mit uns so umzugehn.
 
 
Osmin
 
 
Kommt nur nicht näher.
 
 
Belmonte, Pedrillo
 
 
Weg von der Türe.
 
 
Osmin
 
 
Sonst schlag ich drein.
 
 
Belmonte, Pedrillo
 
 
Wir gehn hinein.
 
 
(Sie drängen ihn von der Türe weg.)
 
 
Osmin
 
 
Marsch, fort!Schreibvariante in den Textwiederholungen:
Marsch, marsch!
 
 
Belmonte, Pedrillo
 
 
Platz, fort!Schreibvariante in den Textwiederholungen:
Platz, Platz!
 
 
(zugleich)
 
 
 
 
Osmin
 
 
Ich schlage drein.
 
 
Belmonte, Pedrillo
 
 
Wir gehn hinein.
 
 
 
 
(Sie stoßen ihn weg und gehn hinein.)
 
 
Ende des ersten Akts.
 
 
Zweiter Aufzug
 
 
Garten am Palast des Bassa Selim; an der Seite Osmins Wohnung.
 
 
Erster Auftritt
 
 
Osmin, Blonde.
 
 
Blonde
 
 
O des Zankens, Befehlens und Murrens wird auch kein Ende! Einmal für allemal: Das steht mir nicht an! Denkst du alter Murrkopf etwa eine türkische Sklavin vor dir zu haben, die bei deinen Befehlen zittert? O da irrst du dich sehr! Mit europäischen Mädchen springt man nicht so herum; denen begegnet man ganz anders.
 
speaker-icon
N° 8 Aria
 
 
Blonde
 
     
 
    Durch Zärtlichkeit und Schmeicheln,
 
 
Gefälligkeit und Scherzen
 
 
erobert man die Herzen
 
 
der guten Mädchen leicht.
 
 
Doch mürrisches Befehlen
 
 
und Poltern, Zanken, Plagen
 
 
macht, dass in wenig Tagen
 
 
so Lieb als Treu entweicht.
 
 
Osmin
 
 
Ei seht doch mal, was das Mädchen vorschreiben kann! Zärtlichkeit! Schmeicheln! – Es ist mir wie pure Zärtlichkeit! – Wer, Teufel, hat dir das Zeug in Kopf gesetzt? – Hier sind wir in der Türkei, und da geht's aus einem andern Tone: Ich dein Herr; du meine Sklavin; ich befehle, du musst gehorchen!
 
 
Blonde
 
 
Deine Sklavin? ich deine Sklavin! – Ha! ein Mädchen eine Sklavin! Noch einmal sag mir das, noch einmal!
 
 
Osmin
 
 
(für sich)
 
 
Ich möchte toll werden, was das Mädchen für ein starrköpfiges Ding ist. (laut) Du hast doch wohl nicht vergessen, dass dich der Bassa mir zur Sklavin geschenkt hat?
 
 
Blonde
 
 
Bassa hin, Bassa her! Mädchen sind keine Ware zum Verschenken! Ich bin eine Engländerin, zur Freiheit geboren, und trotz jedem, der mich zu etwas zwingen will!
 
 
Osmin
 
 
(beiseite)
 
 
Gift und Dolch über das Mädchen! – Beim Mahomet! sie macht mich rasend. – Und doch lieb ich die Spitzbübin, trotz ihres tollen Kopfes! (laut) Ich befehle dir augenblicklich, mich zu lieben.
 
 
Blonde
 
 
Hahaha! Komm mir nur ein wenig näher, ich will dir fühlbare Beweise davon geben.
 
 
Osmin
 
 
Tolles Ding! Weißt du, dass du mein bist und ich dich dafür züchtigen kann?
 
 
Blonde
 
 
Wag's nicht, mich anzurühren, wenn dir deine Augen lieb sind.
 
 
Osmin
 
 
Wie? du unterstehst dich –
 
 
Blonde
 
 
Da ist was zu unterstehen? Du bist der Unverschämte, der sich zu viel Freiheit herausnimmt. So ein altes, hässliches Gesicht untersteht sich, einem Mädchen wie ich, jung, schön, zur Freude geboren, wie einer Magd zu befehlen! Wahrhaftig, das stünde mir an! Uns gehört das Regiment; ihr seid unsre Sklaven und glücklich, wenn ihr Verstand genug habt, euch die Ketten zu erleichtern.
 
 
Osmin
 
 
Bei meinem Bart, sie ist toll! Hier, hier in der Türkei?
 
 
Blonde
 
 
Türkei hin, Türkei her! Weib ist Weib, sie sei, wo sie wolle! Sind eure Weiber solche Närrinnen, sich von euch unterjochen zu lassen, desto schlimmer für sie; in Europa verstehen sie das Ding besser. Lass mich nur einmal Fuß hier gefasst haben, sie sollen bald anders werden.
 
 
Osmin
 
 
Beim Allah! die wär imstande, uns allen die Weiber rebellisch zu machen – Aber –
 
 
Blonde
 
 
Aufs Bitten müsst ihr euch legen, wenn ihr etwas von uns erhalten wollt; besonders Liebhaber deines Gelichters.
 
 
Osmin
 
 
Freilich, wenn ich Pedrillo wär, so ein Drahtpüppchen wie er, da wär ich vermutlich willkommen; denn euer Mienenspiel hab ich lange weg.
 
 
Blonde
 
 
Erraten, guter Alter, erraten! Das kannst du dir wohl einbilden, dass mir der niedliche Pedrillo lieber ist wie dein Blasbalggesicht. Also, wenn du klug wärst –
 
 
Osmin
 
 
sollt ich dir die Freiheit geben, zu tun und zu machen, was du wolltest? He?
 
 
Blonde
 
 
Besser würdest du immer dabei fahren: Denn so wirst du sicher betrogen.
 
 
Osmin
 
 
Gift und Dolch! Nun reißt mir die Geduld! Den Augenblick hinein ins Haus! Und wo du's wagst –
 
 
Blonde
 
 
Mach mich nicht zu lachen.
 
 
Osmin
 
 
Ins Haus, sag ich!
 
 
Blonde
 
 
Nicht von der Stelle!
 
 
Osmin
 
 
Mach nicht, dass ich Gewalt brauche.
 
 
Blonde
 
 
Gewalt werd ich mit Gewalt vertreiben. Meine Gebieterin hat mich hier in Garten bestellt; sie ist die Geliebte des Bassa, sein Augapfel, sein Alles; und es kostet mir ein Wort, so hast du funfzig auf die Fußsohlen. Also geh –
 
 
Osmin
 
 
(für sich)
 
 
Das ist ein Satan. Ich muss nachgeben, so wahr ich ein Muselmann bin; sonst könnte ihre Drohung eintreffen.
 
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N° 9 Duetto
 
 
Osmin
 
     
 
    Ich gehe, doch rate ich dir,
 
 
den Schurken Pedrillo zu meiden.
 
 
Blonde
 
 
O pack dich, befiehl nicht mit mir,
 
 
du weißt ja, ich kann es nicht leiden.
 
 
Osmin
 
 
Versprich mir – –
 
 
Blonde
 
 
Was fällt dir da ein!
 
 
Osmin
 
 
Zum Henker!
 
 
Blonde
 
 
Fort, lass mich allein.
 
 
Osmin
 
 
Wahrhaftig kein Schritt von der Stelle,
 
 
bis du zu gehorchen mir schwörst.
 
 
Blonde
 
 
Nicht so viel, du armer Geselle;
 
 
und wenn du der Großmogul wärst.
 
 
(zusammen jedes für sich)
 
 
 
 
Osmin
 
     
 
    O Engländer! seid ihr nicht Toren,
 
 
ihr lasst euren Weibern den Willen;
 
 
wie ist man geplagt und geschoren,
 
 
wenn solch eine Zucht man erhält.
 
 
Blonde
 
 
Ein Herz, so in Freiheit geboren,
 
 
lässt niemals sich sklavisch behandeln,Schreibvariante in den Textwiederholungen:
lässt sich niemals sklavisch behandeln,
 
 
bleibt, wenn schon die Freiheit verloren,Schreibvariante in den Textwiederholungen:
bleibt, schon wenn die Freiheit verloren,
 
 
noch stolz auf sie, lachet der Welt.
 
 
 
 
Blonde
 
     
 
    Nun troll dich.
 
 
Osmin
 
 
So sprichst du mit mir?
 
 
Blonde
 
 
Nicht anders.
 
 
Osmin
 
 
Nun bleib ich erst hier.
 
 
 
 
Blonde
 
 
(stößt ihn fort)
 
 
Ein andermal, itzt musst du gehen.
 
 
Osmin
 
 
Wer hat solche Frechheit gesehen!
 
 
 
 
(zusammen)
 
 
 
 
Blonde
 
 
(stellt sich, als wollte sie ihm die Augen auskratzen)
 
 
Es ist um die Augen geschehen,
 
 
wofern du noch länger verweilst.
 
 
Osmin
 
 
(furchtsam zurückweichend)
 
 
Nur ruhig, ich will ja gern gehen,
 
 
bevor du gar Schläge erteilst.
 
 
 
 
(geht ab)
 
 
Zweiter Auftritt
 
 
Blonde, Konstanze.
 
 
Blonde
 
 
Wie traurig das gute Mädchen daherkommt! Freilich tut's weh, den Geliebten zu verlieren und Sklavin zu sein. Es geht mir wohl auch nicht viel besser; aber ich habe doch noch das Vergnügen, meinen Pedrillo manchmal zu sehen, ob's gleich auch mager und verstohlen genug geschehen muss. Doch wer kann wider den Strom schwimmen!
 
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N° 10 Recitativo ed Aria
 
 
Konstanze
 
 
(ohne Blonden zu bemerken)
 
 
Recitativo
 
     
 
    Welcher Wechsel herrscht in meiner Seele
 
 
seit dem Tag, da uns das Schicksal trannte!
 
 
O Belmont! hin sind die Freuden,
 
 
die ich sonst an deiner Seite kannte;
 
 
banger Sehnsuchts Leiden
 
 
wohnen nun dafür in der beklemmten Brust.
 
 
Aria
 
     
 
    Traurigkeit ward mir zum Lose,
 
 
weil ich dir entrissen bin.
 
 
Gleich der wurmzernagten Rose,
 
 
gleich dem Gras im Wintermoose
 
 
welkt mein banges Leben hin.
 
     
 
    Selbst der Luft darf ich nicht sagen
 
 
meiner Seele bittern Schmerz;
 
 
denn unwillig ihn zu tragen,
 
 
haucht sie alle meine Klagen
 
 
wieder in mein armes Herz.
 
 
Blonde
 
 
Ach mein bestes Fräulein! noch immer so traurig?
 
 
Konstanze
 
 
Kannst du fragen, die du meinen Kummer weißt? – Wieder ein Abend und noch keine Nachricht, noch keine Hoffnung! – Und morgen – ach Gott! ich darf nicht daran denken.
 
 
Blonde
 
 
Heitern Sie sich wenigstens ein bisschen auf. Sehn Sie, wie schön der Abend ist, wie blühend uns alles entgegenlacht, wie freudig uns die Vögel zu ihrem Gesang einladen! Verbannen Sie die Grillen, und fassen Sie Mut!
 
 
Konstanze
 
 
Wie glücklich bist du, Mädchen, bei deinem Schicksal so gelassen zu sein! O dass ich es auch könnte!
 
 
Blonde
 
 
Das steht nur bei Ihnen; hoffen Sie –
 
 
Konstanze
 
 
wo nicht der mindeste Schein von Hoffnung mehr zu erblicken ist?
 
 
Blonde
 
 
Hören Sie nur: Ich verzage mein Lebtage nicht, es mag auch eine Sache noch so schlimm aussehen. Denn wer sich immer das Schlimmste vorstellt, ist auch wahrhaftig am schlimmsten dran.
 
 
Konstanze
 
 
Und wer sich immer mit Hoffnung schmeichelt und zuletzt betrogen sieht, hat alsdenn nichts mehr übrig als die Verzweiflung.
 
 
Blonde
 
 
Jedes nach seiner Weise. Ich glaube, bei der meinigen am besten zu fahren. Wie bald kann ihr Belmont mit Lösegeld erscheinen oder uns listigerweise entführen? Wären wir die ersten Frauenzimmer, die den türkischen Vielfraßen entkämen? – Dort seh ich den Bassa.
 
 
Konstanze
 
 
Lass uns ihm aus den Augen gehn.
 
 
Blonde
 
 
Zu spät. Er hat Sie schon gesehen. Ich darf aber getrost aus dem Wege trollen, er schaffte mich ohnehin fort. (im Weggehen) Courage! Wir kommen gewiss noch in unsre Heimat.
 
 
Dritter Auftritt
 
 
Konstanze, Selim.
 
 
Selim
 
 
Nun, Konstanze, denkst du meinem Begehren nach? Der Tag ist bald verstrichen, morgen musst du mich lieben, oder –
 
 
Konstanze
 
 
Muss? Welch albernes Begehren! Als ob man die Liebe anbefehlen könnte wie eine Tracht Schläge! – – Aber freilich, wie ihr Türken zu Werke geht, lässt sich's auch allenfalls befehlen – aber ihr seid würklich zu beklagen. Ihr kerkert die Gegenstände eurer Begierden ein und seid zufrieden, eure Lüste zu büßen.
 
 
Selim
 
 
Und glaubst du etwan, unsre Weiber wären weniger glücklich als ihr in euren Ländern?
 
 
Konstanze
 
 
Die nichts bessers kennen!
 
 
Selim
 
 
Auf diese Art wäre wohl keine Hoffnung, dass du je anders denken wirst.
 
 
Konstanze
 
 
Herr! Ich muss dir frei gestehn – – – denn was soll ich dich länger hinhalten, mich mit leerer Hoffnung schmeicheln, dass du dich durch mein Bitten erweichen ließest – – Ich werde stets so denken wie itzt; dich verehren, aber – – lieben? Nie.
 
 
Selim
 
 
Und du zitterst nicht vor der Gewalt, die ich über dich habe?
 
 
Konstanze
 
 
Nicht im Geringsten. Sterben ist alles, was ich zu erwarten habe, und je eher dies geschieht, je lieber wird es mir sein.
 
 
Selim
 
 
Elende! Nein! Nicht sterben, aber Martern von allen Arten – – –
 
 
Konstanze
 
 
Auch die will ich ertragen; du schreckst mich nicht, ich erwarte alles.
 
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N° 11 Aria
 
 
Konstanze
 
     
 
    Martern aller Arten
 
 
mögen meiner warten,
 
 
ich verlache Qual und Pein.
 
 
Nichts soll mich erschüttern,
 
 
nur dann würd ich zittern,
 
 
wenn ich untreu könnte sein.
 
     
 
    Lass dich bewegen,
 
 
verschone mich;
 
 
des Himmels Segen
 
 
belohne dich!
 
     
 
    Doch du bist entschlossen.
 
 
Willig, unverdrossen
 
 
wähl ich jede Pein und Not.
 
 
Ordne nur, gebiete,
 
 
lärme, tobe, wüte,
 
 
zuletzt befreit mich doch der Tod.
 
 
(geht ab)
 
 
Vierter Auftritt
 
 
Selim allein.
 
 
Selim
 
 
Ist das ein Traum? Wo hat sie auf einmal den Mut her, sich so gegen mich zu betragen? Hat sie vielleicht Hoffnung, mir zu entkommen? Ha! das will ich verwehren! (will fort) Doch das ist's nicht, dann würde sie sich eher verstellen, mich einzuschläfern suchen – – – Ja! es ist Verzweiflung! Mit Härte richt ich nichts aus – mit Bitten auch nicht – – also, was Drohen und Bitten nicht vermögen, soll die List zuwege bringen.
 
 
(geht ab)
 
 
Fünfter Auftritt
 
 
Blonde allein.
 
 
Blonde
 
 
Kein Bassa, keine Konstanze mehr da? Sind sie miteinander eins worden? – – Schwerlich, das gute Kind hängt zu sehr an ihrem Belmont! Ich bedaure sie von Grund meines Herzens. Sie ist zu empfindsam für ihre Lage. Freilich, hätt ich meinen Pedrillo nicht an der Seite, wer weiß, wie mir's ginge! Doch würd ich nicht so zärteln wie sie. Die Männer verdienen's wahrlich nicht, dass man ihrenthalben sich zu Tode grämt. – – Vielleicht würd ich muselmännisch denken.
 
 
Sechster Auftritt
 
 
Blonde, Pedrillo.
 
 
Pedrillo
 
 
Bst, bst! Blondchen! Ist der Weg rein?
 
 
Blonde
 
 
Komm nur, komm! Der Bassa ist wieder zurück. Und meinem Alten habe ich eben den Kopf ein bisschen gewaschen. Was hast du denn?
 
 
Pedrillo
 
 
O Neuigkeiten, Neuigkeiten, die dich entzücken werden.
 
 
Blonde
 
 
Nun? Hurtig heraus damit!
 
 
Pedrillo
 
 
Erst, liebes Herzensblondchen, lass dir vor allen Dingen einen recht herzlichen Kuss geben: Du weißt ja, wie gestohlnes Gut schmeckt.
 
 
Blonde
 
 
Pfui, pfui! Wenn das deine Neuigkeiten alle sind –
 
 
Pedrillo
 
 
Närrchen, mach darum keinen Lärm; der alte spitzbübische Osmin lauert uns sicher auf den Dienst.
 
 
Blonde
 
 
Nun? und die Neuigkeiten? –
 
 
Pedrillo
 
 
sind, dass das Ende unsrer Sklaverei vor der Türe ist. – (Er sieht sich sorgfältig um.) Belmonte, Konstanzens Geliebter, ist angekommen; und ich hab ihn unter dem Namen eines Baumeisters hier im Palast eingeführt.
 
 
Blonde
 
 
Ah, was sagst du? Belmonte da?
 
 
Pedrillo
 
 
Mit Leib und Seele!
 
 
Blonde
 
 
Ha! das muss Konstanze wissen!
 
 
(will fort)
 
 
Pedrillo
 
 
Hör nur, Blondchen, hör nur erst: Er hat ein Schiff hier in der Nähe in Bereitschaft, und wir haben beschlossen, euch diese Nacht zu entführen.
 
 
Blonde
 
 
O allerliebst, allerliebst! Herzens-Pedrillo! das verdient einen Kuss. Geschwind, geschwind zu Konstanzen!
 
 
(will fort)
 
 
Pedrillo
 
 
Halt nur, halt, und lass erst mit dir reden. Um Mitternacht kommt Belmonte mit einer Leiter zu Konstanzens Fenster und ich zu dem deinigen; und dann geht's heidi davon!
 
 
Blonde
 
 
O vortrefflich! Aber Osmin?
 
 
Pedrillo
 
 
Hier ist ein Schlaftrunk für den alten Schlaukopf, den misch ihm fein manierlich ins Getränke, verstehst du? Ich habe dort auch schon ein Fläschchen angefüllt. Geht's hier nicht, wird's dort wohl gehen.
 
 
Blonde
 
 
Sorg nicht für mich! – Aber kann Konstanze ihren Geliebten nicht sprechen?
 
 
Pedrillo
 
 
Sobald es vollends finster ist, kommt er hier in Garten. Nun geh und bereite Konstanzen vor; ich will hier Belmonten erwarten. Leb wohl, Herzchen, leb wohl!
 
 
Blonde
 
 
Leb wohl, guter Pedrillo! Ach, was werd ich für Freude anrichten!
 
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N° 12 Aria
 
 
Blonde
 
     
 
    Welche Wonne, welche Lust
 
 
herrscht nunmehr in meiner Brust!
 
 
Ohne Aufschub will ich springen
 
 
und ihr gleich die Nachricht bringen
 
 
und mit Lachen und mit Scherzen
 
 
ihrem schwachen, feigen Herzen
 
 
Freud und Jubel prophezeihn.
 
 
(geht fort)
 
 
Siebenter Auftritt
 
 
Pedrillo allein.
 
 
Pedrillo
 
 
Ah, dass es schon vorbei wäre! dass wir schon auf offner See wären, unsre Mädels im Arm und dies verwünschte Land im Rücken hätten! Doch sei's gewagt; entweder itzt oder niemals. Wer zagt, verliert!
 
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N° 13 Aria
 
 
Pedrillo
 
     
 
    Frisch zum Kampfe!
 
 
Frisch zum Streite!
 
 
Nur ein feiger Tropf verzagt.
 
 
Sollt ich zittern?
 
 
Sollt ich zagen?
 
 
Nicht mein Leben
 
 
mutig wagen?
 
 
Nein, ach nein, es sei gewagt!
 
 
Frisch zum Kampfe!
 
 
Frisch zum Streite!
 
 
Nur ein feiger Tropf verzagt.
 
 
Achter Auftritt
 
 
Pedrillo, Osmin.
 
 
Osmin
 
 
Ha! Geht's hier so lustig zu? Es muss dir verteufelt wohl gehen.
 
 
Pedrillo
 
 
Ei, wer wird so ein Kopfhänger sein; es kommt beim Henker da nichts bei heraus! Das haben die Pedrillos von jeher in ihrer Familie gehabt. Fröhlichkeit und Wein versüßt die härteste Sklaverei. Freilich könnt ihr armen Schlucker das nicht begreifen, dass es so ein herrlich Ding um ein Gläschen guten, alten Lustigmacher ist. Wahrhaftig, da hat euer Vater Mahomet einen verzweifelten Bock geschossen, dass er euch den Wein verboten hat. Wenn das verwünschte Gesetz nicht wäre, du müsstest ein Gläschen mit mir trinken, du möchtest wollen oder nicht. (für sich) Vielleicht beißt er an: Er trinkt ihn gar zu gerne.
 
 
Osmin
 
 
Wein mit dir? Ja Gift –
 
 
Pedrillo
 
 
Immer Gift und Dolch und Dolch und Gift! Lass doch den alten Groll einmal fahren und sei vernünftig. Sieh einmal, ein Paar Flaschen Zyperwein! – Ah – (Er zeigt ihm zwo Flaschen, wovon die eine größer als die andere ist.) die sollen mir trefflich schmecken!
 
 
Osmin
 
 
(für sich)
 
 
Wenn ich trauen dürfte?
 
 
Pedrillo
 
 
Das ist ein Wein! das ist ein Wein!
 
 
(Er setzt sich nach türkischer Art auf die Erde und trinkt aus der kleinen Flasche.)
 
 
Osmin
 
 
Kost einmal die große Flasche auch.
 
 
Pedrillo
 
 
Denkst wohl gar, ich habe Gift hineingetan? Ha! lass dir keine grauen Haare wachsen. Es verlohnte sich der Mühe, dass ich deinetwegen zum Teufel führe. Da sieh, ob ich trinke. (Er trinkt aus der großen Flasche ein wenig.) Nun, hast du noch Bedenken? Traust mir noch nicht? Pfui, Osmin! sollt'st dich schämen – Da nimm! (Er gibt ihm die große Flasche.) Oder willst du die kleine?
 
 
Osmin
 
 
Nein, lass nur, lass nur! Aber wenn du mich verrätst –
 
 
(sieht sich sorgfältig um)
 
 
Pedrillo
 
 
Als wenn wir einander nicht weiter brauchten. Immer frisch! Mahomet liegt längst auf'm Ohr und hat nötiger zu tun, als sich um deine Flasche Wein zu bekümmern.
 
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N° 14 Duetto
 
 
Pedrillo
 
     
 
    Vivat Bacchus!
 
 
Bacchus lebe!
 
 
Bacchus war ein braver Mann!
 
 
Osmin
 
     
 
    Ob ich's wage? –
 
 
Ob ich's trinke?
 
 
Ob's wohl Allah sehen kann?
 
 
Pedrillo
 
     
 
    Was hilft das Zaudern?
 
 
Hinunter, hinunter!
 
 
Nicht lange, nicht lange gefragt!
 
 
Osmin
 
 
(Er trinkt.)
 
     
 
    Nun war's geschehen,
 
 
nun war's hinunter;
 
 
das heiß ich, das heiß ich gewagt!
 
 
Beide
 
     
 
    Es leben die Mädchen,
 
 
die Blonden, die Braunen,
 
 
sie leben hoch!
 
 
Pedrillo
 
     
 
    Das schmeckt trefflich!
 
 
Osmin
 
 
Das schmeckt herrlich!
 
 
Beide
 
 
Ah! das heiß ich Göttertrank!
 
     
 
    Vivat Bacchus!Schreibvariante in den Textwiederholungen:
Vivat Bacchus,
 
 
Bacchus lebe!
 
 
Bacchus, der den Wein erfand!Schreibvariante in den Textwiederholungen:
Vivat, der den Wein erfand.
 
 
Pedrillo
 
 
Wahrhaftig, das muss ich gestehen, es geht doch nichts über den Wein. Wein ist mir lieber als Geld und Mädchen. Bin ich verdrüßlich, mürrisch, launisch: Hurtig nehm ich meine Zuflucht zur Flasche; und kaum seh ich den ersten Boden, weg ist all mein Verdruss! – Meine Flasche macht mir kein schiefes Gesicht wie mein Mädchen, wenn ihr der Kopf nicht auf dem rechten Flecke steht. Und schwatzt mir von Süßigkeit der Liebe und des Ehestands, was ihr wollt: Wein auf der Zunge geht über alles!
 
 
(Osmin fängt bereits an, die Wirkung des Weins und des Schlaftrunks zu spüren, und wird bis zu Ende des Auftritts immer schläfriger und träger; doch darf's der Schauspieler nicht übertreiben und muss nur immer halb träumend und schlaftrunken bleiben.)
 
 
Osmin
 
 
Das ist wahr – Wein – Wein – ist ein schönes Getränke; und unser großer – Prophet mag mir's nicht übel nehmen – Gift und Dolch! es ist doch eine hübsche Sache um den Wein! – Nicht – – Bruder Pedrillo?
 
 
Pedrillo
 
 
Richtig, Bruder Osmin, richtig!
 
 
Osmin
 
 
Man wird gleich so – munter (Er nickt zuweilen.) so vergnügt – so aufgeräumt – – Hast du nichts mehr, Bruder?
 
 
(Er langt auf eine lächerliche Art nach einer zwoten Flasche, die Pedrillo ihm reicht.)
 
 
Pedrillo
 
 
Hör du, Alter: Trink mir nicht zu viel; es kommt einem in Kopf.
 
 
Osmin
 
 
Trag doch keine – Sorge, ich bin so – so – nüchtern wie möglich – Aber das ist wahr – (Er fängt an, auf die Erde hin und her zu wanken.) es schmeckt – – vortrefflich! –
 
 
Pedrillo
 
 
(für sich)
 
 
Es wirkt, Alter; es wirkt!
 
 
Osmin
 
 
Aber verraten musst du mich nicht – Brüderchen – verraten – denn – wenn's Mahomet – – nein, nein – der Bassa wüsste – – denn siehst du – – – liebes Blondchen – – ja oder nein! – –
 
 
Pedrillo
 
 
(für sich)
 
 
Nun wird's Zeit, ihn fortzuschaffen! (laut) Nun komm, Alter, komm, wir wollen schlafen gehn!
 
 
(Er hebt ihn auf.)
 
 
Osmin
 
 
Schlafen? – Schämst du dich nicht? – – Gift und Dolch! Wer wird denn so schläfrig sein – es ist ja kaum Morgen –
 
 
Pedrillo
 
 
Hoho, die Sonne ist schon hinunter! – Komm, komm, dass uns der Bassa nicht überrascht!
 
 
Osmin
 
 
(im Abführen)
 
 
Ja, ja – – eine Flasche – guter – Bassa – geht über – – alles! – Gute Nacht – – Brüderchen – gute Nacht. –
 
 
(Pedrillo führt ihn hinein, kommt aber gleich wieder zurück.)
 
 
Neunter Auftritt
 
 
Pedrillo, hernach Belmonte, Konstanze, Blonde.
 
 
Pedrillo
 
 
(macht's Osmin nach)
 
 
Gute Nacht – Brüderchen – gute Nacht! Hahahaha, alter Eisenfresser! erwischt man dich so? Gift und Dolch! – Du hast deine Ladung! Nur fürcht ich, ist's noch zu zeitig am Tage; bis Mitternacht sind noch drei Stunden, und da könnt er leicht wieder ausgeschlafen haben. – – Ach! kommen Sie, kommen Sie, liebster Herr! Unser Argus ist blind; ich hab ihn tüchtig zugedeckt.
 
 
Belmonte
 
 
O dass wir glücklich wären! – Aber sag: Ist Konstanze noch nicht hier?
 
 
Pedrillo
 
 
Eben kommt sie da den Gang herauf. Reden Sie alles mit ihr ab; aber fassen Sie sich kurz, denn der Verräter schläft nicht immer.
 
 
(Während der Unterredung des Belmonte mit Konstanzen unterhält sich Pedrillo mit Blonden, der er durch Pantomime den ganzen Auftritt mit dem Osmin vormacht und jenen nachahmt; zuletzt unterrichtet er sie ebenfalls, dass er um Mitternacht mit einer Leiter unter ihr Fenster kommen wolle, um sie zu entführen.)
 
 
Konstanze, Belmonte (einander im Arme).
 
 
 
 
Konstanze
 
 
O mein Belmonte!
 
 
Belmonte
 
 
O Konstanze!
 
 
 
 
Konstanze
 
 
Ist's möglich? – Nach so viel Tagen der Angst, nach so viel ausgestandnen Leiden dich wieder in meinen Armen –
 
 
Belmonte
 
 
Oh, dieser Augenblick versüßt allen Kummer, macht mich all meinen Schmerz vergessen –
 
 
Konstanze
 
 
Hier will ich an deinem Busen liegen und weinen! – Ach, jetzt fühl ich's – die Freude hat auch ihre Tränen!
 
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N° 15 Aria
 
 
 
 
Belmonte
 
     
 
    Wenn der Freude Tränen fließen,
 
 
lächelt Liebe dem Geliebten hold!
 
 
Von den Wangen sie zu küssen,
 
 
ist der Liebe schönster, größter Sold.
 
 
Ach Konstanze! dich zu sehen,
 
 
dich voll Wonne, voll Entzücken
 
 
an mein treues Herz zu drücken,
 
 
lohnt fürwahr nicht Krösus' Pracht!
 
 
Dass wir uns niemals wiederfinden!
 
 
So dürfen wir nicht erst empfinden,
 
 
welchen Schmerz die Trennung macht.
 
 
Belmonte
 
 
Ich hab hier ein Schiff in Bereitschaft; um Mitternacht, wenn alles schläft, komm ich an dein Fenster; und dann sei die Liebe unser Schutzengel!
 
 
Konstanze
 
 
Mit tausend Freuden! Was wollt ich nicht mit dir wagen? Ich erwarte dich –
 
 
Pedrillo
 
 
Also, liebes Blondchen, pass ja hübsch auf, hörst du's?
 
 
Blonde
 
 
Sorge für mich nicht. Das wär das erste Abenteuer, das ein Mädchen verschlafen hätte.
 
 
Pedrillo
 
 
Du wirst's schon merken, wenn du so was Gesungenes hörst, wie's so meine Art des Abends immer ist; dann pass auf, und dann mit einem Sprung ins Schiff! – Nur hübsch Mut gefasst und nicht verzagt: Wer alles zu verlieren hat, muss alles wagen!
 
 
Konstanze
 
 
Wenn es aber nur glücklich abläuft!
 
 
Belmonte
 
 
Wir wollen's hoffen; die Liebe wird unsre Geleiterin sein.
 
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N° 16 Quartetto
 
 
Konstanze
 
     
 
    Ach Belmonte! ach mein Leben!
 
 
Belmonte
 
 
Ach Konstanze! ach mein Leben!
 
 
Konstanze
 
 
Ist es möglich? Welch Entzücken!
 
 
dich an meine Brust zu drücken
 
 
nach so vieler Tage Leid.
 
 
Belmonte
 
 
Welche Wonne, dich zu finden!
 
 
Nun muss aller Kummer schwinden!
 
 
O wie ist mein Herz erfreut!
 
 
Konstanze
 
 
Sieh die Freudenträne fließen.
 
 
Belmonte
 
 
Holde! lass hinweg sie küssen!
 
 
Konstanze
 
 
Dass es doch die letzte sei!
 
 
Belmonte
 
 
Ja, noch heute wirst du frei.
 
 
Pedrillo
 
     
 
    Also, Blondchen, hast's verstanden?
 
 
Alles ist zur Flucht vorhanden,
 
 
um Schlag zwölfe sind wir da.
 
 
Blonde
 
 
Unbesorgt! es wird nichts fehlen,
 
 
die Minuten werd ich zählen,
 
 
wär der Augenblick schon da!
 
 
 
 
Alle Vier
 
     
 
    Endlich scheint die Hoffnungssonne
 
 
hell durchs trübe Firmament.
 
 
Voll Entzücken, Freud und Wonne
 
 
sehn wir unsrer Leiden End.
 
 
 
 
Belmonte
 
     
 
    Doch ach! bei aller Lust
 
 
empfindet meine Brust
 
 
noch manch geheime Sorgen!
 
 
Konstanze
 
 
Was ist es, Liebster, sprich,
 
 
geschwind, erkläre dich,
 
 
o halt mir nichts verborgen!
 
 
Belmonte
 
     
 
    Man sagt – du seist – –
 
 
(sieht Konstanze stillschweigend furchtsam an)
 
 
Konstanze
 
 
Nun weiter?Schreibvariante in den Textwiederholungen:
Nun weiter –
 
 
(sieht den Belmonte stillschweigend furchtsam an)
 
 
Pedrillo
 
 
(zeigt, dass er wage, gehenkt zu werden)
 
 
Doch Blondchen, ach! die Leiter!
 
 
bist du wohl so viel wert?
 
 
Blonde
 
 
Hansnarr! schnappt's bei dir über?
 
 
Ei! hättest du mir lieber
 
 
die Frage umgekehrt.
 
 
Pedrillo
 
     
 
    Doch Herr Osmin – –
 
 
Blonde
 
 
Lass hören –
 
 
Konstanze
 
 
Willst du dich nicht erklären? –
 
 
(zugleich)
 
 
 
 
Belmonte
 
 
Ich will. Doch zörne nicht,
 
 
wenn ich nach dem Gericht,
 
 
so ich gehört, es wage,
 
 
dich zitternd, bebend frage,
 
 
ob du den Bassa liebst? –
 
 
Konstanze
 
 
(Sie weint.)
 
 
O! wie du mich betrübst!
 
 
Pedrillo
 
     
 
    Hat nicht Osmin etwan,
 
 
wie man fast glauben kann,
 
 
sein Recht als Herr probieret
 
 
und bei dir exerzieret?Schreibvariante in den Textwiederholungen:
bei dir probieret und exerzieret?
 
 
Dann wär's ein schlechter Kauf!
 
 
Blonde
 
 
(gibt dem Pedrillo eine Ohrfeige)
 
 
Da nimm die Antwort drauf.
 
 
 
 
Pedrillo
 
 
(hält sich das Wang)
 
     
 
    Nun bin ich aufgeklärt!
 
 
Belmonte
 
 
(kniend)
 
 
Konstanze! ach vergib!
 
 
Blonde
 
 
(geht zornig von Pedrillo)
 
 
Du bist mich gar nicht wert.
 
 
Konstanze
 
 
(seufzend sich von Belmonte wegwendend)
 
 
Ob ich dir treu verblieb! –
 
 
(anfangs allein, dann alle viere)
 
 
Blonde
 
 
(zu Konstanze)
 
     
 
    Der Schlingel fragt sich an,
 
 
ob ich ihm treu geblieben?
 
 
Konstanze
 
 
(zu Blonde)
 
 
Dem Belmont sagte man,
 
 
ich soll den Bassa lieben!
 
 
Pedrillo
 
 
(hält sich das Wang)
 
 
Dass Blonde ehrlich sei,
 
 
schwör ich bei allen Teufeln!
 
 
Belmonte
 
 
(zu Pedrillo)
 
 
Konstanze ist mir treu,
 
 
daran ist nicht zu zweifeln.
 
 
(zugleich)
 
 
 
 
Konstanze, Blonde
 
     
 
    Wenn unsrer Ehre wegen
 
 
die Männer Argwohn hegen,
 
 
verdächtig auf uns sehn,
 
 
das ist nicht auszustehn.
 
 
Belmonte, Pedrillo
 
 
Sobald sich Weiber kränken,
 
 
dass wir sie untreu denken,
 
 
dann sind sie wahrhaft treu,
 
 
von allem Vorwurf frei.
 
 
 
 
(zugleich)
 
 
 
 
Pedrillo
 
     
 
    Liebstes Blondchen! ach! verzeihe,Schreibvariante in den Textwiederholungen:
Liebstes Blondchen! ach verzeihe!
 
 
sieh, ich bau auf deine Treue
 
 
mehr itzt als auf meinen Kopf!
 
 
Blonde
 
 
Nein, das kann ich dir nicht schenken,
 
 
mich mit so was zu verdenken,
 
 
mit dem alten dummen Tropf!
 
 
Belmonte
 
     
 
    Ach Konstanze! ach mein Leben,Schreibvariante in den Textwiederholungen:
Ach Konstanze! ach mein leben!
 
 
könntest du mir doch vergeben,
 
 
dass ich diese Frage tat?
 
 
Konstanze
 
 
Belmont! wie du konntest glauben,
 
 
dass man dir dies Herz könnt rauben?
 
 
das nur dir geschlagen hat.
 
 
 
 
Belmonte, Pedrillo
 
     
 
    Ach verzeihe!
 
 
Ich bereue!
 
 
Konstanze, Blonde
 
 
Ich verzeihe
 
 
deiner Reue!
 
 
Alle Vier
 
 
Wohl, es sei nun abgetan!
 
     
 
    Es lebe die Liebe!
 
 
Nur sie sei uns teuer,
 
 
nichts fache das Feuer
 
 
der Eifersucht an.
 
 
(alle ab)
 
 
Ende des zweiten Akts.